GEDANKEN ZUM HEUTIGEN PRIESTERMANGEL
von H.H. Pfarrer Joseph Leutenegger
Der Priestermangel ist ohne Zweifel zu einem dringlichen Anliegen geworden. Mit dem Priester steht und fällt die Kirche. Ohne den Priester wird die Seelsorge völlig lahm gelegt. Es fehtl nicht an Vorschlägen zur Lösung dieses brennenden Problems. Mir scheint aber, man geht an verschiedenen Kernfragen vorüber, die, weil sie nicht gelöst wurden, vielleicht nicht mit Unrecht zur Verschuldung des heutigen Priestermangels beitragen bzw. beigetragen haben.
Da ist vor allem das heutige Priesterbild. Es ist total verändert. Der früher Tn der Öffentlichkeit erkennbare Priester ist vollends aus dem Stadt- und Dorfbild verschwunden. Er hat sich "zivilisiert" entklerikalisiert, ist ein Laie geworden und will es vielfach sein. Und dieses laiisierte'Priester'-Bild oder 'Priestertum' ist für unsere Jugend einfach nicht mehr attraktiv und begeisternd. Oder glaubt man denn wirklich, daß die heutigen Priester unsere Buben für das Priestertum begeistern, wenn sie in allen möglichen Kostümen daherkommen? Letzthin erschien ein Basler Pfarrer zu einer Beerdigung in gelber Jacke und grünem Jägerhut, was allgemein belustigte, aber auch Anlaß zum Spott gab.
Die Abschaffung der pries ter liehen Kleidung war einer der größten Siege der Loge, deren Parole es war: Weg mit dem katholischen Priester und Ordensmann aus der Öffentlichkeit. Der als Priester erkennbare Geistliche war noch immer das wandelnde Gewissen. Und das mußte aus der Welt geschafft werden. Wie schnell und allgemein erfüllte sich diese Forderung der Feinde der Kirche. Der als Priester oder Ordensmann erkennbare Priester ist in der Öffentlichkeit total verschwunden. Man sieht kaum einen Geistlichen mehr im Priesterkleid. Und das, obwohl selbst (das abgefallene; Anm.d.Red.) Rom noch 1972 das Tragen des Priesterkleides verlangte und bestimmte, der Priester müsse in der Öffentlichkeit klar als solcher erkennbar sein. Wo ist denn da der heute so auffallend betonte Gehorsam?
Priester im Ordens- und Priesterkleid beeindruckten immer wieder die Jugend und wirkten propagandistisch.
Welchen Eindruck machte auf uns Buben und die ganze Bevölkerung unser Herr Pfarrer wenn er durch unser Dörflein schritt etwa zu einem Kranken- oder Hausbesuch! Für ein paar Augenblicke wurde es ganz still im Dorf. Man hielt sozusagen den Atem an und flüsterte einander zu: "Der Herr Pfarrer ist im Dorf". Im Religionsunterricht, in der Schule in den Vereinen trat halt der Herr Pfarrer als Priester auf, in der Soutane oder Soutanelle. Man spürte immer den "Mann Gottes". Und darum war auch das, was er in der Kirche tat, auf der Kanzel, am Altar, Spendung der Taufe, Hochzeiten, im Beichtstuhl einfach glaubwürdig. Dieses Priesterbild war attraktiv, es weckte in uns Buben den Drang zum Altare, zum Priestertum. Und so viele geistliche Söhne durfte er an den Primizaltar begleiten und so manche Tochter an die Pforten der Frauenklöster führen.
Der heutige laisierte Priester hat jede Anziehungskraft verloren. Da gibt es ja nur eine Parole: Welt zu Welt. Die Ablegung des Priesterkleides bewirkte denn auch so recht die Öffnung zu ihr. Der heutige Priester ist insgesamt genommen - Ausnahmen gibt es immer - total verweltlicht. Man findet nicht wenige Priester auf den Tanzböden, in den Strandbädern etc. ganz der Welt verhaftet, und immer wird es wieder wahr: "Das zivile Kleid führt zur holden Maid". Im zivilen Kleid läßt sich untertauchen in jedem Milieu und das dürfte wohl auch ein starker Grund sein, warum man das Priesterkleid nicht mehr tragen will. Und der verweltlichte Priester ist auch nicht mehr glaubwürdig in seinem amtlichen Tun innerhalb des Gotteshauses. Wie soll ein Priester, der sich in der Öffentlichkeit als Weltmann ausgibt innerhalb des Gotteshauses denn ein Gottesmann sein und als solcher wirken? Und die Urteile gerade junger Leute über dieses Wirken moderner Geistlicher in den Gottesdiensträumen sind oft vernichtend und die Feder sträubt sich diese hier wiederzugeben. Damit berühre ich einen weiteren Punkt, der meines Erachtens eine nicht geringe Schuld am Priestermangel trägt :
Das ganze deformistische liturgische Geschehen in der heutigen Zeit ." An Stelle der einstigen liturgischen Stabilität ist eine erschreckende Unstabilität getreten. Die liturgischen "Neuerungen" überstürzten sich "seit dem II. vatikanischen Konzil und zeitigten einen "liturgischen Wildwuchs ohnegleichen. Bald jeder Geistliche machte sich seine "Liturgie" selber und macht es teilweise noch. Überall etwas anderes! hörte man oft sagen. Das brachte große, seelische Erschütterungen beim gläubigen Volke, führte zu schwersten Kritiken an den Geistlichen, besonders am Familientisch und die notwendigen Folgerungen waren: Herabsetzung des geistlichen Standes bei der Jugend und Unlust zu geistlichen Berufen, zum geistlichen Stande.
Diese falschen "Neuerungen" auf liturgischem Gebiete - und daß sie verfehlt waren geben heut nicht wenige Bischöfe zu - zeitigten als übelste Folge das Schwinden der Glaubenssubstanz. Lex orandi lex credendi! Die Glaubens subs tanz ging erschreckend verloren, besonders der Glaube an die wahre Gegenwart "Jesu im allerheiligsten Altarssakrament, da die hl. Messe zur Mahlfeier, ganz im protestantischen Sinne degradiert wurde. Die Hostie nur noch ein Symbol der Gegenwart Jesu. Und da liegt wohl auch eine der Hauptursachen des heutigen so großen Pries terabfall es. Das Priestertum hängt aufs engste zusammen mit dem Altar. Was soll dem Priester Halt und Liebe zum Priestertum geben, woher soll er Kraft holen, um in den Nöten und Schwierigkeiten der Seelsorge standzuhalten, wenn der Glaube an den eucharistischen Herrn verloren ist? Und wo wird dieser Glaube zerstört? Vor allem auf den theologischen Hochschulen und in den Pries terseminarien. Damit berühre ich einen weiteren Punkt, der Mitursache des heutigen Priestermangels ist :
Die heutigen Priesterseminarien.
Sie waren einst Pflanzstätten und Förderungsinstitute echter priesterlicher Berufe. Heute scheinen sie leider das Gegenteil davon zu sein: Zerstörer der geistlichen Berufe. Schon manche junge Männer, die unzweifelhaft eine Berufung zum Priester hatten, verloren sie im Priesterseminar. Tatsachen sind genug vorhanden. Wie schön und erbauend war für uns seinerzeit der Aufenthalt im Prie sterseminar. Alles war wunderbar geregelt, das religiöse Leben und das Studium. Es war wirklich ein geistliches Haus. Unsere Professoren waren nicht bloß theologisch auf der Höhe, sondern auch priesterliche Vorbilder. Wir konnten zu ihnen aufschauen. Wir hatten noch keinen Hausschlüssel, dafür aber den täglichen Rosenkranz, den wir allabendlich gemeinsam beteten. Überall war Ordnung und Disziplin. Wir hatten ein Priesterseminar im wahrsten Sinne des Wortes. Kein "Haus der Begegnung". Wir fühlten uns so wohl darin. Ist es wohl heute noch so? Sind unsere Priesterseminare noch das, was sie sein sollten und einst waren? Ich bin überzeugt: Von dem Moment an, wo die Priesterseminare wieder das wären, was sie sein sollten, würden sie sich wieder mit Priesteramtskandidaten füllen. Berufungen wären immer noch da. Das beweist Econe. Warum ist denn dieses Seminar stets überfüllt, obwohl die dortigen Seminaristen sehr streng gehalten werden? Jüngst sagte mir ein Pfarrer im Schwarzwald: "Ich hätte Berufungen zum Priestertum genug, aber wohin sie schicken ohne Gefahr, daß sie den Glauben verlieren?"
Unerläßliches Erfordernis für ein echtes und wahres Priesterseminar: Gläubige Professoren, keine Irrlehrer, denen die Priesterbildung Herzens- und Gewissens sache ist. Weiteres unerläßliches Erfordernis für ein wahres wirkliches Priester Seminar : Schafft die Weiber aus dem Hause, diese "Theologinnen". Sie sollen den Haushalt lernen, mit Kochtopf und Kelle umzugehen. Denn früher oder später heiraten sie ja doch.
Daß Priesteramtskandidaten, die sich im Ernste auf das Priestertum vorbereiten wollen, zusammen mit jungen Weibern unter einem Dache wohnen, zusammen die Kollegstunden besuchen, ist wohl einmalig und ein Skandal. Wer will ein solches Pries terseminar noch ernst nehmen. Aber eben es ist ja kein Pries terseminar mehr, sondern vom Bischof selber als "Haus der Begegnung" bezeichnet worden.
Einen letzten Grund des Priestermangels möchte ich noch anführen. Und das ist meines Erachtens die zunehmende Abwertung des Priesters in seiner Tätigkeit.
Nach § 7 der Konstitutiones generales ist der Priester ja nur noch der "Vorsitzende der Eucharistiefeier" und er wird in der veränderten Priesterweihe auch dazu geweiht. In der alten Priesterweiheform wurde er zum Vollzieher der hl. Geheimnisse geweiht. "Empfange die Gewalt, das heilige Meßopfer darzubringen für Lebende und Verstorbene". In der modernistischen und verprotestantisierten Priesterweihe heißt es: "Empfange die Gabe des heiligen Volkes, um sie Gott darzubringen." Diese neue Form ist ganz auf den § 7 der Konstitutiones generales eingestimmt, der mindestens zwei Haeresien enthält: der Prieser ist nur noch Vorsitzender der "Eucharistiefeier", nicht mehr der Vollzieher der hl. Geheimnisse. Welch eine Abwertung des Priesters! Und wie viele Funktionen des Priesters haben d:'e Laien übernommen, oft ohne jede Notwendigkeit. So ist es vielfach Mode geworden, daß Laien die Kommunion austeilen, indessen der Priester am Priestersitz mehr oder weniger gelangweilt zuschaut oder gar während der Kommunionausteilung durch die Laien in der Sakristei eine Zigarette raucht.
Wieviel verliert der Priester an Ansehen, wenn er die Krankenprovisur ausschließlich den Laien überläßt, statt diesen dankbaren Seelsorgszweig selber auszuführen. Wie bequem ist die Krankenseelsorge geworden. Nächtliche Versehgänge gibt es kaum mehr. Die Krankenölung wird in cumulo gespendet, gleichviel ob gesund oder krank. Und zur Gültigkeit der Krankenölung gehört doch nach wie vor eine ernste Krankheit. "Ist jemand krank unter euch, rufe er die Priester ..." Jak. 5,14. Die cumulative Krankenölung ist sehr bequem. Wenn dann jemand wirklich ernstlich krank wird, dann heißt es: "Er war ja bei der allgemeinen Krankenölung dabei" und so braucht man sich nachts nicht mehr zum Kranken zu bequemen. Ja nicht wenige Seelsorger gehen nachts grundsätzlich nicht zu Kranken und Sterbenden. Sie wollen ihre Ruhe haben. (Beispiele sind dem Autor persönlich bekannt.) Man fragt sich oft womit die modernen Seelsorger ihren Lohn verdienen, nachdem sie so manche Seelsorgsaufgaben auf die Laien abgeladen haben. So oft hört man das Wort: "Die heutigen Pfarrer sind nur noch "Lohnbezieher", zumal auch der Religionsunterricht an manchen Orten Laien übertragen wurde. Dafür kann man allerhand Weltreisen unternehmen. Man hat's ja und vermag's. Die Löhne der Geistlichen können sich heute sehen lassen. Daß da manche scharfe Kritik am Familien- und Wirtshaustisch geübt wird, trägt nicht zum Ansehen des geistlichen Standes bei.
Diese angeführten Gründe als Mitursache des heutigen Priestermangels werden die maßgebenden Stellen kaum beeindrucken, ja man wird sie schlechthin nicht gelten lassen. Doch wäre all das für unsere Bischöfe ein Grund zum Nachdenken und vielleicht Grund zu einem demütigen "mea culpa". Aber man will es einfach nicht haben, daß das heutige Priesterbild für unsere Jugend nicht mehr attraktiv ist. Offen gestanden, könnte ich keinem jungen Menschen mehr den Priesterberuf anraten und ich habe schon jungen Menschen abgeraten und ihnen gesagt: "Wenn Dir Dein katholischer Glaube lieb ist, laß die Hand davon, ein moderner Priester zu werden. Modern gleich ungläubig." |