ZUR WAHL JOHANNES PAULS I.
von Reinhard Lauth
Lieber Herr Dr. Heller! Sie fragen mich, wie die Wahl Johannes Pauls I. zu beurteilen sei und bitten mich um eine Stellungnahme im Interesse der Leser der EINSICHT, die in dieser Sache zur Klarheit zu kommen wünschen. Ich antworte Ihnen gern, muß aber darauf hinweisen, daß meine Beurteilung nur vorläufigen Charakter haben kann und nur als Privatmeinung anzusehen ist, da mir zuviele sachliche und rechtliche Punkte in der ganzen Sache nicht klar sind.
Zunächst zur Wahl selbst: Bedenklich muß hier erst einmal stimmen, daß die Kardinäle über einer gewissen Altersgrenze von der Wahl ausgeschlossen blieben, und zwar auf Grund einer Anordnung, die Paul VI., selbst wenn er zu dieser Zeit noch Papst gewesen wäre, nur de facto, nicht aber de ihre (rechtmäßig) treffen konnte.
Sodann erhebt sich die viel schwerwiegandere Frage, ob das Konklave überhaupt noch als rechtmäßiges Konklave angesehen werden kann. Sind nicht alle Kardinäle Häretiker oder Apostaten, folglich nicht mehr als Mitglieder der Kirche anzusehen? Es ist klar, daß, wenn dies der Fall gewesen sein sollte, gar kein Konklave stattgefunden hat und von einer Papstwahl nicht die Rede sein kann. Es muß mindestens eine pars minor et senior, ein gesund(er) urteilender kleinerer Teil von rechtgläubigen Bischöfen gewählt haben.
Nun nehme ich allerdings vermutungsweise an, daß dies der Fall ist. Man muß nämlich damit rechnen, daß unter den Wahlberechtigten außer den Verrätern auch solche gesessen haben, die den Herrn nur verleugneten, d.h. aus Feigheit zwar die alte hl. Messe in der von Pius V. vorgeschriebenen Form aufgegeben, die neue sog. 'Messe' aber stillschweigend validísiert haben. Ich erinnere nur an Kardinal Siri von Genua, der ein Buch veröffentlicht hat, in dem er sich klipp und klar dahingehend äußert, daß die Wandlungsworte "für alle" eine Verfälschung der Worte Christi darstellen, und der seinerzeit die Veröffentlichung des Artikels VII der neuen 'Meß'ordnung in seiner Diözese untersagt hat. Es ist möglich, daß solche Kardinäle, die nur zum Schein den neuen 'Ordo' in einer der vorgeschriebenen angenäherten Form zelebrier(t)en, gültig wählen konnten. Immerhin haben solche Kardinäle zum mindesten den neuen Ordo in ihrer Diözese zelebrieren lassen, und ich weiß nicht, ob dies bloß als schwere Sünde anzusehen ist oder sie zu formellen öffentlichen Häretikern macht. Muß man nicht soweit gehen, dann hätte ein Konklave stattgefunden.
Es stellt sich aber sodann die weitere Frage, ob gerade diese Kardinäle den Patriarchen Luciani gewählt haben. Das kann man nicht wissen, und das wird, wenn es der Ordnung nach hergeht, nie jemand wissen (außer die Betreffenden von sich selber). Man kann aber eine auf Wahrscheinlichkeiten begründete Vermutung anstellen. Es scheint, daß nicht der Mann gewählt wurde, den sich Villot und seine Reformerclique gewünscht hätten. Man kann davon ausgehen, daß von Anfang an kaum ein anderer als ein Italiener zur Debatte stand. (Nichtitaliener wären erst ernstlich in Betracht gekommen, wenn keiner der italienischen Kandidaten Aussicht gehabt hätte, die nötigen Stimmen zu erlangen.) Die Italiener waren dem Vernehmen nach in einen 'konservativen' und in einen etwas zahlreicheren reformerischen Flügel geteilt. Da die Wahl sehr schnell zustandekam, ist zu vermuten, daß sehr rasch die afrikanischen, asiatischen und südamerikanischen Kardinäle in ihrer Mehrzahl sich für den Kandidaten Luciani entschieden haben. Ist diese Rechnung richtig, dann ist auch anzunehmen, daß Luciani die Stimmen der rechtgläubigen Simulanten erhalten hat. In diesem Fall könnte das Konklave tatsächlich einen Papst gewählt haben.
Ich kann dies nur mit aller Vorsicht vermutungsweise sagen und werde mich um größere Gewißheit bemühen. Sie wissen selbst, daß wir zwar heute unvergleichlich bessere technische Informationsmittel haben als unsere Vorväter, aber auch unvergleichlich unsicherere Nachrichten erhalten, die zum größten Teil nicht zureichend überprüfbar sind. Außerdem bin ich kein Kirchenrechtler, muß also gewärtig sein, daß mir einschlägige Bestimmungen nicht bekannt sind. Ich betrachte diese Stellungnahme auch nur als den Anfang eines klärenden Gesprächs und bitte sie nicht anders aufzufassen. Die Richtigkeit der vorhergehenden Gedankengänge vorausgesetzt, bleibt aber noch das schwierigste Problem: Ist der Gewählte selbst überhaupt im Moment seiner Wahl rechtgläubig gewesen oder hatte er sich schon zuvor öffentlich als Häretiker bzw. Apostat manifestiert? Hier fehlen mir wieder die nötigen Fakten. Hat z.B. Luciani die gefälschten Wandlungsworte gebraucht oder hat er immer lateinisch zelebriert bzw. zum mindesten konsekriert und nur pro multis verwendet? Hat er im übrigen den Ordo stillschweigend validisiert, z.B. durch Einfügung einer eindeutigen Opferung?
Höchst wahrscheinlich hat er den neuen Ordo auf italienisch` gefeiert und sicher hat er diesen Ordo auch in seiner Diözese eingeführt. Man kann natürlich fragen, ob er das in Erkenntnis der Ungültigkeit desselben getan hat oder - wie bei Italienern nur zu üblich - in bedingungslosem Gehorsam, d.h. in Gehorsam gegenüber den Anordnungen des 'Hl. Vaters' auch da, wo solche Anordnungen demselben von rechtswegen gar nicht zustanden? Aber diese Frage tut nichts zur Sache. Als Bischof mußte er selbst wissen, was er hinsichtlich der hl. Messe zu tun hatte. Man muß also davon ausgehen, daß Luciani als Häretiker gewählt worden ist. Soviel ich aber weiß, sind durch eine Bestimmung Papst Pauls IV. Häretiker amtsunfähig. Subjektiv freilich macht Luciani einen ehrlichen Eindruck; aber Eindrücke können auch trügen. Ist er ehrlich, so ist er sicherlich kein verstockter Sünder.
Vorläufig existieren jedenfalls die Döpfner- und Königkirchen mit ihren Waschbänken und Tabernakelsafes munter weiter, werden die gefälschten Wandlungsworte verwendet und die Anwesenden mit gewöhnlichem Brot abgespeist. Es versteht sich wohl von selbst, daß wir mit dieser 'Kirche' keine Gemeinschaft haben und dahin nicht zurückkehren können.
Wie aber, wenn der Neugewählte mit Antritt seines neuen Amtes, das er vielleicht subjektiv ehrlich für das Papstamt hält, zum rechten Glauben und zu dem Mut, ihn öffentlich zu bekennen und zu verteidigen, zurückfindet, müßte man ihn dann nicht doch als Papst ansehen? Ich glaube, es ist gerade diese Frage, die sich zur Zeit viele treugebliebene katholische Christen stellen. Es ist schwer, auf lange Dauer und ohne Aussicht auf eine Lösung gegen eine erdrückende Mehrzahl von angeblichen Katholiken zu stehen. Mehr als in jedem anderen Kampfe sehnt man sich im Bürgerkrieg nach Frieden.
Ich fürchte, ein Teil unserer rechtgläubig Gebliebenen wird der Gefahr dieser Annahme erliegen, zumal, wenn, wie man jetzt schon hört, daß es geschehen soll, der neue 'Papst' auch die tridentinische Messe (unter bestimmten Beschränkungen) wieder zuläßt. Dennoch muß die Antwort klipp und klar lauten: Nein, Luciani ist auch dann kein Papst! -
Hier beginnt sich nun allerdings schon zu rächen, daß die rechtgläubig gebliebenen katholischen Christen, allen voran Erzbischof Lefebvre bis heute keine formelle Anklage gegen Paul VI. und dessen neue 'Meß'Ordnung erhoben haben. De Nantes*) schrieb noch in der Märznummer der CRC dieses Jahres: "Ich habe Mgr. Lefebvre inständig gebeten, möglichst bald zu erklären, daß er sich dem Gehorsam gegenüber einem Papst und einem Konzil entziehe, die häretisch sind und hartnäckig die Zerstörung aller Bastionen der katholischen rechtgläubigen Gegenreform betreiben. Wenn er stattdessen nur seine vertrauens- und verehrungsvollen Anrufe an den Papst (Anm.d.Red.: an Paul VI.) verstärken wolle, setze er sich von vornherein ohne mögliche Verteidigungsposition den Schlägen aus, die sein Werk treffen werden. Er hat nicht auf mich gehört. Was er demnach nunmehr tut, das tut er im Zeichen des Ungehorsams [...]. Trostlos, daß man sich ao im Unrecht zu setzen versteht, wo man im Grunde durchaus Recht hat."
Man muß nur hinzufügen, daß auch der Liber accusationia de Nantes' nicht eine in juristisch vertretbarer Form eingereichte Anklage darstellt. Die Folge dieser Situation, auf die ich übrigens in einem meiner nächsten Beiträge zurückkommen möchte, ist, daß juridisch gesehen keine sichtbare Kirche zu erkennen ist. Die Reform Kirche stellt Christi Wort und Tat nicht mehr dar; die Rechtgläubigen aber haben sich juridisch nicht formiert. Daß es versäumt wurde, die juristische Klärung herbeizuführen, litt eine ungeheure Verantwortung auf die Schultern dessen bzw. derer, die diesen Schritt zu tun hätten.
Nach wie vor ist die dringendste Aufgabe, daß ein Konventus aus dem römischen und Weltklerus zusammentritt und die Deposition Pauls VI. juridisch verbindlich feststellt. Danach muß zu einer neuen Papstwahl fortgeschritten werden. Wir haben aber zur Zeit noch gar keine Aussicht, daß ein solcher Konvent zusammenträte. Wir befinden una in einer außergewöhnlichen, endzeitlichen Notsituation, in dem ungeheuerlichen Zustand, daß die Kirche Christi nicht mehr sichtbar ist.
*) der allerdings seinerseits einen abscheulichen Eiertanz um den Neugewählten begonnen hat und ihn zu einem Pius X. erklärt, der selbst nur nicht von sich wisse, daß er einer sei.
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