"SUCHET ZUERST DAS REICH GOTTES"
von Gerhard Olbricht (Brief an die Redaktion)
(...) vielen Dank für Ihren Brief, welchen ich heute erhielt. (...) Bitte entschuldigen Sie meinen schnellen Abgang, aber ich konnte und wollte keine Unterhaltung führen. Ich kam mir wie ein Fremdkörper (...) vor. (...) So geht es uns auch sonst. Wir leben, als wenn wir schon gestorben wären. Man schneidet uns wegen unserer Meinung. Am schlimmsten sind die eigenen Glaubensgenossen und teilweise auch die Hausgenossen. Manchmal bin ich schon sauer und ziemlich sarkastisch, aber in Bitterkeit verfallen wir, d.h. meine Frau und ich, nicht. Natürlich geht es uns auch wie Ihnen,wir müssen dagegen ankämpfen. Gott schickt immer wieder lichte Zeiten, aber der nächste Schlag ist sicher und das ist gut so!
Dafür haben wir Zeit für religiöse Gespräche und zum Lesen der Heiligen Schrift. Wir haben nicht einmal einen Fernseher. Das wird als Kulturschände und geistiger Angriff auf Andersdenkende betrachtet. Ich persönlich bin der Meinung, daß man als katholischer Christ seinen Glauben kompromißlos vertreten muß - ohne schielen auf Erfolg und ohne Taktik. Dafür bekommt man natürlich oft Schläge. Erfolg gibt Gott zur rechten Zeit.
Ich selber betrachte mich als Sünder, aber mit der Meinung, daß ich schlecht bin und nicht die Lehre unseres Herrn Jesus Christus, der ja Gott ist. Das gleiche gilt von der apostolischen Lehre und der Lehre der Väter. Deswegen erleide ich Widerspruch. Und jetzt sind wir am Angelpunkt angelangt.
Wir haben in der Vergangenheit Personenkult mit Kirchenfürsten getrieben und treiben es heute noch. Das habe ich auch Frau Dr. Gerstner geschrieben: Sie soll nur aufpassen, daß sie mit Lefebvre nicht in den (gleichen) Personenkult kommt. Ich jedenfalls baue mein Heil nicht auf ihn, nach allem was vorgefallen ist.
Warum hängt man sich z.B. so krampfhaft an Pius XII? Er hat gewußt, schon dazumal!, was Montini für ein Mensch ist, und doch hat er ihn nach Mailand geschickt, obwohl er dadurch zum Kardinal prädestiniert war. Vom Konkordat ganz zu schweigen.
Die Kirchenfürsten, bis zum kleinsten Kaplan hinab, reden genau so hochmütig, wie die Juden zur Zeit Jesu: Wir sind Kinder Abrahams, wir haben die Verheißung, was kann uns passieren? Heute: Wir sind geweihte Priester und Besitzer der Kirche. Wir können tun und lassen, was wir wollen.
Daß sie nur Verwalter sind, und dazu noch ganz schlechte, das wollen sie nicht denken. Mir graust vor dem Augenblick (und das gilt auch für mich), wo es heißen wird, gib Rechenschaft von deiner Verwaltung!
Diese Leute denken auch nicht daran, daß Gott aus Steinen Kinder Abrahams machen kann. Das ist unser Elend.
Ein großer Fehler war es auch, daß wir gesagt haben, wichtig ist (nur) das Heilige Meßopfer. Also konnte man sich mit Priestern und Bischöfen verbünden, von welchen man wußte, daß sie nicht sattelfest waren. Das Resultat sieht man. Ich hoffe, Sie sehen nun in mir keinen Lutheraner!
Aber Gott hat nicht gezögert, seine schützende Hand mehrere Male vom herrlichen Tempel zurückzuziehen, weil sie Ihn nur auf den Lippen und nicht im Herzen hatten.
Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, und alles andere wird euch hinzugegeben werden. Das verheißt uns der Heiland. Von Taktik und Diplomatie keine Spur!
Hätte Lefebvre das getan, und nicht Taktik und Diplomatie getrieben, dann hätte er tausende Priester mitgerissen, ja sogar Bischöfe und Kardinale. Wir hätten Meßopfer in Fülle!
Aber er will (...) mit alten Sünden von gestern das Alte aufbauen.
Ich habe ganz einfach den Eindruck, daß die Orte mit den führenden Persönlichkeiten, wie z.B. Wigratz, Heroldsbach, Eisenberg, San Damiano und viele mehr, nur dazu da sind und geduldet, manchmal sogar gefördert werden, um Zigtausende zu binden und dann zu bearbeiten und in das andere Lager hinüber zu führen. Leider habe ich den Eindruck von Econe auch.
Mir tut jetzt schon Herr Siebel in Saarbrücken leid. Kaum begonnen, schon sitzt Econe mit 300 000 Mark darin und ist Führer. Wohin? Zum "Allerheiligsten Vater"!*
Meinen Sie nur nicht, daß ich jetzt zu scharf bin. Wenn ich an die Jugend denke und all das andere, wie es rasend bergab geht, und es könnte anders sein, dann kann man nicht genug anprangern!
Und nun will ich langsam Schluß machen. (...) Ich kann nur wiederholen, daß wir dazu da sindj Christus zu verkünden, und nicht, Erfolg zu haben.
Ich wünsche Ihnen und (...) Ihren treuen Mitstreitern, welche Sie gewiß einige haben, wenn auch bestimmt nicht viele, den Segen unseres Heilandes und die Hilfe Mariens,welche ja die Hilfe der Christenheit ist.
*) Das ist eben die Frage; Anm. d. Red.
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