DAS 4. GEBOT GOTTES
von H.H. Pfarrer Alois Aßmayr
In meinem letzten Artikel habe ich geschrieben: Wenn das Sonntagsgebot richtig eingehalten wird, wird es auch mit der Haltung der anderen Gebote gut stehen, obwohl sie meist mehr Anstrengung und Opfer erfordern. Von der richtigen, gottgewollten Erfüllung der Sonn- und Feiertage hängt ja die richtige Gottesverehrung ab und daher auch die rechte Beobachtung der anderen Gebote.
Von diesen anderen Geboten ist sicher das 4. Gebot das wichtigste, aber auch das schwierigste, weil es an Eltern und Kinder große Anforderungen stellt. Es ist aber auch das Folgenschwerste. Freilich trifft das nicht bloß die eigentlichen Eltern und Kinder, sondern alle, die damit zu tun haben und mit ihnen in Berührung kommen, also Einfluß darauf nehmen. Wird das 4. Gebot allenthalben richtig gehandhabt, braucht man sich über Einhaltung der anderen Gebote keine großen Sorgen mehr zu machen, weil dann die Voraussetzung dafür gegeben ist.
Nehmen wir zunächst einmal die Eltern. Diese haben ja die verantwortungsvolle Aufgabe, aus ihren Kindern gute und glückliche Menschen zu machen, die den Aufgaben und Schwierigkeiten in der Welt gewachsen sind und auch ihr ewiges Ziel, das ewige Glück im Himmel möglichst leicht und sicher erreichen. Daß das keine leichte Aufgabe ist, leuchtet ohne weiteres ein. Wie aber können Eltern diese schwere Aufgabe lösen? Jedes Kind ist anders und bringt andere Anlagen mit, gute und böse. Die einen sollen gehegt und gepflegt werden, die andern darf man nicht aufkommen lassen.
Das ist so ähnlich, wie in einem Garten. Pflanzen tut man ja nur Wertvolles, trotzdem kommt auch bald und überall Unkraut. Der gute und fleißige Gärtner, kennt das Unkraut gleich und ist gleich dahinter. Da ja das Unkraut nicht alles auf einmal kommt, macht er sich bald an die Arbeit und zieht es heraus, da das noch leicht geht und noch nicht so zahlreich ist, ist er ihm gewachsen. Das Unkraut nimmt dem Gepflanzten oder gesähten nicht nur die Nahrung, sondern auch Licht und Platz weg. Auch braucht der Gärtner die Pflanzen nicht zu schädigen. Wenn man aber längere Zeit nichts tut, ist es dann schon so zahlreich, daß man ihm fast nicht mehr gewachsen ist. Dann aber noch etwas: man muß dann schon etwas Gewalt brauchen und reißt fast immer ein Stück Erde mit, was meist mit einer Schädigung der Pflanzen verbunden ist. Tut man aber überhaupt nichts mehr nach der Pflanzung oder Saat, dann wird eine Wildnis und man wird nicht viel Gutes ernten können.
Bei einem Bäumchen ist es ähnlich. Wenn es gerade wachsen soll, muß man es bis zu einer bestimmten Größe und Dicke an einen Pfahl binden, aber auch immer wieder stutzen und von Zweigen befreien, die nur Saft brauchen, aber keine oder nur wenig Frucht bringen.
Wie es der Gärtner macht, müssen es auch die Eltern machen. Im Kinde schlummert Gutes und Böses und beides wächst. Kluge und vernünftige Eltern werden es bald merken und gleich dahinter sein, daß das Böse nicht aufkommt und das Gute gedeiht. Ist man gleich beim Unkraut dahinter mit Liebe und Festigkeit, tut das dem Kinde gar nicht sonderlich weh, auch wenn es einmal ein unsanfter Tatsch auf das Hinterteil sein muß, ist einem nicht böse, merkt sichs aber doch und wird nicht oft Strafe brauchen. Wenn man aber wartet, bis es das Kind selber versteht, was ihm nützt oder schadet, ist ihm das Unkraut schon so über den Kopf gewachsen, daß es ihm kaum mehr gewachsen ist und wenn, dann tut das sehr wehe, oder es bleibt ein Sklave seiner ungezügelten Leidenschaften. Es ist dann sich selber und andern zur Qual und zum Verderben. Kinder und Jugendliche sind nicht selten der Meinung, daß das 4. Gebot nur zum Vorteil der Eltern und Erwachsenen da sei und nur den Kindern und Jugendlichen Lasten auflege. In Wirklichkeit ist das 4. Gebot zum Wohle beider, der Eltern und Erwachsenen und besonders der Kinder. Die Last, die die Eltern zu tragen haben, ist ungleich größer... als die der Kinder. Sind doch die Eltern in erster Linie verantwortlich, was aus den Kindern wird. Haben doch die El,tern das Kind zu hegen und pflegen, für alles zu sorgen, was das Kind braucht. Und was braucht ein Kind nicht alles! Wieviel Liebe, Mühe, Sorgen und Opfer sind damit verbunden! Wieviel Geld muß hierfür verdient und aufgewendet werden; damit das Kind eine sorgenlose und glückliche Kindheit und Jugend hat! Das ist aber immer noch nicht das 'Schwierigste. Eltern sollen ja den Kindern leuchtende Vorbilder jeder Tugend sein. Eigentlich müßten sie jede Tugend beherrschen, um das immer und überall sein zu können. Wer aber kann das? Die Eltern sind ja auch nur Menschen und daher beim besten Willen unvollkommen. Vollkommen ist nur Gott. Wir wissen alle: das gute Beispiel wirkt durchaus nicht immer, um so sicherer das schlechte. Wieviel Überwindung kostet es schon, die blinde Liebe zu überwinden. Es ist dann durchaus nicht leicht, jedes Kind richtig-zu verstehen und dann auch richtig zu behandeln, da jedes Kind anders ist. Nun, etwas verträgt es schon, ohne den Erfolg zu gefährden. Über ein bestimmtes Maß von Frömmigkeit und über einen Hausverstand können alle verfügen und dann wird der Erfolg nicht ausbleiben. Die Mütter von Don Bosco und von Pius X. konnten, wenn ich mich nicht irre, weder lesen noch schreiben. Die Kinder richtig zu erziehen aber konnten sie, weil sie fromm waren und über einen guten Hausverstand verfügten.
Echte Frömmigkeit ist nicht nur notwendig, um imstande zu sein, mit gutem Beispiel vorangehen zu können, für die Eltern, sondern auch für die Kinder, um das gute Beispiel nachzuahmen. Echte Frömmigkeit ist aber auch ein ausgezeichnetes Erziehungsmittel. Kinder sind durchwegs für Frömmigkeit zu gewinnen und zeigen dabei oft große Opferbereitschaft. Fromme Eltern sind sich aber auch bewußt, daß besonders der Erfolg bei der Erziehung vom Segen Gottes abhängt. Darum ist viel Gebet und Opfer notwendig. Aus keinem Kinde können Eltern machen, was sie wollen oder möchten, wenn sie auch großen Einfluß haben können.
Wenn Eltern aus ihren Kindern etwas Gutes machen sollen und darüber dem Herrgott Rechenschaft schuldig sind, dann ist es wohl selbstverständlich, daß die Kindern den Eltern Ehrfurcht, Liebe und Gehorsam schuldig sind, aber auch eine große Dankbarkeit. Nur so können gewissenhafte Eltern sie zu glücklichen und zufriedenen Menschen erziehen. Je mehr sie den Kindern an Opfern und Überwindung zumuten können, um so größer wird auch der Erfolg sein. Die Menschen sind am freiesten und darum am glücklichsten, die am wenigsten Bedürfnisse haben, mit dem Wenigsten zufrieden sind, aber auch nicht an Opferscheu leiden. Das verdanken Kinder ihren guten Eltern, denen sie für ihre echte Liebe nie genug danken können. Oft habe ich von alten Leuten sagen gehört: "Wie froh bin ich, daß die Eltern mit uns Kindern streng gewesen sind. Damals häben wir es auch nicht verstanden". Daß Kinder die ganze Tragweite der Erziehung noch nicht verstehen, ist ja begreiflich. Die Eltern aber sollen es verstehen, wie sich dies und jenes im späteren Leben auswirkt und darnach handeln. Nicht die sind gute Eltern, die ihre Kinder verpappeln und alles durchgehen lassen, sondern die Eltern lieben ihre Kinder mit echter Liebe, die sie vor Versklavung bewahren.
Ich weiß aber auch sehr wohl, daß die Macht der Eltern besonders heute sehr beschränkt ist und sie gegen den Zeitgeist oft machtlos sind. Eltern können ihren Kindern ja auch nicht Hausarrest geben. Die äußeren Einflüsse, denen die Kinder ausgesetzt werden müssen, können alle Mühen und Sorgfalt der Eltern zunichte machen. Das Erschütterndste ist, daß sich diese Teufel in Menschengestalt sich wegen ihres Zerstörungswerkes kein Gewissen machen. Welch fürchterliche Verantwortung bürden sich solche Jugendverderber auf. Mit einem Mühlstein am Halse in das Meer versenken, wo es am tiefsten ist, wäre wohl noch die mildeste Strafe. Was solche Leute für Verheerungen anrichten, welch weite Kreise diese ziehen und wie lange sie nachwirken, läßt sich gar nicht abschätzen. Doch genug für heute
Es grüßt alle Leser herzlich und segnet sie, mit einem Gedenken am Altar.
Biberwier, den 22.2.78
Alois Aßmayr, Pfarrer
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