MIT DEM "BLUT IHRER KINDER"
Mönche vom Berge Athos berichten über die russische Kirche (aus: DT vom 18.01.1978)
"... Wie viele offene Kirchen haben Sie in Ihrer Eparchie, Eminenz?« fragten wir einen hochstehenden Bischof. Dieser antwortete: "Wollen Sie Zahlen? Wir haben keine. Wir haben zahlreiche Kirchen, aber wir können nur einige von ihnen benutzen. Was die Gläubigen anbelangt, so sind es Unzählige, aber sie sind nur im Verzeichnis Gottes registriert. Auch Sie werden diese Gläubigen sehen." Wir haben sie gesehen. Wir haben~ sie überall gesehen: In entlegenen Kirchen, im Kreml, in den Klöstern, in Hotels, in Geschäften,' in Zügen und in Flugzeugen ... Überall ist der Dreieinige Gott verherrlicht. Und mit welcher Frömmigkeit und Bußgesinnung! Mit welcher Selbstlosigkeit und welcher Bereitschaft zum Zeugnis! Welcher Sterbliche könnte die Anpflanzung Gottes zum Welken bringen, geschweige denn sie entwurzeln?
Die russische Frömmigkeit ist für uns eine außerordentliche Offenbarung gewesen... überall, wo man erfuhr, daß wir Mönche vom Athos waren, kamen Menschen, um von uns den Segen zu erbitten... Eine alte Frau sagte uns unter Tränen: "Sie kommen von so weit her! Welcher Engel hat Sie hierhergeführt?" Und sie bat uns, für ihren 22jährigen Sohn zu beten. Dieser hatte zur Behandlung einer schweren Krankheit im Krankenhaus gelegen. Eines Tages denunzierte ihn ein Spitzel der Behörden, indem er berichtete, er habe ihren Sohn beten sehen. Darauf verlegte man den jungen Christen in ein psychiatrisches Krankenhaus ...
Für die Russen ist der Kirchgang ein Fest. Vielfach haben wir an Wochentagen der Liturgie beigewohnt. Überall meinte man, man würde ersticken, so voll war das Gotteshaus. Wir waren schweißgebadet. Die Gläubigen konnten sich kaum bekreuzigen wegen des unvorstellbaren Gedränges. Die Leute standen regungslos aufrecht drei bis sechs Stunden lang. Jede Kirche hat mindestens zwei organisierte Sängerchöre, weil das christliche Volk den Gottesdienst von Anfang an bis Ende mitsingen kann. Wir waren glücklich und bewegt, den Herrn in der russischen Sprache, die für unsere Ohren "wie ein großes Wasserrauschen" klang, gelobt und gepriesen zu hören... Ein Bischof sagte zu uns: "Wir wissen, was von unserer Kirche gesagt wird. Es tut uns weh, wenn wir das hören weil wir keine Möglichkeit haben, das, was sie sagen, zu widerlegen. Sie werfen mir vor, ich sei dies und jenes - doch was kann ich tun, außer geduldig zu sein und mein Kreuz zu tragen und Gott zu loben?" Man fraßt uns: "Leidet Ihre Kirche Verfolgung? - Meine Väter, schaut Euch selber um!... Und wir haben gesehen und festgestellt, daß die Kirche erbarmungslos verfolgt wird; aber verraten, geschweige denn tot, ist sie nicht. Ihre Wächter wachen über sie. Aber dieses Martyrium des Wachens ist oft von einer "Behandlung", ja sogar vom Scheiden aus diesem Leben gekrönt. Es ist wirklich leicht, ein Urteil zu fällen, wenn man weder Erfahrung noch Kenntnis der Bedingungen hat, unter welchen sich dort eine Institution oder eine Person befindet. "Die große Zahl der Märtyrer und Bekenner aus allen christlichen Jahrhunderten ist gering im Vergleich zu der Zahl die unsere Kirche für die Zeit seit 1917 dem Herrn bei seiner Wiederkunft vorweisen wird. Viele Märtyrer sind uns unbekannt. Gott allein kennt sie ..."
Es ist vorgekommen, daß wir Zeugen erschütternder Bekenntnisse des Glaubens durch Mitglieder der Partei oder des Heeres wurden. Besonders beeindruckt hat uns ein öffentliches Bekenntnis, das mit lauter Stimme gemacht wurde. Jemand aus dem Patriarchat sagte danach: "Vielleicht werden wir jetzt unseren Helfer für immer verlieren. Er hat viel für die Kirche getan. Jetzt aber, nach dem Bekenntnis, das er gesprochen hat, wird er bestimmt morgen vor ein Militärgericht gestellt und dann von der Oberfläche verschwinden. Er wird zum Märtyrer gemacht". "Dieses 'Morgen' ist das tägliche 'Heute', das 'Jetzt' für zahlreiche Bischöfe, Priester und gläubige Laien in Sowjetrußland". In Rußland haben wir eine in Gethsemane betende Kirche erlebt, die jedoch von einer großen Hoffnung auf Auferstehung getragen wird. Wir haben sie, mit dem Blut ihrer Kinder geschmückt" und deswegen strahlend vor Herrlichkeit gesehen.
Die Menschen meinen, daß das, was ihnen geschieht, eine vorübergehende Prüfung sei, die ihnen als Strafgericht auferlegt wurde. Ihre Theologie, eine Theologie des Leidens, sieht die gegenwärtige Lage durch dieses "Prisma": "Verfolgung ist das Los der Kirche, der Heide Nero hat sie verfolgt, aber auch der 'orthodoxe' Iwan der Schreckliche at sie verfolgt. Deswegen soll man die Ursache der Verfolgung dort suchen, wo sie zu finden ist. Und wo ist sie zu finden, außer in unseren eigenen Sünden? Erst wenn diese gesühnt sind, dann wird die Kirche wieder frei atmen können ...."
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