EIN PRIESTERLEBEN
ERINNERUNGEN AN MEINEN VERSTORBENEN BRUDER
H.H. DR.THEOL. OTTO KATZER
von
Anna Schäfer
Die Kinderjahre:
An einem sonnigen Frühlingstag, dem 28. Mai 1910, kam in Brixen in
einem Haus in der Alten Marktgasse gegenüber dem Dom ein Junge zur
Welt. Aus dem geöffneten Fenster des III . Stockwerkes erscholl die
Stimme des Neuankömmlings und meldete sich so bei den
Marktgassenbewohnern an. - Noch oft sollte sich diese Stimme erheben,
eine Stimme, die den Ohren vieler Menscihen die Wahrheit verkündete. -
Da kam eine Schwalbe durch's Fenster geflogen, umkreiste Mutter und
Kind und verschwand wieder. Seiner kleinen, 4 Jahre alten Schwester
gefiel das Kindergeschrei allerdings nicht, sie hatte gleich genug
davon.
Das Geburtshaus besaß einen Laubengang, in dem sich Gemüsestände
befanden. Als die Mutter etwas einkaufen mußte, beauftragte sie das
kleine Schwesterlein, auf den Buben Otto im Kinderwagen aufzupassen.
Doch diese gab nicht acht, und der Kinderwagen rollte los, rollte und
rollte die Marktgasse hinunter, bis er schließlich vor dem Dom
umkippte. Ein Auto mit der enormen Geschwindigkeit von 3o km / h
bremste vor dem verunglückten Kinderwagen. Der herausspringende Fahrer
hob das schreiende Bündel auf und gab es seiner Mutter zurück, die mit
Schrecken herbeigeeilt war.
Bald darauf übersiedelten die Eltern nach Salzburg, wo der Vater bei
Graf Kinsky die Stelle eines Kammerdieners angenommen hatte. Dort lebte
meine Familie in einer Villa am Karolinenplatz, nahe der Salzach, bis
zum Jahre 1919; dann siedelte sie nach Brünn über. Die Familie Kinsky
war der Familie des Kammerdieners sehr wohlwollend gesinnt, und so
fanden Otto und ich in den gräflichen Kindern gute Spielgefährten.
Ottos Begeisterung für religiöse Zeremonien war sehr früh erwacht. So
'traute' er einmal die Komtesse mit mir.
Die Schulzeit:
Sie begann in den Kriegs jähren mit all seinen Wirren und brachte Otto
in so manche Sprachkrise: dreimal wechselte er die Schule; er besuchte
zuerst die tschechische, dann eine deutsche, um schließlich wieder auf
einer tschechischen Schule fortzufahren, da die Eltern schließlich nach
mühevollen Reisen und Irrfahrten in die CSSR übersiedelten. Diese
Sprachschwierigkeiten waren der Beginn so mancher Differenz zwischen
ihm und seinen Lehrern. Doch nichts ist ohne Willen Gottes. Diese
Doppelsprachlickeit, in der er aufwuchs, ermöglichte es ihm später,
viel Verständnis für die zu finden, die ihm anvertraut waren.
Die Seminarzeit:
In der Vorbereitung auf sein Priestertum lag viel Kampf, und so manche
Träne floß deswegen. Durch den Tod des Vaters bedingt mußte Otto das
Gymnasium verlassen und eine Handelsschule besuchen. Zwei Jahre
arbeitete er anschließend mit seiner Schwester im gleichen Büro. Der
Gedanke jedoch, sich dem lieben Gott zu weihen, ließ ihn nicht ruhen,
seine Berufung zum Priestertum wurde für ihn immer deutlicher. Neben
seiner Büroarbeit fing er an, Sprachen zu studieren. Und nach längerem
Ringen gab er seine Bürotätigkeit wieder auf, um Theologie zu
studieren. Das Stipendium dafür verdankte er der Güte eines Adeligen.
Die Versorgung der Mutter hatte ich übernommen. So meldete sich also
Otto im Alumnat in Brünn, hatte aber im ersten Jahr seines
Theologiestudiums noch zwei Klassen des Gymnasiums als auch die Matura
zu absolvieren. Das gelang mit Gottes Hilfe.
Die Priesterjahre:
Nach gründlicher Vorbereitung und einem ernsten Leben, in dem schon
etliche Erkenntnisse gesammelt waren, nach wiederholter Überprüfung
seines Entschlusses, empfing er am Festtag des hl. Cyrillus und des hl.
Methodius 1936 im Dom zu Brunn die hl. Priesterweihe. Die Flügel waren
also gespannt, der Geist konnte nun ungehindert in den Sphären Gottes
Ausschau halten, um seinem Herrn zu dienen. Zwei volle Jahre wirkte er
nun in Saratice bei Brünn als Kaplan; die Photos zeigen noch die große
Schar der Kinder, die er auf die erste hl. Kommunion vorbereitete. Doch
bald kam das schicksalhafte Jahr 1938: der Hitlerfeldzug begann. Als
Deutscher wurde er aus der Tschechoslowakai ausgewiesen und nach dem
besetzten Znaim übersiedeln, wo er nur von den milden Gaben der
Pfarrkinder lebte. Nach zwei Jahren riefen ihn die Deutschen von dort
nach Iglau. Hier konnte er wieder als Priester wirken und auf dem
Gymnasium Unterricht erteilen. Seine Pfarrkinder setzten sich aus
Deutschen und Tschechen zusammen. Seine Zweisprachigkeit - schon von
der Schulzeit her - kam ihm bei der Seelsorge seht zugute. Er bemühte
sich zwischen den beiden verfeindeten Nationen um Verzöhnung, stets auf
die Gemeinschaft der Gotteskinder hinweisend. Doch die Hitzköpfe in
beiden Lagern begriffen das nicht, und es kam zu verheerenden
Streitereien. Da konnte er nur noch beten, sich aufopfern und Wunden
auf beiden Seiten heilen.
Während der Zeit seines Wirkens in Iglau sammelte er schon theologische
Literatur für seine Bibliothek. Er erweiterte seine Sprachkenntnisse -
am Schluß beherrschte er elf Sprachen! Hier begann er auch, in Wort und
Schrift die katholische Lehre zu verkünden, um die Menschen seines
Wirkungskreises zur Erkenntnis der lebendigen Wahrheit zu führen.
Mit diesen Jahren begann auch sein Weg der Leiden, der Verleumdungen,
begannen Kerker und Todesgefahr. In dieser schweren Zeit nahm er in
besonderer Weise Zuflucht zur Gottesmutter. Auch unter den schwersten
Haftbedingungen verlor er sein Gottvertrauen nicht. Bei seiner zweiten
Inhaftierung kam er in ein Gefängnis, das nicht so streng wie das erste
geführt war. An Festtagen gab es selbst für die Häftlinge Eosinenbrot.
Aus diesen Rosinen, die er und seine Leidensgefährten sammelten,
stellte man einen Wein her. Und so war es meinen Bruder möglich, sogar
im Gefängnis - unter schärfster Bewachung! - heimlich die hl. Messe zu
lesen! Welche Gnadenquelle für ihn und seine Gefährten!
Nach seiner Begnadigung aus dem Gefängnis entlassen, zog er nun nach
Jablonec (dem ehemaligen deutschen Gablonz) zu Mutter und Schwester. Zu
Zwangsarbeit verurteilt widmete er sich nun abends seinen theologischen
Studien. Monatlich konnte er sogar einmal nach Prag in die große
Bibliothek, dem Klementinum, fahren, um dort wertvolles theologisches
Material zu sammeln, das er dann u.a. auch für Beiträge in der EINSICHT
benutzte. In seinem Zimmer hatte er einen Altar, auf dem er täglich
zelebrierte. Im Tabernakel war stets das Allerheiligste aufbewahrt. Von
dort holte er seine Kraft. Und diese strahlte er auch auf seine
Umgebung ab, der er mit Verständnis und Güte begegnete.
Während all der Jahre war er unter ständiger kommunistischer
Beobachtung. Als man ihm einmal wegen seiner unbeugsamen,
glaubensstarken Haltung vorwarf, er sei ein Feind der Partei, erwiderte
er: "Ich bin Ihr Gegner, nicht Ihr Feind, feind sind Sie sich selbst."
- Nach seiner Übersiedlung in die Schweiz blieb viel Trauer bei seinen
Freunden. Als mein Bruder in seiner neuen Umgebung starb, brach ein
Herz, das sich ganz aufgeopfert hatte, so wie er es immer in seinen
Predigten, die wuchtig erschollen, gefordert hatte, daß man sich, d.h.
sein Ich Gott ganz aufopfern solle. Sein Leben war wirklich ein Kampf -
bis in die letzten Tage -, der hoffentlich nicht umsonst gekämpft war.
Von diesem stetigen Einsatz für den wahren Glauben gelten die Worte
Christi: "Ich bin nicht gekommen, den Frieden zu bringen, sondern das
Schwert!" (Matth. l0,34) Seine letzte Ruhestätte hat mein Bruder auf
dem Friedhof des Klosters Schellenberg in Liechtenstein gefunden, hoch
oben in den Bergen, einem Ort, wo er nun endlich Frieden gefunden hat.
I t e m i s s a e s t .
ZUM ANDENKEN AN H.H. DR. OTTO KATZER
von
Antonin Burda
Meine Bekanntschaft mit H.H. Dr. Katzer habe ich in der ersten Phase
des modernistischen Kurses der Kirche unter Johannes XXIII. gemacht.
Oft hörte ich von ihm reden, wie er gegen diese Neuerungen anging, und
seine klaren Ansichten zu den Dingen gaben auch meine Einstellung
wieder. Wir empfanden gleich, und so wurden wir bald gute Freunde. Ich
schätzte besonders seine Kompromißlosigkeit in Glaubens dingen. Häufig
trafen wir uns in der Handschriftenabteilung des Prager Klementinums,
wo er monatlich mindestens einmal anzutreffen war. Weil auch ich mich
mit Studien über den hl. Ambrosius, besonders auch über Kardinal Hosius
- unter dessen Vorsitz die Sitzungen des Tridentinums stattfanden - und
über andere beschäftigte, gab es fast immer Gelegenheit, darüber einen
Gedankenaustausch zu pflegen.
Der Verstorbene war aber nicht nur in Theologie sehr gelehrt, sondern
auch in der Medizin, Biologie und Philosophie bewandert. Seine immensen
Sprachkenntnisse - er sprach neben Deutsch und Tschechisch auch Latein,
Griechisch, Hebräisch, Französisch, Italienisch, Englisch, Russisch,
Polnisch, am Schluß lernte er sogar noch Syrisch - erlaubten es ihm,
sämtliche Dokumente im Original zu lesen, und das war gerade in einer
Zeit sehr nötig, die glaubte, durch die Schwierigkeit der sprachlichen
Zugänglichkeit die Zeugnisse des kirchlichen Lehramtes zum Verstummen
zu bringen. In ungeheurer Kleinarbeit hat er die Stimmen der früheren
Päpste und Kirchenlehrer wieder erschallen lassen. Man reagierte von
moderristischer Seite häufig gereizt auf seine fundierten Darlegungen,
tat ihn als stur und verständnislos ab, konnte aber seine Argumentation
nicht widerlegen. Eines Tages erschienen im Klementinum zwei Gruppen
aus Frankreich, die dort die alten Codices studieren wollten. Schnell
kam es zu einer Diskussion über die grundsätzlichen Fragen der Genesis.
Die erste Gruppe, eine modernistisch eingestellte, brach die Debatte
bald ab, als sie merkte, in der Dr. Katzer auf einen Verteidiger der
orthodoxen Lehre der Kirche gestoßen zu sein. Die andere Gruppe
dagegen, von einem Rabbiner geführt, nahm die Diskussion wieder auf,
und man kam zum gleichen Ergebnis. (Diese Aussprache führte H.H. Dr.
Katzer z.B. mühelos in Hebräisch!)
Einmal fuhr er in der Straßenbahn nach Hause und hörte, wie zwei
Atheisten über den Glauben vom Weiterleben nach dem Tode spotteten. Ehe
er aus dem Wagen ausstieg, wandte er sich an die Spötter und fragte
sie, ob sie wüßten, was auf jeder Pforte zu einem Zisterzienserkloster
zu lesen sei. Als sie ihn offenen Mundes anstarrten, sagte er ihnen:
"Du sollst nicht vergessen, daß du sterben muß."
Wie mir ein befreundeter Priester erzählte, depremierte der sich immer
stärker abzeichnende Abfall vom Glauben Dr. Katzer dermaßen, daß er
nahe daran war, sich ganz zurückzuziehen.
Als er vor nun schon gut eineinhalb Jahren in die Schweiz ausreiste,
waren viele hier sehr traurig: wie wird wohl seine Mission dort in
Weißbad verlaufen, das unter der Führung eines Bischofs steht, dessen
Haltung sehr unklar ist?
Wir haben einen guten Freund verloren, dessen Hinscheiden wir
betrauern. Schlimmer aber ist es, daß wir den Tod eines tapferen und
fähigen Verteidigers der wahren Kirche beklagen müssen. R.i.p.
ZUM TOD VON H.H. DR. KATZER
von
M. Joh. von Sbg.
Wer ihn kannte, weiß, was es bedeutet, daß er nicht mehr unter uns
weilt: H.H. Dr. Katzer war mit Leib und Seele Priester. Es war mir
vergönnt, ihn als Gelehrten als auch als Seelsorger gekannt und erlebt
zu haben. Man spricht, nachdem er nun von uns gegangen ist, vorwiegend
von ihm als Gelehrten. Deshalb ist es mir ein Anliegen, von ihm als
Seelsorger zu sprechen. Seine tägliche Nahrung war die hl. Messe. Er
schätzte sie über alles, schöpfte aus ihr seine ganze Kraft und
versuchte sie letztendlich selbst zu leben. Jeder, der einer seiner hl.
Messen beiwohnte, konnte das erfahren. Und mit welchem Enthusiasmus
legte er die katholischen Wahrheiten in seinen Predigten dar!
Seine Kräfte verbrauchte er im Kampf gegen die Irrlehren, die er in
seinen Predigten, seinen Briefen und Aufsätzen Stück fair Stück
widerlegte. Es war ein fast aussichtsloser Kamp, und erlitt
ungeheuerlich unter der Situation der Kirche, deren Hinsichen er
ständig unmittelbar miterlebte. Sein Tod ist aber nicht nur schmerzhaft
für die wenigen, die ihn kannten bzw. die ihm anvertraut waren oder
sich ihm anvertrauten, sondern sein Hinscheiden reißt eine große Lücke
in die Phalanx der wenigen, die noch den wahren Glauben verteidigen,
die die gültigen Sakramente spenden. Er wollte den Gläubigen die
Mehrheit als lebendiges Feuer in die Herzen gießen, damit es sich darin
verzehre.
Möge ihn Gott in seine himmlische Heimat aufnehmen.
EIN NACHRUF BESONDERER ART
In einem Offenen Brief vom 12.7.1979 schreibt H.H. Kaplan Dettmann
folgendes: "Man bekommt den immer stärker werdenden Eindruck, daß der
verstorbene Dr. Otto Katzer eigens aus der Tschechoslowakei heraus in
den Seminarbereich von Econe eingeschleust wurde, um das Werk des
Erzbischofs Lefebvre von innen heraus zu sprengen. Es liegen ganz
bestimmte Tatsachen vor, die zu dieser Annahme zwingen."
Tatsache ist , daß H.H. Dr. Katzer bei seinem Besuch in Biberwier bei
H.H. Ffr. Aßmayr im Sommer 1976 von H.H. Schmidberger (damals noch
Leiter des Seminars in Weißbad) gebeten worden war, nach Weißbad zu
kommen, um den Studenten Unterricht zu erteilen. Durch die juristische
Beratung seitens Prof. Siebel war es dann möglich, daß H.H. Dr. Katzer
einen deutschen Paß erhielt und ausreisen konnte. Frage an Sie, H.H.
Kaplan Dettmann: Meinen Sie, daß Herr Schmidberger und Prof. Siebel Dr.
Katzer aus der Tschechoslowakei eingeschleust haben, um das Seminar in
Weißbad von innen zu sprengen? |