"ICH HABE DICH ALS AUSERLESENEN WEINSTOCK GEPFLANZT,
ALS DURCHAUS ECHTEN SPRÖSSLING;
WIE BIST DU MIR DENN VERWANDELT UND ENTARTET,
DU FREMDER WEINSTOCK!" (JER. 2,21 F.)
von
H.H. Pfarrer Alois Aßmayr
Gott, der Herr, vergleicht Sein auserwähltes Volk mit einem edlen
Weinstock, den er sich gepflanzt hat. Das Edelreis war Abraham, den der
Herr von weit her geholt hatte und mit dem Er Freundschaft geschlossen
hat, nachdem Abraham (wohl mit blutendem Herzen, aber willig) bereit
war, seinen einzigen, geliebten Sohn Isaak Ihm zu opfern. Der Herr
versprach ihm, ihn zum Stammvater eines großen Volkes zu machen. In
Ägypten wurden die Nachkommen Abrahams wirklich zu einem großen Volke.
Von dort führte Gott es in das seinem Stammvater Abraham verheißene
Land. Großartige Wunder hat Gott diesem Volke auf seiner Wanderschaft
gewirkt, und er hat mit ihm einen Bund geschlossen: Er, der Herr, werde
ihr Gott sein und das Volk Israel soll Sein Volk sein, für das Er in
jeder Hinsicht sorgen werde, wenn das Volk das täte, was Er ihm sagen
werden. Und Gott gab ihm die lo Gebote und weitere Vorschriften.
Solange das Volk Israel den Vertrag mit Gott einhidt, ging es ihm gut.
Das hat leider das Volk nicht lange vertragen. Moses schildert dies
(Deut. 32) sehr anschaulich. "Da schmauste Jakob und aß sich voll, der
Geliebte ward fett und schlug aus, fett wurde er und mastig und feist.
Da verließ er Gott, seinen Schöpfer, entehrte den Fels seines Heiles."
Immer wieder mußte der Herr strafend eingreifen, um Sein Volk wieder
zur Vernunft zu bringen. Ich verweise nur auf Jeremias 2, wo Gott
Israel vorwerfen muß, daß das ganze Volk samt Fürsten und Königen,
Priestern und (falschen) Propheten Ihn, den Herrn, verlassen haben und
sich "Brunnen gegraben haben, die kein Wasser halten". "Ich habe dich
als auserlesenen Weinstock gepflanzt, als durchaus echten Sprößling;
wie bist du mir denn verwandelt und entartet, du fremder Weinstock.
Wenn du dich mit Laugensalz wüschest und viel Seife brauchtest, so
bleibst du doch befleckt von deiner Schuld vor mir."
Ergreifend ist die Mahnung und Klage des Herrn im Psalm 80: "Lausche
mein Volk, ich mahne dich, Israel, wolltest du doch auf mich hören!
Kein anderer Gott darf bei dir sein, und keinem fremden Gotte darfst du
Verehrung erweisen. Ich bin der Herr, dein Gott, der dich hinausgeführt
aus dem Ägypter Land: öffne den Mund und Ich fülle ihn. Aber mein Volk
hat nicht auf meine Stimme gehört, Israel Mir keinen Gehorsam erwiesen.
Darum habe Ich sie ihrem harten Herzen dahingegeben: mögen sie wandeln
nach ihrem Sinn. - Wenn doch mein Volk mich hören wollte, Israel
wandeln wollte auf meinen Wegen. Wie wollte Ich bald seine Feinde zu
Boden zwingen, die Hand wider seine Gegner wenden. Alle, welche den
Herrn hassen, müßten sich ihm ergeben; ihr Schicksal bliebe besiegelt
in Ewigkeit. Mein Volk aber würde ich nähren mit des Weizens Kraft, es
stillen mit Honig vom Felsenspalt."
Wir wissen, alles väterliche Werben, Mahnen, Warnen und auch Strafen
erreichte bei Israel nicht, zu dem am Berge Sinai gegebenen feierlichen
Versprechen zurückzukehren und die Gebote Gottes zu halten. Den
endgültigen Bruch mit dem Herrn und die Verwerfung des auserwählten
Volkes hat die Ablehnung des Erlösers und die Ermordung des
Gottes-Sohnes herbeigeführt. Wie fürchterlich sich der vom
Israelitischen Volke verschuldete Verlust der Freundschaft des Herrn
ausgewirkt hat, ist ja bekannt. Der Genuß ihrer ungezügelten
Leidenschaften war ihm lieber als die Freundschaft Gottes. Die
Hauptverantwortung hierfür trug damals die religiöse Führung. Die
überaus bitteren Folgen mußte aber das ganze Volk tragen - und trägt
sie heute noch.
Der Herr hatte sich einen neuen Weinberg gepflanzt, die katholische
Kirche. Diese aber sollte nicht nur ein Volk umfassen, sondern alle
Völker. Das Fundament dieser Kirche bildeten Männer aus dem einst
auserwählten Volke, die Apostel. Ihnen übergab der Herr Seine Lehre,
Seine Gebote und Seine Sakramente. Wer diese Lehre annimmt, sich bemüht
danach zu leben und sich taufen läßt, der soll einmal, nach diesem
Leben auf Erden, die Herrlichkeit und das Glück mit Gott durch die
ganze Ewigkeit hindurch teilen. Der Herr aber hat seiner Kirche kein
angenehmes und genußreiches Leben hier auf Erden versprochen. Das einst
auserwählte Volk hatte ja gezeigt, wohin ein solches führt: zum
Verderben.
Wir wissen ziemlich gut, welch hartes, opfervolles Leben die Apostel
und die Christen der ersten Jahrhunderte führen mußten, wie glücklich
sie aber dabei waren. Als dann die Verfolgungen so ziemlich aufhörten
und das Christentum sogar Staats-Religion wurde, Kaiser und Mächtige
dieser Kirche beitraten und die Christen in vieler Hinsicht
begünstigten, schlössen sich auch viele dieser Kirche an, die die
Lehren des Christentums jedoch nicht mehr gar so ernst nahmen also mehr
dem Namen nach Christen waren und dabei nur irdische Vorteile im Auge
hatten. Das Christentum, oder besser: die katholische Kirche wurde eine
politische Macht, um deren Führung sich u.a. auch Machthungrige
bewarben bzw. sich um sie rissen. Macht, Reichtum und Ehre sind aber
gefährliche Dinge, die wenige verkraften können, wie die Erfahrung
lehrt.
Wie gefährlich Macht, Reichtum und Ehre auch für kirchliche
Würdenträger waren und sind und wie wenige diesen Versuchungen
gewachsen waren und sind, zeigt die Kirchengeschichte. In jedem
Menschen stecken Leidenschaften, die ihm viel nützen - und viel nützen
können -, wenn er sie richtig handhabt, die aber unsäglich viel Unheil
anrichten, wenn er sich von ihnen beherrschen läßt.
Es ist vollkommen klar, daß die katholische Kirche eine Macht ist und
auch Macht haben muß, wenn sie ihre Aufgabe erfüllen soll. Diese Macht
ist (und muß) in erster Linie jedoch eine geistige Macht sein. Es wäre
ein Unding, wenn die Führung der katholischen Kirche keinen Einfluß auf
das Leben der Gläubigen ausüben dürfte und könnte. "Weide meine Lämmer,
weide meine Schafe" hat der Herr zu Petrus gesagt. Papst, Bischöfe und
Priester üben im Auftrag Christi, und daher auch mit Seiner Autorität,
das Hirtenamt aus über die gläubige Herde, d.h. über die Mitglieder der
katholischen Kirche. Der Hirte ist jedoch zum Wohle der Herde bestellt,
sonst wäre er nicht nötig.
Nun besteht die Herde Christi nicht aus wirklichen Schafen, sondern aus
Menschen mit Verstand und freiem Willen. Da nach der Erbsünde der
Mensch zum Bösen geneigt ist, ist es keine leichte Sache, Hirte zu
sein, zumal der Hirte selber zum Bösen geneigt ist. Die erste Aufgabe
des Hirten ist es daher, selber mit gutem Beispiele voranzugehen. Es
ist gut, daß der Hirte selber mit den bösen Neigungen zu kämpfen hat,
denn nur so kann er die Schwierigkeiten der Gläubigen richtig verstehen
und sie dann auch richtig führen. Die Gläubigen sollen dann aber auch
ihren Hirten lieben, ihm Vertrauen schenken und sich führen lassen. Der
Hirte soll und muß aber wissen, was die Gläubigen brauchen, was sie tun
und lassen müssen, wenn sie in den Tugenden Fortschritte machen wollen
und sollen, sie müssen sie belehren und ihnen erklären, wie sie es
machen sollen, um das Ziel, das ewige Glück, möglichst sicher und
möglichst gut zu erreichen, sie müssen sie aber auch vor den Gefahren
warnen und diese aufzeigen. Der Hirte aber kann und soll den Gläubigen
auch die (Gnaden)Mittel zur Verfügung stellen, da der Weg zum Himmel
durchaus nicht leicht ist und es viele Schwierigkeiten zu überwinden
gibt. Die Mittel sind die Sakramente, das Gebet steht ja ohnehin jedem
Menschen zur Verfügung das kann ja durch nichts ersetzt werden. So
sollte es eigentlich sein.
Wie schaut nun die Wirklichkeit aus? Tatsache ist , daß die Herde
Christi von unzähligen Wölfen angefallen wird. Leider sind diese Wölfe
keine Tiere, die man abschießen könnte, sondern Menschen mit sehr viel
Verstand und freiem Willen. Sie machen sich überall an die Gläubigen
heran, hetzen sie gegen die Hirten auf. - Aufhetzen ist immer die
erfolgreichste Methode gewesen, die Gläbigen abspenstig zu machen - man
sagt den Gläubigen, es sei des Menschen besonders des Mannes unwürdig,
sich von Seelsorgern führen zu lassen, die so harte Forderungen
stellen, so daß man vom Leben eigentlich nichts habe. Die Hirten seien
nur herrschsüchtig. Die Menschen sollen genießen und ihre Bedürfnisse,
(in Wahrheit: ihre Leidenschaften) befriedigen, dazu seien sie da. Es
gebe keinen Gott, keinen Himmel und vor allem keine Holle. Mit dem Tode
ist alles aus u.s.w. Leider finden diese Wölfe recht viel Anklang bei
den Leuten. Es ist diesen Wölfen sogar gelungen, ihre Leute in die
Kirche einzuschleusen und zwar in allen Rangstufen, auch im Staat. Ganz
unheilvoll aber wirkt sich das in der Kirche aus, wenn Priester,
Ordensleute, Theologie-Professoren und Bischöfe ein unchristliches
Leben führen, das man dann wieder als Propaganda benützen kann. In
Wirklichkeit sind es die von ihnen einschleusten Leute, die dann
freilich auch andere anstecken. Heute ist es soweit, daß die meisten
"Hirten" in Wirklichkeit Wölfe sind, die anderen werden unter Druck
gesetzt. Viele geben nach und wollen sich nicht die Feindschaft der
Welt und der "Gläubigen" zuziehen. Den übrigen ist man eifrig bestrebt,
das Hirtenamt möglichst schwer zu machen und es ihnen zu verleiden. Wie
weit den Wölfen das alles schon gelungen ist , zeigt, daß die heutige
Führung der "katholischen Kirche" ihnen bei ihrer Arbeit kein Hindernis
in den Weg legt, daß also die 'Führung' selber schon fast aus lauter
Wölfen und zwar den schlimmsten besteht. Von Hirten kann man also gar
nicht mehr reden. Kein Wunder, daß dann die Herde auch nur mehr fast
auslauter Wölfen besteht, die sich von den wenigen wahren Hirten kaum
noch etwas sagen lassen. Die Hirten sollen sich vielmehr nach den
Wünschen der Wölfe richten, wenn sie nicht beständig mit ihnen auf
Kriegsfuß stehen wollen. - Wie schaut denn heute das religiöse Leben
der meisten Katholiken aus? - Ich könnte noch v i e l mehr
sagen, doch genug davon, wenigstens für heute.
Daß die katholische Kirche in gewisser Weise auch Einfluß auf die
Politik nehmen darf und muß, ist eigentlich selbstverständlich. Wohl
ist die Aufgabe der Kirche in erster Linie auf das geistige, seelische
Wohl der Menschen gerichtet, und die des Staates in erster Linie auf
das rechtliche, irdische und leibliche der Bürger. Trotzdem ist die
Sache doch so, daß auch für diese Interessen am besten gesorgt wird,
wenn der Staat seine Aufgaben im Geiste des Christentums erfüllt, wenn
sich die Gesetze und Vorschriften nach der Lehre Christi richten. Das
kann die Kirche vom Staate, von den Politikern fordern. Staat und
Kirche työnnen und sollen zusammenarbeiten, ohne von einander abhängig
zu werden. Die katholische Kirche nimmt also nur indirekt auf die
Politik Einfluß. Wenn beide, Kirche und Staat ihre Zuständigkeit nicht
überschreiten, braucht es nie zu Konflikten kommen. Über Grenzfragen
könnte man ja miteinander reden, um so zu einem für beide Seiten
vorteilhaften Übereinkommen zu gelangen (Konkordat). Das wäre das
Ideal.
Die Wirklichkeit sieht freilich ganz anders aus. Die weltlichen
Machthaber haben sich selten von der Kirche viel sagen lassen, heute
erst recht nicht. Im Gegenteil: in den kommunistischen Ländern wird
versucht, die Kirche ganz in den Dienst des gottlosen Staates zu
zwingen. Gesetzlich sind dort Kirche und Staat getrennt; offiziell
garantiert der Staat Gewissens- und Religionsfreiheit und
Nicht-Einmischung in kirchliche Angelegenheiten. Nur muß sich die
Kirche an die Staatsgesetze halten. Das ist aber widerliche Heuchelei.
Der gottlose Staat kümmert sich sehr wohl um die Kirche und zwar
derart, daß sie entweder die Weisungen der kommunistischen Partei
durchführen oder aufhören muß zu existieren - was beides auf's Gleiche
hinausläuft. Tatsächlich kann dort die Kirche nur mehr im Untergrund
ihr Dasein fristen. Wehe, wenn man bei religiösen Veranstaltungen
erwischt wird! Die offiziellen Vertreter der Kirchen sind Figuren der
Partei. Bei uns im 'freien Westen' wird dieses Spiel nur viel
raffinierter gespielt!
Doch auch innerhalb der katholischen Kirche wurde die Lehre Christi
seit Aufhören der Verfolgungen immer weniger ernst genommen. Jeder
Mensch neigt zur Faulheit und Bequemlichkeit, was dann sehr leicht zur
religiösen Lauheit führt, die ansteckend wirkt. Wie oft hat der Herr
auch in der kath. Kirche mahnen, warnen und strafen müssen. Ich
erinnere nur an die Mahnungen und Warnungen der Gottesmutter in La
Salette, in Fatima und anderen Orten. Der Erfolg war und ist gleich
Null. Heute sieht es in der kath. (besser: 'kath.') Kirche so ähnlich
aus wie einst beim auserwählten Volke. Die Gefahr ist daher sehr groß-,
daß sie ein ähnliches Schicksal erleiden muß wie elinst das jüdische
Volk, da auch sie fast nur mehr auf Irdisches eingestellt ist , allen
Mahnungen und Warnungen zum Trotz. Wenn man dies sieht, drängt sich
einem unwillkürlich der Schluß auf, daß das Christentum nur dann
gedeiht, wenn es mit Schwierigkeiten und Verfolgungen zu kämpfen hat,
da ihm das Wohlergehen scheints auf die Länge nicht gut tut. Man
strengt sich durchwegs nur an, solange man muß, und macht es sich
leicht, wenn man sich gehen lassen kann. Diese Erfahrung hat schon der
hl. Cyprian in Nordafrika gemacht. Wir sollten endlich die Folgerung
daraus ziehen.
LESERBRIEF AUS SÜDAFRIKA
(...) Ja, wie ich immer wieder erfahren habe, sind es vielfach die
Laien, auf die wir hoffen dürfen. Ihre Beurteilung der kirchlichen Lage
schien mir zuweilen zu streng, doch mußte ich immer wieder gestehen:
Sie haben richtig gesehen. Ich hätte es niemals für möglich gehalten,
daß der Modernismus so gewaltig in die Reihen der Priester und Bischöfe
einbricht. Viele sind sich in ihrer Gedankenlosigkeit dessen gar nicht
bewußt. Aber es ist nicht bei allen Naivität, sondern Mangel an Glauben
und religiöser Einstellung. Alles drängt zum Leichteren hin. Verbrämt
erscheint es als Fortschritt. Eine Diskussion ist vergebens, es gibt
keine Überbrückung der Gegensätze. Sie stehen noch mitten in einem
Kreis Gleichgesinnter, hier steht man meist ziemlich allein. (... )
H.H. P.K.
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