FLUCHT IN DIE ANONYMITÄT
von H.H. P. R.L. Bruckberger (aus: "Toute l'église en clameurs" Paris 1977; übers.: Dr. A. Schönberger für den "Fels", Mai 78, S.135f)
Anm. d. Red.: P. Bruckberger steht sicher nicht ganz auf unsrer Seite; gerade darum ist sein Zeugnis vom restlosen Autoritätsverfall der (franz.) Hierarchie um so aufhellender, da ihm niemand den Vorwurf "konservativer" Parteilichkeit machen kann.
Die Absicht, den Bischöfen, den Nachfolgern der Apostel, eme bestimmte Autonomie im Hinblick auf die Verantwortung fur die Weltkirche zurückzugeben, war nicht schlecht Doch diese relative Autonomie durfte nur persönlicher Natur sein das von der Klugheit diktierte Urteil eines Hirten über seinen Anteil an dei Herde, und im übrigen sogar über die Gesamtheit der Herde. Als der hl Ignatius, der zweite Bischof von Antiochien nach dem hl. Petrus, in den Martertod ging, -wollte er in seinem Herzen nur die Sorge fur die Gesamtkirche tragen. Die Kollegialität dagegen, moderner, abstrakter und bürokratischer Beqnff, statt die Autonomie und das Verantwortungsbewußtsein eines Bischofs zu stärken, hat lediglich zur Folge", ihn von jeder persönlichen Entscheidung zu enbinden Die Kollegialität ist ein Alibi. Niemand weiß mehr, welcher Name und welches Gesicht hinter einer bischöflichen Stellungnahme steht. Wenn irgendeine lichtscheue Macht einen Bischof in eine bestimmte Richtung treibt, so folgen alle ubrigen. Die französischen Bischöfe fühlen sich nicht mehr geweiht für die Ewigkeit nach der Ordnung des Melchisedech, der allein Priester war und ausgestattet mit der ganzen Autorität Gottes. Sie fühlen sich vielmehr als auf Zeit Geweihte nach der Ordnung des hl. Panurgus (listenreiche Romanfigur von Rabelais), der nicht in einem katholischen Kalender steht. Letztlich kommen unsere französischen Bischöfe lieber gemeinsam in die Hölle als einzeln ins Paradies.
Daß die französischen Bischöfe sich versammeln, um gemeinsam zu beraten und zu entscheiden, ist nichts Neues. Sie haben das stets getan unteri dem «Ancien Régime», zu der Zeit als die Kirche Frankreichs, die Älteste Tochter (der Kirche), sich als «galikanische Kirche» bezeichnete. Doch diese galokanische Kirche hat niemals die persönliche Abdankung des einzelnen Bischofs zugunsten der anonymen Kollegialität praktiziert. Vor der französischen Bischofsversammlung erklärte Bossuet, der einen Antrag gegen die laxe Moral der Jesuiten verteidigte, im Jahre 1700: «Sollte sich die Versammlung wider alle Wahrscheinlichkeit und auf Grund von Erwägungen, die ich weder vermuten noch annehmen mochte, weigern, ein der gallikanischen Kirche würdiges Urteil zu fällen, so wurde ich allein die Stimme in einer so dräuenden Gefahr erheben, allein würde ich der ganzen Erde eine solch schmachvolle Pflichtvergessenheit offenbaren, allein würde ich das Verdammungsurteil über so viele entsetzliche Irrtümer aussprechen!» Das war noch ein französischer Bischof, ein würdiger Nachfolger der Apostel, der keine Angst davor hatte, allein da zu stehen, wenn er nur auf der Seite Jesu Christi und dessen Wahrheit war.
Jeder unserer Bischöfe hat vor allem Angst, allein zu stehen. Wenn er zufällig allein mit ihr konfrontiert wird, so ist die Wahrheit nicht mehr die Wahrheit für ihn. Wenn er gänzlich verloren und anonym ist in der blökenden Herde der übrigen französischen Bischöfe, so erscheint ihm nichts ungeheuerlich, nichts irrig, nichts gefährlich für den Glauben, nichts götzendienerisch. Die Kollegialität bringt jedem französischen Bischof die Bequemlichkeit des totalitären Gehorsams gegenüber der Gesamtheit, die feige Bequemlichkeit, der Verantwortung enthoben zu sein. (... ) Die Kollegialität, so wie sie derzeit in der Kirche Frankreichs produziert wird, liegt auf der gleichen Linie mit dem Versuch (im 17. Jahrhundert von den Jesuiten unternommen) die Hierarchie zu zerstören. Sie bedeutet für jeden Bischof die offenkundige Abdankung seiner apostolischen Autorität. Indem wir diese Abdankung offen geißeln, sind wir die wirklichen Verteidiger der bischöflichen Autorität und des unveräußerlichen Auftrags, den Christus seinen Aposteln anvertraut hat. Wir sind nicht bereit, uns eine Rolle zuschieben zu lassen, die im absoluten Gegensatz zu der steht, die wir tatsächlich in der Kirche Frankreichs spielen. Die Verteidiger des Episkopats gegen die Bischöfe sind wir! (...) |