DIE KRIPPE IN DER ABTREIBUNGSKLINIK
von
Eberhard Heller
Die Schandtaten, die gestern bei einigen Skrupulanten noch für
Aufregung oder Empörung sorgten, gehen schon heute im Alltag unter. Man
kann sich an das Verbrechen gewöhnen, zumal dann, wenn es uns selbst
nicht ständig unmittelbar berührt. In gewissen lichten Augenblicken
aber, in denen man sich aus den eigenen Kümmernissen hinausreißt, sich
aufschwingt, sieht man die entsetzliche Wirklichkeit, in der wir mit
dahinleben, sieht man, daß unsere Erde meterhoch mit Fluch beladen ist,
und daß unser eigenes Bemühen - erbärmlich genug -, uns frei zu halten
von Mitschuld, sich in dieser Welt ausnimmt wie ein paar tunnelförmige
Maulwurfsgräben. Gottes Langmut wird schier unbegreiflich, Seine
Gerechtigkeit scheint in seinem Sühneblut ertränkt zu sein, wenn man an
all die Greultaten denkt, die in den letzten lo Jahren begangen wurden.
Denn sie alle schreien nach Wiedergutmachung.
Ich möchte hier nicht besonders auf das unentwegte Abschlachten der
Kambodschaner, auf das systematische Ausrotten des kurdischen Volkes
durch Irrsinnige hinweisen; die Mächtigen dieser Erde gehen über diese
Opfer hinweg - zur normalen Tagesordnung. So gut man eben kann,
verschweigt man solche Verbrechen und tut nichts für die Gequälten und
Geschundenen oder fast nichts.
Während jene jedoch noch schreien können, und ihr Aufbäumen noch
irgendwo vernommen wird, werden fast überall sonst die Wehrlosesten der
Wehrlosen, die Unschuldigsten der Unschuldigen lautlos, perfekt und
sauber, ja sogar 'legal' und demnächst noch ambulant umgebracht: die
ungeborenen Kinder im Mutterleib. Dieser Massenmord unserer
zielstrebigen 'humanen' Gesellschaft gehört schon zum normalen Alltag,
ist zur täglichen Wirklichkeit geworden. Denn wer kennt nicht das
Munkeln über jenes junge Mädchen aus dem 3. Stock, die so plötzlich
'krank' wurde.
Wie würde wohl eine solche Welt heute den Heiland aufnehmen? Es ist
schon unendlich traurig, daß die Gottesmutter, die uns den Heiland
gebären sollte, auf der Suche nach einer Unterkunft für ihr göttliches
Kind, "keinen Platz in der Herberge" fand. - "Ach nein, es geht nicht,
wir sind belegt! Wie bitte, Sie erwarten die Geburt des Heilandes, des
Heils für die Welt? Auf Ihren Heilsbringer pfeif ich. Übrigens
verbietet der Hotelverband das Überbelegen der Zimmer. Das müßte Ihnen
doch bekannt sein. Suchen Sie sich anderswo eine Bleibe!" -"Er kam in
Sein Eigentum und die Seinen nahmen Ihn nicht auf." So erschreckend
einfach liest sich das. Was geschah, wissen wir: in einem Stall vor
Bethlehem wurde dann das göttliche Kind geboren; irgendwo blies wohl
der Wind durch die Scheunenwände; Ochs und Esel als stumme Zeugen der
Geburt des Gottessohnes, die ihn nicht verstießen; eine elende
Futterkrippe als Wiege, und der Heiland in Windeln auf ein wenig Stroh.
Welche Niedrigkeit und Erbärmlichkeit! Doch all das stand in genauer
Proportionalität zu der Bereitschaft der damaligen Menschen, ich muß
mich verbessern, zu der Bereitschaft des von Gott auserwählten Volkes,
den Messias aufzunehmen.
Man sollte meinen, daß diese Gleichgültigkeit, ja Sich-Verweigerung
gegenüber dem verheißenen Erlöser, der sich uns total unverdient
hingeschenkt hatte, unüberbietbar wäre, ebenso die Tatsache, daß ein
Stall als "Zelt des Allerhöchsten", als Haus des lebendigen Gottes
herhalten mußte.
Aber nein! Wenn man jene Handlungsweise des Volkes Israel mit der
Einstellung unserer heutigen 'humanen' Gesellschaft vergleicht, wie
harmlos war doch dieser Rausschmieß der Gottesmutter samt ihrem
göttlichen Kind unter dem Herzen und dem hl. Josef aus der Herberge von
Bethlehem. Man ließ sie einfach gehen und tat ihnen sonst nichts! Der
Stall mit Ochs und Eselein, mit der Krippe - wie idyllisch geradezu,
welch folkloristische Hintergrundfolie für das unfaßbare Ereignis der
hl. Nacht ... im Vergleich zu den Geschehnissen unserer heutigen Zeit.
Man nimmt Maria und Josef nicht nur nicht auf wie die armen
Flüchtlinge, nein, man wäre in anderer Beziehung noch viel gründlicher.
Jedes Problem hat heute seine Lösung: 'soziale Belastungen' z.B. werden
einfach weggeschafft, fein säuberlich und mit der Zustimmung der
Polizei. - "Wie bitte, Sie möchten bei uns übernachten? Natürlich geht
das nicht! Ah, Sie erwarten ein Kind? Das ist was anderes. Ich rufe
wohl am besten gleich einen Krankenwagen. Ja, haben Sie ein Pech." Der
hl. Josef hat den zynischen Unterton des Portiers überhört. In der
Hoffnung, wenigstens von der öffentlichen Hand Hilfe und ein Obdach zu
bekommen - wo die persönliche Initiative versagt -, steigen beide in
den Krankentransporter. Ab geht's. Endlich hat man sie in ein
Wartezimmer einer Klinik verfrachtet. Die Atmosphäre hier kommt ihnen
seltsam vor. Als sie endlich merken, wohin man sie gebracht hat,
ergreift sie helles Entsetzen. Sie wollen schleunigst weg von diesem
Ort des Grauens. Doch es ist zu spät, die Stunde der Mutter Gottes ist
da. Und so wird der Heiland dieser Welt heute an dem Ort geboren, an
dem man ihn schon vor seiner Geburt hat töten wollen: im Vorzimmer
einer Abtreibungsklinik. Dort stünde heute die Krippe von Bethlehem.
Denn wenn Gott heute in Sein Eigentum käme, nähme man Ihn nicht nur
nicht auf, sondern versuchte, Ihn gleich vorher umzubringen, Sein
Kommen wäre 'unerwünscht1! Er kommt dennoch, kommt gerade dort zur
Welt, wohin Ihn der absolute Egoismus verwiesen hat, und Seine
Herrlichkeit überstrahlt den allerschändlichsten Ort!
Die Kärglichkeit des Stalles von damals konnte die Freude über die
Geburt des Heilandes nicht trüben. Da war doch noch die Natur, Ochs und
Esel als ihre Vertreter, die den Heiland annahmen und Ihn warm
hauchten. All das wäre jetzt anders: Nicht die unschuldige Natur ist
anwesend, man sieht das versteinerte Gesicht eines Arztes - wer weiß
schon, daß er sich nur mit einer Unmenge von Psychopharmaka auf den
Beinen hält. Und alle, die in diesem Mordhaus mitarbeiten, können sich
ja beruhigen: die Bundesregierung mit einem 'katholischen'
Justizminister hat die Abtreibung doch freigegeben!
Nicht in der Armseligkeit eines Bretterverschlages würde der Heiland
heute zur Welt kommen, da man ihn nicht vorher umbringen konnte,
sondern in einem wohltemperierten, desinfizierten Vorzimmer eines
dieser Mordhäuser. Welches Entsetzen! Welches Entsetzen! Die
Gottesmutter weint - sie hat es schon in La Salette getan -, der hl.
Josef steht da mit bleichem Gesicht. Die Engel schluchzen ob all der
ermordeten Kinder. Nur mühsam flackert das Licht des Sterns von
Bethlehem. In einer Tränenpause vernimmt man ganz zaghaft nur das
"Gloria in excelsis Deo", und so traurig klingt es. Zu allem Überdruß
huscht da noch eine 'Patientin' im Morgenrock vorbei.
Aber die modernen Hirten, die wahren Hirten, die kommen und das
göttliche Kind anbeten, gibt es die denn heute nicht? Doch, sie gibt es
auch noch. Da ist die türkische Gastarbeiterfamilie mit ihren fünf
Kindern, eines kleiner als das andere: die Mutter ist gerade dabei,
eines von ihnen zu beruhigen, als sie die Botschaft der hl. Nacht
vernimmt. Da ist das junge Ehepaar, das ihre kranken Kinder pflegt und
nachts abwechselnd wacht. Da ist die alleinstehende, berufstätige Dame,
die ein Waisenkind aufgenommen hat, und nachts in ihr Kissen weint,
weil sie die Last der 'nebenberuflichen' Erziehung fast erschöpft hat.
Und da kommt auch jene ältere Dame, Großmutter von vier verhaschten
Jünglingen, sie, die Nacht für Nacht darum betet, daß ihre Enkelkinder
nicht verloren gehen; auch sie hat das mühsam herausgestoßene "Gloria"
der Engel vernommen. Ja, vereinzelt strahlt auch heute noch das Licht
des Heilandes in einigen wenigen Herzen.
Die Juden hatten sich den verheißenen Messias etwas anders vorgestellt
denn als winziges Kind, das in einer Stallkrippe zur Welt kommen
sollte. Aber die Tatsache, daß sich Gott dieser sündenbeladenen,
verruchten Welt als Kind unter den armseligsten Verhältnissen schenkt -
einer Welt, die Ihn damals nicht annahm, und die Ihn heute noch vor
Seinem Erscheinen am liebsten umbringen würde -, stellt einen Abgrund
an Demut dar: Die absolute Allmacht begibt sich in die größte
Abhängigkeit und Hilflosigkeit, in die eines Kindes; Er, der Schöpfer
wird geboren aus der Jungfrau Maria, Gottes Magd; die absolute Fülle
und Herrlichkeit erscheint in der vollkommensten Kargheit, ja
Erbärmlichkeit; Er, die Liebe, die alles umfaßt, geht in eine Welt von
Menschen, die Ihn verstoßen. Gott hätte auch anders erscheinen können!
Doch in dieser Weise ward er den Menschen in all der Plackerei und
Dürftigekeit gleich. So sind durch Ihn, der als Kind geboren wurde,
jede Kindschaft, und durch Maria, der reinsten Magd des Herrn - die
mögliche Verstoßung der damaligen Welt dafür in Kauf nehmend -, jede
Mutterschaft geehrt und über alle menschliche Gewöhnlichkeit unendlich
erhöht worden. Darum stellt auch umgekehrt die Abtreibung nicht bloß
einen einfachen Mord dar, sondern in ihr wird letztlich zugleich die
Verhinderung der Geburt des Heilandes intendiert. Die
Pillenfresserinnen und Abtreiberinnen, die sich mit ihrem Verbrechen in
den Illustrierten noch brüsten dürfen, sie alle wollen letztlich kein
Weihnachten! - Nein,das sind keine einfachen Morde, die da an den
ungeborenen Kindern begangen werden, genauso wenig wie das Abweisen von
Maria und Josef nur ein Verweigern einer Ubernachtungsmöglichkeit war.
Die Hl. Schrift belehrt uns klipp und klar: "Er kam in Sein Eigentum,
doch die Seinen nahmen Ihn nicht auf." Diejenigen, die sich als Mutter
verweigern und die Frucht ihrer Liebe morden - und selbstverständlich
gilt das auch von den Männern, die sich in dieser grauenvollen Weise
als Väter verweigern -, sie töten in ihrem Kind auch das Christkind.
Es ist kein Zufall, daß in einer Zeit, in der durch das Verbot des hl.
Meßopfers die Hauptpulsader zum Herzen Jesu durchschnitten wurde, die
Schändlichkeit der Tötung des Kindes im Mutterleib 'legalisiert' und
ihre Durchführung von den Krankenkassen finanziert wird! Welcher
Zynismus! Eines ist durch das andere ermöglicht. - "Aber die Bischöfe
haben doch gegen die Abtreibung protestiert! Und hat nicht Kardinal
Höffner sie mit den Mordtaten des Dritten Reiches verglichen, worauf er
von dem 'katholischen' Bundesminister Vogel heftig attackiert wurde?"
wird man mir entgegen halten. Ach, man hat ein paar Grußadressen
gewechselt! Denn ist nur ein einziger dieser Schreibtischmörder, eine
einzige wirkliche Kindesmörderin mit ihren Helfeshelfern exkommuniziert
worden, wie es sich gehört hätte? Dieser Dr. Vogel als Justizminister
darf sich doch Höffner gegenüber noch als 'Katholik' präsentieren. N.B.
Welch ungeheuerliche Perfidie dieses Mannes, der sich bei seinem
schändlichen Gesetz auf sein 'katholisches' Bekenntnis berufen kann.
Wollen Sie wissen, warum es überhaupt noch zu Protesten der deutschen
'Bischöfe' kam? Ganz einfach - und diese Information habe ich von einem
für uns unverdächtigen Zeugen, der unsere Mitrenständer und ihre
opportunistische Mentalität kennt -: damit man hinterher nicht sagen
könnte, sie hätten nichts gesagt!!! Das Dritte Reich stak diesen
Episkopoi - die auf alles andere denn auf ihren Glauben achten - noch
zu sehr in den Knochen.
Gibt es denn für uns in dieser grauenvollen Zeit überhaupt noch das
Fest der Freude, der Geburt des Heilandes und des "Gerechten, den die
Wolken herab regnen" sollten? Können wir angesichts der angeführten
Verhältnisse noch Freude empfinden? Niemand wird sagen wollen, daß die
Lage der Soldaten in den letzten Kriegen einfach war. Dennnoch gab es
für sie den hl. Abend. Manchmal selbst unter Lebensgefahr, mitten durch
den Kugelhagel hindurch wurde der Christbaum gesucht und aus dem Schnee
herausgewühlt. Und endlich war es dann soweit: am Weihnachtsabend
brannten an ihm ein paar Kerzen: Licht, das mit der Liebe des Heilandes
im Herzen angezündet war, in die Finsternis zu tragen, von der die
Soldaten in mehrfacher Weise umgeben waren.
Als die hl. Messe zerstört und verboten war, haben wir nicht
aufgegeben. Wir haben die Meßzentren errichtet, und unsere treuen
Priester haben uns den Gnadenstrom Gottes offen gehalten. Auch jetzt
müssen wir unseren Zorn und unsere Tränen, unsere Verbitterung, unsere
Resignation und unsere Abgestumpftheit niederkämpfen und durch all das
Entsetzen rings um uns her hindurch zur Krippe eilen, um das göttliche
Kind anzubeten, es aufzunehmen in unsere Herzen. Denn "allen aber, die
(Es) aufnahmen, gab Es Macht, Kinder Gottes zu werden, all denen, die
an Seinen Namen glauben". Dieser göttliche Heiland ist der einzige, der
alle Wunden heilen kann, denn nur Er ist auch das "Lamm, das
hinwegnimmt die Sünden der Welt."
***
ES WAR EINMAL: ABTREIBUNG UNSOZIALISTISCH
(aus einem Flugblatt des Vereins für politische Öffentlichkeitsarbeit / Frankfurt)
"Die Forderung nach Beseitigung oder Lockerung der Strafbarkeit der
Abtreibung ist eine Reaktion aus den Anfängen der sozialistischen
Bewegung und rührt von den unmenschlichen Verhältnissen her, in denen
sich das Proletariat in der Gründerzeit des Kapitalismus befand. Heute
ist eine solche Forderung zutiefst unmenschlich und damit auch
unsozialistisch.
Durchleuchtet man sie nämlich kritisch, so wird man erkennen müssen,
daß man deshalb die Tötung eines menschlichen Lebens gutheißt, weil die
Gesellschaft sich angeblich nicht in der Lage sieht, jenes kleine
Geschöpf zu erhalten.
Ist es etwas anderes als staatlich sanktionierter Mord, wenn man die
Mutter, besonders die Proletarierin, die aufgrund ihrer ökonomischen
Notlage sich außerstande sieht, ihr Kind zu kleiden und zu ernähren,
das sie erwartet, dieses Kind "legal" umbringen läßt, anstatt den hier
menschlich einzig möglichen Schluß zu ziehen, nämlich nunmehr hier mit
den Mitteln der Gemeinschaft, denen der Gesellschaft das Leben dieses
jungen Menschen sicherzustellen?
Welcher Unterschied besteht zwischen einem Staat, der die
Geisteskranken und die Krüppel vergast, weil sie ihm nur eine Last sind
und jenem, der sich seiner Verpflichtung, auch dem schwächsten Glied
seiner Gesellschaft, auch dem ärmsten, ein menschenwürdiges Dasein zu
garantieren, dadurch entzieht, daß er an den Mord an jenem unschuldigen
Leben gesetzlich gestattet? Aufgabe der Sozialisten ist gerade daher,
sich schützend vor das keimende Leben zu stellen."
(Dies stellte der Anfang 1974 verstorbene langjährige SPD
Bundestagsabgeordnete und als "Kronjurist der SPD" schon in den frühen
50er Jahren hochangesehene Politiker Dr. Adolf Arndt 1956, auf das
Thema "Abtreibung" angesprochen, fest.) |