DIE SEXUALMORAL
von Alois Jurator (bereits erschienen bei: K. u. I. Haselböck, "Freude an der Wahrheit", A I090 Wien,-Nr.28)
Ich aber sage euch: Jeder, der ein Weib ansieht, um es zu begehren, hat schon in seinem Herzen die Ehe mit ihr gebrochen (Mt.5,27). Mit diesen Worten hat Christus deutlich gewarnt: Wehret den Anfängen, wehret den Ursachen. Wenn wir auf gleichem Gebiet bei denen, welche als Bischöfe auftreten, nach Grundsätzen rätseln, so scheint nichts sicherer zu sein als ihr fester Vorsatz: Stört die Anfänge nicht und pflegt die Ursachen. Jedenfalls widersprechen die tatsächlichen Handlungen dieser Herren diesem 'Grundsatz' nicht.
SEXUALERZIEHUNG AM DEN SCHULEN
Bekanntlich haben die "Deutschen Bischöfe" dieses Staatsverbrechen akzeptiert. Man hält sich an Kardinal Döpfners Parole "Schulische Geschlechtserziehung positiv beeinflussen". Was steckt nun hinter.dem was diese Herren schon jahrelang 'positiv beeinflussen'? Lesen wir zunächst, was Dietrich von Hildebrand darüber schreibt:
Bei der Schulsexualerziehung handelt es sich um die Vermittlung einer Karikatur der Sexualität und um die Zerstörung von Ehrfurcht und Schadhaftigkeit ... Töten werden sie die wahre, echte, gottgewollte Anziehungskraft und den Zauber des Sexuellen, nicht aber die körperliche Begierde danach. Im Gegenteil: sie werden den Weg bahnen für eine Isolierung des Sexuellen, für die Entweihung des Geheimnisses, für den Greuel der Unreinheit. Töten werden sie die heilige Scheu, Anstand und Schamgefühl. Sie wollen, daß die Kinder über jegliche Perversität unterrichtet werden. Kann man sich noch etwas Dümmeres vorstellen? Haben sie vergessen, was der heilige Paulus gesagt hat, nämlich daß es Dinge gibt, die unter uns nicht einmal genannt werden sollen? Aber, wie gesagt, die sittlichen Folgen sind nicht der einzige Gesichtspunkt. Der Schul Sexualunterricht ist schon vom blossen menschlichen Standpunkt aus eine Perversion, denn er verdreht die Rolle, welche das Sexuelle im Leben des Menschen spielen sollte, und verbaut das große Glück, welches das Sexuelle einem Ehepaar als Ausdruck seiner Liebe und als Verwirklichung seiner Einheit bringen kann, (aus DER FELS, Nr.8/71)
Selbst Bischof Dr. Rudolf Graber gesteht: "In diesem Klima gedeiht kein Priester- und Ordensberuf. Hier sind wir am Ende." Leider scheint er trotz dieser Erkenntnis den eingangs unterstellten Grundsatz auch nicht weiter verletzen zu wollen. Allgemein tröstet man sich, daß es eben auf die Art ankommt, wie dieser Unterricht gegeben werde, und man glaubt so, auf eine konsequente Gegnerschaft verzichten zu können.
Nehmen wir einen Bericht über einen Unterricht, der auf "gute Art" (soweit das überhaupt noch möglich ist gegeben wurde: Ein katholischer Biologie-Lehrer, der diesen Unterricht nur mit Gewissensbedenken erteilt und der im Unterricht ganz offen die Heiligkeit und Einmaligkeit der Ehe betont; der sich auch bemüht, der Kindern die biologischen Bedenken gegen den Partnerwechsel nahezubringen, muß es dann erleben, daß ein sympathischer Schüler zu ihm kommt und sagt: 'Man merkt es, daß Sie sich große Mühe mit dem Unterricht geben. Aber wenn Sie nun alles so genau erklärt haben, dann will man "es" auch einmal probieren.' (H.Schulze in DER FELS, 76/367). Leider müssen wir davon ausgehen, daß Leute, welche den Schulsexualunterricht beibehalten wollen, durch dieses hier treffend charakterisierte Ergebnis auch nicht aufgeschreckt werden. "Hirten", welche über den vorehelichen Geschlechtsverkehr neue Wertmaßstäbe verbreiten und der Straffreiheit für Abtreibung zustimmen, werden sich auch hier kaum daran erinnern, daß es unveränderliche Gesetze gibt. Näheres bei den entsprechenden Themen.
WO SIND NUN DIE URSÄCHLICHEN VERFEHLUNGEN?
Die Sexualerziehung steht den Eltern zu. Dieses Recht gehört weder dem Staat noch den religiösen Gemeinschaften!. Darum können diese überhaupt nicht darüber verhandeln und beschließen - es sei denn, daß sie die Feststellung treffen, daß sie nicht zuständig sind. Auch die allgemeinen Elternvertretungen können nicht Tiber das Recht eines einzelnen Elternpaares verfügen. Dagegen hat das einzelne Elternpaar das Recht, die sexuelle Aufklärung an ihm geeignet erscheinende Personen zu delegieren. Die rechtswidrige Zustimmung von katholischer Seite wird dadurch noch verwerflicher, da sie in einer Zeit erfolgte, in welcher jedem klar war, daß kaum ein Lehrer oder Priester zu finden ist, welcher die unverfälschte katholische Sittenlehre vertritt. Es muß auch als Verhöhnung der Eltern gewertet werden, wenn - nachdem dem Staat die entscheidenden Vollmachten zugespielt wurden - man die Eltern auf ihr "Mitwirkungsrecht" verweist.
Die Schäden, welche vom Verbrechen Sexualerziehung an den Schulen - Zwangserziehung zur Unzucht - entstehen, sind unabsehbar. Allein für das, was bisher schon geschehen ist, fehlen einem die Worte. Im Grunde wirkt jede Beschreibung wie eine Verharmlosung des Tatsächlichen. Dabei muß man bedenken, daß die ganze böse Saat beständig wächst. Die satanischen Möglichkeiten sind noch in keiner Weise ausgeschöpft. Wir zehren immer noch von der alten Ordnung. Trotz der verwerflichen neuen Gesetze und Grundsätze wirkt die alte Ordnung noch eine Zeitlang nach. Selbst jene, welche die wahren Gebote ganz und bewußt verlassen, entbehren nicht schlagartig alle guten Einflüsse derselben. Auf sexuellem Gebiet zeigt sich ganz besonders, daß man sich beim bewußten Verlassen der Gottesordnung nicht etwa auf einen neuen festen Standpunkt begibt, sondern daß man ins Endlose abgleitet.
Was bleibt da noch zu tun? Menschlich gesehen sind wir absolut am Ende. Aber wo wir am Ende sind, hat Gott immer noch Seine Allmacht. Seine Hilfe ist uns nahe, wenn wir uns über unser Unvermögen im klaren sind, und trotzdem bereit sind das zu tun, was Er von uns will. Bitten wir die Gottesmutter, daß sie unsere Kinder als ihre Kinder annehme. Das geschieht am besten bei der Heiligen Messe. Pater Martin von Cochem schreibt: Christus erneuert in der Heiligen Messe Sein inciden, damit die Gläubigen, die damals beim Kreuzesopfer nicht zugegen sein konnten, diesem zu allen Zeiten durch die Heilige Messe beiwohnen können. Dadurch erwerben sie sich so viel Gnaden un‚ Verdienste, wie wenn sie unter dem Kreuz gestanden hätten, sofern sie es mit der gleichen Andacht tun. Hier liegt unsere Hoffnung, denn gerade in Bezug auf die Kinder haben wir beim Kreuzesopfer großen Trost. Hier gab Christus Seine Mutter dem Johannes zur Mutter, und bei der Heiligen Messe gibt Er sie auch uns und unseren Kindern zur Mutter, wenn wir Ihn darum bitten. Die Rettung der Kinder kann nur noch so weit erroigen wie es gelingt, die Eltern und Kinder auf diesen Zufluchtsort aufmerksam zu machen und sie dem Schutz der Gottesmutter zu unterstellen.
ABTREIBUNG - WER KÄMPFT GEGEN WAS?
Für Katholiken, die der traditionellen Lehre treugeblieben sind, und interessanterweise auch für die extremen Gegenspieler, welche meinen, die zehn Gebote ignorieren zu können, gibt es keinen Zweifel: Abtreibung ist Tötung eines menschlichen Lebens. Leute, die hingegen einen offenen Gegensatz zum Gottesgebot tarnen wollen, bevorzugen Interpretierversuche, bei welchen man so tut, als ob in einer gewissen Zeit nach der Empfängnis im Falle der Abtreibung keine "personale Existenz" getötet werde. Diese Versuche sind jedoch nicht überzeugend, und sind wohl auch nicht zum Zweck ernsthafter Überzeugung gemacht worden: sie sind vielmehr zur Gewissensberuhigung für das progressistische Fußvolk geschrieben, dem man nicht auf Anhieb sagen will, daß man nun auch das Fünfte Gebot der jeweils gängigen Interpretation untergeordnet hat. Typisch für diese Art der Meinungsmache sind zum Beispiel die Ausführungen der damals von den deutschen Bischöfen ins Leben gerufenen Zeitschrift PUBLIK. In Nr. 44 vom 30.10.1970 schreibt Gottfried Kellermann unter dem Titel: Wann beginnt das Leben? neben vielem anderen: Da Strukturen die Grundvoraussetzungen für Funktionen sind, Funktionen aber auch die Ausreifung der Strukturen bestimmen, ist schon die Anlage des Großhirns das entscheidene Kriterium für eine künftige personale Existenz. Vom vierzigsten Tag nach der Befruchtung muß dem Keim die besondere Schutzwürdigkeit zugesprochen werden, die einem Menschen zukommt. Die Schwangerschaftsunterbrechung von diesem Zeitpunkt an müßte dann ebenso gerechtfertigt werden wie die Tötung eines außerhalb des Mutterleibes lebenden Menschen. ... Eine Abtreibung ist anthropologisch also nur in den ersten sechs Wochen nach der Befruchtung zu verantworten, sofern die Verhütung der Schwangerschaft vorher nicht möglich gewesen war.
Bezüglich des Gebotes Du sollst nicht töten! sind also drei Haltungen charakteristisch:
1. Unterwerfung: Wer sich bejahend unter Gottes Gebot unterwirft, der kann keine Gründe für Abtreibung anerkennen. Die dementsprechende Grundlage ist das ewige Gesetz Gottes. 2. Verneinung: Wer die Gesetze Gottes ignoriert, dem kann praktisch jeder Grund recht sein; wie zum Beispiel das Schlagwort 'Mein Bauch gehört mir'. Die Grundlage solchen Denkens ist die Gesetzlosigkeit. 3. Aushöhlung: Wer bereit ist, Gottes Gebot interpretierend auszuhöhlen, der wird nachfolgende Argumente als angemessen akzeptieren: Vor der Bundespressekonferenz sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Julius Kardinal Döpfner, am 17.4.74 in Bonn, die katholische Kirche erhebe keine Bedenken gegen den Minderheiten-Entwurf der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Dieser Entwurf sieht eine erweiterte medizinische Indikation vor. Danach soll Abtreibung straffrei bleiben, wenn Gefahr für das Leben oder die körperliche und seelische Gesundheit der Mutter besteht. Die medizinische Indikation liegt nach diesem Entwurf jedoch auch dann vor, wenn Vergewaltigung als Ursache der Schwangerschaft oder zu befürchtende Schädigung des ungeborenen Kindes bei der Mutter psychische Krankheit auslösen oder auszulösen drohen. Darüber hinaus ist für den Entwurf eine 'Bedrängnisklausel' vorgesehen, die es Richtern ermöglichen soll, Frauen, die ohne Rechtfertigung durch die medizinische Indikation, aber unter besonderer Bedrängnis abgetrieben haben, auf dem Wege des Gnadenerweises im Einzelfall straffrei zu lassen. (Deutsche Tagespost vom 19./20.4.74. Ähnliches will anscheinend auch Dr. Albert Ziegler S.J. sagen: In gewissen Fällen kann unter Umständen schon, daß das Lebewesen zwar eine biologische, aber keine echte mitmenschliche Lebenschance hat, und zwar nicht bloß aus sozialen, sondern auch aus biologischen Gründen. Hier steht das mutmaßliche Schicksal dieses armen Geschöpfes zugleich mit der Belastung der ganzen Gemeinschaft dem biologischen Abbruch der Schwangerschaft gegenüber. Ist nicht der biologische Lebensabbruch gegenüber einer bloß biologischen Lebenserwartung vorzugswürdig? (Konradsblatt Mr.24 vom 13.7.1971)
Auch die Meinung von Gottfried Kellermann geht in diese Richtung: Die Entscheidung für oder gegen ein Kind kann daher im allgemeinen schon getroffen werden, bevor ein Werdeprozeß beginnt. Ist aber dieser durch eine Zeugung einmal eingeleitet, so bedeutet dies eine Vorentscheidung auf øin Kind hin, die ohne entsprechende wichtige Gründe nicht zurückgenommen werden kann. Derartige Gründe können beispielsweise Vergewaltigung, Unachtsamkeit oder Unwissenheit sein. (PUBLIK Nr.44, 30.10.1970)
Die Grundlage für ein solches Denken ist die Willkürgesetzgebung. Das wird besonders deutlich, wenn wir beachten, welche Folgerungen aus den akzeptierten Gründen logischerweise abgeleitet werden müssen. Als Erstes ergibt sich aus den aufgezeigten Argumenten die Vermessenheit, der Mensch sei Herr über das Leben, der Mensch entscheidet, wer zu sterben hat. Das ist eine für den Katholiken, aber auch für viele andere, völlig verwerfliche Lehre. Damit dies nun nicht so leicht erkannt wird, hat man eine interessante, aber trotzdem nicht überzeugende Ablenkung. So schreibt z.B. Dr. Albert Ziegler S.J. im KONRADSBLATT vom 13.6.1971:
Die traditionelle Moraltheologie hat nun aber das Töten gerade nicht als etwas bereits in sich Böses betrachtet. Denn gerade sie anerkennt zwei Ausnahmen vom Tötungsverbot, nämlich die Tötung eines ungerechten Angreifers und die Anwendung der Todesstrafe. So problematisch uns heute beide Ausnahmen ersaheinen mögen, so zeigen sie doch das eine: Auch und gerade nach der herkömmlichen Moraltheologie stellt das menschliche Leben keinen absoluten Wert dar (der als solcher nie und unter keinen Umständen einem anderen Wert geopfert werden darf). Mit anderen Worten: Das Tötungsverbot ist nicht so absolut, daß es nicht Ausnahmen zuläßt.
Wie werden diese Ausnahmen von der Regel gerechtfertigt? Durch das Prinzip der sogenannten Güterabwägung. Das heißt: man stellte das Gut jenes Lebens, dessen Tötung in Frage steht, anderen Gütern gegenüber: im Falle individueller Notwehr dem Gut des eigenen Lebens, im Falle der Todesstrafe dem des friedlichen Zusammenlebens innerhalb der Gemeinschaft.Anschließend wog man diese beiden Güter gegeneinander ab und kam zum Ergebnis, daß in diesem bestimmten Fall das Gut des eigenen Lebens bzw. das Gut des friedlichen Zusammenlebens gegenüber dem Lebensgut des anderen vorzugswürdig sei. Die zwei genannten Ausnahmen von Tötungsregel leuchten besonders ein. Aber lassen sich nicht auch andere Ausnahmen denken?
Auf diese Weise suggeriert Ziegler die Irrlehre, die Legitimation zur Abtreibung lasse sich in gewissen Fällen aus der traditionellen Lehre der Kirche ableiten Das ist eine sehr bösartige Unterstellung. Die wirklichen Tatsachen kennt er anscheinend nicht, oder er will sie bewußt nicht erwähnen. Sein Zauberwort heißt "Güterabwägung". In Wirklichkeit sind diese Ausnahmen niemals durch das Prinzip "Güterabwägung" - sprich: Wahl des kleineren Übels - gerechtfertigt worden. Die Güterabwägung ist nur ein Scheingrund, den man offensichtlich deshalb in diese Debatte gebracht hat, weil sich damit nahezu alles rechtfertigen läßt. Da Gott aber das Tötungsverbot und die erlaubten Ausnahmen unmöglich einer uferlosen Interpretierkunst untergeordnet hat, so scheidet das Prinzip "Güterabwagung" allein schon deshalb aus, weil es nicht abgrenzbar ist. Das Recht zu toten kommt vielmehr aus der von Gott dem Staat gegebenen Verpflichtung die Übeltäter strafen und die Unschuldigen in Schutz nehmen (Rom.Katechisnus, S.312). Diesen Auftrag hat der Staat nicht nur im Landesinneren zu verwirklichen, sondern es verpflichtet ihn auch, von außen kommende Übeltater abzuwehren. Auch das Recht der Notwehr des Einzelnen resultiert aus der Aufgabe des "in Schutz nehmens". Und zwar hier auf Grund eines Notfalls, bei dem der Staat nicht zur Stelle ist.
Die Verwerflichkeit der nach dem Prinzip "Güterabwägung" versuahten Rechtfertigung ergibt sich auch aus folgendem: Im legitimen Fall legt der Staat fest, bei welchem Verbrechen der Übeltäter sich gleichsam selbst für seinen Tod entscheidet. Bei der "Güterabwägung" maßt sich der Staat das Recht an, darüber zu entscheiden, welcher willkürlich ausgesuchten Personengruppe er den Schutz fur das Leben verweigert. Man könnte zwar sagen, in beiden Fallen legt der Staat fest, welche Personengruppe getötet werden darf. Der gewaltige Unterschied besteht jedoch darin, daß die erste Gruppe sich den Tod selber wählt: nämlich durch das Begehen des todeswurdigen Verbrechens, während die zur zweiten Gruppe Zugehörigen ohne eigenes Zutun, allein auf Grund der von außen kommenden Willkur, sich in der "Freiwild-Gruppe" befinden. Die fatale Nebenwirkung, welche die Freigabe der Abtreibung mit sich bringt, ist das dem Staat stillschweigend zugestandene Recht zur Abgrenzung von "Freiwild-Gruppen" .
Diese Anmaßung des Staates steckt aber nicht nur hinter irgendeinem Versuch, die Abtreibung straffrei zu lassen, sondern genausogut hinter dem von Kardinal Döpfner akzeptierten Minderheitenentwurf der CDU/CSU. Auch wenn Dopfner erklart, daß die Kirche ihr Einverständnis nur in Anbetracht der politischen Lage, schweren Herzens, u.s.w. gegeben habe, so ist dadurch die verbrecherisch gegebene Zustimmung doch nicht widerrufen. Auch seine Versicherung, dies andere nichts daran, daß unabhängig vom Gesetz in jedem Fall die sittlichen Maßstabe fur die Katholiken ihre volle Gültigkeit behielten, ändert nichts an der Tatsache, daß Döpfner dem Staat etwas zugebilligt hat, wozu niemand berechtigt sein kann; etwas, das sich nicht lange auf die erste betroffene Gruppe beschränken läßt. In der Tat sind schon langst, selbst in "katholischen" Blättern, die geeigneten Argumente zur Rechtfertigung der Euthanasie zu finden.
Nehmen wir als Beispiel nochmals Ausführungen von Dr. Albert Ziegler S.J. Unter der Überschrift: "Der Tod kurz nach der Geburt" schreibt er im KONRADSBLATT VOM 13.6.1971: Ferner sind vorgeburtlich feststellbare Erbschädigungen bekannt. Manche sind so schwer, daß das Kind eine Lebenserwartung von höchstens zwei Jahren besitzt, innerhalb derer es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit qualvoll sterben wird. Auf der anderen Seite steht als konkurrierender Wert vielleicht die seelische Gesundheit einer Mutter und das Wohlergehen einer Familie, die, durch das Schicksal des Kindes schwerwiegend betroffen, in hohem Maße gefährdet erscheinen. Gewiß kann auch ein solches Schicksal fur Mutter und Familie zitn Segen werden. Aber es muß nicht. Es kormt auf die seelische Belastbarkeit der Mutter und die soziale Tragfähigkeit der Familiengemeinschaft an. Konnte nicht auch in einem solchen Falle rettbares mitmenschliches Leben gegenüber einem biologisch nicht-rettbaren, zu personaler Mitmenschlichkeit nicht-gelangenden Lebens vorzugswürdig erscheinen?
Nehmen wir jetzt den gleichen Text nochmals, nur ganz leicht geändert, damit wir - nach Zieglers Mitmenschlichkeitsrezepten - auch irgendeinen Großvater von seinem Leiden befreien können; dann mußte es etwa wie folgt heißen: "Ferner sind eindeutig feststellbare Krankheitsherde bekannt. Manche sind so schwer, daß der Großvater eine Lebenserwartung von höchstens zwei Jahren besitzt, innerhalb derer er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit qualvoll sterben wird. Auf der anderen Seite steht als konkurrierender Wert vielleicht die seelische Gesundheit der Tochter und das Wohlergehen ihrer Familie, die, durch das Schicksal des Großvaters schwerwiegend betroffen, in hohem Maße gefährdet erscheint. Gewiß kann auch ein solches Schicksal für Tochter und Familie zum Segen werden. Aber es muß nicht. Es kommt auf die seelische Belastbarkeit der Tochter und die soziale Tragfähigkeit der Familiengemeinschaft an. Konnte nicht auch in einem solchen Falle rettbares mitmenschliches Leben gegenüber einem biologisch nicht-rettbaren, zu personaler Mitmenschlichkeit nicht mehr gelangenden Lebens vorzugswürdig erscheinen?
Sie sehen, es muß in dem zur Rechtfertigung der Abtreibung verfaßten Abschnitt außer den Namen nicht viel geändert werden, dann laßt sich gerade so gut auch die Euthanasie rechtfertigen: mit Theorien, welche den "bischöflichen" bzw. "katholischen" Blättern entnommen sind.
Kann man hier noch Hilflosigkeit oder Unwissenheit annehmen, wo eine auf ihre Art geniale Kunst gezeigt wird, welche die heiligen Werte wahrend der demonstrativen 'Verteidigung' vernichtet, wobei die teuflischen Untaten wahrend der zur Schau gestellten Bekämpfung gefordert werden? Sollen wir da noch glauben, die "Bischöfe" verteidigten den Schutz des menschlichen Lebens? An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen!
FÜR VERLOBTE EINE KLEINERE SÜNDE?
Im Bereich der Sexualerziehung an den Schulen, sowie in ähnlicher Weise betreffend Straffreiheit für Abtreibung, haben die bischofliehen Amtsinhaber durch ihre Taktik dazu beigetragen, daß über die Betroffenen hinweg entschieden werden kann, bzw. daß sie ans Messer geliefert werden können.
Die verheerenden Verwüstungen beschränken sich jedoch nicht auf diese beiden Bereiche, sondern treffen das ganze Gebiet der Sittenlehre. Betrachten wir hier noch eine Irrlehre, welche im Hirtenwort der deutschen Bischöfe zu den Fragen der Geschlechtlichkeit neben vielem anderen Gift noch zu finden ist. Die Herren versuchen eine Wertung des vorehelichen Geschlechtsverkehrs und meinen, daß sich die völlige Hingabe bei Verlobten oder fest Versprochenen von den unpersönlichen und bindungslosen Sexualbeziehungen als der eigentlichen Form der Unzucht unterscheiden. Man kann da naturlich vieles unterscheiden. Leider muß aus diesem Machwerk aber jeder heraushören, daß es für Verlobte und fest Versprochene wenn schon eine, dann eben eine kleinere Sunde sein soll. Da dieses Gift inzwischen sehr verbreitet ist, wollen wir der Frage auf den Grund gehen und auch zu klären versuchen, ob sich die traditionelle Lehre der Kirche in diesem Punkt ändern kann. Wir wollen sogar so weit gehen und fragen: wären wir nicht auch glücklich, oder etwa noch glücklicher ohne Gebote? Hat man vielleicht doch des Guten etwas zu viel getan und überall Verbotstafeln aufgestellt, wo Lust und Freude hätten geschenkt und erlebt werden sollen? Wir sind zunächst einmal versucht zu sagen: alles erlaubt - welch ein Glück! Wenn wir dann aber ernüchtert sagen "alles erlaubt", und dabei uns vorstellen, was andere Zeitgenossen unter dieser Losung fur Plane verwirklichen werden, so befällt uns ein ganz anderes Gefühl; selbst schon dann, wenn wir nicht gleich an Mord und Vergewaltigung denken. Wir wünschen uns dann sehr schnell wieder, daß der Mensch ein Gewissen habe, und daß er es nicht nach der Tagesmeinung oder nach eigenem Gutdünken bilden dürfe; sondern daß er sein Gewissen an unveränderlichen Gesetzen orientieren muß. In Form der Gebote hat uns Gott diese unveränderlichen Gesetze gegeben. Wenn wir uns Gedanken darüber machen, welchen Schutz wir durch die Gebote bekommen haben und immer noch bekommen - denn selbst jene, welche man ablehnt, wirken noch eine gewisse Zeit nach - dann sollte uns das Danken dafür nicht schwerfallen. Nehmen wir nur ein Beispiel. Wenn wir irgendtwas haben, vor das wir das Wort "mein" setzen können, dann nur deshalb, weil es Gebote gibt und weil sich irgendwelche Leute daran halten. Nur deshalb kann ich sagen: mein Leben, meine Familie, mein Heim, oder im religiösen Bereich zum Beispiel; mein Beichtvater. Die Aufzählung könnte endlos fortgesetzt werden. Wir haben diese Sicht der Dinge weitgehend vergessen und müssen umdenken: die Gebote sind Geschenke! Sie sind zwar in erster Linie zur Ehre Gottes und zu unserem ewigen Heil gegeben, aber auch für unser irdisches Wohl.
Durch diese grundsätzliche Feststellung soll nun zunächst das Verbot des vorehelichen Geschlechtsverkehrs nicht unbesehen zu den Geboten gezahlt werden. Denn so wörtlich finden wir das nicht in der Bibel. Was liegt Zwingendes vor, daß die Kirche das sechste Gebot so auslegen und den vorehelichen Geschlechtsverkehr verbieten muß? Christus hat das Hauptgebot der Liebe gegegeben, und daran muß sich die Auslegung der anderen Gebote orientieren. Könnte die Kirche den vorehelichen Geschlechtsverkehr, unter Beachtung des Hauptgebotes der Liebe, auch erlauben?
Betrachten wir das einmal von den diesseitigen Interessen des Menschen aus. Nicht well diese Perspektive wichtiger wäre als die Argumente, die in Bezug auf die ewige Seligkeit angeführt werden mußten, sondern weil die moderne Verfuhrung ihre Argumente größtenteils aus dem Diesseitigen herleitet.
SCHUTZ DES KINDES
Gehen wir einmal von den Interessen des Kindes aus. Handelt die Kirche in Übereinstimmung mit dem Liebesgebot, wenn sie verlangt, daß Mann und Frau zunächst eine unlösbare Verbindung eingehen müssen, bevor sie zusammenkommen dürfen; damit möglichst jedes Kind für die Zeit seines Heranwachsens Liebe und Geborgenheit, sowie den wichtigsten Teil seiner Erziehung von seinen Eltern erhalte? Ich meine, das ist leicht zu bejahen. Zu einer gesunden Entwicklung braucht das Kind eine Atmosphäre, in der es keine Kündigungsklausel für Elternliebe und Elternpflichten gibt: diese Atmosphäre ohne Kündigungsklausel kann aber nur dip unauflösliche Ehe entwickeln. Deshalb wird jede Auslegung des sechsten Gebotes, welche mit dem Hauptgebot der Liebe übereinstimmt, diese Atmosphäre ohne Kundigungsklausel verlangen müssen bevor die geschlechtliche Gemeinschaft erlaubt werden kann. Man wird hier naturlich an die Verhütungsmittel erinnern und darauf hinweisen, wie sorgsam auch Unverheiratete verantwortungslose Elternschaft vermeiden können. Dieses Argument ist aber schon entwertet, bevor man auch nur die katholische Lehre anführt, denn gerade die moderne Gesellschaft, welche ja noch nie Heirinungen hatte bei der Anwendung solcher Mittel, schreit ja ganz energisch nach Freigabe der Abtreibung. Es bleiben da noch die anderen Bestrebungen: nämlich die Erziehung und letztlich auch die Aufzucht der Kinder immer mehr dem Staat zu übertragen. Freie Liebe und Verstaatlichung des Nachwuchses; sexuelle Freiheit fur die Eltern und Staatssklaventum für die Kinder. Vorschulerziehung und Ganztagsschule. Die Anfänge sind schon lange da, und konsequent ist dieses Konzept auch - viel konsequenter als die Ansichten der Träumer, welche meinen, freie Liebe und familiäre Geborgenheit ließen sich miteinander vereinbaren. Jedoch mit dem Liebesgebot, welches ja nicht nur den Starken, sondern vor allem den Schutzbedürftigen und hier besonders den Kindern gehört, lassen sich diese Dinge nicht vereinbaren. Freie Liebe und das Recht des Kindes auf seine Eltern vertragen sich nicht. Cder soll man glauben, daß die Kinder Chancengleichheit oder andere Vorteile erhalten, wenn sich der Staat das Recht der Eltern aneignet? Kein vernunftiger Mensch, der sich zum Beispiel noch einigermaßen kritisch an seine Schulzeit erinnert - es braucht da nicht einmal Schulsexualerziehung oder Ganztagsschule gewesen sein - wird den Staat zum allmachtigen Verwirklicher der Chancengleichheit bestellen wollen. Und keiner, der einmal in einer rechtschaffenen Angelegenheit ein öffentliches Amt von Tür zu Tür nach dem nun wirklich Zustandigen durchfragt hat, wird die Kinder einem staatlichen Team ausliefern wollen. Die wirklich I erstrebenswerte Chancengleichheit wird gefordert, wenn| das Recht des Kindes auf seine Eltern verwirklicht wird; und dadurch, daß möglichst jedes Kind in einer Atmosphäre ohne Kündigungsklausel, das heißt in der Geborgenheit der Eltern heranwachsen kann.
Allein schon deshalb kann sich an dem Verbot aller vorehelichen und außerehelichen Geschlechtsbeziehungen| niemals etwas ändern.
SCHUTZ DER UNVERHEIRATETEN
Die nächste Überlegung soll der Frage gelten, ob es Interessen der Jugendlichen bzw. der Nichtverheirateten gibt, welche das gleiche Gebot rechtfertigen. Betrachtet man den Schaden, welchen die Kinder durch die Lockerung der Sittenlehre erleiden, so ist man geneigt, bei den anderen Beteiligten doch wenigstens einen diesseitigen Gewinn zu suchen. Kommt man aber den Tatsachen naher, so merkt man bald, daß auch diese Beteiligten am vielgepriesenen Fortschritt einem Betrug zum Opfer gefallen sind. Der Pornowelle ging bekanntlich auch einmal die Aufklarungswelle voraus. Man gestaltete damals die Kampagne so, daß die Leichtgläubigen sich die Illusion bewahren konnten, das Ergebnis werde in glucklicheren Ehen bestehen. Die Wirklichkeit war jedoch ein starkes Ansteigen vor- und außerehelicher Beziehungen, und, anscheinend als Beweis fur das Gluck das man bei solchem Tun gefunden hatte, der Schrei nach Erleichterung der Ehescheidung, nach Erlaubtheit aller möglichen Perversitäten und nach Freigabe der Abtreibung. Ich meine: schon allein aus diesen Tatsachen sollte man erkennen, daß es Dinge gibt, welche die Fähigkeit des Menschen zu einein glücklichen Eheleben behindern, wenn nicht gar verunmöglichen. Man kann in diesem Zusammenhang einfach nicht übersehen, daß die vor- und außerehelichen Beziehungen der Fähigkeit zur wirklichen Ehe feindlich gegenüberstehen. Wenn nun aber der Mensch gewisse Eigenschaften hat, bei deren Zerstörung er nur noch als minderbefähigt für die Ehe gelten muß, so hat er Anspruch auf Unversehrtheit dieser Eigenschaften. Das Sechste Gebot muß also so ausgelegt sein, daß die körperlichen sowie die geistig-seelischen Fähigkeiten fur die Ehe geschützt sind. Geschützt werden muß dann aber vor allem die Voraussetzung, welche es ermöglicht, das geschlechtliche Erleben erst in der Ehe zu entdecken und zu entfalten. Wer vor der Ehe zu würdelosen Experimenten verführt wird, der ist in der Ehe zum Vergleich und Nachexperimentieren befähigt anstatt zum Schenken, Entdecken und Erleben des Einmaligen. Die am Hauptgebot der Liebe orientierte Auslegung des sechsten Gebotes muß diese Zusammenhänge berücksichtigen.
Wie kann dies erfolgen?
1. Das geschlechtliche Erleben darf nicht in eine Zeit fallen, in der der Mensch noch zu jung, das heißt noch zu wenig urteilsfähig und noch zu abhangig ist. 2. Das geschlechtliche Erleben darf nur dann beginnen, wenn spontane Verliebtheit bzw. Blindheit durch verantwortungsbewußte Liebe ersetzt worden ist. 3. Das geschlechtliche Erleben darf nur dann beginnen, wenn das gegenseitige Schenken von keiner Kündigungs- bzw. Scheidungsmöglichkeit bedroht werden kann. Diese Forderungen, die zum Schutz der vollen Ehefähigkeit bzw. der vollen Entfaltung der Geschlechtlichkeit unentbehrlich sind, bedingen ein Verbot aller vorehelichen Geschlechtsbeziehungen. Das Hauptgebot der Liebe läßt hier nur die Auslegung des Sechsten Gebotes zu, welche der traditionellen Lehre der Kirche entspricht. Der Schutz der Ehefähigkeit bedarf genauso wie der Schutz des Kindes die Beachtung der traditionellen Lehre der Kirche.
Wer nun meint, hinsichtlich dieser Pflichten könne es für Verlobte einen Sonderstatus mit Erleichterungen geben, der übersieht entweder, daß die Ehe bzw. das Geschlechtliche eines besonderen Schutzes bedarf, oder er sieht in der Verlobung Dinge, welche ihr nicht zu eigen sind. Die Verlobung erfüllt nicht die Forderung nach angemessener freier Entscheidung für den Partner unabhängig und urteilsfähig. Auch die verantwortungsorientierte Liebe fehlt ihr noch, denn sie furchtet noch die Einheit ohne Kündigungsklausel. Die häßlichste Folge der dem oben erwähnten bischöflichen Papier anhaftenden Fehldeutung besteht vor allem darin, daß sie eine allmähliche Willensschwachung verursacht und ro auch noch die verhältnismäßig gewissenhaften Paare am Durchhalten bis zum großen Erleben in der Ehe hindert. Sobald man in Sonderfallen eine andere Wertung zuläßt, verliert das Ganze seinen Halt. Das ist auch dann zu beachten, wenn im Einzelfall Interessen von Kindern nicht berücksichtigt werden müßten, zum Beispiel bei Unfruchtbarkeit oder wenn die zu schutzenden Fähigkeiten der Beteiligten sowieso schon verlorengegangen sind. Nach den bisher erwähnten Argumenten müßte hier eine Ausnahme möglich sein; aber wir müssen auch hier eine Besonderheit der Gebote beachten. Gebote können ihre segensreiche Wirkung nur dann geben, wenn keine dehnbaren Auslegungsmoglichkeiten in ihnen enthalten sind. Die Wirkung der Gebote wird sogar viel stärker durch eingeschmuggelte, dehnbare Begriffe eingeschränkt als dadurch, daß man sie offen verneint. Jede Ausnahme, welche ein Gebot zulassen könnte, müßte ohne dehnbare Begriffe sein, denn nur so schmälert sie die Wirkung des Gebotes nicht. Nehmen wir als Beispiel die Ausnahme, die man etwa fur die3enigen gelten lassen wollte, bei denen die besondere Fähigkeit fur die Ehe ohnehin nicht mehr gegeben ist. Ließe man das gelten, so würden mit einem solchen Begriff geradezu alle ihren Fall auf die Seite des Erlaubten hinüber interpretieren. Oder wurde man die Ausnahme für die Verlobten zulassen, so wäre selbst bei Schulkindern das erforderliche Eheversprechen vor dem Zusammenkommen schnell ausgesprochen - und das meistens auch noch in momentaner Überzeugung.
In gleicher Weise haftet allen Ausnahmefällen, die man geltend machen mochte, das Gift der Dehnbarkeit an, welches die Wirksamkeit der Gebote zerstört. Es wäre sehr oberflächlich, wenn man bei der Übertretung eines Gebotes nur auf den direkten Schaden achten wollte; denn indirekter Schaden, nämlich in Bezug auf die Wirksamkeit des Gebotes, entsteht immer. Diese Tatsache erklärt, warum die vermeintliche Ausnahme bzw. die Übertretung eines Gebotes auch dann Sünde ist, wenn zum Beispiel ein offen sichtbarer Verstoß gegen die Nächstenliebe nicht erkennbar ist. Die Illusion, daß der voreheliche Verkehr fur Verlobte weniger sündhaft sei, erhält aucn aus dieser Sicht nochmals eine vernichtende Abfuhr. Denn der einmalige Reichtum, welchen unberührte Verlobte noch füreinander bereit haben, verdanken sie weitgehend der Wirkung von Geboten, die sie vor äußeren Eingriffen und jenen Situationen bewahrt haben, in welchen der Mensch sich selbst der größte Feind ist.
Wenn nun aber jede Übertretung eines Gebotes dessen Wirkung mindert, so beurteilen Sie bitte selbst: Sündigen nun jene mehr, welche unter dem Schutz dieser Gebote schon in die nächste Nahe ihres Ehe-Glückes gelangt sind und unmittelbar davor noch dagegen verstoßen - also zunächst Nutznießer sind und dann Übertreter der Gebote? Oder sündigt eine andere Gruppe von Leuten mehr, welche rein äußerlich zwar das Gleiche tut, die Fruchte der katholischen Ordnung aber nie zu genießen bekam und in Wirklichkeit noch nie den Mut und die Kraft gefunden hat, ihr unglückliches, verkümmertes, von einer gottlosen Umwelt aufgenötigtes prostituiertes Dasein zu beenden?
Man muß das Urteil in solchen Dingen immer Gott überlassen - aber gerade deshalb darf man niemals sagen: für Verlobte wäre es eine kleinere Sünde.
So jedenfalls muß es von den diesseitigen Interessen der Menschen aus gesehen werden. Wurde man hier auch noch das Wichtigere, nämlich: Ehre Gottes und Heil der Seelen anführen, so könnten dadurch die modernen Irrlehrer gewiß auch nicht glaubwürdiger gemacht werden. Die Verfehlungen auf diesem Gebiet wirken sich nicht irgendwo im luftleeren Raum aus, sondern der Schaden trifft die Schwachen, namentlich die Kinder und die Jugendlichen. Und dieser Schaden schreit zu Gott um Rache.
Aus: SPRÜCHE DER VÄTER
Athanasios, der Erzbischof von Alexandreia, seligen Andenkens, lud Abbas Pambo ein, aus der Wüste hinab in die Stadt zu kommen. Bei seiner Ankunft sah er dort ein Weib aus dem öffentlichen Theater, und er brach in Tränen aus. Als die Umstehenden ihn fragten, weshalb er weinte, sprach er: "Zwei Dinge haben mich dazu veranlaßt: einmal ihre ewige Verdammnis, und dann, daß ich nicht solchen Eifer habe, Gott zu gefallen, wie jene hat, um schlechten Menschen zu gefallen. "
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