ANGOR ECCLESIAE PATRIARUMQUE -
1. ENCYCLICA JOH. PAULS II. -
von
H.H. Abbé Georges de Nantes
aus: La Contre-Réforme Catholique, Nr.14, April 1979, übers. von Elisabeth Weiler
Eine heilige Angst um die Kirche ( ... ) empfand ich daf erste Mal am
11. Oktober 1962 bei der Eröffnungsansprache des Konzils, gelesen von
Johannes XXIII., vorbereitet von dem späteren Paul VI. Ich sah die
Eröffnung einer völligen und allgemeinen Zerstörung der Kirche und
unserer christlichen Kultur. Statt das zu tun, was Pflicht der
ökumenischen Konzilien ist: Verurteilung jeder Häresie,
Wiederherstellung der kirchlichen Disziplin, Einigung der christlichen
Nationen gegen jede Bedrohung und Bedrückung durch die Ungläubigen,
durfte das 2. vat. Konzil niemand verurteilen, es stürzte geheiligte
Traditionen und öffnete die Pforten der Kirche dem Fremden, dem Feind.
Die Kirche begann sich der Welt zu öffnen. Die folgenden Ereignisse
rechtfertigten unsere Angst und unsere Opposition.
Das zweite Mal spürte ich diese Angst am 6. August 1964 bei der
Enzyklika "Ecclesiam suam" Pauls VI., welche zur Programmschrift seines
Pontifikats werden sollte. Sie schien mir die konziliare Reform noch
hinter sich zu lassen, die in nichtigen Debatten versank, um die
Autorität der Kirche auf die abenteuerlichen Wege der Aufklärung, der
Reformwut und eines außerchristlichen Ökumenismus zu ziehen unter dem
Zeichen des 'Dialogs'. (...)
Das dritte Mal, daß diese Angst mich ergriff, erschwert durch eine
riesengroße Enttäuschung, war gestern, am 15. März 1979 bei der
Publikation der Eröffnungsenzyklika "Redemptor hominis" Johannes Pauls
II.: Theozentrismus ... anthropozentrisch!
Die Enzyklika "Redemptor hominis" stellt zwei Themen nebeneinander, die
sich nicht besser verbinden lassen als Öl und Wasser in einem Glas.
Mehr als in irgendeiner Rede Pauls VI., den er seinen großen Vorgänger
und wahren Vater nennt, verbindet Joh. Paul II. die beiden Themen der
christlichen Erlösung und der Rechte des Menschen, ohne daß es ihm
jedoch gelänge, sie wirklich zu vereinen.
Es ist jetzt schon Sache des Papstes (Anm.d.Red.: "Papstes") geworden
zu erklären, daß der christliche Glaube gleichzeitig theozentrisch und
anthropozentrisch sei. Wir erkennen hier ein Echo des grundlegenden
Dualismus Pauls VI., der in der Kirche den Kult des modernen Menschen
einführte, (...) dem Menschen gleichzeitig zwei Ziele zuweisend: das
ewige Heil unserer traditionellen katholischen Religion und die
Befreiung des Menschen. Also in Wirklichkeit: hier der kath. Glaube,
dort das freimaurerische Ideal. Dieselbe unerträgliche Doppelzüngigkeit
bestimmt das Denken Joh. Pauls II. Wir hatten das bereits geschrieben,
als uns "Le Monde" vom 16.3.1979 erreicht, dessen Leitartikel unsere
eigene Schlußfolgerung widergibt: "Der Papst versucht beide Enden der
Kette zu halten, ohne daß ihm das immer gelingt. Das heißt, daß seine
Enzyklika etwas doppeldeutig ist, wie es die erste Enzyklika Pauls VI.
von 1964 war" (...)
Das Erbe der Revolution
"Das Erbe" so heißt die Überschrift des Vorwortes der Enzyklika. Wie
sieht Joh. Paul II. die Lage, in welcher er das Steuer der Kirche
(Anm.d.Red.: der Reform'Kirche'!) übernimmt? Nun, es ist sehr seltsam.
Johannes XXIII. kündigte das Konzil an als "neues Pfingsten". Dieses
"Pfingsten" sollte einen "neuen Frühling" einleiten. Anders gesagt, man
verließ den 'Winter' der Päpste Pius X.ø Pius XI.,und Pius XII.. Paul
VI. mit seinem ausgeprägten persönlichen Messianismus glaubte, daß die
schrillen Neuerungen das Tauwetter auslösen würden; ohne Blick für die
Ruinen und Nöte suchte er den Horizont ab nach irgendeinem Zeichen für
ein unwahrscheinliches Wunder.
Joh. Paul II. führt uns von 'Pfingsten' in den Advent, in dem alles
beginnt. "Advent der Menschheit. Advent der Kirche" sagt er in
Erwartung des geheimnisvollen Ereignisses, das alles erneuern muß. Und
welches Ereignis? Das Jahr 2000, welches das Jahr des 'großen
Jubiläums' sein wird. Erstaunlich diese einer runden Ziffer
beigemessene Bedeutung!
Als Ausgangspunkt des langen Marsches wählt er das Jahr 1962: "Es
verbindet mit der gesamten Tradition des apostolischen Stuhles das
einzigartige Erbe, das der Kirche von den Päpsten Johannes XXIII. und
Paul VI. hinterlassen wurde."
Eine neue Offenbarung des Geistes
"Das reiche Erbe dieser außerordentlichen Päpste", deren Lob Joh. Paul
II. in dieser Enzyklika unaufhörlich singt, ist kein Werk der Menschen,
sondern eine Offenbarung Gottes (= so Wojtyla; Anm.d.Red.) "Was der
Geist in unserer Zeit zur Kirche gesprochen hat durch das letzte
Konzil, was er in dieser Kirche den anderen Kirchen (?) gesagt hat,
kann - trotz der gegenwärtigen Unruhen zu nichts anderem dienen, als zu
dem immer festeren Zusammenhalt des gesamten Volkes Gottes, das sich
seiner Heilssendung bewußt ist . " Ganz ohne Zweifel ist dieses Erbe
gut. Es ist ja göttlichen Ursprungs. Joh. Paul II. bestätigt es. Es ist
das Programm des Konzils oder mehr noch Pauls VI. in seiner Enzyklika
"Ecclesiam suam", das heute so erfolgreich verwirklicht wird. (...)
Eine Reform, die mit Kühnheit fortgesetzt werden muß
In drei Punkten des Programms Pauls VI. hat die Kirche bemerkenswerte
Fortschritte gemacht: in der Kollegialität, dem christlichen
Ökumenismus und dem außerchristlichen Ökumenismus.
Die Kollegialität brachte der Kirche "gegen allen Anschein" (in der
Tat!) eine größere Einigkeit denn je. "Die allgemeine und einmütige
Stellung des Bischofskollegiums in der nachkonziliaren Periode trägt
dazu bei, die Zweifel zu zerstreuen und zeigt den rechten Weg zur
Erneuerung der Kirche an." ( ... ) Der Papst erinnert "mit lebhafter
Dankbarkeit an das Werk des II. vat. Konails und seiner großen
Vorgänger, die am Anfang dieses lebendigen Aufschwungs der Kirche
stehen, mächtiger als alle Symptome des Zweifels, des Zusammenbruchs
und der Krise".-Diese Geschichtsklitterung und Verklärung der traurigen
Wirklichkeit geben Anlaß zur Sorge vor den Folgen einer so großen
Illusion.
Der christliche Ökumenismus, angeregt durch den unvergeßlichen Johannes
XXIII., beschlossen auf dem Konzil und ins Werk gesetzt durch Paul VI.,
muß weiter gehen. Das ist eine "absolute Notwendigkeit" und außerdem
eine göttliche Offenbarung. - Eine absolute Notwendigkeit: "Es ist
sicher, daß in der gegenwärtigen geschichtlichen Lage der Christenheit
und der Welt keine andere Möglichkeit besteht, die Sendung der Kirche
zu erfüllen ( ... ) als mit Ausdauer, Demut und auch Mut, die Wege der
Annäherung und Einheit zu suchen, wie es Papst Paul VI. uns als
Beispiel gegeben hat. Wir müssen' also die Einheit suchen, ohne uns
entmutigen zu lassen durch die Schwierigkeiten, die sich auf dem langen
Weg einstellen und anhäufen können; anderenfalls würden wir nicht dem
Wort Christi gehorchen und nicht sein Testament erfüllen. Ist es
erlaubt, ein solches Risiko einzugehen?" - Wer wird da noch den Einwand
wageh, daß "Jesus der Meister des Unmöglichen ist" (Charles de
Foucauld) und daß einzig die Konversion der Häretiker und Schismatiker
für einen katholischen Gläubigen denkbar ist?
Eine göttliche Offenbarung: Eingehend auf die Einwände derjenigen, "die
das Rad zurückdrehen möchten", weist (Wojtyla) sie zurück, als wenn sie
ihre Ursache in mangelndem Glauben hätten, indem er selbst zu größerem
Glauben aufruft und so die Rollen vertauscht. "Diese neue Zeit im Leben
der Kirche fordert von uns einen besonders gewissenhaften, tiefen und
verantwortlichen Glauben. Müssen wir - trotz aller Schwächen und trotz
aller Mängel, die sich im Laufe der vergangenen Jahrhunderte angehäuft
haben, nicht Vertrauen haben auf die Gnade unseres Herrn, wie sie sich
offenbart hat durch das Wort des Hl. Geistes, das wir während des
Konzils vernommen haben?" ( ... ) Aber das ist nicht wahr! Es gab auf
dem Konzil kein göttliches Wort, keine Offenbarung, nichts gab es dort
als die Kakophonie menschlicher Stimmen, all zu menschlicher! Ich mag
meinetwegen dem "Anathema" verfallen, wenn auf dem Konzil sich das Wort
Gottes offenbart hat - und noch dazu, um den Ökumenismus zu empfehlen!
Ich weiß, was ich sage: Ich möchte verdammt sein, wenn das wahr ist ! (
... )
Christus als Begründer des Menschenkultes
Wir finden in der Enzyklika "Redemptor hominis" den Grundsatz, der den
Übergang bildet vom Christentum zum allgemeinen Humanismus, die
Nahtstelle des Kultes Gottes und des menschgewordenen Gottes zum Kult
des Menschen, des Menschen, der sich zum Gott macht: "Christus ist der
vollkommene Mensch, der in der Nachkommenschaft Adams die göttliche
Ebenbildlichkeit, die seit der ersten Sünde gestört war,
wiederhergestellt hat" (hier sind wir noch im reinen katholischen
Glauben; Anm. de Nantes) ."Weil von ihm die menschliche Natur
angenommen, nicht absorbiert wurde, so wurde durch diese Tatsache auch
in, uns diese menschliche Natur zu einer Würde ohnegleichen erhoben". -
Das soll also heißen: Wir über alles! "Denn durch seine Menschwerdung
ist der Sohn Gottes in gewisser Hinsicht eins geworden mit dem
Menschen". Ontologisch, physisch, moralisch, virtuell? Darüber wird
nichts ausgesagt. Das ist ein Text wie "Gaudium et spes"; schamlos
vergöttlicht er mit einem Schlag den Menschen, indem er das Kreuz
Christi, die Kirche, den Glauben, die Taufe, das Christentum
überflüssig macht. Jeder Mensch wurde "zu einer Würde ohnegleichen
erhoben". ( ... ) Dieser Satz fördert eine grenzenlose Vergötterung des
Menschen. Die Erlösung wird gesehen als Offenbarung der Liebe Gottes,
aber nicht der Liebe Gottes zu den sündigen Menschen, sondern des
Bedürfnisses der Liebe und der Liebeserfahrung, das sich im Herzen des
Menschen befindet und dem gleichsam ein göttlicher Wert zukommt: "Der
Mensch kann ohne Liebe nicht leben ( ... ) , sein Leben hat keinen
Sinn, wenn er nicht die Offenbarung der Liebe erhält, wenn er nicht die
Erfahrung der Liebe macht, wenn er sie sich nicht zu eigen macht und
nicht Teil an ihr hat. Das ist es, warum Christus der Erlöser den
Menschen ganz sich selber offenbart ( ... ) . In der menschlichen
Dimension der Erlösung findet der Mensch die Größe, die Würde und den
Eigenwert seiner Menschheit wieder ( ... ) . Im Geheimnis der Erlösung
findet der Mensch sich neu bestätigt und in gewisser Weise neu
geschaffen ( ... ) . Wenn der Mensch diesen Vorgang der Assimilation
mit Christus in sich tief verwirklicht, erwächst daraus als Frucht
nicht nur die Anbetung Gottes, sondern auch tiefste Bewunderung für
sich selbst".
Dies ist die größte Umkehrung des Glaubens, die jemals ausgesprochen
wurde. Es ist die verkehrte Welt. Christus habe durch seine
Menschwerdung und sein Erlösungswerk dem Menschen dessen eigene Größe,
Wert und Verdienst offenbart und ihn von dessen eigener
Vortrefflichkeit überzeugt! Noch nie- hat man in dieser Weise aus Jesus
Christus und den Wundern Seiner Gnade das Postament und die Zierde
menschlichen Stolzes gemacht! Anm.d.Red.: Diese Aussagen über die
Offenbarung, in der Christus als Mittel der Selbstvervollkommnung des
Menschen erscheint, sind g l a t t e H ä r e s i e n !
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