FÜR ALLE UND FÜR EUCH -
DAS PROGRAMM JOHANNES PAULS II.
von
Reinhard Lauth
Seitdem Johannes Paul II. den Stuhl Petri de facto eingenommen hat, hat
sich die Situation der Reform'kirche' verändert. Ich glaube, das spürt
heute jeder. Dieser Mann will nicht nur einfach die Kirchenorganisation
zerstören wie Paul VI., er hat ein positives Ziel. Er glaubt an einen
"neuen Advent der Menschheit", zu dem die 'Kirche' etwas Wesentliches
beizutragen hat. Hat er nicht angesichts der in die Zehntausende
gehenden Austritte aus dem Priester- und Ordensstand ausgerufen: Nur
Mut! Wir stehen am Anfang einer glorreichen Entwicklung? "Die Kirche
ist", heißt es in seiner Enzyklika "Redemptor hominis", "- entgegen
allem Anschein - heute geeinter in der Gemeinschaft des Dienens und im
Bewußtsein des Apostolates."
Mehr als ein Dutzendmal hat Johannes Paul II. Paul VI. als "seinen
geistigen Vater" ausführlich gerühmt. Das II. Vatikanische Konzil ist
ihm "der große Katechismus der modernen Zeit", von gleicher Ranghöhe
wie das Konzil von Trient. Der Gehorsam des kath. Christen von heute
gegen den Heiligen Geist manifestiert sich für ihn in der authentischen
Verwirklichung der von diesem Konzil gestellten Aufgaben. Dieser Mann
weiß dabei seine persönlichen Vorteile für seine Sache zu nutzen. Als
Pole, den der Nimbus eines Widerstandskämpfers im religiösen Bereich
gegen den Kommunismus umgibt, hat er nicht gezögert, den Deutschen die
Schuld an dreieinhalb Millionen Ermordeter in Auschwitz zu geben,
obwohl er wissen muß, daß diese Zahl unmöglich stimmen kann. Dafür
konnte er als erstes Oberhaupt der Kirche wie selbstverständlich
entgegennehmen, daß ihn der Präsident der Vereinigten Staaten im Weißen
Haus empfing und daß er den NOM auf den öffentlichen Plätzen dieses
Staates präsidieren konnte. Er versteht es auch, klug zu schweigen, wo
es ihm taktisch geboten erscheint. "Das erste Jahr seines Pontifikats",
schreibt Abbé de Nantes von ihm, "war vor allem durch den Völkermord
der Kommunisten gekennzeichnet, zu dem der Papst nichts zu sagen hatte
und gegen den er nichts zu tun wußte".
Woher diese Haltung, woher diese Erfolge, woher diese Zuversicht? Kein
Zweifel, dieser Mann hat starke und haltbare Rückendeckung. Nicht
umsonst waren etwa l00 Kardinäle vor seiner Wahl zum 'Papst' zu Besuch
bei ihm in Krakau. Nicht zufällig leisten ihm Publikationsorgane wie
"Der Spiegel" und die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" Schützenhilfe
selbst zu dieser Stunde, da er den Küng, Pohier, Schillebeeckx u.s.w.
die Lehrbefu'gnis entzieht oder zu entziehen droht. Und der Mann hat
einen eisernen Willen, den seine Gegner spüren und der sie lähmt. Wer
hätte es bei seinem Amtsantritt für möglich gehalten, daß ein Jahr
danach die führenden Köpfe der Rebellion in der 'Kirche' rollen würden,
ohne daß ihn und seine Politik ein Sturm der Entrüstung hinwegfegt?
Alles spricht dafür, daß er die von ihm beabsichtigte Straffung
erreichen wird, ohne daß geschlossene Teile sich von der Reform'kirche'
trennen; und selbst dies letztere würde er wahrscheinlich in Kauf
nehmen, - denn er will sich ein schlagkräftiges Instrument schaffen,
mit dem er handeln kann.
Das jämmerliche Jammern des Herrn Küng erinnerte mich nur lebhaft an
die Kinder einer deutschen Familie, die ich in einem österreichischen
Gasthof, in dem ich bei der Rückkehr von Prag zuerst einkehrte,
quängeln hörte, weil ihnen nicht einmal ein Filetbeefsteak mit
Champignons gut genug war. Der Mann, der über Verletzung der
Menschenrechte, Inquisition und Psychoterror von Seiten Roms klagt -
wie weit muß er sich schon von jeder Wirklichkeit entfernt haben?
Glaubt er nicht tatsächlich, die 'Kirche' werde ihrer Selbstzerstörung
nur noch tatenlos zusehen? Wenn diese 'Kirche' weiterbestehen will,
dann muß sie sich doch notwendig ein positives Ziel setzen und darnach
auch handeln. Nein, der reinen Zersetzung, die Paul VI. hat betreiben
lassen, ist jetzt zweifellos eine Grenze gesetzt. Johannes Paul II.
braucht entschlossene Mitkämpfer und keine endlos dialogisierenden
Zerredner.
Es konnte nicht ausbleiben, daß viele 'gutmeinende Katholiken'
ernstlich zu glauben anfingen und daß dieser Glaube sich bei ihnen
befestigt, Johannes Paul II. sei der herbeigesehnte konservative Papst,
der alles wiederherstellen werde. Andere und von diesen viele, die
außerhalb der 'Kirche', ja selbst des christlichen Bekenntnisses
stehen, bejubeln ihn als den Mann, der für "die gute Sache" in der
gegenwärtigen Stunde der Menschheit einsteht. Eine Karrikatur in "Le
Monde" zeigt den 'Papst' sechsmal lächelnd mit erhobenem Finger, und er
sagt: "Nein zur Abtreibung", "Nein zur Scheidung", "Nein zur
Empfängnisverhütung", "Nein zur Priesterehe", "Nein zur Homosexualität"
- und: "Ja zur Toleranz". Und um dieses sechsten Wörtchens willen wird
man ihm wohl die fünf vorhergehenden "Nein" derzeit hingehen lassen.
Denn die Hauptsache ist die Verteidigung der Toleranz (im liberalen
Verstande) - alles andere macht sich dann mit der Zeit schon von
selbst.
Johannes Paul II. weiß, daß man ihn braucht. In der großen weltweiten
Auseinandersetzung dieser Tage kann die Führungsspitze des Westens auf
keine Hilfsorganisation leichthin verzichten - schon gar nicht auf ihre
zahlenmäßig größte - die Reform-'kirche' seligen katholischen
Angedenkens. Man muß nur darüber wachen, daß sie sich nicht wieder den
Direktiven entzieht, die allentscheidend sind - im Detail wird man ihr
"konservative" Rückwendungen nachsehen müssen, wenn sie damit eine
erhöhte Schlagkraft erzielt. Das kann späterhin leicht bereinigt
werden.
Der neue 'Papst' versteht es ausgezeichnet, den mächtigsten
Gruppierungen dieser Welt zu schmeicheln. "Der Mensch!" rief er vor der
UNO aus, "Der Mensch ist der Maßstab, der alle Ihre Maßnahmen bestimmt
und an dem Sie sich orientieren, er ist für Sie der lebendige Wert!".
Und zu führenden Persönlichkeiten jüdischer Organisationen: "Ob Juden
oder Christen, wir sind alle gewiß, daß wir dem Willen Gottes treu sind
und ihm gehorchen, dem Gott der Patriarchen und Propheten". Schließlich
in Boston, als er dem Flugzeug entstieg: "Ich grüße unterschiedslos
alle Amerikaner. Ich möchte euch begegnen und euch allen - Männern und
Frauen jeden religiösen Glaubens und jeder völkischen Herkunft, Kindern
und jungen Leuten, Vätern, Müttern, Kranken und Alten - sagen, daß Gott
euch liebt und daß er euch als Menschen eine unvergleichliche Würde
verliehen hat. Ich möchte jedem von euch sagen, daß der Papst euer
Freund und der Diener des Menschen in euch ist."
Die Taktik dieses Mannes ist ganz klar: er greift die Themen auf, die
den meisten Menschen von heute am Herzen liegen, und macht sich -
scheinbar oder wirklich - zu deren Interpreten. Dabei gibt er, wie
selbstverständlich, bestimmten Forderungen einen veränderten Sinn. Er
vertritt nachdrücklich die Menschenrechte. Die UNO ist nach den Worten
seiner Ansprache vor ihr "das höchste Tribunal des Friedens und der
Gerechtigkeit, der authentische Sitz der Freiheit der Völker und
Menschen, die nach einer besseren Zukunft streben". "Was kann man jedem
Volke und der ganzen Menschheit, allen Kindern dieser Welt mehr
wünschen als diese bessere Zukunft, in der die Achtung vor den
Menschenrechten um das Jahr 2000 volle Wirklichkeit werden wird." (Man
sollte meinen, mehr noch zu wünschen wäre - vor allem von einem Papst -
deren ewiges Heil!) Aber er läßt durchblicken, daß er vor allem an die
Menschenrechte der Unterdrückten in den kommunistischen Ländern denkt.
- Religionsfreiheit! Ein Thema, das Johannes Paul II. ganz besonders am
Herzen liegt (und bezüglich deren er diametral entgegengesetzte Ideen
zu denen Mgr. Lefebvres hat): Gleiches Recht für alle Arten von
Bekenntnissen, auch der verderblichsten Sekten. Ja, aber vor allem
Religionsfreiheit für die in den atheistischen Staaten unterdrückten
katholischen Reformchristen! - Auf diese Art werden jene Schlagwörter
zu Programmpunkten der reformkatholischen Ideologie umgeschmiedet,
deren weltweite Offensive Johannes Paul II. einzuleiten im Begriffe
ist.
Man übersehe doch nicht, wie geschmeidig dieser 'Papst' in seiner
Dialektik ist. Es lohnt sich, die große Analyse Abbé de Nantes
"Jean-Paul II un an après" in "La Contre-Réforme catholique" (vom
Dezember 1979) nachzulesen, wo die raffinierte Verschachtelung
traditionalistischer und progressistischer Satzteile in einzelnen
Passagen der Reden dieses 'Papstes' analysiert ist. Das Konzil hat für
die neue Zeit der Kirche die Tore des Fortschritts geöffnet. "Die
Kirche ist ein lebendiges Mysterium und unter Führung des Heiligen
Geistes auf dem Marsche". "Wir müssen in der gesamten Lehre des [2.
Vatikanischer] Konzils uns zu Hause wissen. Der gesamten! d.h. wie es
im Lichte der gesamten heiligen Tradition und auf der Grundlage des
fortlebenden Lehramts der Kirche zu verstehen ist". Man beachte das
Zweideutige allein dieses letzten Nebensatzes: "im Lichte der gesamten
Tradition" (der es in Punkten widerspricht und mit der es nicht zu
vereinigen ist!) und nach der derzeitigen lehramtlichen Auslegung (man
denke nur an diejenige Pauls VI.)! Ja und Nein zugleich - Jein! (Man
denke an des Herrn Verdikt gegen die Lauen!)
Mittels dieser Taktiken der Umfunktionierung und der gewollten
Zweideutigkeit hofft es Johannes Paul weit zu bringen; sie stehen für
ihn im Dienste seiner Strategie, die darauf geht, mit seiner 'Kirche'
zur ideologischen Führungsmacht auf dieser Erde zu avancieren. Welches
ist der Grundgedanke der Ideologie, mit der diese 'Kirche' siegen soll?
Johannes Paul II. hat ihn glücklicherweise klar ausgesprochen:
"Der Pluralismus in den Methoden der derzeitigen Katechese kann ein
Ausdruck der Vitalität und des Einfallsreichtums sein. Auf alle Fälle
kommt es darauf an, daß die erwählte Methode Bezug nimmt auf ein
Fundamentalgesetz des gesamten kirchlichen Lebens: der Treue zu Gott
und der Treue zum Menschen in gleichem Liebesdienst." (zit. De Nantes,
S.13.)
Spricht, so wird man fragen, der 'Papst' hier nicht etwas sehr
Richtiges aus, nämlich den Gehalt des ersten und höchsten Gebots? So
sieht es aus - aber ich werde im nun folgenden zeigen, daß es nicht so
ist. Professor Wigand Siebel hat in dankenswerter Weise "Das Programm
Johannes Paul II." in seiner Enzyklika 'Redemptor hominis' scharfsinnig
analysiert und den halbverdeckten humanistisch- anthropozentrischen
Sinn seiner Ausführungen offengelegt. Seine Ergebnisse decken sich
weitgehend mit denen Abbé de Nantes'.
"Redemptor hominis", "Der Erlöser des (!) Menschen" - dieser Titel
enthält tatsächlich den Grundgedanken Johannes Pauls II. Man könnte ihn
so verdolmetschen: Ich bekenne, daß Jesus der göttliche Erlöser ist -
weil er d e n M e n s c h e n erlöst hat. Ich
bekenne den einzigartigen Wert der Erlösungstat Christi als eines e i n
z i g a r t i g e n M i t t e l s der
menschlichen Selbstvollendung. Das Endziel, der Endwert: das ist die
Vollendung des Menschen. "Wir hegen die tiefe Überzeugung, daß es in
der Welt von heute kein Programm gibt, - nicht einmal auf der Ebene
entgegengesetzter ideologischer Weltanschauungen - in dem nicht der
Mensch immer an die erste Stelle gesetzt wird." (zit. Siebel, S.7) Kein
Programm - also auch nicht das Programm der 'Kirche1! Auch es setzt den
Menschen an die erste Stelle!
Denken wir einen Augenblick an die Worte der Hl. Schrift: "Es muß der
Abfall kommen. D e r M e n s c h der Gesetzlosigkeit muß
offenbar werden, er, der Sohn des Verderbens, der Widersacher, der sich
über Gott und alles Heilige erhebt. Er wird sich sogar in den Tempel
Gottes setzen und für Gott ausgeben." (2.Thess.11,3). Dieses unser
Jahrhundert, das im Bekenntnis d e s M e n s c h e n
und der G e s e l l s c h a f t als das
menschenmörderischste aller Jahrhunderte in die Geschichte eingeht,
dieses Jahrhundert, in dem nachgerade die kleineren Völker zugunsten
der Interessen der größeren ausgerottet werden, dieses Jahrhundert, in
dem sich die 1800000 Ermordeten der Französischen Revolution verzehnt-
und verzwanzigfacht finden - in diesem Jahrhundert, so preist es
Johannes Paul II., gibt es kein Programm mehr, das nicht den Menschen
an die erste Stelle setzt - einschließlich des 'kirchlichen Programms.
Und ganz folgerichtig lehrt Joahnnes Paul II. in direktem Gegensatz zu
Christus, der gesagt hat: "Ich bin der Weg": "Der Weg der Kirche ist -
der Mensch" (zit. De Nantes, 21)
Was heißt das? Prof. Siebel bemerkt: "Mehr als 350 mal wird der Mensch
in dieser [cf. hochpreisenden] Weise erwähnt." (S.7.) Der Mensch, und
das heißt: jeder konkrete Mensch genießt die Früchte der Erlösungstat
Christi. "Durch seine Inkarnation hat sich der Sohn Gottes in gewisser
Weise mit jedem Menschen vereint." "Christus ist in gewisser Weise dem
Menschen, jedem Menschen ohne irgendeine Ausnahme geeint, selbst wenn
dieser sich dessen nicht bewußt ist." De Nantes konstatiert in diesen
Formulierungen "das Fehlen jeglicher Bedingung des Heils für alle, was
schlußendlich auf die Behauptung hinausläuft, daß es allen gegeben
ist." (a.a.O., S.20) Also die nun schon sattsam bekannte These: für
euch und für alle.
Aber es kommt noch besser! "Diese Vereinigung Christi mit dem Menschen
ist in sich selbst ein Geheimnis, aus dem der 'neue Mensch'
hervorgeht." (zit.Siebel,S.12); der Mensch ist durch diese Vereinigung
"neu bestätigt und in gewisser Weise neu geschaffen." (NB. Man lasse
sich durch das gehäufte 'in gewisser Weise' ja nicht zu dem Schluß
führen, der 'Papst' könne sich nicht präzise ausdrücken. Er will das
bewußt nicht, damit man ihn nicht beim Wort nehmen kann - etwa an Hand
des "Denzinger"!) Johannes Paul II. nimmt mit diesen Wendungen im
Vollsinn des Wortes die These Johannes XXIII. auf, wonach "alle
Menschen von Geburt an durch das Blut Christi erlöst worden sind".
(Rede vom 11.Okt.1962 zur Eröffnung von Vaticanum II.). "Es geht" hier,
schreibt Prof. Siebel, "nicht bloß um eine mit dem katholischen Glauben
nicht mehr zu vereinbarende Idee, um eine Häresie, wie sie die
Konfessionen voneinander trennt, sondern um eine grundlegende
Umorientierung der Kirche selbst. Es ist die Drehung der Kirche von
Christus weg auf den Menschen zu."(S.17.)
Wenn aber alle Menschen von Geburt an die Früchte der Erlösung
genießen, ja erlöst sind, wozu dann die Taufe, wozu die Kirche?
Johannes Paul II. spricht von einem "Rechtsanspruch jedes Menschen auf
eine persönliche Begegnung mit dem gekreuzigtenChristus, der ihm
verzeiht" (zit. de Nantes,S.7), nicht mehr von einer freien Gnadengabe
Gottes. Die Kirche ist in diesem Sinne ein Instrument zur Erlangung
dieses neuesten Menschenrechts. "Die Kirche ist [...] Werkzeug [...]
für die Einheit der ganzen Menschheit." (zit.Siebel,S. 3.) "Die
Eucharistie £isÖ Feier der menschlichen Brüderlichkeit"
(zit.Siebel,S.6. ) Das Evangelium ist - man höre und staune: "das
Staunen über den Wert und die Würde des Menschen." "Dieses Staunen
rechtfertigt die Sendung der Kirche in die Welt, und vielleicht vor
allem 'in die Welt von heute'." (zit.Siebel,S.9.) Der Weg der Kirche
ist eben nunmehr der Mensch!
Es soll nicht unterschlagen werden, daß Johannes Paul II. energisch
unterstreicht, daß die Freiheit des Menschen nur deshalb eine wertvolle
Freiheit ist, weil sie auf die Wahrheit bezogen ist. Aber was es mit
dieser inhaltlichen Wahrheit auf sich hat, werden wir bald sehen.
Die Christen aller Bekenntnisse befinden sich bereits in
missionarischer Einheit mit der Reform'kirche'. "Dank dieser Einheit
können wir uns zusammen dem großen Erbe des menschlichen Geistes
nähern, das sich in allen Religionen kundgetan hat [...]. Dank dieser
Einheit nähern wir uns zugleich [...] allen Weltanschauungen und
allen Menschen guten Willens." ("Redemptor hominis", zit. Siebel, S.6).
In seiner Ansprache vor der UNO sprach Johannes Paul II. von der
Notwendigkeit "einer ständigen Revision der Programme, Systeme und
Regime [...], die unter dem einzigen grundlegenden Gesichtspunkt zu
geschehen hat, dem Wohl des Menschen" (zit. Siebel, S. 9). Sollte, so
muß man sich fragen, das System und Programm der Reform'kirche' nicht
auch dazu gehören?. Und so ist es! Der 'Papst' verlangt von ihr Buße,
und zwar eine ganz bestimmte Buße, die der inneren Umkehr vom Glauben
an die katholische Kirche als die alleinseligmachende zum Ökumenismus.
"Es gibt keinen echten Ökumenismus ohne [diese] innere Bekehrung"
schreibt er. (zit. Siebel, S. 13). "Buße und Bekehrung", erklärt Prof.
Siebel dazu, sind "nur mehr für diejenigen notwendig, die den Weg der
Kirche auf den Menschen zu noch nicht zu ihren eigenen Weg gemacht
haben." (S.13) Das heißt aber im Klartext: Die Sünde, die der Buße
bedarf, ist das Festhalten an der katholischen Wahrheit und die
Verschlossenheit gegen eine Öffnung auf alle hin.
Was soll das Resultat dieser Öffnung sein? Dies kann man nur mehr aus
Andeutungen und halben Wendungen dieses 'Papstes' erahnen, aber es
liegt in der Konsequenz des gesamten Ansatzes. Die Öffnung gegen alle
Weltanschauungen (einschl. also z.B. auch des Kommunismus,
Nationalsozialismus, Linkssozialismus u.s.w.) wäre eine Farce, wenn sie
nur in einer Verständnisbereitschaft der Art bestände, daß man die
psychologischen oder gesellschaftlichen Gründe des Irrtums in ihnen
erkennen wollte, oder den Restbestand von Wahrheit in ihnen würdigte.
Sie muß darüber hinaus auch in einer Revision des eigenen Standpunktes
bestehen. Die Reform'kirche' will den anderen Weltanschauungen und
Konfessionen vorangehen, indem sie als erste diese Öffnung vollzieht.
Aber auch von den anderen wird sie erwartet. Es beginnt sodann der
große Wettlauf nach jenem System Omega, indem wir alle als in unserer
endlichen 'Wahrheit" verschmelzen werden. Die Chance der Reform'kirche'
ist, am besten und am ehesten dort anzukommen. Diese Kirche kann
folglich die ideologische Führungsmacht in diesem Run to point Omega
werden - und eben das soll sie nach dem Willen dieses Mannes. Aber
damit dreht sich die Verfälschung unseres Glaubens noch einmal um:
Nicht mehr: für euch und für alle, sondern: für alle und darin auch:
für euch!
Dostojewskij schrieb im Jahre 1873 die folgenden prophetischen Worte:
"Kann der triumphierende und 'unfehlbare' Papst - nicht der 'barfüßige'
- den bösen Geist verjagen? Können das etwa seine Jesuiten, diese so
geschäftigen 'Geistlichen' mit ihrem status in statu [...]? Nein, der
böse Geist [der Revolution] ist stärker und r e i n e r als sie!"
"Nun fragt es sich: womit den Kampf mit dem neuen, auflösenden Element
beginnen? Mit klerikaler Gewalt und Arglist ist dabei nichts mehr zu
erreichen. Die Antwort kann natürlich nur lauten: 'Der erste Schritt
zum Ziel - ist die Wiederherstellung der Weltmacht des Papstes.'" "Die
[neue] römische Bewegung hat im letzten halben Jahr ganz Europa
durchzogen. [...] die römisch-katholische Agitation in Deutschland, die
die Katholiken des Reiches mit gerechtem Unwillen gegen das neue
Kirchengesetz erfüllte; die Versuche, in Frankreich, Deutschland und
der Schweiz dem Volke mit einer neuen Erfindung - der Veranstaltung von
Volksgottesdiensten - näherzutreten; einige bis jetzt unerhörte
demokratische Äußerungen und Aufrufe der katholischen höheren
Geistlichkeit in Deutschland: all das bringt auf den Gedanken von einer
großen, überall gleichzeitig eingeleiteten Agitation des Klerus
zugunsten eines unfehlbaren, aber besitzlosen Papstes. Diese ganze
klerikale Bewegung ist dadurch bedeutungsvoll, daß sie vielleicht
der l e t z t e Versuch des römischen Katholizismus sein
wird, noch einmal, zum l e t z t e n Male, die Könige und
Großen dieser Welt um Hilfe anzugehen. Diese Hoffnungen werden aber
nicht in Erfüllung gehen, und Rom wird zum ersten Male in 1500 Jahren
sich sagen, daß nun die Zeit gekommen ist, da es mit den Großen dieser
Welt brechen und die Hoffnung auf die Könige fallenlassen muß. Man
glaube es mir - Rom wird es von diesem Augenblick an verstehen, sich an
das V o l k zu wenden.[...] Der Papst wird es
verstehen, barfuß zum Volk zu kommen mit seiner Armee von
zwanzigtausend Jesuitenkämpfern, diesen alterfahrenen Seelenjägern.
Werden Karl Marx und Bakunin diesem Heere standhalten können? Wohl
kaum! Der Katholizismus versteht es zu gut, wenn es nötig ist,
nachzugeben und alles zu versöhnen. Was kostet es ihn, das dunkle und
arme Volk zu überzeugen, daß der Kommunismus eben Christentum sei, und
daß Christus überhaupt nur von ihm gesprochen habe. Es gibt ja jetzt
selbst schon kluge und geistreiche Sozialisten, die überzeugt sind, daß
dieses wie jenes - ein und dasselbe sei, und im Ernst den Antichrist
für Christus nehmen." ("Gedanken über Europa. Republik oder Monarchie."
Sept.1873.)
"Alles zu versöhnen": Ökumenismus. - Christentum als Sozialismus! Der
Papst, einer der Milliarden Menschen, der besitzlos zum Volke kommt!
Ökumenismus, christlicher Sozialismus, der Papst als Wegbereiter des
Menschen!
Denn man beachte bei alledem eins: Die 'Kirche' ist, nachdem es keine
katholischen Staaten mehr gibt, heute die einzige echte Internationale.
Die Juden müssen heute für das, was der Staat Israel tut, geradestehen;
die Kommunisten für Kambodscha und Afghanistan, der Islam für Chomeini
und die Palästinenser. Die 'Kirche' aber muß für nichts mehr einstehen.
Sie kann - überall in der Opposition - bedingungslos fordern, d.h.
fordern, ohne diese Forderungen durch eigene Leistungen legitimieren zu
müssen. Sie hat eine einzigartige Chance, sich zur Fürsprecherin und
Wortführerin "des Menschen" zu machen. Und diese Internationale, so
scheint es, ist Jean-Pauls positives Programm.
Aber da sind andere große Mächte, Mächte, die die Schalthebel der Macht
in Händen halten. Eben mit diesen rechnet Johannes Paul. Man kann sie
nicht offen und frontal angreifen; aber man kann sich ihnen öffnen -
und das geht über die Menschenrechte, es geht über die
Religionsfreiheit. Die 'Kirche' muß schneller und besser für diese
Ideale einstehen, als die anderen, von denen man sich wegen ihrer
brutalen Machtausübung mehr und mehr abwenden wird. Eine
Hilfsorganisation von ca. 800 Millionen hat ihr Eigengewicht. Sie wird
mit mechanischer Notwendigkeit durch ihre Masse anziehen. Die 'Kirche'
muß sich freilich öffnen und ihr früheres Wesen aufgeben; aber sie wird
alle anderen durch Ökumenismus und Toleranz überrunden. Versteht man
jetzt, daß wir am Anfange einer glorreichen Entwicklung und welcher
glorreichen Entwicklung stehen?
Es gehört ein wahrhaft cimborassohafter Unverstand dazu, zu glauben,
dieser 'Papst' könne den wahren katholischen Glauben erneuern. Aber
allerdings, allen denen, denen es nur auf die Rettung unserer
Zivilisation und unseres Wohlstandes ankommt, denen muß er der
Willkommene sein. "Gegrüßest seist Du, Amerika, voll Anmut, der Herr
ist mit Dir und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes: der Dienst am
Menschen" - so parodiert Abbé de Nantes die oben zitierten Grußworte
Johannes Pauls an die amerikanische Nation. Das ist Belial! Unsere
Hilfe hingegen ist im Namen des Herrn, der uns gelehrt hat, alles zu
halten, was Er uns geboten hat.
LITERATURHINWEIS:
Wir empfehlen allen unseren Lesern dringend, die hervorragenden
Analysen Johannes Pauls II. und seiner Absichten in den folgenden
beiden Schriften zu studieren:
1. "Jean-Paul II un an après " ; in: "La Contre-Réforme
catholique " , Spezialnummer vom Dez. 1979. Von Abbé Georges de Nantes.
2. "Das Programm Johannes Paul II. Zur Enzyklika 'Redemptor hominis'" ;
in der Zeitschrift "Beda-Kreis", Freiburg, Oktobernr. 1979; Von Wigand
Siebel .
Wir machen aber darauf aufmerksam, daß unsere Vorstellungen sich mit
denen Abbé de Nantes', was dessen Prognose und Taktik angeht, nicht decken. |