EINGESTÄNDNISSE DER REFORMER
(aus: André Mignot / Michel de Saint-Pierre: "Le ver est dans le fruit" La Table Ronde, Paris 1978;
zit. nach UVK 8,6 Nov/Dez. 1978, S.327 pp.)
Anm.d.Red.: Nachfolgend eine Reihe von Aussagen der Reformer über sich,
ihre Absichten und ihr Werk. Diese Selbstdarstellung deckt sich mit
unsern Urteilen über diese Herren - aber uns glaubte man nicht.
Allerdings ist vielen nicht zu helfen, weil sie nicht sehen wollen.
***
Seit einiger Zeit beginnen die Masken plötzlich zu fallen, und die
"Treiber" der Liturgiereform geben endlich zu, was die Gläubigen schon
jahrelang behaupten: "Man hat die Religion geändert". Doch im Gegensatz
zu den Gläubigen stellen sie diese Veränderung nicht mit Bedauern fest.
Ganz im Gegenteil, in dem Bewußtsein, protegiert zu werden,
"Unberührbare" zu sein, ihrer selbst sehr sicher und sogar zu sicher,
stellen sie mit Befriedigung die Bilanz der geleisteten Arbeit auf, "um
einer Bewegung wieder Schwung zu verleihen, die nicht einschlafen
darf". Abbé Henri Denis, der, vergessen wir das nicht, Peritus beim 2.
Vatikanum gewesen i s t , erklärt wörtlich in seinem Buch: "Von den
Sakramenten und den Menschen":
"Glauben, daß alles sich verändert hat, heißt ganz einfach ehrlich sein
im Hinblick auf das, was vorgeht. Bei gewissen Debatten mit der
integristischen Tendenz gehört es bisweilen zum guten Ton zu behaupten,
nichts habe sich gewandelt. Man sollte lieber den Mut haben,
einzugestehen, daß die Kirche wichtige Veränderungen vorgenommen hat
und daß sie Grund hatte, dies zu tun. Warum nicht zugeben, daß die
Religion sich geändert hat?"
( . . . ) "Als die Priester der westlichen katholischen Kirche im Juli
1962 die Soutane aøs unterscheidendes und sichtbares Kennzeichen
ablegten, da lösten sie sich scheinbar nur von etwas los, was nicht
mehr als ein Kleidungsstück war. In Wirklichkeit war diese 'Häutung'
das Symbol für eine andere Mutation und der erste Schritt zu einer
radikalen Infragestellung der tieferen Identität des Priesters. Das
gilt auch fast ebenso für jenen anderen Hauttausch, den der Wechsel der
liturgischen Sprache darstellt: Die Identität des Ritus und des
Sakramentes werden zum Gegenstand neuen Durchdenkens."
Man tut gut daran, sich zu erinnern, daß die Kommunisten während des
Widerstandskampfes der Kirche die Preisgabe der Soutane, des Lateins,
des Breviers, des Zölibates nahelegten. (...)
Auch P. Gélineau, ein Jesuit, gehörte zu den Urhebern der
Liturgiereform. Hat er nicht als Peritus an der Abfassung der neuen
Messe teilgenommen? Auch er legte eine Bilanz dieser Reform seit dem 2.
Vatikanum vor in einem Werk der Sammlung "Rites et Symboles" des
C.N.P.L. (Nationaler Rat für Liturgiepas toral), dessen Titel lautet
"Demain la liturgie" (Liturgie von morgen) und das Imprimatur des
Erzbistums Paris trägt.
"Ganze Wände stürzen ein. Der aufsehenerregendste Zusammenbruch ist der
des Lateins. Man täusche sich nicht: Übersetzen heißt nicht, das
Gleiche aussagen mit anderen, gleichwertigen Worten. Es heißt vielmehr,
die Form verändern. Und wenn die Formen sich wandeln, dann ändert sich
auch der Ritus."
"Jene, die wie ich noch das lateinisch und gregorianisch gesungene
Hochamt zelebriert haben, mögen sich daran erinnern, wenn sie noch
können. Sie mögen mit ihm die heutige Messe nach dem 2. Vatikanum
vergleichen. Nicht nur die Worte, die Melodien und manche Gesten sind
anders. Es handelt sich vielmehr um eine andere Meßliturgie. Man muß es
ohne Umschweife aussprechen: Der römische Ritus, so wie wir ihn gekannt
haben, existiert nicht mehr. Er ist zerstört."
Kaltblütig betrachtet der Fachmann das vollbrachte Werk. Man konnte
kaum mit weniger Worten ein so umfassendes wie zynisches Urteil fällen.
"Mauern des ursprünglichen Gebäudes sind gefallen, während andere ihr
Aussehen gewandelt haben, und dies in einem Maße, daß das Gebäude heute
entweder wie eine Ruine aussieht oder wie die teilweise
Unterkonstruktion eines anderen Gebäudes."
Jene, die noch nicht wissen sollten, daß diese Resorm in Wirklichkeit
eine permanente Revolution zu sein hat, erfahren es aus dem Munde des
Meisters selbst.
"Es wäre aber falsch, diese Erneuerung (sie) der Liturgie
gleichzusetzen mit der vom 2. Vatikanum beschlossenen Resorm der Riten.
Diese Resorm kommt von viel weiter her und geht viel weiter. Die
Liturgie ist eine ständige Baustelle."
Nachdem die Zerstörung vollbracht ist , die Resorm der liturgischen
Bücher jedoch nicht genügt, müssen "die konkreten Versammlungen"
darangehen, "Haltungen, Gesten, Tanz, Stimme, Gesang, Poesie, Musik,
Gewänder, Bilder, Gebäude", neu zu schaffen. Dieser ganze Teil der
Liturgieresorm bleibt noch durchzuführen. Er ist nicht "Nebensache".
"Form und Inhalt lassen sich nicht voneinander trennen. Auch die Form
ist Botschaft."
( . . . ) Kehren wir zu unserem Abbé Denis zurück, der wenigstens das
Verdienst hat, uns nichts zu verheimlichen. Im Hinblick auf die
Änderungen bei der Eucharistie schreibt er:
"Wir hätten auch noch von vielen anderen Veränderungen sprechen können:
die Konzelebration (und die Konsequenzen, die sie für die Konzeption
des Priesteramtes im Gefolge hatte); die allgemeine Einführung des
Altars zum Volk hin (und damit die konkretere Darstellung des einen
zelebrierenden Volkes); das allgemeine Gebet." ( . . . )
"Man könnte folgenden Einwand machen: Wieso reduzieren Sie die
konziliare Eucharistiereform auf diese äußerlichen Dinge? Wir antworten
darauf ohne weiteres, daß in der sakramentalen Ordnung nichts
'äußerlich' ist. Oder besser: Alles ist innerlich/äußerlich . "
Und l'Abbé Denis erklärt: "Wir werden nicht verändert durch Ideen,
sondern durch rituelle Verhaltensweisen, durch Gesänge, durch Gesten,
durch die Art und Weise, sich zu versammeln oder zu sprechen . . . "
"Informationen, Hinweisschilder, geeignete Gesten sagen bisweilen mehr
aus als lange Erklärungen."
Er geht auch auf die Frage der Realpräsenz ein: "Seit einigen Jahren
erlebt der Katholizismus in diesem Punkte bedeutsame Wandlungen. Was
ist denn nun geschehen? Ganz verschiedene Dinge, deren praktische nicht
die am wenigsten bedeutsamen sind."
In bezug auf den dem Volk zugewandten Altar - und nicht mehr Gott
zugewandt - erkennt Abbé Denis an, daß dies "eine gewisse
Entsakralisierung des Priesters ist". Das gleiche gilt von dem beiseite
geschobenen Tabernakel: "Der stets ersorderliche Akt der Anbetung muß
in das Essen einmünden." "Die sakramentale Gegenwart Christi ist
entdinglicht worden (Christus ist kein Gegenstand, er ist nicht mehr
der 'Liebe Gott')-, was natürlich nicht heißen soll, sie erheische
weniger Achtung!"
Was die Transsubstantiation angeht, so ist diese für ihn
"zurückzuführen auf den symbolischen Akt Christi für eine Gemeinschaft,
einen Akt, der gebunden ist an die Symbole des ausgeteilten Brotes und
Weines". "Man erlebt einen gewissen Zerfall der rein sakralen
Auffassung von der Person des Priesters."
Solche Sätze sind haarscharf häretisch - es sei denn, man habe das
Konzil von Trient aus der Geschichte der Kirche gestrichen. (...)
Und auch der Reformer Hans Urs von Balthasar redet ganz offenherzig
über den Verein, dem er angehört. (Über ihn vgl. EINSICHT VI(1)3;
VI(2)76; VI(3)134 f.) "Timor Domini" hat eine Rede von v. Balthasar
veröffentlicht (Nr. vom 19. und 23.5.1978), die dieser am 13. 6.1977 an
der Hochschule St. Gallen gehalten hat, (zit. nach UVK 8,6 Nov/Dez.
1978, S. 361 f f.):
Die Lage der Kirche in Frankreich
. . . Und das ist die Situation, die schreckliche Situation der
französischen Kirche, das Debakel eines alten Katholizismus. Wieso? Es
gibt eine ganz einfache Antwort: Durch den Terrorismus, der von den von
der Bischofskonferenz eingesetzten permanenten Büros, die auch die
Bischöfe beherrschen, von ein paar Leuten, die sich immer wieder mit
andern Pseudonymen bekanntmachen, und weil - man muß es und darf es
wohl laut sagen - unter den Bischöfen nur eben solche Köpfe und Herzen
nicht vorhanden sind, wie wir sie vorhin für Deutschland erwähnt haben.
Es gibt eine ganze Reihe ausgezeichneter französischer Bischöfe. Wenn
man sie einzeln hat, ist es völlig in Ordnung. Wenn sie in Lourdes
auftreten müssen, dann reden sie nach dem Programm und beschwören
irgendwelche anderen Leute, da einzugreifen, statt daß sie es selber
täten. Wir wissen den jammervollen Zustand der französischen
Seminarien, die ja fast alle geschlossen worden sind, Fakultäten gibt
es keine, Universitätsfakultäten, nur die Instituts catholiques; und
der Rektor der Pariser Fakutltät hat mir neulich sein Leid geklagt und
gesagt: Ja, warum ist meine Schule so geworden, wie sie ist? Nun ja,
weil eben die Jesuiten und die Dominikaner niemanden mehr liefern! Die
einen sind Marxisten, die andern neigen zum Atheismus - Sie brauchen
nur die "Etudes" zu lesen oder die Bücher, die von diesen Herrschaften
herausgegeben werden - deren einige hoffentlich bald den Orden
verlassen werden, - das ist die einzige Hoffnung, die man haben kann -;
das waren die Orden, die damals die großen Fakultäten belieferten und
es heute nicht mehr tun. Vor einigen Tagen ist die alte "Revue
d'ascétique et mystique" - sie hat dann später aufs rein Historische
hinübergewechselt: "Revue de Spiritualité" - eingegangen, weil die
Jesuiten sie nicht mehr zahlen wollen.
Ein Seminar, das halbwegs - in keiner Weise traditionalistisch - aber
der christlichen, der katholischen Tradition gemäß, seine Vorlesungen
und Ordnung halten würde, war bis jetzt nicht durchzubringen; es wird
wieder einmal ein Versuch in Paray-le-Monial gemacht - der letzte ist
gescheitert -, man weiß nicht, ob dieser gelingen könnte. Kandidaten
sind schon da; sie werden aber glatt zurückgewiesen, wenn sie sich
nicht genügend in Psychologie, Psychiatrie und Soziologie usw.
umgesehen haben. Große Kollegien der Jesuiten werden geschlossen und
verkauft, auch das Dominikanerhaus "Le Saulchoir" ist ja verkauft
worden . . .
Vor einiger Zeit bekam ich ein Blatt, in dem irgendeine Orgie,
vielleicht mehr oder weniger harmloser Art gemeint, in einer Kirche als
Gottesdienst gefeiert wurde. Die Leute saßen mit den Bierflaschen auf
dem Altar und so sort. Viele treten, wie sie sagen "faute de mieux", in
irgendeine Abtei ein, in der man noch ein religiöses Leben führen kann.
Mein lieber Freund Daniélou, mit dem ich zusammen studiert habe, hat
mehreren jungen Leuten den Eintritt in die SJ abgeraten. - Das gilt für
Frankreich, nicht für andere Länder.
Es ist dies deshalb nicht unwichtig, weil hier nun über die Köpfe der
Hierarchie hinweg, und dann, nolens volens, mit der Hierarchie
zusammen, eine systematische Zerstörung des Glaubens am Werk ist. Ich
könnte Ihnen massenhafte Beispiele anführen. Ich habe hier ein Heftchen
mitgebracht, das "Foi à l'épreuve" genannt wird und von "Animateurs de
la Catéchèse région Ouest" herausgegeben wird. Ich habe zufällig hier
das Heft 2, worin bewiesen wird, daß der alte dogmatische Glaube nicht
mehr zu halten ist, weil in der neuen Zeit die Wahrheit im
Grundbegriff sich völlig verändert hat. Wahrheit "geschieht" nämlich
immer dann, wenn Menschen einander begegnen, und jedesmal ist die
Wahrheit dann natürlich eine neue, so daß die alten Dogmen also
höchstens eine "Theorie" bezeichnen. " . . . les données de la
Révélation répètent donc une théorie.1 Das ist nur ein Zitat aus 50
Seiten. - Hin anderes Heft heißt: "Ist Jesus in der Eucharistie
gegenwärtig?" und sagt: Ja nun, diese alte Vorstellung kann man
natürlich nicht mehr aufrechterhalten, die Vorstellung einer lokalen
Gegenwart; Christus ist irgendwie mit seiner Idee überall gegenwärtig?
Nun, diese Heftchen, die haben ein Imprimatur des Bischofs von Angers.
- Meine Schwester, die Generaloberin einer franziskanischen
Kongregation ist, deren Mutterhaus in Angers ist, schrieb mir einen
Brief, ihre Schwestern wollten die Stunde der Anbetung nicht mehr
halten, weil die Theologen nicht mehr wüßten, ob eine Realpräsenz zu
halten sei.
Das ist der eigentliche Hintergrund für die langwierige Geschichte mit
dem Bischof Lefebvre. Weder der Herr Rossi noch der Herr Anzuevui, die
da in der Schweiz über diesen Casus geschrieben haben, haben das
gesagt, wo der eigentlich Schuldige ist. Und das ist eindeutig der
französische Klerus, oder die französischen Bischöfe, die schon vor
mindestens 15 Jahren den Bischof oder Erzbischof Lefebvre aus der
Bischofskonferenz ausgeschlossen hatten, weil sie zu links und er zu
rechts war. Und wenn es keine Seminarien gibt in Frankreich, wo man
anständige Theologie studieren kann, dann gehen die Leute eben nach
Ecône. Nachdem nun Rom eingegriffen hat und es leicht geworden ist, auf
diesen Mann einzuhauen, haben dann die französischen Bischöfe - ich muß
schon sagen - in Heuchelei sich nun auf einmal prorömisch erklärt, wo
sie doch ausgesprochen anti-römisch waren und sind. Ich habe sie selber
reden hören auf der Bischofssynode 71 in Rom, wo ich als Sekretär dabei
war. Die Franzosen waren die Führer der Opposition, haben uns jedesmal
über den Sonntag immer wieder Stimmen weggefischt, indem sie bei den
schwarzen Bischöfen und Kardinalen herumfuhren und sie herumkriegten.
Das alles klingt nicht sehr schön und vielleicht auch zu primitiv, wenn
Sie es wollen. Aber ich glaube, es muß doch gesagt sein, daß dieser
Hintergrund existiert von einem virulenten und ganz primitiven
Gallikanismus. Wie kommt denn der Herr Etcheguarray dazu, sich "Chef de
l'Eglise de France" zu nennen?, wobei er doch nichts anderes ist als
der Präsident der Bischofskonferenz für einige Jahre!
Wirklich Mut in dieser Kirche zeigen einige Laien. Ich nenne sie jetzt
nicht - es sind ganz bestimmte Gruppen, die durchaus den Mut haben, mit
Sammlung von Unterschristen und hervorragenden Briefen sich bei den
Bischöfen zu beklagen über die Weise, wie heute die Kirche geführt oder
nicht geführt wird . . .
Zur Lage der Kirche in der Schweiz
( . . . ) Sie wissen wahrscheinlich besser Bescheid, was unseren
Schweizer Religionsunterricht betrifft. Eine Unmenge Planungen, ohne
jeden Zweifel, aber was kommt heraus? Man muß die Kinder oder die
jungen Leute sehen und fragen, um es zu wissen. Ich weiß nur, daß
mehrere meiner Freunde ihre Kinder aus der Schule herausgenommen haben,
aus dem Unterricht im Gymnasium in Zürich z.B., und als Eltern sie
lieber selber unterrichten wollen, als dieses Gequassel anhören oder
serviert bekommen, was dort zum Besten gegeben wurde.
Wie wollen Sie, wenn der Religionsunterricht nicht in Ordnung ist, -
ich rede jetzt nicht von dieser Diözese, die ganz anders gelagert ist
in dieser Beziehung, aber es gibt Fälle in der Schweiz - wie wollen
Sie, daß aus einer solchen Jugend Berufungen kommen? Berufungen kommen
praktisch nur von Berufenen! Und meine These ist, daß Laientheologen,
die Religionsunterricht geben, nur in Ausnahmefällen mal einen
Priesterberuf erwecken werden. Vielleicht täusch' ich mich. - Aber wenn
man sie so sieht, diese jungen Leute, sind sie denn wirklich mit den
radikalen Forderungen des Evangeliums konfrontiert worden? Oder nur mit
freundlichen ehtischen und womöglich sofort mit ökumenischen Dingen,
die sozusagen ein anständiges Christenleben oder wenigstens
bürgerliches Leben ermöglichen?
Die Eisen, die ich anrühre, werden immer heißer, aber ich will doch
nicht an dieser Berührung vorbeigehen, sondern dieses zu Ende führen.
Wir haben da neulich einen Brief bekommen von den Bischöfen, die uns
gewarnt haben vor dem Rechtsextremismus des Herrn Lefebvre und seines
Anhanges, daß es da wilde Messen gibt, zu denen oft viele Leute kommen,
und das könne nicht sein und man müsse also diesen Leuten die Kirchen
verbieten. Durchaus dieser Meinung! Aber warum wird das andere nicht
gesagt? Das andere, das eben die französischen Bischöfe auch nicht
gesagt haben? Alle diese Exzesse der Gegenseite, alle diese wilden
Eucharistie^ Feiern, in denen Laien z.B. aufgesordert werden, die
Wandlungsworte zu sprechen, oder diese ökumenischen Gottesdienste, in
denen der eine das Wort über das Brot, der andere das Wort über den
Wein spricht - alles passiert in der Schweiz! - und der gemischten
Gemeinde dann dieses - ich möchte sagen - Produkt ausgeteilt wird.
Phantasie-Liturgien noch und noch mit allen möglichen Auslassungen und
Zusätzen, mit neuen Kanones, mit Lesungen, die nicht aus der Heiligen
Schrist stammen. Ein wildgewordener Klerus! Ich habe das Gefühl, daß
der Klerikalismus nie solche Blüten getrieben hat in der ganzen
Kirchengeschichte wie heute. Es ist ja auch, daß der Zelebrierende
heute sehr viel mehr reden muß als früher, daß die Gemeinde ja als
solche nicht zum Zuge kommt, höchstens ein bißchen singen darf, und
dieser Klerus sich wie der Besitzer der Gottesdienste benimmt, d.h.
völlig nach seinen Ideen nun das gestaltet, wie wenn das ein Kunstwerk
wäre, das er am Sonntag jetzt aufzustellen hat. Es gibt Basler Kirchen,
in denen viele Freunde von mir überhaupt nicht mehr hineingehen, weil
man diese Messe nicht mehr erkennt. Man errät vielleicht, daß es so
etwas wie Wandlungsworte irgendwo gibt, alles andere ist verändert. Ich
bin in zwei ordentliche Kirchen eingeladen worden, um Gottesdienst zu
seiern. "Ja, Epistel gibt's bei uns nicht, wir lassen das aus und
machen währenddessen ein Orgelspiel." Das ist ja wohl sicher nicht der
Sinn des Konzils, das ja genau einen Kanon oder vier vorschreibt und
einen Gottesdienst, in dem das Volk sich erkennen kann! Die Leute
werden frustriert durch diese Phantasien! Und dann wundert man sich,
wenn in zwei, drei Jahren der Prozentsatz von Kirchgängern - nicht
wahr! - von 25 auf 12 Prozent zurückgeht. Lt. französischer Statistik.
Es wären ja noch unendliche Dinge hier in dieser Richtung zu
besprechen. Ich will Ihnen nur ein kleines Specimen geben von einem
Pfarrer in der Umgebung von Zürich, der hier die Eltern der Firmlinge
mit einem langen Schreiben einladet, indem sie, neben vielem anderen,
folgendes hören können: "Es geht also im wesentlichen um die Annahme
des eigenen Lebens in der Firmung", und "Der Tod Jesu ist der Aufschrei
des Himmels, daß die Menschen Sorge tragen sollen für das Leben." -
Dies alles sage ich anläßlich dieses bischöflichen Schreibens, das da
auf Lefebvre losgeht, aber kein Wort von diesem. Und hier fragt man
sich, ob ein Mangel an Mut vorhanden ist.
Das heißeste Eisen laß' ich fallen unter Sie, und das heißt: Wie steht
es um den Nachwuchs? Wie steht es mit unseren theologischen Seminarien?
Was ist zu erhoffen von einem Klerus, der aus solchen Seminarien kommt?
Das müssen Sie einmal selbst überlegen? Wer erzieht in der Schweiz die
kommende kirchliche Führerschicht? Gibt es ein oder zwei
Persönlichkeiten? Die würden nämlich genügen, an denen sich die jungen
Leute ein Beispiel nehmen könnten. (...) |