"DASS (...) DER WAHRHEIT DIE EHRE GEGEBEN WIRD"
von
Eberhard Heller
Als verantwortlichem Redakteur der Zeitschrift, gegen die sich das
nebenstehende Flugblatt nach Auskunft eines Unterzeichners desselben
richtet, gestatte man mir, daß ich ihm einige Anmerkungen widme. Die
"Stellungnahme für Erzbischof Lefebvre" soll, wie ein Stellungnehmer
selbst zugibt, eine Co-Produktion von H.H. Schmidberger und Dr. Wilhelm
sein und dem Erzbischof vor der Veröffentlichung vorgelegt worden sein.
Auf jeden Fall hat Dr. Wilhelm, zumindest den Stuttgarter Gläubigen
durch seine 'brüderlichen' Aktionen schon bestens bekannt, die
akademische Anhängerschaft von Mgr. Lefebvres Traditionalisten eifrig
durchforstet, um Unterschriften für diese "Stellungnahme" zu sammeln.
Aber nun zu den Behauptungen selbst. Man muß leider einige Dinge immer
wieder auffrischen, weil sie gern vergessen werden. Wenn für Erzbischof
Lefebvre der Glaube keine Angelegenheit des Experimentierens sein soll,
warum hat er dann den Apostaten Montini gebeten, jawohl g e b e t
e n : "Heiligster Vater (...) natürlich wollen wir das Experiment
der Tradition weiterführen und beibehalten. Man möge uns doch dieses
Experiment machen lassen." (Kyrie Eleison", März 1977, S.71 f.)
"Heiligster Vater, ich glaube, Sie haben die Lösung des Problems in
Ihren Händen. (...) Sie brauchen den Bischöfen nur ein Wort zu sagen:
nehmt in Brüderlichkeit und Friedfertigkeit die Traditionalisten auf,
die das Experiment der Tradition bewahren und ausführen wollen." Mgr.
Lefebvre führt auch gleich aus, was er damit meint: "Uns das Experiment
der Tradition machen zu lassen, das heißt, mein Seminar weiterzuführen,
das heißt, uns den Gottesdienst so feiern zu lassen, wie man es früher
getan hat, die Sakrament so zu empfangen, wie man sie früher empfing,
den Katechismus von früher zu haben. Also das Experiment der Tradition
zu machm." ("Kyrie Eleison" Februar 1977, S.42.) Das, was er also unter
der Tradition versteht, ist der vorkonziliare wahre Glaube. In Bezug
auf die Verhandlungen mit dem Okkupanten der Cathedra Petri, Woj tyla
gebraucht Mgr. Lefebvre die gleichen Formulierungen: "Ich werde einmal
mehr darum ersuchen, man möge uns gestatten, die Tradition zu
erproben", (Badener Tagblatt vom 29.1.79) und: "Was ich verlange, ist
ganz einfach: Daß Rom uns erlaubt, in Frieden und Ruhe das Experiment
der Tradition weiterzuführen". (Übrigens wird diese Formel vom
"Experiment der Tradition" von H.H. Schmidberger - im "Mitteilungsblatt
der Priesterbruderschaft St. Pius X." Nr.5, S.3 - ausdrücklich
bestätigt.)
Nun weiß aber jeder einfache Gläubige, daß der (dogmatisch festgelegte)
Glaube für jeden absolut verbindlich ist , und daß es Häresie ist , ihn
als Experiment, wie Mgr. Lefebvre das will, durchführen zu wollen. (Und
dieses Experiment erbittet er sich von Apostaten!) Wie können Sie,
verehrte Frau Dr. Gerstner, die Sie die "Stellungnahme"
mitunterzeichnet haben, bei solch häretischen Forderungen noch "Evviva"
schreien. Haben Sie denn vergessen, was Sie selbst einmal schrieben (in
Ihrer Zeitschrift "Kyrie Eleison", Dez. 1976, S.40l): "Unsere
gegenwärtige enthusiastische Anhänglichkeit gegenüber Mgr. Lefebvre
schließt nicht aus, daß wir (...) auch Mgr. Lefebvre nur so lange
folgen können, wie er konsequent den römisch-katholischen Standpunkt
vertritt. Sollte Mgr. Lefebvre eines Tages unverantwortliche
Zugeständnisse machen und die Einheit über die Wahrheit stellen, so
würden wir ihn in diesem seinem Tun ebenso sicher verlassen, wie wir
ihm heute zur Seite stehen."
Wenn Erzbischof Lefebvre nicht für den sog. "NOM" Pauls VI. ist , warum
schreibt er dann am 17.9.1976 an de Saventhem (alias Friedenau): "Für
die universale Kirche wünsehe ich wie Sie die friedliche Koexistenz der
vor- und nachkonziliaren Riten." ("Kyrie Eleison" vom Dez. 1977, S.385)
"Man lasse dann die Priester und Gläubigen die 'Familie der Riten'
wählen, der sie vorzugsweise anhängen wollen." ("II Dossier Saventhem")
(Man beachte: all diese Äußerungen wurden in Lefebvre freundlichen
Organen veröffentlicht!) Daß Sie, Herr Dr. Wilhelm, der Sie erst nach
Friedrichshafen wieder katholisch (oder 'katholisch') wurden, diese
Äußerungen nicht so alle kennen, glaube ich Ihnen gerne. Aber ich frage
Sie, H.H. Schmidberger, hat Mgr. Lefebvre diese Äußerungen getan oder
nicht? Warum unterschlagen Sie sie dann bewußt! Die
Charakterisierungen, die Mgr. Lefebvre sonst noch getan hat
("Bastardmesse" war die schärfste), sind untheologisch und heben diese
zitierte nicht auf.
Was nun die Behauptung angeht, Mgr. Lefebvre habe die "neue Messe"
gelesen, so haben wir, d.h. Prof. Lauth das "NOM" in Klammem nicht
hinzugesetzt; "messe innovée" wurde mit "neuer Messe" übersetzt, wie
sich jeder überzeugen kann. Aber einmal abgesehen von solchen
'kleinlichen' Ungenauigkeiten, haben Sie, H.H. Schmidberger in Ihrer
Predigt vom 15.7.1979 hier in München doch selbst zugegeben: "Nun hat
in der Tat der Erzbischof eine gewisse Zeit lang Reformen aus dem Jahre
1967 angenommen, eine gewisse Zeit lang, eineinhalb Jahre, bis im Jahre
1971, ohne daß er aber die Kreuzzeichen ausgelassen hätte. Er hat immer
alle Kreuzzeichen gemacht, er hat immer alle Kniebeugen gemacht. Aber
diese Reformen aus dem Jahre 1967 (...) sind etwas grundsätzlich
anderes als die neue Messe." (nach einer Tonbandaufzeichnung.) Bei
diesen "Reformen", die Mgr. Lefebvre benutzt hat, kann es sich
eigentlich nur um die sog. "Missa normativa" - etwas anderes kommt
schwerlich in Betracht! - handeln, die Paul VI. 1967 konzipieren ließ.
Abbe des Lauriers spricht von "messe innovée, und nicht von "NOM", wie
ihm unterstellt wird. Diese "Missa normativa" von 1967 ist aber
entgegen Schmidbergers Behauptung mit dem 1969 promulgierten sog. "NOM"
"im wesentlichen identisch". (Vgl. Holzer, Anton: "Novus Ordo Missae .
. . " Freiburg 1975, S.14.) Im übrigen verweise ich auf die nochmaligen
Äußerungen von Abbé des Lauriers in diesem Heft.
Die H.H, Schmidberger nachgeplapperte Behauptung (möglicherweise hat er
sich selbst auch nur wiederholt!), Mgr. Lefebvre habe schwere
Kirchenstrafen auf sich genommen, halte ich, bei allem Respekt vor der
Person des Erzbischafs, für den Beginn einer Mythenbildung! Er hat sich
an keines der Verbote aus Rom gehalten, keine Strafe auf sich genommen
und die von Paul VI. verhängte "Suspension a divinis" schlicht
ignoriert. Eher ironisch schreibt er selbst (in: "Einige Überlegungen
zur 'Suspendierung a divinis'): "Worin besteht sie in Wirklichkeit? Sie
beraubt mich des dem Priester und um so mehr dem Bischof innewohnenden
Rechts, die heilige Messe zu feiern, die Sakramente zu spenden und an
geweihten Stätten zu predigen, d.h. es ist mir verboten, die neue Messe
zu feiern, die neuen Sakramente zu spenden und die neue Lehre zu
predigen. Weil ich genau diese Neuerungen seit ihrer Einführung
ablehne, verbietet man mir jetzt offiziell, sie in Zukunft zu
praktizieren. Weil ich die neue Messe ablehne, verbietet man mir, sie
zu lesen. Man kann sich vorstellen, wie klein der Schaden ist , der mir
durch diese Suspendierung zugefügt wird." ("Kyrie Eleison" Jul/Aug.
1976, S.266) Ja! Frau Dr. Gerstner, wie konnten Sie nur dieses Märchen
von den schweren Kirchenstrafen unterschreiben? Haben Sie denn schon am
Mittag vergessen, was Sie morgens selbst geschrieben haben?
Wie schauen aber nun die "klärenden' Worte aus Econe und Weißbad zur
sog. "neuen Messe" (NOM) aus? Mgr. Lefebvre sagte in seinem Interview
mit "L'Aurore": "Er habe weder behauptet, daß sich das Zweite Vatikanum
gegen den Glauben richte noch daß die neue Messe eine 'Häresie' und
somit ungültig sei." (zitiert nach "Fels" März 1979, S. 92) Und was
sagt der ehemalige Regens von Weißbad zur sog. "neuen Messe" (NOM)?
"Darum werden wir also alle eine hohe Wertschätzung haben für die
Liturgie der Kirche, auch das muß iah hier sagen, daß die Regel die
alte Hl. Messe sein muß. Ich will keineswegs behaupten oder fordern,
daß man nur die alte Messe hat, äaer wohlgemerkt, als Regel. Als Regel
muß uns die alte Messe gelten, und wenn man in die neue Liturgie geht,
so sollte das die Ausnahme sein." (Schmidberger in der von seinem
Freund Wildfeuer redigierten Zeitschrift "KJB - Der gerade Weg" Nr. 1,
Juni 1977, S.13) Es soll aber hier auch nicht verschwiegen werden, daß
Schmidberger vor Jahren, d.h. in seiner vor-econeistischen Zeit, als
Mitarbeiter der EINSICHT in der Meß- und Papstfrage die gleiche
Auffassung vertreten hat, die wir heute noch vertreten. Aber das war
einmal... Die hier angeführten Zitate werden Ihnen, sehr geehrter Herr
Dr. Wilhelm, sicherlich klärender sein, als Ihnen lieb ist .
Übrigens habe ich nie behauptet, wie mir im nächsten Punkt der
"Stellungnahme" unterstellt wird, "ein deutschsprachiger Priester der
Priesterbruderschaft lese von Zeit zu Zeit die "Neue Messe' (NOM)". Die
gemeinte Stelle lautet wörtlich (EINSICHT IX(l)l0): "Inzwischen soll
sogar schon ein Mitglied der Bruderschaft erklärt haben, er könne sich
vorstellen, daß er auch einmal im Monat nach dem 'NOM' zelebrieren
könne." Bei der von den Unterzeichnern apostrophierten "geistigen
Auseinandersetzungen unter Brüdern", unter denen "die Regeln der
Fairneß beachtet" werden sollen, hätte man sich sehr leicht überzeugen
können, daß die angeführte Behauptung nie gemacht wurde. Aber noch zu
meiner Behauptung bezüglich des Priesters, der sich vorstellen kann,
daß er auch einmal im Monat nach dem "NOM" zelebrieren könne: diese
Information stammte von dem inzwischen verstorbenen H.H. Dr. Katzer, er
gab sie uns in Anwesenheit von mehreren Zeugen; die Äußerung soll (ich
sage nicht, daß er sie getan hat!) H.H. Biesig gemacht haben.
Soviel zu den von uns verbreiteten "törichsten und unsinnigsten
Behauptungen", die wir gemacht haben sollen. Jeder kann sich anhand der
angeführten Äußerungen der eigentlich Betroffenen überzeugen, was an
"all diesen Gerüchten wahr und was falsch ist."
Nun, da wirklich der Wahrheit die Ehre gegeben wurde und alles geklärt
wurde, "was wahr und was falsch ist", gestatten Sie mir, verehrte
Unterzeichner, daß ich an Sie selbst folgende Frage stelle - Prof.
Siebel möge sich in diesem Punkt nicht angesprochen fühlen, denn seine
diesbezüglichen Ausführungen in seinem Buch "Katholisch oder konziliar"
sind eindeutig -: Vertreten Sie bezüglich des sog. "NOM" die gleiche
Haltung wie Mgr. Lefebvre, der in friedlicher Koexistenz nur eine
Sondergenehmigung für die Feier der hl. Messe im Verband der
abgefallenen 'Kirchen'organisation anstrebt, oder sind Sie wie Prof.
Siebel der Auffassung, daß der sog. "NOM" ungültig ist?
Anerkennen Sie - wie Mgr. Lefebvre - den Häretiker Wojtyla als
rechtmäßigen Papst? Diese Frage richtet sich auch an Sie, verehrter
Herr Prof. Siebel: meinen Sie, daß jemand, der die ungültige "Messe"
liest, rechtmäßiger Papst sein kann? (Wenn Sie das verneinen, (was wir
tun) dann frage ich Sie, wie können Sie sich hinter das Programm von
Mgr. Lefebvre stellen, der doch in diesem Punkt grundsätzlich anders
denkt?)
Wollen Sie - wie Mgr. Lefebvre - der abgefallenen Organisation als
(rebellische) rechtgläubige Sekte angehören? - Wenn ja, dann handelt es
sich zwischen uns nicht um "Meinungsverschiedenheiten", sondern um
dogmatische und kirchenrechtliche Glaubensunterschiede, und der Hinweis
auf die "geistige Auseinandersetzung unter Brüdern", die doch
sicherlich als Mitglieder einer (Glaub ens)Fami l ie zu verstehen sind,
ist eine bewußt falsche Ettikettierung!
Geradezu demagogisch ist Ihrer aller Forderung an die Gläubigen, "wie
bisher" Erzbischof Lefebvre zu vertrauen, einer Person, die im besten
Fall bloß zweideutige, in vielen Fällen sogar eindeutig falsche,
d.h. h ä r e t i s c h e Stellungnahmen zu den entscheidenden
Problemen abgibt. Auch hat er, d.h. Mgr. Lefebvre immer wieder betont,
er wolle nicht der Führer der wahren Gläubigen sein. (Vgl. z.B. "Kyrie
Eleison" Feb. 77, S.48: "Ich bin nicht der Chef der Traditionalisten.
Ich bin nur einer unter den Millionen Katholiken, die genug haben von
all den Veränderungen in der Kirche und von der Zerstörung der
Kirche".) Das Problem, ob Mgr. Le£ebvie ein "guter und getreuer Hirte"
ist , existiert für die Gläubigen nicht: Mgr. Lefebvre will überhaupt
nicht Hirte sein! Von einigen der Unterzeichner hätte ich trotz allen
persönlichen Wohlwollens für Lefebvre ein wenig mehr Sachverstand in
dogmatischen und kirchenrechtlichen Fragen erwartet, auf den ich bei
dem Neu-Katholiken und Handlanger von H.H. S chmi db erger, Herrn Dr.
Wilhelm nicht rechnen kann.
Auch kann ich Ihren Appell "Vertrauen Sie seinem Werk" d.h. dem Werk
von Mgr. Lefebvre, bei dem bekannt gewordenen Vorhaben von Mgr.
Lefebvre, sich mit dem abgefallenen Rom wieder zu liieren (Brief Nr.
16) nur als Verhöhnung der wirklichen Gläubigen verstehen!
Alle Unterzeichner der "Stellungnahme" sind Akademiker. Von den
Gelehrten sagt der von Ihrer Seite geschmähte Johann Gottlieb Fichte:
"Der würdige Gelehrte will kein anderes Leben und Wirken haben, sich
gestatten und an sich dulden, ausser dem unmittelbaren Leben und Wirken
der göttlichen Idee in ihnw Dieser unveränderliche Grundsatz
durchdringt und bestimmt nach sich innerlich sein ganzes Denken;
derselbe Grundsatz durchdringt und bestimmt nach sich äusserlich sein
Handeln. Was zuvörderst das erste betrifft (...) , so wird begleitet
sein ganzes Leben von dem unerschütterlichen Bewusstseyn, dass es einig
sey mit dem göttlichen Leben, dass an ihm und in ihm Gottes Werk
vollbracht werde, und sein Wille geschehe; er ruhet darum auf demselben
mit unaussprechlicher Liebe und mit der unzerstörbaren Ueberzeugung,
dass es recht sey und gut. (...) Er hat mit diesem Handeln niemals noch
einen anderen Zweck ausser dem, seine Idee auszudrücken, und die
erkannte Wahrheit darzustellen in Werk und Wort." ("Ueber das Wesen des
Gelehrten" in SW, Bd. 6, Berlin 1971, S.418) Es ist beschämend, daß
gerade diejenigen, deren Pflicht die Darstellung der Wahrheit sein
sollte, die als Wissenschaftler gelernt haben sollten, ihren Gegenstand
systematisch zu reflektieren und die Ergebnisse ihrer Untersuchung auf
ihren Wahrheitsgehalt hin kritisch zu prüfen, daß also gerade jene, die
zumindest von ihrem Studium her wissen sollten, wie man
wissenschaftlich zu arbeiten hat, (im besten Falle blind) einer Fahne
hinterherlaufen, ohne zu wissen, was darauf steht. Und Ihnen, sehr
geehrter Herr Zeppenfeld - Sie verzeihen mir, wenn ich mich auch an Sie
persönlich wende -, mute ich nun die "Geschmacklosigkeit" zu, einmal
darüber nachzudenken, ob es bei der Wahrheitsfindung auf das Argument
oder die große Zahl (wie Herr Pfarrer Milch meint) ankommt, da ja auch
Sie als Unterzeichner auf die "Randgruppe" anspielen - auf eine
Randgruppe, gegen die man aber doch, wie man sieht die gesamte
intellektuelle Elitetruppe von Lefebvres traditionalistischer Leibgarde
ins Feld schicken muß. Man kann nur hoffen, daß sich die Unterzeichner,
die sich damit als (freiwillige oder unfreiwillige) Erfüllungsgehilfen
der berufsmäßigen Ankuppler zu erkennen gegeben haben, nur aus falsch
verstandener Loyalität und Dummheit vor einen Karren gespannt haben,
der wegen seiner inneren Widersprüche längst ins Abseits geraten ist .
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