Enzyklika »Casti connubii«
von
Papst Pius XI. (1922-1939):
vom 31. Dezember 1930 über die christliche Ehe im Hinblick auf die
gegenwärtigen Lebensbedin-gungen und Bedürfnisse von Familie und
Gesellschaft und auf die diesbezüglich bestehenden Irrtümer und
Mißbräuche
Fortsetzung:
II. Die Verkennung der göttlichen Institution der Ehe
1. Die zahlreichen Methoden der Herabwürdigung der Ehe
Wenn Wir so, Ehrwürdige Brüder, die ganze Erhabenheit der reinen Ehe
erwägen, dann muß sich Unser Schmerz um so mehr steigern, als Wir
sehen, wie diese göttliche Einrichtung gegenwärtig der Verachtung und
Erniedrigung preisgegeben ist.
Nicht mehr bloß im Geheimen und Dunkeln, sondern vor aller
Öffentlichkeit, ohne jedes Schamgefühl, in Wort und Schrift, in
Schauspielen jeder Art, in Romanen, Liebesgeschichten und Satiren, in
Kinodarstellungen, in Rundfunkvorträgen, kurz, mit allen Erfindungen
der Neuzeit wird die Heiligkeit der Ehe in den Staub gezogen oder der
Lächerlichkeit preisgegeben. Ehescheidungen, Ehebruch und die
schimpflichsten Laster werden verherrlicht oder wenigstens in
schillernden Farben dargestellt, als ob sie von jeglicher Schuld und
Schande frei wären. Es fehlt auch nicht an Büchern, die in Wirklichkeit
nicht selten nur den äußeren Schein der Wissenschaft haben, die man
aber ungescheut als wissenschaftlich anpreist, damit sie um so leichter
Eingang finden. Die darin vertretenen Lehren werden als die höchsten
Errungenschaften des modernen Geistes angepriesen, jenes Geistes, der,
einzig auf die Wahrheit bedacht, sich von allen angeblichen Vorurteilen
der Alten frei gemacht habe und der dann unter diese veralteten
Anschauungen auch die ererbte christliche Lehre von der Ehe rechnet und
sie dahin verweist.
Diese Lehren träufeln sie allen Menschenklassen ein, Reichen und Armen,
Arbeitnehmern und Arbeitgebern, Gebildeten und Ungebildeten, Ledigen
und Verheirateten, Gottesfürchtigen und Gotteshassern, Erwachsenen und
Jugendlichen, ja den Jugendlichen an erster Stelle; denn da sie sich in
ihrer Unerfahrenheit am leichtesten umgarnen lassen, werden gerade
ihnen die verfänglichsten Schlingen gelegt.
Zwar lassen sich nicht alle Vertreter der neuen Lehren zu den letzten
Folgerungen einer ungezügelten Leidenschaft fortreißen. Einige suchen
gleichsam auf halbem Weg stehen zu bleiben und meinen, nur in gewissen
Punkten des Gesetzes Gottes und der Natur müsse man der heutigen Zeit
einige Zugeständnisse machen. Aber auch sie sind, mehr oder weniger
bewußt, Sendlinge jenes unerbittlichen Feindes, der Unkraut unter den
Weizen zu säen sucht.45 Wir, die der Hausvater zu Wächtern seines
Ackers bestellt hat mit dem heiligen und dringenden Auftrag, zu
verhüten, daß der gute Same von giftigem Unkraut erstickt werde, Wir
glauben jene ernsten Worte vom Heiligen Geist an Uns gerichtet, mit
denen der Apostel Paulus seinen geliebten Jünger Timotheus ermahnte:
»Du aber sei wachsam ... Tue, was deines Amtes ist! ... Predige das
Wort, dringe darauf, es komme gelegen oder ungelegen, halte die
Wahrheit vor, beschwöre, strafe in aller Geduld und Unterweisung.«46
Um aber die Fallstricke des bösen Feindes meiden zu können, ist es
zunächst nötig und nützlich, sie den Harmlosen aufzudecken und
aufzuweisen. Obwohl Wir diese Dinge nicht einmal nennen möchten, wie es
sich für die Heiligen geziemt47, so können Wir sie doch um des Heiles
und Nutzens der Seele willen nicht völlig mit Schweigen übergehen.
2. Die Quelle des Irrtums: die Auffassung der Ehe als rein menschlicher Institution
Beginnen Wir mit dem Ursprung dieser Übel. Ihre Hauptwurzel liegt
darin, daß man behauptet, die Ehe sei weder von dem Schöpfer der Natur
eingesetzt noch von Christus dem Herrn zur Würde eines wahren
Sakramentes erhoben worden, sie sei vielmehr eine Erfindung der
Menschen. Nach der Aussage einiger findet sich in der Natur und in
ihren Gesetzen nichts von einer Ehe, sondern nur die Fähigkeit, Leben
zu geben, und der heftige Trieb, sie mit Befriedigung zu betätigen.
Andere geben zu, daß sich in der menschlichen Natur Ansätze und Keime
zu einer wahren Ehegemeinschaft finden, insofern als für die Würde der
Gatten und den natürlichen Zweck der Erzeugung und Erziehung der
Nachkommenschaft nicht genügend gesorgt wäre, wenn die Menschen nicht
durch ein dauerndes Band zusammengehalten würden. Aber auch sie lehren,
daß die Ehe selbst, weil über diese keimhafte Anlage hinausgehend, nur
vom Menschengeist erdacht, nur durch den Willen der Menschen eingeführt
worden sei, wenn dabei auch mancherlei Ursachen mitgewirkt haben mögen.
Wie sehr sie alle jedoch irren und wie schmachvoll sie von dem, was
ehrbar ist, abweichen, erhellt schon zur Genüge aus allem, was Wir über
den Ursprung und die Natur der Ehe, über deren Zweck und die ihr
innewohnenden Güter in diesem Schreiben auseinandergesetzt haben. Aber
die ganze Verderblichkeit dieser Truggebilde erhellt erst recht aus den
Folgerungen, welche ihre eigenen Vertreter daraus ziehen. Da die
Gesetze, Einrichtungen und Vorschriften zur Regelung des Ehelebens
ausschließlich durch den Willen des Menschen geschaffen sind, sollen
sie auch ihm allein unterstehen und können und müssen deshalb, nach
menschlichem Belieben und je nach den Zeitverhältnissen gegeben,
geändert oder ganz abgeschafft werden. Der Geschlechtstrieb aber, weil
auf der Natur selbst beruhend, sei etwas Unantastbares und erstrecke
sich über die Ehe hinaus. Er könne darum innerhalb und außerhalb der
Ehegemeinschaft, auch ohne Rücksicht auf die Ehezwecke, ausgeübt
werden, gerade als ob die schimpfliche Ausschweifung der Dirne fast
gleichberechtigt wäre mit der keuschen Mutterschaft der rechtmäßigen
Gattin.
Aus diesen Gedanken heraus sind einige darauf verfallen, neue
Verbindungen auszudenken, die ihrer Meinung nach den heutigen
Zeitverhältnissen besser entsprechen und die sie als ebenso viele neue
Ehearten betrachtet wissen wollen; einige wollen eine „Zeitehe“, andere
eine „Versuchsehe“, andere die „Kameradschaftsehe“, der sie alle Rechte
und Freiheiten der Ehe zuerkennen, jedoch ohne unauflösliche Verbindung
und mit Ausschluß von Nachkommenschaft, es sei denn, daß beide Teile
ihre Lebensgemeinschaft in eine vollberechtigte Ehe umwandeln.
Es fehlt sogar nicht an solchen, die mit aller Macht auf gesetzliche
Anerkennung ihrer Wahngebilde oder wenigstens auf Berücksichtigung in
den staatlichen und gesellschaftlichen Einrichtungen drängen. Dabei
kommt ihnen nicht einmal der Gedanke, daß all dies nichts gemein hat
mit moderner Kultur, deren sie sich so gerne rühmen, sondern nichts als
verwerflichste Sittenverderbnis ist, die auch ein Kulturvolk zu den
barbarischen Sitten und Gebräuchen gewisser wilder Völker zurückführen
würde.
3. Die Verkennung der Ehe im Hinblick auf die Güter der Ehe im einzelnen
a) Die Mißkennung des ersten Gutes, des Kindes
Der Ehemißbrauch
Aber treten Wir nunmehr, Ehrwürdige Brüder, an die Einzelheiten heran,
mit denen man gegen die Güter der Ehe angeht. Das erste dieser Güter
ist das Kind. Viele gehen so weit, die Nachkommenschaft eine
beschwerliche Ehelast zu nennen und den Rat zu geben, die Eheleute
sollten das Kind nicht durch ehrbare Enthaltsamkeit (die mit
beiderseitigem Einverständnis auch in der Ehe erlaubt ist), sondern
durch Verkehrung des natürlichen Aktes fernhalten. Solche
verbrecherische Freiheit nehmen einige für sich in Anspruch, weil sie
aus Widerwillen gegen den Kindersegen die Last vermeiden, aber trotzdem
die Lust genießen wollen; andere, weil sie angeblich keine
Enthaltsamkeit beobachten, aber auch nicht den Kindersegen zulassen
können, da es ihre persönlichen Verhältnisse oder die der Mutter oder
die schwierige Vermögenslage nicht gestatten.
Aber es gibt keinen auch noch so schwerwiegenden Grund, der etwas
innerlich Naturwidriges zu etwas Naturgemäßem und sittlich Gutem machen
könnte. Da nun aber der eheliche Akt seiner Natur nach zur Weckung
neuen Lebens bestimmt ist, so handeln jene, die ihn bei seinem Vollzug
absichtlich seiner natürlichen Kraft berauben, naturwidrig und tun
etwas Schimpfliches und innerlich Unsittliches.
Es ist darum auch nicht zu verwundern, daß die Hl. Schrift bezeugt, die
göttliche Majestät hasse und verabscheue solch verwerfliches Tun, ja
habe es sogar schon mit dem Tode bestraft. Darauf macht auch der hl.
Augustinus aufmerksam, wenn er schreibt: »Unerlaubt und unsittlich ist
der eheliche Verkehr selbst mit der rechtmäßigen Gattin, wenn dabei die
Weckung neuen Lebens verhütet wird. Das hat Onan, des Judas Sohn,
getan, und darum hat ihn Gott getötet.«48
Da nun noch vor kurzem einige in offenkundiger Abweichung von der in
ununterbrochener Folge von Anfang an überlieferten christlichen Lehre
geglaubt haben, amtlich und feierlich über solches Tun anders lehren zu
sollen, erhebt die katholische Kirche, von Gott selbst zur Lehrerin und
Wächterin der Unversehrtheit und Ehrbarkeit der Sitten bestellt,
inmitten dieses Sittenverfalls, zum Zeichen ihrer göttlichen Sendung,
um die Reinheit des Ehebundes von solch schimpflicher Makel unversehrt
zu bewahren, durch Unseren Mund laut ihre Stimme und verkündet von
neuem: Jeder Gebrauch der Ehe, bei dessen Vollzug der Akt durch die
Willkür der Menschen seiner natürlichen Kraft zur Weckung neuen Lebens
beraubt wird, verstößt gegen das Gesetz Gottes und der Natur, und die
solches tun, beflecken ihr Gewissen mit schwerer Schuld.
Kraft Unserer höchsten Autorität und wegen der Uns obliegenden Sorge um
das Heil aller Menschen ermahnen wir daher die Beichtväter und die
übrigen Seelsorger, die ihnen anvertrauten Gläubigen über dieses schwer
verpflichtende göttliche Gesetz nicht im Irrtum zu lassen, noch mehr
aber, sich selber von derartigen falschen Meinungen freizuhalten und
ihnen nicht aus Schwäche nachzugeben. Sollte aber ein Beichtvater oder
Seelenhirte, was Gott verhüte, selber die ihm anvertrauten Gläubigen in
solche Irrtümer führen oder durch seine Zustimmung oder durch
böswilliges Schweigen sie darin bestärken, so möge er wissen, daß er
dereinst Gott, dem höchsten Richter, ernste Rechenschaft über den
Mißbrauch seines Amtes wird ablegen müssen. Er möge sich das Wort
Christi gesagt sein lassen: »Blinde sind sie und Führer von Blinden.
Wenn aber ein Blinder einen Blinden führt, fallen beide in die Grube.«49
Was nun die Gründe betrifft, mit denen man den Ehemißbrauch verteidigt,
so werden – um von den unsittlichen ganz zu schweigen – nicht selten
erdichtete oder doch übertriebene vorgebracht. Nichtsdestoweniger kennt
die heilige Mutter, die Kirche, nur zu gut die wirklichen Gefahren für
Gesundheit und Leben der Mutter und fühlt sie tief mit. Wer könnte sie
ohne inniges Mitleid überdenken? Wer wird nicht von der höchsten
Bewunderung ergriffen, wenn er sieht, wie eine Mutter in wahrem
Heldenmut sich dem fast sicheren Tode aussetzt, um dem Kind, das sie
unter dem Herzen trägt, das Leben zu erhalten? Was sie alles auf sich
nimmt, um allen ihren Mutterpflichten gerecht zu werden, das kann ihr
allein der reiche und erbarmungsvolle Gott vergelten und er wird ihr
ihren Lohn sicherlich nicht nur in vollem, sondern in überfließendem
Maße zukommen lassen.50
Die heilige Kirche weiß ferner sehr gut, daß nicht selten der eine
Eheteil das sündige Tun nur leidet, nicht vollbringt, indem er aus
gewichtigen Gründen die Verkehrung der rechten Ordnung geschehen läßt,
ohne sie selber zu wollen, und daß er darum keine Schuld auf sich lädt,
wofern er nur des Gebotes der Liebe eingedenk bleibt und es nicht
unterläßt, dem Ehegefährten von der Sünde abzuraten und ihn davon
zurückzuhalten. Auch jene Eheleute handeln nicht wider die Natur, die
in ganz natürlicher Weise von ihrem Recht Gebrauch machen, obwohl aus
ihrem Tun infolge natürlicher Umstände, seien es bestimmte Zeiten oder
gewisse Mängel der Anlage, neues Leben nicht entstehen kann. Denn es
gibt in der Ehe selbst wie in dem Gebrauch des Eherechts auch Zwecke
zweiter Ordnung: die wechselseitige Hilfe, die Betätigung der ehelichen
Liebe und die Regelung des natürlichen Verlangens, Zwecke, die
anzustreben den Ehegatten keineswegs untersagt ist, vorausgesetzt, daß
die Natur des Aktes und damit seine Unterordnung unter das Hauptziel
nicht angetastet wird.
Tief erschüttern Uns auch die Klagen der Eheleute, die unter dem Druck
bitterer Armut kaum wissen, wie sie ihre Kinder aufziehen sollen.
Aber trotzdem muß man sich davor hüten, daß die verhängnisvolle
Vermögenslage Anlaß zu einem noch verhängnisvolleren Irrtum wird. Es
kann keine Schwierigkeiten geben, die die Verpflichtung des göttlichen
Gebotes, Handlungen zu unterlassen, die ihrer inneren Natur nach
sündhaft sind, aufzuheben vermöchten. Es sind keine Verhältnisse
denkbar, unter denen die Gatten nicht mit Hilfe der göttlichen Gnade
ihrer Pflicht treu bleiben und die eheliche Keuschheit von jener
entehrenden Makel rein bewahren könnten. Denn fest bleibt die Wahrheit
des christlichen Glaubens, die das Trienter Konzil in seiner
Lehrentscheidung also ausgedrückt hat: »Niemand darf sich des
verwegenen und von den Vätern unter der Strafe des Bannes verbotenen
Wortes bedienen: die Gebote Gottes zu beobachten, sei dem
Gerechtfertigten unmöglich. Denn Gott befiehlt nichts Unmögliches;
indem er befiehlt, mahnt er zu tun, was du tun kannst, und um das zu
bitten, was du nicht kannst, und er hilft, daß du kannst.«51 Die
gleiche Lehre wurde von der Kirche wiederholt und feierlich bestätigt
gelegentlich der Verurteilung der jansenistischen Irrlehre, die sich
gegen Gottes Güte den blasphemischen Satz aufzustellen erdreistet
hatte: »Einige Gebote Gottes sind den Gerechten, auch denen, die
ernstlich wollen und versuchen, mit den Kräften, die sie gegenwärtig
haben, unmöglich; es fehlt ihnen auch die Gnade, durch die sie ihnen
möglich würden.«52
Die Abtreibung
Aber noch ein anderes schweres Vergehen, Ehrwürdige Brüder, ist zu
erwähnen, das das Leben des Kindes im Mutterschoße bedroht. Es
anzutasten soll nach den einen erlaubt sein, wenn es Vater und Mutter
so gefällt. Andere halten dies für unerlaubt, falls nicht
schwerwiegende Gründe hinzukommen, die sie mit den Namen
„medizinische“, „soziale“ und „eugenische Indikation“ bezeichnen. In
bezug auf die staatlichen Strafgesetze, wodurch die Tötung des
Ungeborenen verboten wird, verlangen alle diese Richtungen, daß die
Strafgesetze die von ihnen vertretene Indikation (nicht alle vertreten
die gleiche) anerkennen und für straflos erklären. Einige stellen sogar
die Forderung, die öffentlichen Behörden sollten zu diesen tödlichen
Operationen ihre hilfreiche Hand bieten, was verschiedenenorts, wie
allgemein bekannt, nur zu oft geschieht.
Bezüglich der sogenannten „medizinischen und therapeutischen
Indikation“ haben Wir schon erklärt, Ehrwürdige Brüder, wie sehr Wir es
mitempfinden, daß mancher Mutter aus der Erfüllung ihrer
Mutterpflichten große Gefahren für die Gesundheit oder gar das Leben
entstehen. Aber was für ein Grund vermöchte jemals auszureichen, um die
direkte Tötung eines Unschuldigen zu rechtfertigen? Denn darum handelt
es sich hier. Mag man nun die Mutter oder das Kind töten, es ist gegen
Gottes Gebot und die Stimme der Natur: »Du sollst nicht töten!«53
Gleich heilig ist beider Leben, das zu vernichten selbst die
Staatsgewalt keine Befugnis hat. Ganz zu Unrecht wird diese Befugnis
gegen Unschuldige aus dem Recht der Gewalt über Leben und Tod
gefolgert, die doch nur Schuldigen gegenüber Geltung hat. Auch das
Recht der gewaltsamen Verteidigung gegen einen ungerechten Angreifer
kommt hier nicht in Frage. (Wer wollte wohl ein unschuldiges Kind einen
ungerechten Angreifer nennen?) Und ein „Notstandsrecht“, das bis zur
direkten Tötung eines Schuldlosen reichte, gibt es nicht. Daß sich um
beider Leben, das der Mutter wie das des Kindes, gewissenhafte und
erfahrene Ärzte bemühen, verdient alles Lob und alle Anerkennung;
dagegen würde sich des edlen Namens und Lobes eines Arztes unwürdig
erweisen, wer unter dem Vorwand, Heilmaßnahmen zu treffen, oder aus
falsch verstandenem Mitleid auf den Tod des einen von beiden abzielte.
Diese Ausführungen stehen in Übereinstimmung mit den ernsten Vorwürfen,
die der Bischof von Hippo gegen entartete Gatten richtete, die die
Empfängnis zu verhüten suchen und, wenn ihnen das mißlingt, sich nicht
scheuen, in sündhaftem Tun die Frucht zu töten: »Zuweilen«, so sagt er,
»gehen Leidenschaft und Grausamkeit so weit, daß sie mit Gifttränken
die Unfruchtbarkeit herbeizuführen suchen und, wenn sie keinen Erfolg
haben, auf irgend eine Weise die Frucht im Mutterschoße vernichten und
entfernen. Ihr Streben geht also dahin, die Frucht zu vernichten, bevor
sie noch zu leben beginnt, oder, wenn sie im Mutterschoße schon lebte,
sie zu töten, bevor sie geboren wird. Wenn beide Gatten so geartet
sind, sind sie in Wirklichkeit keine Gatten; und wenn sie von Anfang so
geartet waren, dann kamen sie nicht zur Ehe, sondern zur Unzucht
zusammen. Sind aber nicht beide so, dann wage ich zu behaupten:
entweder ist sie die Buhlerin des Gatten, oder er ist der Buhle der
Gattin.«54
Der „sozialen und eugenischen Indikation“ sodann kann und soll mit
erlaubten, sittlich einwandfreien Mitteln und innerhalb der rechten
Grenzen Rechnung getragen werden; aber den Notständen, auf denen diese
Indikationen aufbauen, durch Tötung Unschuldiger abhelfen zu wollen,
ist töricht und dem Gebot Gottes zuwider, das der Apostel in die Worte
kleidet: »Man darf nicht Böses tun, um damit Gutes zu stiften.«55
Die Staatenlenker und Gesetzgeber endlich dürfen nicht vergessen, daß
es Sache der staatlichen Autorität ist, durch zweckmäßige Gesetze und
Strafen das Leben der Unschuldigen zu schützen, und zwar um so mehr, je
weniger das gefährdete Leben sich selber schützen kann. Und hier stehen
doch an erster Stelle die Kinder, die die Mutter noch unter dem Herzen
trägt. Sollte jedoch die öffentliche Gewalt diesen Kleinen nicht allein
den Schutz versagen, sie vielmehr durch ihre Gesetze und Verordnungen
den Händen der Ärzte und anderer zur Tötung überlassen oder ausliefern,
dann möge sie sich erinnern, daß Gott der Richter und Rächer
unschuldigen Blutes ist, das von der Erde zum Himmel schreit.56
Die Frage der Eugenik
Zu verwerfen sind zum Schluß noch jene bedenklichen Bestrebungen, die
zwar zunächst das natürliche Recht des Menschen auf die Ehe,
tatsächlich aber unter gewisser Rücksicht auch das Gut der
Nachkommenschaft angehen. Es finden sich nämlich solche, die in
übertriebener Sorge um die „eugenischen“ Zwecke nicht nur heilsame
Ratschläge zur Erzielung einer starken und gesunden Nachkommenschaft
geben – was der gesunden Vernunft durchaus nicht zuwider ist –, sondern
dem „eugenischen“ Zweck den Vorzug vor allen andern, selbst denen einer
höheren Ordnung geben. Sie möchten daher von Staats wegen alle von der
Ehe ausschließen, von denen nach den Gesetzen und Mutmaßungen ihrer
Wissenschaft infolge von Vererbungen nur eine minderwertige
Nachkommenschaft zu erwarten ist, auch wenn sie zur Eingehung einer Ehe
an sich tauglich sind. Ja sie gehen so weit, solche von Gesetzes wegen,
auch gegen ihren Willen, durch ärztlichen Eingriff jener natürlichen
Fähigkeit berauben zu lassen, und zwar nicht als Körperstrafe für
begangene Verbrechen, noch auch um künftigen Vergehen solcher
Schuldiger vorzubeugen, sondern indem sie gegen alles Recht und alle
Gerechtigkeit für die weltliche Obrigkeit eine Gewalt in Anspruch
nehmen, die sie nie gehabt hat und rechtmäßigerweise überhaupt nicht
haben kann.
Sie vergessen zu Unrecht, daß die Familie höher steht als der Staat und
daß die Menschen nicht an erster Stelle für die Zeit und die Erde,
sondern für den Himmel und die Ewigkeit geboren werden. Und in der Tat,
es ist nicht recht, Menschen, die an sich zur Eingehung einer Ehe fähig
sind, aber trotz gewissenhaftester Sorge voraussichtlich nur einer
minderwertigen Nachkommenschaft das Leben geben können, schon deshalb
einer schweren Schuld zu zeihen, falls sie in die Ehe treten, wenn
ihnen auch oft die Ehe zu widerraten ist.
Was nun die Obrigkeit angeht, so hat sie über die körperlichen Organe
ihrer Untertanen keine direkte Gewalt. Wo keine Schuld und damit keine
Ursache für körperliche Bestrafung vorliegt, kann sie die
Unversehrtheit des Leibes weder aus eugenischen noch aus irgendwelchen
Gründen direkt verletzen oder antasten. Das ist auch die Lehre des hl.
Thomas von Aquin, der bei Erörterung der Frage, ob der weltliche
Richter zur Verhütung künftiger Schäden einem Menschen Übel zufügen
könne, dies zwar für gewisse Sicherungsmaßnahmen zugibt, es aber mit
Fug und Recht für jede Art von Körperverletzung verneint. »Niemals«, so
sagt er, »darf ein Schuldloser durch ein menschliches Gericht mit
Körperstrafe belegt werden, die in Tötung oder Verstümmelung oder
Züchtigung besteht.«57
Der einzelne aber hat über die Glieder seines Leibes kein anderes
Verfügungsrecht, als daß er sie ihrem natürlichen Zweck entsprechend
gebrauchen kann. Er darf sie daher weder vernichten noch verstümmeln,
noch auf irgend eine andere Weise sich zu ihren natürlichen Funktionen
untauglich machen, außer wenn sonst für das Wohl des ganzen Körpers
nicht gesorgt werden kann. So sagt es die christliche Sittenlehre und
das gleiche steht schon aus der Vernunft fest.
b) Die Mißkennung des Gutes der Treue
Die dreifache Verletzung dieses Gutes
Gehen Wir über zu einer zweiten Gruppe von Irrtümern, die sich auf die
eheliche Treue beziehen. Jede Sünde gegen die Nachkommenschaft ist in
gewissem Sinne auch eine Verfehlung gegen die eheliche Treue, da das
eine Gut der Ehe mit den andern verkettet ist. Aber davon abgesehen
sind so viele Arten besonderer Irrtümer und Verfehlungen gegen die
Ehetreue aufzuzählen, als diese Treue Tugenden des häuslichen Lebens
umfaßt: die treu gehaltene eheliche Keuschheit jedes Gatten, die
ehrenvolle Unterordnung der Frau unter den Mann, die unwandelbare und
aufrichtige gegenseitige Liebe.
Der Ehebruch
Die Treue tasten zunächst jene an, die die Meinung vertreten, man müsse
den Zeitanschauungen über gewisse falsche und durchaus nicht harmlose
Freundschaften mit dritten Personen in etwa Rechnung tragen. Sie
verfechten die Ansicht, man müsse den Ehegatten hier nach außen eine
größere Denk- und Bewegungsfreiheit zugestehen, und das um so mehr, als
nicht wenige von Natur eine so starke Triebveranlagung hätten, daß sie
sie innerhalb der engen Schranken der Einehe nicht befriedigen könnten.
Daher halten sie die strenge Anschauung ehrbarer Gatten, die jede der
Leidenschaft entspringende Zuneigung und Handlung mit einer dritten
Person verurteilt und zurückweist, für eine rückständige Enge des
Geistes und Herzens oder sehen in ihr unwürdige und verächtliche
Eifersucht. Und darum wollen sie auch, daß alle staatlichen
Strafgesetze über die Wahrung der ehelichen Treue wirkungslos seien
bzw. für wirkungslos erklärt werden.
Edelgesinnte und keusche Gatten werden schon aus dem unmittelbaren
natürlichen Empfinden heraus all diese Dinge als eitel und schimpflich
zurückweisen und verachten. Und die Stimme der Natur erhält hier volle
Bestätigung und Bekräftigung durch das Gottesgebot: »Du sollst nicht
ehebrechen!«58 und durch das Wort Christi: »Wer immer ein Weib
anblickt, um ihrer zu begehren, der hat schon in seinem Herzen die Ehe
mit ihr gebrochen.«59 Keine menschlichen Gepflogenheiten, keine
verkehrten Beispiele, keine Art angeblichen menschlichen Fortschritts
können jemals die Verpflichtung dieses Gottesgebotes entkräften. Denn
gleichwie ein und derselbe »Jesus Christus gestern, heute und in alle
Ewigkeit«60, so bleibt auch Christi Lehre immer die gleiche, »kein Jota
von ihr wird vergehen, bis alles geschieht.«61
Die sogenannte Frauenemanzipation
Alle diese nun, die so den Glanz der ehelichen Treue und Keuschheit zu
verdunkeln trachten, sind es auch, die als Lehrer des Irrtums den
treuen und ehrenvollen Gehorsam der Frau gegen den Mann gern
erschüttern möchten. Einige Verwegene gehen noch weiter und bezeichnen
diesen Gehorsam als eine entwürdigende Versklavung des einen Eheteils
durch den andern. Beide Gatten, sagen sie, besäßen völlig gleiche
Rechte. Da diese Ebenbürtigkeit durch die Sklaverei des einen Teiles
verletzt werde, so rühmen sie sich stolz, eine Befreiung der Frau
vollzogen zu haben, oder fordern, daß sie in Bälde vollzogen werde. Je
nachdem es sich bei dieser Befreiung um die Leitung der häuslichen
Gemeinschaft oder die Vermögensverwaltung oder die Verhütung bzw.
Tötung neuen Lebens handelt, unterscheiden sie eine dreifache
Emanzipation: eine soziale, wirtschaftliche, physiologische. Die
physiologische Emanzipation verstehen sie dahin, daß es der Frau völlig
frei stehen soll, die mit dem Beruf der Gattin und Mutter verknüpften
natürlichen Lasten von sich fernzuhalten (daß dies keine Befreiung,
sondern ein ruchloser Frevel ist, haben Wir schon zur Genüge
dargelegt). Die wirtschaftliche Emanzipation soll der Frau das Recht
bringen, ohne Vorwissen und gegen den Willen des Mannes ihr eigenes
Gewerbe zu haben, ihre Angelegenheiten und Geschäfte selbst zu
betreiben, selbst die Verwaltung in Händen zu halten, gleichgültig, was
dabei aus Kindern, Gatten und der ganzen Familie wird. Die soziale
Emanzipation endlich will die Frau dem engen Kreis der häuslichen
Pflichten und Sorgen für Kinder und Familie entheben, um sie
freizumachen für ihre angeborenen Neigungen, damit sie sich anderen
Berufen und Ämtern, auch solchen des öffentlichen Lebens widmen kann.
Aber das ist keine wirkliche Befreiung der Frau; sie enthält nicht jene
der Vernunft entsprechende und gebührende Freiheit, wie sie die hehre
Aufgabe der Frau und Gattin fordert. Sie ist eher eine Entartung des
weiblichen Empfindens und der Mutterwürde, eine Umkehrung der ganzen
Familienordnung, so daß der Gatte der Gattin, die Kinder der Mutter,
die ganze Familie und Hausgemeinschaft der stets wachsamen Hüterin und
Wächterin beraubt werden. Diese falsche Freiheit und unnatürliche
Gleichstellung mit dem Manne wird sich zum eigenen Verderben der Frau
auswirken; denn wenn sie einmal von der Höhe und dem Thron herabsteigt,
zu dem sie innerhalb der Familie durch das Evangelium erhoben wurde,
wird sie bald (vielleicht weniger dem äußeren Schein nach, wohl aber in
Wirklichkeit) in die frühere Sklavenstellung zurückgedrängt und wie im
Heidentum zu einem bloßen Werkzeug des Mannes werden.
Jene Rechtsgleichheit aber, die hier in so übertriebener Weise
beansprucht wird, besteht hinsichtlich der Persönlichkeitsrechte und
der Menschenwürde und in dem, was dem Vertrag entspringt und der Ehe
eigentümlich ist; hierin erfreuen sich in der Tat beide Gatten gleicher
Rechte und haben gleiche Pflichten, in den übrigen Dingen aber muß eine
gewisse Ungleichheit und Abstufung herrschen, wie sie das Familienwohl
und die notwendige Einheit und Festigkeit der häuslichen Gemeinschaft
und Ordnung fordern.
Sollte jedoch in einem Lande die soziale und wirtschaftliche Lage der
verheirateten Frau wegen der gewandelten Kulturverhältnisse eine
Abänderung benötigen, so ist es Aufgabe der Staatsgewalt, die
bürgerlichen Rechte der Gattin den Bedürfnissen und Forderungen der
Jetztzeit anzupassen unter Berücksichtigung der Eigenart der weiblichen
Natur, der Sittlichkeit und Ehrbarkeit und des Gemeinwohls der Familie;
nur muß die wesentliche Ordnung der Hausgemeinschaft unangetastet
bleiben, da sie durch eine höhere als die menschliche, nämlich die
göttliche Autorität und Weisheit festgesetzt ist und darum keiner
Änderung durch Staatsgesetze oder durch das Gutdünken der einzelnen
unterliegen kann.
Die Ersetzung der sittlich geformten Liebe durch die „Sympathie“
Die heutigen Feinde der Ehe gehen noch einen Schritt weiter. An Stelle
der echten und wahren Liebe, die das Fundament des Eheglücks und der
innigsten Seelengemeinschaft ist, setzen sie eine mehr triebhafte
Übereinstimmung und Zuneigung, die sie Sympathie nennen. Hört sie auf,
so lockere sich, wie sie behaupten, das Band, durch das allein die
Gatten miteinander verbunden sind; ja es werde völlig gelöst. Was heißt
das anders, als ein Haus auf Sand bauen, das nach dem Worte Christi
beim ersten Ansturm der Wogen des Unglücks sofort ins Wanken gerät und
einstürzt? »Und es bliesen die Winde und stürmten wider jenes Haus, es
brach zusammen und sein Fall war groß.«62 Das Haus hingegen, das auf
den Felsen der echten gegenseitigen Liebe der Gatten gebaut ist, einer
Liebe, die durch die klar gewollte und dauernde Eintracht der Seelen
gefestigt wird, kann durch kein Unglück erschüttert oder auch nur
schadhaft werden.
c) Die Mißkennung der Ehe als Sakrament
Die Leugnung des religiösen Charakters der Ehe
Bis hierhin, Ehrwürdige Brüder, galt Unsere Verteidigung den beiden
ersten Gütern der christlichen Ehe, denen die heutigen Umstürzler der
Gesellschaftsordnung nachstellen. Da aber das dritte Gut, das des
Sakramentes, die anderen übertrifft, darf es nicht wundernehmen, wenn
die Feinde dieses Gut noch viel heftiger bekämpfen. Zunächst lehren
sie, die Ehe sei eine rein weltliche und bürgerliche Angelegenheit, die
keineswegs der Religionsgemeinschaft, der Kirche Christi, sondern
ausschließlich der staatlichen Gesellschaft zu unterstellen sei. Ferner
wollen sie den Ehebund von jedem unlösbaren Bande befreit wissen; es
soll die Trennung oder Scheidung der Gatten nicht geduldet, sondern
auch gesetzlich gutgeheißen werden. Infolgedessen wird es dahin kommen,
daß die Ehe ihres heiligen Charakters entkleidet und zu den rein
weltlichen und bürgerlichen Dingen gerechnet wird.
Als erstes stellen sie also auf, der bürgerliche Akt sei als der
eigentliche Ehevertrag anzusehen (sie nennen das die Zivilehe); der
religiöse Akt hingegen solle eine bloße Zutat sein, die man höchstens
dem abergläubischen Volke gestatten könne. Ferner soll es den
Katholiken freistehen, anstandslos Mischehen mit Nichtkatholiken
einzugehen ohne Rücksicht auf die Religionsvorschriften und ohne
vorherige Erlaubnis der kirchlichen Obrigkeit. Das zweite betrifft die
völlige Ehescheidung: sie wird gerechtfertigt, und Staatsgesetze, die
die Lösung des Ehebandes begünstigen, werden gelobt und empfohlen.
Da der religiöse Charakter jeder Ehe und vor allem des christlichen
Ehesakraments in dem Rundschreiben Leos XIII., das Wir mehrfach erwähnt
und Uns ausdrücklich zu eigen gemacht haben, ausführlich behandelt und
begründet wird, so verweisen Wir hier darauf und wollen nur einige
wenige Punkte wiederholen.
Schon das Licht der bloßen Vernunft, die Geschichtsquellen des
Altertums, die stete Überzeugung der Menschheit, die Sitten und
Gebräuche aller Völker bekunden zur Genüge, daß sogar der Naturehe ein
gewisser heiliger und religiöser Charakter eignet, »nicht als etwas von
außen an sie Herangebrachtes, sondern ihr Angeborenes, nicht als etwas
durch Menschenwillkür Angenommenes, sondern von der Natur
Hineingelegtes, weil die Ehe Gott zum Urheber hat und von Anfang an
eine Andeutung der Menschwerdung des göttlichen Wortes war.«63 Der
geheiligte Charakter der Ehe, der mit der Religion und der Ordnung des
Heiligen in innigem Zusammenhang steht, ergibt sich: aus ihrem
göttlichen Ursprung, den Wir oben bereits erwähnt haben; dann aus ihrem
Zweck, Kindern für Gott das Leben zu schenken und sie für Gott zu
erziehen sowie die Gatten auf dem Wege christlicher Liebe und
gegenseitiger Hilfe zu Gott zu führen; endlich aus der Betätigung der
ehelichen Naturaufgabe, die nach der Absicht Gottes, des Schöpfers,
Mittel zur Weitergabe des Lebens sein soll, so daß die Eltern sozusagen
als Gehilfen in den Dienst der Allmacht Gottes treten. Dazu kommt die
neue Würde, die die Ehe durch das Sakrament erhält. Sie erhebt die
christliche Ehe zum höchsten Adel und verleiht ihr eine Auszeichnung,
daß sie dem Apostel als ein »großes und überaus verehrungswürdiges
Geheimnis« erschien.64
Der religiöse Charakter der Ehe, ihre erhabene Bedeutung als Abbild der
gnadenvollen Vereinigung zwischen Christus und der Kirche verlangt von
den Brautleuten eine heilige Ehrfurcht vor dem christlichen Ehestand
und ein heiliges und eifriges Streben, ihre eigene Ehe, die sie
eingehen wollen, möglichst nahe an das Vorbild Christi und der Kirche
heranzubringen.
Die Mischehe
Schwer und oft nicht ohne Gefahr für ihr ewiges Heil fehlen hierin
jene, die leichtsinnig eine Mischehe eingehen, von der die mütterliche
Liebe und Vorsicht der Kirche ihre Kinder aus den gewichtigsten Gründen
abhält. Das zeigt sich an der großen Zahl von Äußerungen, die in dem
Kanon des kirchlichen Rechtsbuches zusammengefaßt sind, der bestimmt:
»Aufs strengste verbietet die Kirche die Eingehung einer Ehe zwischen
zwei Getauften, von denen der eine katholisch, der andere irrgläubig
oder schismatisch ist. Falls bei einer solchen Ehe die Gefahr des
Abfalls für den katholischen Eheteil und die Nachkommenschaft besteht,
ist sie auch durch göttliches Gesetz verboten.«65 Wenn auch die Kirche
zuweilen mit Rücksicht auf die Zeiten, Verhältnisse und Personen eine
Dispens von diesen strengen Vorschriften nicht verweigert (unbeschadet
jedoch des göttlichen Rechts, und unter möglichstem Ausschluß einer
Gefahr des Abfalls durch Aufstellen geeigneter Sicherungen), so läßt
sich doch nur schwer ein ernster Schaden des katholischen Teiles aus
solcher Ehe vermeiden.
Nicht selten kommt es bei Mischehen dazu, daß sich die Kinder in
beklagenswerter Weise von der Religion abwenden oder wenigstens, und
zwar überraschend schnell, dem sogenannten religiösen Indifferentismus
verfallen, der der Religionslosigkeit und völligen Gottentfremdung sehr
nahesteht. Außerdem gestaltet sich in den Mischehen jene lebendige
Harmonie der Seelen viel schwieriger, die das erwähnte große Geheimnis,
die geheimnisvolle Verbindung der Kirche mit Christus nachahmt.
Nur zu leicht wird auch die Einheit und Einigkeit der Herzen versagen,
die, wie sie Kennzeichen und Merkmal der Kirche Christi sind, so auch
Kennzeichen, Zierde und Schmuck der christlichen Ehe sein sollen. Denn
das Band, das die Herzen aneinander fügt, löst sich ganz oder lockert
sich wenigstens, wenn in dem Letzten und Höchsten, was dem Menschen
heilig ist, nämlich in den religiösen Wahrheiten und Anschauungen, sich
Ungleichheit der Ansichten und Verschiedenheit der Bestrebungen geltend
machen. Daraus entsteht die Gefahr, daß die Liebe zwischen den Gatten
erkaltet, der häusliche Friede und das Familienglück erschüttert
werden, die ja in erster Linie aus der Herzenseinheit hervorwachsen.
Denn wie schon vor vielen Jahrhunderten das alte römische Recht gesagt
hat, »ist die Ehe die Vereinigung von Mann und Frau, völlige
Lebensgemeinschaft und Gemeinschaft göttlichen wie menschlichen
Rechts.«66
Die Ehescheidung
Ein Haupthindernis jedoch, Ehrwürdige Brüder, gegen die von unserem
Heiland Jesus Christus gewollte Wiederherstellung und Vollendung der
Ehe bildet die von Tag zu Tag fortschreitende Erleichterung der
Ehescheidung. Die Verfechter des Neuheidentums setzen trotz der
traurigen Erfahrungen ihren von Tag zu Tag erbitterteren Kampf gegen
die gottgewollte Unauflöslichkeit der Ehe und die zu ihrem Schutz
aufgestellten Gesetze fort. Ihr leidenschaftlich verfolgtes Ziel ist,
die Ehescheidung zu legalisieren und jene veralteten Gesetze durch
menschlichere zu ersetzen.
Der Gründe, die sie zugunsten der Ehescheidung vorbringen, sind viele
und verschiedenartige; solche, die von persönlicher Schuld und
Verfehlung herrühren, andere, die in der Sache selber liegen (die
ersteren nennen sie subjektive, die letzteren objektive Gründe), dann
auch all das, was irgendwie das Zusammenleben hart und schwer
erträglich macht. Diese Gründe und die angestrebten Gesetze suchen sie
auf mannigfache Weise zu rechtfertigen. Zunächst mit dem Wohl beider
Gatten: ist der andere Teil unschuldig, so stehe ihm das Recht zu, von
dem schuldigen wegzugehen; ist er schwerer Vergehen schuldig, so müsse
er aus der Gemeinschaft, die für den andern unerträglich und erzwungen
sei, ausgesondert werden. Einen weiteren Grund sieht man in dem Wohl
der Nachkommenschaft, die die richtige Erziehung entbehren müsse und
infolge der Zwietracht und anderer Untugenden der Eltern nur
allzuleicht Schaden leide und vom rechten Wege abgedrängt werde. Einen
letzten Grund erblicken sie im Gemeinwohl der menschlichen
Gesellschaft. Dieses verlange zunächst die völlige Auslöschung all der
Ehen, die doch nichts mehr taugen zur Erreichung dessen, was die Natur
beabsichtigt. Sodann sei den Gatten die Trennung gesetzlich zu
gestatten zur Vermeidung von Verbrechen, auf die man bei ihrem
erzwungenen Beisammenbleiben nur zu sehr gefaßt sein müsse, und damit
nicht die Gerichte und das Ansehen der Gesetze täglich mehr zum Gespött
würden. Denn um das ersehnte Scheidungsurteil zu erreichen, begingen
die Gatten entweder absichtlich Verbrechen, auf die hin der Richter
kraft des Gesetzes das Eheband lösen kann, oder sie behaupten frech mit
Lüge und Meineid vor dem Richter, auch wenn dieser den wahren
Sachverhalt durchschaut, sie hätten sich solche Verfehlungen zuschulden
kommen lassen. Unter diesen Umständen müßten, so sagen sie, die Gesetze
solchen Notlagen, den veränderten Zeitumständen, der öffentlichen
Meinung, den Verhältnissen und Gepflogenheiten moderner Staaten
angepaßt werden. Diese Gründe, besonders aber alle zusammengenommen,
seien ein augenscheinlicher Beweis für die Notwendigkeit, aus
bestimmten Ursachen die Ehescheidung zu gestatten.
Andere gehen in ihrer Verwegenheit noch weiter und wähnen: da die Ehe
ein bloßer Privatvertrag sei, so sei es, gleich wie bei den übrigen
Privatverträgen, dem Gutdünken und dem übereinstimmenden Willen der
beiden Vertragschließenden völlig anheimzustellen, die Ehe aus jedem
beliebigen Grunde wieder zu lösen.
Schrift und kirchliches Lehramt verteidigen die Unauflöslichkeit der Ehe
Allen diesen Torheiten steht, Ehrwürdige Brüder, unbeugsam und
unerschütterlich das eine göttliche Gesetz gegenüber, das Christus in
seinem vollen Umfang bestätigt hat. Ein Gesetz, das durch keine
Menschensatzungen und Volksbeschlüsse und kein Diktat der Gesetzgeber
entkräftet werden kann: »Was Gott verbunden hat, das soll der Mensch
nicht trennen.«67 Trennt er gegen das Recht trotzdem, so bleibt sein
Unterfangen wirkungslos. Daraus ergibt sich die Schlußfolgerung, die
Christus mit ausdrücklichen Worten bekräftigt: »Ein jeder, der sein
Weib entläßt und eine andere heiratet, der bricht die Ehe: und wer eine
vom Manne Geschiedene heiratet, der bricht die Ehe.«68 Diese Worte
Christi treffen auf jede Ehe zu, auch auf die bloß natürliche. Denn
jede wahre Ehe besitzt die Eigenschaft der Unauflöslichkeit, wodurch
die Lösung des Bandes dem Gutdünken der Parteien und jeglicher
weltlichen Gewalt entzogen ist.
Hier ist auch die feierliche Entscheidung des Trienter Konzils ins
Gedächtnis zurückzurufen, das unter Strafe des Bannes den Satz verwarf:
»Wenn jemand behauptet, das Eheband könne gelöst werden wegen Abfalls
vom wahren Glauben, oder weil das Zusammenleben zur Last geworden, oder
wegen böswilligen Verlassens, so sei er im Banne.«69 Und weiterhin:
»Wenn jemand behauptet, die Kirche irre, wenn sie gelehrt hat und noch
lehrt, gemäß der Lehre des Evangeliums und der Apostel könne das
Eheband wegen Ehebruchs des einen Gatten nicht gelöst werden, und
keiner von beiden, auch der unschuldige nicht, der keine Ursache zum
Ehebruch gegeben hat, könne zu Lebzeiten des andern Gatten eine neue
Ehe eingehen, und es begehe Ehebruch sowohl der Mann, der nach
Entlassung seiner ehebrecherischen Frau eine andere heiratet, wie auch
die Frau, die nach Entlassung ihres Mannes einen anderen heiratet: so
sei er im Bann.«70
Wenn aber die Kirche nicht geirrt hat und nicht irrt, indem sie dies
lehrte und lehrt, und wenn es darum sicher ist, daß das Eheband nicht
einmal wegen Ehebruchs gelöst werden kann, dann ist es offenkundig, daß
die übrigen schwächeren Gründe, die man zugunsten der Ehescheidung
vorzubringen pflegt, noch viel weniger Beweiskraft haben und übergangen
werden können.
Einzige Möglichkeit: Trennung der Ehegatten
Übrigens lassen sich die oben erwähnten dreifachen Einwände gegen die
Festigkeit des Ehebandes leicht lösen. Alle jene Nachteile und Gefahren
sind unschwer zu beheben, wenn in den genannten äußersten Fällen den
Gatten eine unvollkommene Trennung gestattet wird, jene nämlich, die
bei Wahrung des Ehebandes das Kirchengesetz ausdrücklich in den Kanones
über die Trennung von Bett, Tisch und Hausgemeinschaft71 gewährt. Über
die Gründe, die Bedingungen, die Art und Weise einer solchen Trennung
sowie über die Vorsichtsmaßregeln für die Erziehung der Kinder und das
Wohl der Familie und zur Vermeidung aller Nachteile, die dem Gatten,
den Kindern oder der staatlichen Gemeinschaft drohen, darüber
Bestimmungen zu treffen, ist Sache der kirchlichen Gesetze und zum Teil
auch der bürgerlichen, soweit es sich um bürgerliche Belange handelt.
Widerlegung der Ehescheidung aus natürlichen Überlegungen
Dieselben Gründe aber, die zur Erhärtung der unauflöslichen Festigkeit
der Ehe angeführt werden und die Wir oben bereits erwähnt haben, können
mit ganz dem gleichen Recht als Beweise dafür gelten, daß es keine
Notwendigkeit der Ehescheidung und kein Recht dazu gibt, und daß keine
Obrigkeit die Macht hat, sie zu erlauben. So viele offensichtliche
Vorteile für die Unauflöslichkeit der Ehe sprechen, ebenso viele
Nachteile zeigen sich auf der Seite der Ehescheidung, Nachteile, die
sich zum Schaden der einzelnen wie der gesamten menschlichen
Gesellschaft auswirken.
Um nochmals einen Ausspruch Unseres Vorgängers anzuführen, so läßt sich
kaum in Worte fassen, wie groß der Segen ist, den die Unauflöslichkeit
der Ehe in sich schließt, wie schlimm dagegen die Saat von Übeln und
Schäden, die die Ehescheidung in sich birgt. Hier, wo das Eheband
unangetastet bleibt, erblicken wir die Ehen in voller Sicherheit; dort,
wo man Scheidung der Gatten vorschlägt oder sie der Gefahr der
Ehescheidung aussetzt, wird der Ehebund schwankend und wandelbar oder
Zweifeln und Verdacht ausgesetzt. Hier gegenseitiges Wohlwollen und
eine wunderbar gefestigte Gemeinschaft aller Güter; dort aber ist eben
aus der Möglichkeit der Scheidung diese Gemeinsamkeit in der
traurigsten Weise geschwächt. Hier die trefflichsten Mittel zum Schutze
der ehelichen Treue und Keuschheit, dort verderbliche Anreize zur
Untreue. Hier wird das Kind gern entgegengenommen, sein Schutz und
seine Erziehung wirksam gefördert, dort wird es den größten
Schädigungen ausgesetzt. Hier sind der Zwietracht zwischen Familien und
Verwandten alle Zugänge verschlossen; dort ist dazu nur zu häufig
Gelegenheit geboten. Hier werden Streitigkeiten leichter unterdrückt,
dort wird der Same der Zwietracht weit und breit in reichster Fülle
ausgestreut. Hier vor allem wird die Würde und Stellung der Frau in der
häuslichen wie in der bürgerlichen Gesellschaft wieder voll zur Geltung
gebracht, dort in unwürdiger Weise herabgedrückt; denn die Gattinnen
sind der Gefahr ausgesetzt, »verlassen zu werden, nachdem sie der
Leidenschaft des Mannes gedient haben.«72
Da zum Verderben der Familien, um mit den tiefernsten Worten Leos XIII.
zu schließen, »und zum Umsturz der Staaten nichts so sehr beiträgt wie
die Sittenverderbnis, so ist leicht ersichtlich, daß die größte Feindin
der Wohlfahrt von Familie und Staat die Ehescheidung ist, die aus der
Sittenentartung der Völker entspringt und nach dem Zeugnis der
Erfahrung den größten Lastern im öffentlichen und privaten Leben Tür
und Tor öffnet. Noch viel schlimmer erscheinen diese Übel, wenn man
bedenkt, daß in Zukunft keine Zügel stark genug sein werden, um die
einmal gewährte Erlaubnis zur Ehescheidung innerhalb bestimmter und
absehbarer Grenzen zu halten. Groß ist wahrhaftig die Macht des
Beispiels, aber größer noch die der Leidenschaft. Infolge dieser
Verlockungen wird es dahin kommen, daß das Verlangen nach Ehescheidung
täglich weiter um sich greift und in viele Herzen eindringt gleich
einer ansteckenden Seuche oder einem mächtigen Strom, der die Dämme
durchbricht und das Land überschwemmt.«73
Wenn daher, wie es im gleichen Rundschreiben heißt, »die Menschen ihre
Pläne und Entschlüsse nicht ändern, haben sowohl die Familie wie die
menschliche Gesellschaft fortwährend zu gewärtigen, daß sie elendiglich
in den Umsturz und die Auflösung aller Ordnung hineingeraten.«74 Wie
richtig das alles vor fünfzig Jahren vorausverkündet wurde, beweist
mehr als genug die täglich wachsende Sittenverderbnis und die unerhörte
Entartung des Familienlebens in jenen Ländern, wo der Kommunismus zur
vollen Herrschaft gelangt ist.
(Fortsetzung folgt)
Anmerkungen:
45 Vgl. Mt 13,25.
46 2 Tim 4,2-5.
47 Eph 5,3.
48 Augustinus, De conugiis adult. II 12; vgl. Gen 38,8-10; S. Poenitent., 3. April, 3. Juni 1916.
49 Mt 15,14; S. Officium, 22. November 1922.
50 Lk 6,38.
51 Sess. VI., c.11.
52 Innozenz X., Apostolische Konstitution Cum occasione, 31. Mai 1653, prop. 1.
53 Ex 20,13; vgl. Dekr. des S. Officium, 4. Mai 1898, 24. Juli 1895, 31. Mai 1884.
54 Augustinus, De nupt. et concup., XV.
55 Vgl. Röm 3,8.
56 Vgl. Gen 4,10.
57 S. theol. IIa-IIæ, q.108, a.4 ad 2.
58 Ex 20,14.
59 Mt 5,28.
60 Hebr 13,8.
61 Vgl. Mt 5,18.
62 Mt 7,27.
63 Leo XIII., Enzykl. Arcanum divinæ sapientiæ, 10. Februar 1880.
64 Vgl. Eph 5,32; Hebr 13,4.
65 CJC, c. 1060.
66 Modestinus, I Regularum (Dig. XXIII 2: De ritu nuptiarum).
67 Mt 19,6.
68 Lk 16,18.
69 Sess. XXIV, c. 5.
70 Sess. XXIV, c. 7.
71 CJC, c. 1128 ff.
72 Leo XIII., Enzykl. Arcanum divinæ sapientiæ, 10. Februar 1880.
73 Ebd.
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