DIE LITURGISCHE SPRACHE
von H.H. Dr. theol. Otto Katzer
Wir haben schon darauf hingewiesen, daß das Bestreben, die liturgischen Texte während der hl. Messe zu verstehen, für den Hauptzweck - die Aufopferung des eigenen 'Ichs' mit Christus - leicht zum Hindernis werden kann. Mit Suarez müssen wir sagen, daß "wenn auch alles in der Volkssprache in der hl. Messe vorgetragen würde, das gewöhnliche Volk es größtenteils dennoch nicht verstehen würde, so etwa die Psalmen, Propheten, Paulus, die Offenbarung, die Hymnen und ähnliche Texte, welche selbst Gelehrte kaum (durchgängig) verstehen würden, woraus folgerichtig anzunehmen ist, daß hiermit eine mehrfache Gelegenheit für Irrtümer geboten wäre, manches wörtlich genommen würde, was metaphorisch gesagt ist usw. Auch sind nicht alle Geheimnisse so leicht dem gewöhnlichen Volke darzubieten, einiges ist geheim zu behalten, damit es nicht von Einfältigen geringgeschätzt oder falsch begriffen werde. Dies gilt umso mehr, da es für (das gläubige Volk) nicht notwendig ist, alles zu wissen. Darauf haben schon die Väter hingewiesen."(1)
Noch einmal müssen wir betonen: "Es wurde uns nicht angeordnet, sei es in der lateinischen, sei es in der Sprache des, Volkes das Leiden Christi zu verkünden, sondern F A C E R in Christi commemorationem (es um Christi Gedenken zu t u n!) D.h. das Leiden Christi durch dieses selbst zu verkündigen !"(2) Der Hauptzweck, wie der hl. Robert Bellarmin bemerkt, ist ja nicht das Volk während der Messe zu belehren, sondern Gott das entsprechende Opfer darzubieten. Auch würde das Volk nicht belehrt, wenn der Gottesdienst in der Volkssprache gefeiert würde; denn nicht die Worte an und für sich sind es, die der Belehrung dienen; ihr Sinn soll sie belehren, und dieser Belehrung dienen häufige Predigten, welche in den Kirchen stattfinden sollen (3). Der Hauptgrund, warum die Häretiker die Volkssprache beanspruchen ist, weil sie (nur) die Be lehrung des Volkes vor den Augen haben, wir aber Gott anrufen, um das Dargebotene zu heiligen!(4) Wir müssen also mit Bart·k alle diese Neuerungen (auch die unserer Zeit; O.K.) aus einer unrichtigen Auffassung des Zweckes der katholischen Liturgie erklären, (...) Die durch die Feier der Liturgie in lebenden Sprachen erzielbare Beförderung der Moralität ist nicht Hauptzweck der katholischen Liturgie. (...) Die Liturgie braucht dies nicht tun, weil sie nicht belehrt, (wenigstens nicht direkt; O.K.), sondern den bereits Belehrten erbaut; ihr ethischer Zweck ist nicht einem didaktischen gleich. (...) Schön spricht sich Hettinger hierüber aus: "Die Sprache der heil. Messe, als eines mystisch sakramentalen Aktes, ist, wie die Sprache a l l e r O p f e r, namentlich aber der Opfer des Alten Bundes, nicht das Wort, sondern das Symbol. Das Symbol aber ist ursprünglicher, inhaltsreicher, bedeutungsvoller und beredter, als das Wort. Darum sprachen Gott und die Propheten mehr im Symbol als im Wort. Und der Mensch in den großen, heiligen Augenblicken seines Lebens spricht im Symbol; für seine Anbetung, für seine Hingabe und Liebe findet er das Wort nicht in seiner Sprache - die reichste Sprache ist zu arm hierfür. Wenn er betet zu dem Unaussprechlichen, betet er mit "unaussprechlichen Seufzern. Der Priester, der am Karfreitag in lautloser Stille auf seinem Angesichte vor Gott liegt, spricht unendlich mehr, als nur immer eine Sprache auszudrücken vermag."(5)
In Anbetracht dessen wird es sich meistens bei denen, die die Einführung der Volkssprache in die Liturgie fordern, mehr um Neugierde handeln (6), als um wahres Bestreben, tiefer in das Geheimnis der hl. Messe einzudringen, da zu diesem die Sprache des Symbols die Sprache ist, welche zuerst beherrscht werden muß. Ihr Ausschalten kann für das wahre Verstehen verhängnisvoll werden. Mit Recht weist Ledesima darauf hin, daß dort, wo die Volkssprache eingeführt wurde, gerade das Gegenteil von dem so ersehnten Verstehen eingetreten ist(7), nämlich die Unkenntnis der elementarsten Glaubenswahrheiten, zugleich mit aufgebauschten, mehr oder weniger pantheistischem Nichts! Man versuche es nur die "jetzt schon alles verstehenden Christen" über die einfachsten Tatsachen des Glaubens zu befragen! Die neuen sogenannten "Katechismen" geben eine Auswahl ihrer Antwort! Diese dienen auch als Beweis für die den Klerus selbst ergriffenen Ignoranz. Schon der hl. Kirchenlehrer Bellarmin warnte: "Sollten die Sakramente in der völkischen Sprache erteilt werden, wird der Ignoranz die Pforte weitauf geöffnet. Die Diener der Kirche werden sich damit begnügen, daß sie lesen können, die lateinische Sprache wird langsam vergessen werden, sie werden die Väter nicht mehr lesen können, und so auch die hl. Schrift nicht mehr ver stehen!"(8)
Auch ist nicht zu vergessen, daß wir es bei der hl. Messe mit dem M Y S T E R I U M F I D E I zu tun haben, also mit etwas, was uns selbst im Lichte des übernatürlichen Glaubens ein Geheimnis bleibt! Selbst auf dem rein natürlichen Gebiete befinden wir uns bei ihr in solchen Höhen, daß wir uns nur sehr langsam bewegen können. Diese sind durchstrahlt von dem übernatürlichen Licht der Gnade Gottes, wo wir mit rein logischem Denken nicht mehr wei-ter kommen. "Was ist mehr gegen die Vernunft", warnt uns der hl. Bernhard, "als mit Hilfe der Vernunft über die Vernunft hinaus steigen zu wollen? Was ist mehr gegen den Glauben, als das nicht glauben zu wollen, was für die Vernunft unerreichbar ist!"(9) Allein der von der übernatürlichen Liebe durchdrungene Geist kann einen richtigen Blick in das vor seinen Augen sich abspielende Drama werfen, alle anderen Versuche werden uns irre führen!
Hier mit ist klar gezeigt, daß der Grund für die Forderungen nach der Einführung der Volkssprachen die Häresie ist, nicht nur allein, weil wir es mit bereits ausgereiften Häretikern zu tun haben (10), sondern weil die, die sie fordern, glauben, sie könnten mit der Vernunft allein alle Geheimnisse erschließen, ohne in tiefster Demut um das Licht des Heiligen Geistes bitten zu müssen! Gelingt es solchen Menschen, die Landessprache von der Kirche zu erpressen, brüsten sie sich, daß auf ihre Einwirkung die Kirche den früheren Fehler eingestanden hat, und endlich einsehe, welchen falschen Weg sie durch die Jahrhunderte genommen habe. Indirekt natürlich beschuldigen sie den Heiligen Geist, der die Kirche ja führt, des Irrtums. Auch deshalb wollen sie die Umänderung der Riten erreichen, um zu zeigen, wie eng sie sich auf Kosten der rechtgläubigen Väter mit den Häretikern verbunden fühlen! Daß sie auf diese Weise die Kirche in Stücke zerreißen, bringt sie nicht aus der Ruhe; sie fühlen sich im Lager Satans ganz Wohl! (11) (Damit soll keineswegs gesagt sein, daß jeder Angehörige einer fremden Konfession schon allein dadurch als in Satans Diensten stehend zu betrachten ist - wie es umgekehrt viele Bürger des Reiches gibt, die den Geschäften Babylons nachgehen!)
"Die monophysitische Häresie war es, die zuerst es wagte, die heilige Dreizahl der Kultsprachen anzutasten. Die katholische Kirche selbst aber war erst im neunten Jahrhundert genötigt, eine Ausnahme von der Regel mit den mährischen Slawen zu machen, und zwar aus dem Grunde, damit nicht das neubekehrte, im Glauben noch nicht erstarkte Volk zum griechischen, damals bereits schismatischen Patriarchat sich schlage" (12). Wenn heute von den dem Entwicklungswahn verfallenen Liturgen hinausposaunt wird, daß die Menschen von heute fortschrittlicher sind als ihre Ahnen, und infolgedessen eine ganz andere Behandlung beanspruchen, dann ist das eine Selbsttäuschung. Die ungesunde Einstellung auf das eigene "Ich" ist klar ersichtlich! Wie leicht scheint es, daß der Protestantismus fortgeschrittener als der Katholizismus sei, dessen feste Formen als verkalkte, krankhafte, überlebteGebilde leicht verlassen werden. Möchten sich doch die Schöpfer dieser neuen Religion der Fortgeschrittenen das zu Herzen nehmen, was 1736 der Erzbischof von Paris über gewisse liturgische Neuerungen schreibt: "Indem ihr euch von eurer Mutter der Kirche trennt, und von ihrer Liturgie und ihren Anordnungen abwendet, wohin schleppen euch die neuen Führer? Die Protestanten, die unter uns wohnen, finden an den Neuigkeiten ihre Freude, und hoffen leicht, daß jene die, die bereits von der Kirche verdammten Dogmen, welche den Irrlehren der Kalviner nahestehen, verteidigen, durch die äußere Veränderung des Ritus in Kürze näher an ihre Gemeinschaft herantreten werden ! " (> 13 ) So können nach dem Novus Ordo alle protestantischen Denominationen ruhig ihren Gottesdienst feiern, ohne auch nur eine Kleinigkeit von ihrem Glauben preisgeben zumüssen; die Mehrdeutigkeit der Form gestattet es ihnen. "Wie die Väter es uns lehren ist es Art und Weise der Diener Satans, dem Mehrdeutigem nachzulaufen, und dem Unklaren vor dem Klaren Vorrang zu geben!" (14) Das alles so bald in ein babylonisches Chaos einmündet ,können wir heute bereits sehen, und das nicht nur, was die Liturgie anbelangt, sondern auch den Glauben! (15) Wer konnte da überhaupt noch von einem Nutzen sprechen? "Und wenn auch welcher sich zeigen möchte, schreibt unser gelehrter Karmeliter im Einklang mit Ledesima, zeigt sich auf der anderen Seite beim Gebrauch der Volkssprache in der Liturgie ein so großer Schaden, daß er den Nutzen bei weitem überragt und eine solche Kleinigkeit im Vergleich mit so großen Nachteilen für nichts zu halten ist!" (16) "Nicht auf das kommt es an," mahnt der hl. Augustinus,"wie viel du verstehst, sondern wie viel du glaubst, glaubend liebst, danach forscht Gott!" (17) (18) Auch lesen wir in Akten einer Prager Synode: "Die Kraft und Wirksamkeit dieser Riten liegt nicht in dem Verständnis der Worte, sondern in der Heiligen Handlungen, wie auch ihrer Unversehrtheit: auch sind sie nicht dazu eingesetzt, daß sie belehrend erbauen, sondern wirkend heiligen."(19)
Die Wirksamkeit des hochheiligen Opfers besteht in der Applikation der Verdienste Christi. Hiermit betreten wir aber einen Boden, der weit über den normalen Vernunftbereich herausragt und in das Gebiet des Übernatürlichen einmündet, denn wir haben es mit einem übernatürlichen Licht und einer übernatürlichen Kraft zu tun. Unsichtbare, jedoch höchst wirksame Strahlen der Gnade Gottes durchwirken den Raum und die Zeit, an welche sie nicht gebunden sind. So beten wir z.B. für längst Verstorbene, bringen für die Armen Seelen im Fegefeuer das hochheilige Opfer dar, wie auch sie für uns mit ihrer Fürbitte bei Gott behilflich sind.
A N M E R K U N G E N : 1) Suaresius Disputationum Tom. 3.XVI, 3/3. 2) Gregorii de Valentia, De sacrosancto Missae sacrificio, Disp.VI. Qu.ll. De Ritu et oblatione Euchar. Punct. I. 3) Bellarmin, Prima Controversia, De Verbo Dei Lib. U.c.16 sq. 4) Bellarmini Controversiarum, cap.XIX,De Sacramentis in genere, lib.I. 5) Versuch die liturg. Sprache...zu beleuchten von ThDC J. Bartak, Königgratz 1875, S. 40,42,46,48. 6) Ledesima op.cit. 162/163. 21 7) ebendort 144. 8) Bellarmin, op.cit. De Sacramentis in genere Lib. I I . cap. XXXI. 9) S. Bernardi epist. 19o ad Innoc. I I . l0) Bibliotheca Criticae 32, III.pg.625. 11) Ledesima, op.cit. 211. 12) Bart·k, op.cit. 26. 13) Roskoväny, Caelibatus et Breviarium, tom V.B. pg. 527, Mon 67o. 14) Claude de Sainetes, De rebus Eucharistiae, Paris 1575. Cor nomen Coenae praeferant adversarii. 15) cf. Ledesima, op. c i t . 149. 16) Biblioth.Crit.Artie.VI.set.I.18. 17) S. August. Epist. Io2 ad Evod.; 18) ebendort., cf. Ledesima 74. 19) Acta et decreta Conc. prov. Prag. I860 bei Bart·k S. 51. |