OHNE GLAUBEN LÄSST SICH NICHT LEBEN
von H.H. Pfarrer Joseph Leutenegger
Es ist ein eindrucksvolles, ja packendes Bild am Schluß des Evangeliums vom Weißen Sonntag: der Apostel Thomas zu Füßen des auferstandenen Heilandes mit dem lauten Bekenntnis: "Mein Herr und mein Gott!"
Als der Herr am Osterabend den Aposteln ohne Beisein des Thomas erschien und diese dem Thomas meldeten: "Wir haben den Herrn gesehen", weigerte sich dieser hartnäckig, das zu glauben. "Wenn ich meine Hände nicht in seine Seitenwunde legen kann und meinen Finger nicht in die Stelle seiner Nägel, so glaube ich nicht." Jetzt nahm ihn der Herr beim Wort. Jetzt glaubte er. Der Herr aber spendet dem vollen Glauben sein Lob. "Selig, die nicht sehen und doch glauben!" Der Herr verlangt von uns den Glauben. "Wer glaubt (...), der wird gerettet werden; wer nicht glaubt, der wird verdammt werden!" (Mk. 16.16.)
Im Glauben liegt die Anerkennung der Autorität Gottes, die Unterwerfung des Verstandes unter Gottes Wort. Glaube ist die Anerkennung der Wahrhaftigkeit Gottes, ist Anbetung Gottes. Auf dem Glauben baut sich das ganze christliche Leben auf. Der Glaube ist das Fundament des religiösen Lebens.
Unter Glauben verstehen wir objektiv die Summe aller katholischen Wahrheiten, wie sie uns im Katechismus dargelegt wurden und subjektiv, d.h. von meiner Seite, die volle Annahme dieser Wahrheiten, Gott hat einerseits sich den Menschen geoffenbart und ihnen die Gnade des Glaubens gegeben, damit die Menschen ihn als ihren Schöpfer und Herrn wahrhaft erkennen und gebührend verherrlichen, anderseits aber um die Menschen glücklich zu machen. Der Glaube hilft den Menschen die ewige Seligkeit zu erlangen. Er ist der goldene Wanderstab auf dem Wege zum Himmel.
Heute ist es sehr angebracht, mit Nachdruck darauf hinzuweisen, daß man ohne Glauben auch auf Erden nicht wahrhaft erfüllt sein kann. Lustig vielleicht eine Zeitlang, aber keineswegs glücklich, keinesfalls zufrieden, keinesfalls innerlich ruhig.
Wer nicht weiß, wozu er auf Erden ist, kann schon aus diesem Grunde nicht wahrhaft froh werden. Alexander von Humbold (1769-1859) schrieb vor seinem Tode in seinem Unglauben das schreckliche Wort: "Das Leben ist der größte Unsinn und wenn man achtzig Jahre strebt und forscht, muß man sich doch endlich eingestehen, daß man nichts erstrebt und nichts erforscht hat. Wüßten wir wenigstens, warum wir auf der Welt sind! Aber alles bleibt dem Denker rätselhaft. Das größte Glück ist noch das, als Flachkopf geboren zu sein!"
Der eigentliche und tiefste Grund, warum der Ungläubige unglücklich ist, liegt darin, daß er nicht weiß, daß die Seele von Gott ist und zu Gott will. "Unruhig ist unser Herz, bis es ruhet in Gott. Denn Du hast uns für Dich erschaffen", sagt der hl. Augustinus so schön. Wir sehnen uns nach einem Gut, das nicht nur gut, sondern unendlich gut ist, nach einem Glück, das nicht vergänglich, sondern unvergänglich ist. "Solo Dio basta" ("Gott allein genügt"), pflegte die hl. Theresia von Avila zu sagen. "Dein Herz ist der Abgrund, den nur Gott ausfüllen kann. Solange Gott es nicht ausfüllt, ruft es beständig: 'Mich dürstet!' Wirf alle Kronen, alle Vergnügungen der Welt hinein, es ruft doch: 'Mich dürstet!' Denn für Gott bist Du geschaffen."
Was kann z.B. der Unglaube einem leidenden Menschen sagen? Und das Leid verschont doch wahrlich keinen Menschen. "Des Lebens ungemischte Freud' ward keinem Sterblichen zu teil." (Schiller) Man spricht zuweilen von "Kindern des Glückes" und von "Enterbten", von solchen, die das Schicksal begünstigt und von solchen, die es hintansetzt. Zu den ersteren gehören natürlich die Reichen, die Hochgestellten, zu den letzteren alle Armen und Niedrigen. Allein diese Unterscheidung ist sehr hinfällig. Alle, auch die Hochgestellten sind oft mit schweren Heimsuchungen geplagt. Alle, ohne Ausnahme sind Kreuzträger. Wie elend aber ist, wer im Leid nicht aufschauen kann zu Gott! Er leidet und kann sich nicht helfen. Er fühlt die Grausamkeit seiner Lage und weiß keinen Ausweg. Für Tausende ist heute der einzige Ausweg: Man scheidet freiwillig aus dem Leben. Und die Zahl der Selbstmorde ist heute wahrhaft erschreckend. Von Jahr zu Jahr steigt sie. Nach einem Rundbrief der SAKA vom April 1978 soll die Zahl der jugendlichen Selbstmörder in den USA im Jahre 1977 35.000 betragen haben. In der Schweiz ist die Zahl der Selbstmörder größer als die Zahl der Verkehrstoten. Vor ein paar Jahren las ich in einer deutschen Zeitung den Satz: "1947 leere Schaufenster, leere Mägen aber 17oo Selbstmorde. 1967 volle Schaufenster, volle Mägen und 20.000 Selbstmorde". Gemeint war unter dieser Notiz Westdeutschland. Warum diese Steigerung? Wegen leeren Herzen: leer, ohne Gott und ohne Glauben an ihn.
Am Vorabend des Pfingstfes tes 1913 starb in Viterbo die Zisterzienser Nonne Maria Bernadette Frey. Zu ihrer Beerdigung strömten ca. 50.000 Menschen herbei. Sie lag 52 Jahre lang krank, und zwar so, daß sie beständig am Kopf geschient und dieser Verband mittelst Riemen an den Wänden und an der Decke befestigt werden mußte-, ein fast unerträglicher Zustand. Und das 52 Jahre lang. Und doch war dieses leidende Menschenkind von Viterbo stets heitern Sinnes, ja zu Scherzen aufgelegt. Viele Leidende kamen und holten sich Trost und neue Stärkung beim Anblick dieser Dulderin. Glaubt jemand, es gäbe so etwas ohne Glauben unter der Sonne?
So auch die hl. Lidwina, die Holländerin (gest. 193o). 30 Jahre war sie krank. Ein Zerrbild des Jammers, aber nie eine Klage. Beim Tode strömte ganz Holland zusammen. - Vergleiche man dagegen nur die schwachgläubigen Menschen unserer Tage, die bei geringsten Leiden und scheinbar auswegloser Not grad aus dem Leben scheiden. In Krankheit und Not ist der Glaube die große Stütze. Der Unglaube ist das gößte Unglück unserer Zeit.
Wahrhaft glücklich kann ein Ungläubiger nicht sein. Daran hindert ihn vor allem die Sünde. Sie ist dort wo Gott nicht ist. Wer Gott nicht anerkennt und ihm nicht dient, ist der Sünde Knecht. Und die größte Sünde ist der Unglaube. Wie der Glaube die Tragfläche jedes christlichen Lebens ist, so ist der Unglaube die Ursache unzähliger anderer Sünden. Die Sünde aber macht die Völker immer elend. Sie bringt Gewissensunruhe. "Von 343 Familien, die ich im Elend und in der Verkommenheit traf, lebten 320 außerhalb der Religion. Von 420 jungen Leuten, die die Schande ihrer Eltern waren, ging nicht ein einziger in die Kirche." So der belgische Arzt Billot nach 20-jähriger Beobachtung.
Und erst die Gewissensbisse! Ein russischer Großfürst bezichtigte seine Gattin der Untreue und brachte sie um. Als die Treue seiner Gattin dann ans Tageslicht kam, wurde der Fürst irrsinnig aus lauter Reue und Scham. Er glaubte stets an der Hand, mit der er seine Gattin umgebracht hatte einen unaussprechlichen Schmerz zu spüren.
Ohne Glauben kein wahres Glück auf Erden. Noch weniger im Sterben. Der Glaubenslose ist freudlos im Leben; wie könnte er froh sein im Sterben! Ihm leuchtete kein Stern in gesunden Tagen, wie könnte er, schwer krank geworden, Hoffnung hegen? Lebend war er in Finsternis und Todes schatten, wie könnte ihm ein Licht aufgehen, wenn die Nacht des Todes hereinbricht! Was nun, wenn das irdische Leben ein Ende hat, wenn Reichtum und Ansehen und alles, was er im irdischen Leben hatte, für immer verschwindet, und er das diesseitige Leben verlassen muß - und zwar auf immer? "In Zweifeln habe ich gelebt, in Ängsten sterbe ich, o Wesen aller Wesen erbarme Dich meiner!' soll der Weltweise Aristoteles im Sterben ausgerufen haben.
Und gar erst wenn Sünden und Verbrechen sich im Leben aufgehäuft haben! "Mors peccatorum pessima!" hat der Psalmist schon vor Jahrtausenden ausgerufen. Mochte man sich im Leben trösten, daß es noch nicht aller Tage Abend sei, im Tode ist keine Frist mehr,
I860 lag zu Frankfurt am Main der Philosoph Schopenhauer schwer krank darnieder. Er hatte ohne Gott gelebt und den Unglauben verkündet. Sein besonderer Kampf galt dem Leid. Alle Erfahrung war ihm nur bloße Vorstellung. Jetzt auf dem Krankenbett erfuhr er das Ungenügen seiner Lehre. "Mein Gott, mein Gott!" rief er eines Tages im Übermaß seiner Schmerzen aus. Als der Arzt, ein gläubiger Mann, der seinen Unglauben kannte und nun den Schmerzensausruf Schopenhauers hörte, die Bemerkung machte, ob es denn für ihn und seinen Unglauben noch einen Gott gäbe, gab Schopenhauer zur Antwort: "Ohne Gott kommt man in solchem Leiden nicht aus". Und er fügte bei, daß, wenn er wieder gesund würde, er an Gott glauben werde. Wider Erwarten besserte sich sein Zustand, er blieb aber bei seinem Unglauben. Als der Arzt ihn eines Tages an sein Versprechen erinnerte, wollte Schopenhauer nichts mehr davon wissen. Er geriet in unbändige Wut und rief: "Bleiben Sie mir fern mit Ihren Schreckbildern! Ein Philosoph braucht keinen Christus!" Noch am gleichen Tage starb er in äußerster Trostlosigkeit. Das gleiche traurige Los erlitten Voltaire, Robespiere, Nietzsche und andere, die alle auch ungläubig waren.
Einer nur hellt das Dasein auf, auch das Kleinste und Unscheinbarste, derjenige, der im Weißen Sonntags evangelium sagte: "Selig, die nicht sehen und doch glauben!" Der am Himmelfahrtstage sagte: "Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden". Wer ohne Jesus lebt ist der Ärmste, wer mit Jesus lebt ist der Reichste.
Der große Physiker Volta (1747-1827) schreibt: Ich hielt immer und halte heute noch wahr die heilige katholische Religion. Ich danke Gott ohne Ende, daß er mir einen solchen Glauben gegeben hat, in dem ich mir vornehme zu leben und zu sterben. Ja, ich erkenne ihn als eine Gottesgabe".
Heute am Weißen Sonntag erweckten die jungen Erstkommunikanten ihre Taufgelübte. Mit ihnen erneuern auch wir sie. Ja, Herr wir glauben alles, was die (wahre) Kirche lehrt. Wir wollen katholisch leben und sterben. Wir wollen uns nicht beirren lassen durch die modernen Theologen, welche die Menschheit in die Irre führen. Wir wandeln auf dem alten bewährten katholischen Boden. Da wandeln wir im Lichte und nicht in der Finsternis.
ERKLÄRUNG:
In dieser Zeitschrift, "Einsicht" VII(6)257f, schrieb ich, daß ß218 STGB mit den Stimmen der Unionsparteien geändert worden sei. Ich wurde darauf aufmerksam gemacht, daß dies nicht zutreffe, und Recherchen bestätigten dies. Ich nehme also meine Aussage mit Bedauern zurück. Sollten aber die Unionsparteien sich nicht prüfen, warum meine 'falsche' Behauptung bei den Wählern soweit verbreitet ist, daß bei meinen Rückfragen unter ihnen übereinstimmend die Antwort kam: CDU / CSU haben mitgewirkt? Wahrscheinlich, weil die ständige Opposition der C-Parteien gegen das Gesetz unterbleibt. Auch in einer Demokratie darf ein Mehrheitsbeschluß, der den Mord sanktioniert, nicht akzeptiert werden. Die Unionsparteien opponieren ja auch in weniger heiklen Fragen am laufenden Band.
Lotte Meiler |