DAS 4. GEBOT
von
H.H. Pfarrer Alois Aßmayr
Eine der wichtigsten Aufgabe der Eltern ist die gute Erziehung ihrer
Kinder, die durchaus nicht leicht ist. Es ist offensichtlich, daß dabei
die Mutter die größte Rolle spielt, da sie ja normalerweise die Kinder
ständig um sich'hat und zwar jahrelang, besonders in den ersten Jahren.
Die Mutter ist es, die daher am nachhaltigsten auf die Kinder einwirkt.
Soll sich aber dieser Einfluß günstig auswirken, muß die Mutter über
eine ganze Reihe von Tugenden verfügen, die sie sich in der Jugend,
also vor der Ehe, angeeignet haben muß. Was man selber nicht kann, kann
man auch andere nicht lehren. Das ist die Regel.
Ich möchte nun ein sehr wichtiges Kapitel aus dem im vorigen Artikel genannten Buche abschreiben, das überschrieben ist:
"Wie soll sich eine christliche Jungfrau besonders verhalten?"
"Die Unschuld ist dein edelster Schatz, o Jungfrau, hier auf Erden. Du
sollst lieber sterben, als diesen kostbaren Schatz verlieren wollen.
Damit du ihn nicht verlierst, meide jegliche Gefahr , die dich um
dieses dein höchstes Gut bringen könnte. Kämpfe wie eine Heldin in
jeder Gefahr, der du nicht ausweichen kannst, für die Erhaltung deiner
Keuschheit. Wende alle möglichen Mittel an, um deine Keuschheit stets
rein und unversehrt zu erhalten. Ich will dir jetzt die Gefahren deiner
Unschuld zeigen. Die gefährlichen Feinde der Keuschheit, die du
besonders meiden mußt, sind:
I. Die Eitelkeit oder die übertriebene Begierde, der Welt zu gefallen.
Laß dein erstes Streben sein, Gott zu gefallen. Gefällst du Gott, so
gefällst du dem ganzen Himmel und allen guten Menschen. Suche als eine
edle Jungfrau in den Augen Gottes, und nicht vor den Menschen schön zu
sein.
1. Die Zierde des weiblichen Geschlechtes, schreibt der Apostel Petrus
(1,3), muß nicht sein gekräuseltes Haar, goldener Schmuck, prächtige
Kleidung, sondern der innere verborgene Herzensmensch, in dem
unverrückt stillen und bescheidenen Geiste, der im Auge Gottes reich
ist.
Das fromme Mädchen will nicht durch die Farbe und Schönheit ihres
Gewandes die Augen auf sich ziehen, es sucht sich nicht durch Putz,
neue Moden oder gar durch unanständige Kleidung Achtung und Versorgung
zu schaffen: "Die Holdseligkeit ist betrüglich und die Schönheit ist
eitel, aber das Weib, das den Herrn fürchtet, soll gelobt werden", also
lehrt uns der Hl. Geist (Sprich. 31,3o).
2. Geliebte Jungfrauen, seid ihr hierin zu weit gegangen, so laßt euch
ermahnen und bessert euch. Hört, was selbst im Heidentume die
Sittsamkeit der Weiber in der Kleidung für einen schönen Erfolg hatte:
Zu Cortona, einer Stadt in Italien, hatte um das Jahr 529 vor Christi
Geburt das Sittenverderbnis so überhand genommen, daß der gänzliche
Verfall dieser Stadt nahe war. Pythagoras, ein weiser Lehrer jener
Zeit, stellt den Einwohnern die nahe Gefahr so lebhaft vor Augen, daß
sie sich zur Besserung entschlossen. Den ersten Schritt dazu machten
die Frauen. Sie legten alle miteinander an einem Tage ihre
Kostbarkeiten und die mit Gold durchwirkten Kleider ab, und liefen in
den Tempel und gelobten feierlich, sich in sittsameres Gewand zu
kleiden und ihren wahren Schmuck in der Keuschheit und Tugend zu
suchen. Da kehrte die Häuslichkeit und Ordnungsliebe in die Familien
zurück, dies legte den Grund zur besseren Kinderzucht, und der Staat
war gerettet. Seht, was Frauentugend vermag und wie wichtig für gute
Sitten die Ehrbarkeit des Anzuges der Frauen ist.
3. Die Unvorsichtigkeit im Blicke, in den Gebärden, und in den Worten.
Halte dich, Jungfrau, an das Muster, welches der hl. Ambrosius von der
seligsten Jungfrau Maria aufstellt. Er sagt: "Sie hatte nichts
Unfreundliches in den Augen, nichts Freches in den Worten, nichts
Ausgelassenes in ihren Handlungen." Dein Auge sei sittsam. Nicht
umsonst betete David: (Psalm 118,38) "Herr! wende meine Augen ab, damit
sie nichts Eitles sehen". Der hl. Jüngling Aloisius war Jahre lang
zunächst um die Königin von Spanien und wußte nicht, wie sie aussah.
Rede wenig und nur über ehrbare Dinge: "Viel reden (sagt Salomon) geht
nie ohne Sünde ab."
4. Böse Gesellschaften.
"Böse Gesellschaften verderben gute Sitten, und wer Pech anrührt, wird
damit besudelt." (Sirach 13,1). Tänze, Bälle, Schauspiele sind für eine
Jungfrau gefährlich und verderblich. Bei dem üppigen Tanze stirbt die
Unschuld, im Heimführen wird sie begraben. Der erste Schritt auf dem
Tanzboden ist bei den meisten der erste Schritt zur Verführung. Gehe, o
Jungfrau, des Abends nicht allein aus, meide jene Gesellschaften,
Zusammenkünfte und Unterhaltungen, wo deine Schamhaftigkeit erröten
muß, und wo es unehrbar zugeht.
5. Leichtfertiger Umgang mit dem anderen Geschlechte. Schnell wird ein
Funke in das Herz geworfen, der Funke wird Flamme und die Flamme brennt
und verzehrt. Traue nie einer blinden Neigung für eine Person, denn die
Leidenschaft ist blind und macht blind. Nur die Flucht kann dich
retten. Sei ohne Not nie allein bei einer Mannsperson. Traue nicht;
denn: "Wer die Gefahr liebt, kommt darin um." (Sirach 3,27). Nimm keine
Geschenke von einer Mannsperson an. Verkaufe nicht den Schatz deiner
Unschuld um einige Gulden, um ein seidenes Tuch oder einen hübschen
Ring und dergleichen. Gedenke, daß Gott reicher ist, und dir etwas
Schöneres im Himmel geben wird. In der Not und Gefahr, wenn man deiner
Tugend nachstellt, wehre dich so sehr du kannst, rufe und schreie um
Hilfe. Laß dich lieber umbringen, als daß du in des Verführers
boshaftes Begehren einwilligst. Und soll er dir drohen, daß er dir oder
sich das Leben nehmen wolle, so fürchte dich nicht und sage ihm
herzhaft ins Gesicht, du wollest nicht seinetwegen ewig verdammt
werden.
Bist du in deines Vaters Haus vor einer darin wohnenden Mannsperson
nicht sicher, so sage es deinen Eltern, damit eine solche Person aus
dem Hause entfernt werde. Bist du im Dienst und stellt jemand deiner
Unschuld nach, so klage es deinem Dienstherrn, hilft er nicht ab, so
geh aus dem Dienste. Es ist besser, du leidest jegliche Nachrede, Armut
und Verfolgung, als daß du als eine strafbare Sünderin in die Hände des
lebendigen Gottes fallest.
Zur Nachtzeit verschließe dein Kämmerlein, gib keiner verführerischen
Stimme beim Fenster Gehör, als dann sage in deinem Herzen: "0 Jesus,
bleibe bei mir! Dir will ich leben und sterben!" Hast du in deiner
Schlafkammer zugleich eine andere Weibsperson, die mit Personen des
anderen Geschlechtes eine unerlaubte Bekanntschaft hat, so zeige es dem
Hausvater oder Hausmutter an, damit du nicht selbst etwa durch sie
verführt werdest. Denke an die Zukunft und an die späte Reue, die aus
einem unkeuschen Leben folgen würde, üppige Jugend bringt ein trauriges
Alter. Trage Sorge, daß du als eine Jungfrau würdig des
Jungfrauenkranzes an deinem Ehrentage vor dem Altare Jesu Christi
erscheinen könntest, oder wenn du ledig bleiben willst, daß du den
jungfräulichen Schatz mit ins Grab nehmest und dich des
Jungfrauenkranzes ewig im Himmel erfreuest."
Soweit die Anweisung an das Verhalten der Mädchen aus dem genannten
Büchlein: "Anleitung zu einem christlichen Lebenswandel" von 1847.
Ich kann mich erinnern, daß man sich bis zum ersten Weltkrieg
weitgehend daran gehalten hat. "Eine "gefallene Jungfrau" war ganz
selten, und die hat es genug büßen müssen. Eine Abtreibung kam damals
kaum in Frage. Man wird heute über die damaligen Anweisungen und
Haltungen vermutlich lachen und spötteln. Das ist freilich leichter,
als nach dieser Anweisung zu leben, die nicht nur viel
Selbstbeherrschung voraussetzt, sondern auch ein großes Maß von echter
Frömmigkeit. Beides ist heute weitgehend verschwunden. Die Folgen sehen
wir, ich brauche sie daher gar nicht zu schildern.
Wenn sich die Mädchen an die obige Anleitung halten würden, gäbe es
viele glückliche, lebensfrohe Jungfrauen, viele echt christliche Mütter
und Familien. Auch hätten solche Mädchen und Mütter einen sehr großen
und veredelnden Einfluß auf Burschen und Männer. Aus einem frommen und
würdevollen Mädchen wird auch eine fromme und würdevolle Frau und
Mutter, vor denen man Achtung hat. Beiden gegenüber würden sich
Burschen und Männer nicht getrauen, etwas zu fordern oder nur
zuzumuten, was ihre Ehre und Würde verletzt. Die echte Liebe baut auf
der Achtung auf. Mit der Achtung zerstört man auch die Grundlage,wenn
man seine ungezügelte Lust befriedigt. Mädchen und Frauen, die sich
würdelos benehmen, werden auch so behandelt. Echte Würde läßt sich aber
von echter Frömmigkeit nicht trennen. Würde ohne Frömmigkeit ist nichts
anderes als Stolz, und der stößt ab. Wie die Lage heute ist, brauche
ich wohl nicht zu schildern, da sie allgemein bekannt ist. Ich möchte
daher schließen. Ich möchte nur wünschen, daß sich recht viele Mädchen
an die genannte Anweisung halten möchten. Sie könnten sich viele
Enttäuschungen, viel Streit, Unfrieden und Tränen ersparen. Es ist
wahr, es kostet etwas. Das Andere aber kostet viel mehr. Das Eine gibt,
das Andere aber nimmt.
Es grüßt alle Leser herzlich und segnet sie mit dem Versprechen, ihrer am Altare zu gedenken
Alois Aßmayr, Pfarrer |