DER BUMERANG
von
Eberhard Heller
In dem "Mitteilungsblatt der Priesterbruderschaft St. Pius X. für den
deutschen Sprachraum" (vom März/April 1979, Nr.5, S.3) nimmt Franz
Schmidberger Stellung zu dem Vorwurf, daß durch Lefebvres Forderung
nach dem "Experiment der Tradition" - inzwischen redet er in diesem
Zusammenhang von der "Vitalität der Tradition" - Wahrheit und Irrtum
auf eine Stufe gestellt würden. Also ein Vorwurf, den wir auch erheben.
Da Schmidberger hier als offizieller Vertreter Lefebvres spricht,
verdienen seine Ausführungen in der momentanen Auseinandersetzung um
die Möglichkeit eines Kompromisses mit (dem abgefallenen) Rom einige
Beachtung.
Schmidberger schreibt: "Aus seiner Forderung an den Papst (Anm.d.Red.:
in Wojtyla sieht Schmidberger den "größten Sohn Polens"): 'Lassen Sie
mich das Experiment der Tradition machen' leiten gewisse Leute ab,
Erzbischof Lefebvre konzediere das Nebeneinander von Wahrheit und
Irrtum, er stelle alte und neue Lehre, die wahre katholische Messe und
den NOM auf die gleiche Stufe. Daß dem nicht so ist, weiß ich aus
zahllosen persönlichen Unterhaltungen mit ihm, sein schonungsloser
Kampf gegen Glaubens- und Sittenverfall, das unverhohlene Eintreten für
die alte Messe bis zum Inkaufnehmen der härtesten Kirchenstrasen
erhellen dies lichtvoll für den Gläubigen guten Willens. Doch ein
anderes ist es, mit Gegnern zu sprechen, ein anderes, sich mit einem
Freund zu unterhalten. Könnte es etwa unrecht sein, sich im
Argumentieren ad hominem auf die Ebene der Gegner zu begeben, um aie
mit ihrer eigenen Logik BU schlagen? Wie die Kontroverse mit Rom auch
enden mag: Ein Auf-die-gleiche-Stufe-stellen der alten heiligen Messe
in ihrem einzigartigen dogmatischen Gehalt, ihrer tiefen Spiritualität,
ihrem unsagbar schönen Aufleuchtenlassen der Geheimnisse Jesu Christi
mit dem NOM kann nie und nimmer in Frage kommen; wer solche Intentionen
dem Erzbischof unterstellt, tut ihm Unrecht."
Soweit Schmidberger. Einmal abgesehen von den Sophismen und
Unterstellungen: die einzige Behauptung, die für unsere Kontroverse
wichtig ist, ist die: Lefebvre stellt die hl. Messe und den NOM (=Novus
Ordo Missae) nicht auf die gleiche Stufe.
Diese Formulierung des gemeinden Vergleiches zwischen der hl. Messe und
dem sog. "NOM" ist ungenau bzw. doppeldeutig und kann sprachlich zwei
ganz verschiedene Sachverhalte abdecken.
Einmal könnte gemeint sein: LefeVvre gibt der (trid.) hl. Messe den
Vorzug vor dem sog. "NOM", den er aber ebenfalls für einen gültigen
Meßritus hält, weil in ihr der dogmatische Gehalt besser zum
Aufleuchten etc. kommt. Er würde sie also nur aus sormalen Gründen
bevorzugen und sie verteichgen.
Es könnte aber damit auch gemeint sein: Lefebvre stellt die (trid.) hl.
Messe aui eine prinzipiell andere Stufe, weil er in dem "NOM" einen
ungültigen Ritus sieht. In diesem Fall würde er die hl. Messe und den
sog, "NOM" aus qualitativen Gründen nicht auf die gleiche Stufe
stellen.
Um die beiden Interpretationsmöglichkeiten zu veranschaulichen: einmal
vergleiche ich zwei Brote miteinander und wähle das aus, was gut
durchgebacken ist - und lasse das angefaulte liegen; im anderen Fall
gebe ich den Vorzug dem gut durchgebackenen Brot den Vorzug vor einem
Gegenstand, der nicht Brot ist, meinetwegen: einem Stein. Es gilt also
herauszusinden, auf welcher Ebene der Vergleich angestellt wird und in
welchem Sinne Schmidbergers bewußt zweideutige Formulierung zu
verstehen ist. Denn die Zweideutigkeit ist immer nur der Versuch, eine
Eindeutigkeit zu verschleiern.
Wenn Mgr. Lef. nicht zumindest die (trid.) hl. Messe wegen ihres
"einzigartigen dogmatischen Gehaltes, ihrer tiefen Spiritualität, ihres
unsagbar schönen Aufleuchtenlassens der Geheimnisse Jesu Christi"
(Schmidberger) höher schätzen würde als den von ihm ebenfalls als
gültig - was man zunächst einmal vorläufig unterstellen kann -
eingestuften "NOM", wäre sein Einsatz (ab Dez. 1971) dafür vollkommen
unverständlich.
Aber diese Unterscheidung (auf der Stufe prinzipieller Gleichheit)
würde nicht ausreichen. Es geht bezüglich des "NOM" nicht um das
Problem schöner oder nicht schöner, sondern um die Frage: gültig oder
nicht. Darum die erneute Frage: anerkennt Lefebvre den sog. "NOM" als
gültigen Meßritus? - wenn ja, würde er ihn dann doch auf die gleiche
Stufe mit der hl. Messe stellen. In Schmidbergers Apologie auf diesen
Vorwurf sinden sich nur einige sormale Hinweise für diese Auffassung.
Die Abkürzung 'NOM' steht für 'Novus Ordo Missae1 (= neuer Meßordo).
Wenn man andeuten will, daß man Bezeichnungen nur im uneigentlichen
Sinne gebraucht, setzt man sie normalerweise in Anführungszeichen;
also: "NOM". Will also Schmidberger diese Nomenklatur als Bezeichnung
des häretischen Gebildes übernehmen, müßte er, wenn er dieses
prinzipiell gegen die hl. Messe abheben möchte, die Abkürzung 'NOM' in
Anführungszeichen setzen oder ein'sog.' davorsetzen. Das ist nun nicht
geschehen. Also muß man annehmen, daß er die Bezeichnung im
eigentlichen Sinne (der Resormer) ansetzt.
Da aber dieses Indiz für sich genommen nicht stichhaltig sein könnte,
muß man andere Äußerungen von Lefebvre und Schmidberger heranziehen, um
zu erfahren, wie sie den sog. "NOM" tatsächlich einschätzen.
Tatsache ist, daß in Econe und Weißbad von den eigentlich
Verantwortlichen nie umfassende Aufklärungsarbeit bezüglich des sog.
"NOM" geleistet worden ist. Man läßt sogar die niederen Chargen
seelenruhig in die "neue Messe" laufen. Schmidberger ist aber auch
derjenige, der als gehorsamer Diener seines Herrn - für diesen Gehorsam
opfert er sogar sein Gewissen! - die Auffassung vertreten hat, man
könne im Notfall auch die Resormermesse gelten lassen, wenn man die
(gefälschten) Wandlungsworte "für alle" bei der Wandlung des Weins als
an alle anwesenden Gläubigen gerichtet denke. Auf die Absurdität dieser
Theorie wurde schon in EINSICHT VII(4)17o hingewiesen. Hinzu kommt
noch, daß Schmidberger am Dienstag nach Ostern erneut das Auflegen
einer Flugschrist von Dr. A. Kocher verboten hat, in der dieser
eindeutig gegen den "NOM" Stellung bezieht. Warum macht Schmidberger
das, wenn er der gleichen Auffassung wäre? Inzwischen soll sogar schon
ein Mitglied der Bruderschaft erklärt haben, er könne sich vorstellen,
daß er auch einmal im Monat nach dem "NOM" zelebrieren könne. Man
könnte noch einwenden: all diese Belege sind nicht authentisch. Nun
schreibt aber Lefebvre in seinem "Brief an die Freunde und Wohltäter"
Nr. 16 selbst, daß die Einheit auf der Ebene der Diözese wieder
hergestellt wäre, wenn der "Hl. Vater" die "freie Ausübung dessen, was
die vielhundertjährige Tradition zur Heiligung der Seelen angewendet
hat" (sprich: die hl. Messe) erlauben würde. Diese von ihm angestrebte
Einheit impliziert aber doch, daß nicht nur die (trid.) hl. Messe,
sondern auch der sog. "NOM" gleichberechtigt neben einander bestehen
bleiben sollen. Damit würde aber von Lefebvre und Schmidberger indirekt
eingestanden, daß sie sowohl die hl. Messe als auch den sog. "NOM"
prinzipiell auf die gleiche Stufe stellen. Genau dies haben wir Mgr.
Lefebvre vorgeworfen. Schmidbergers Zurückweisung wird somit zum
Bumerang. Mit seiner Apologie bestätigt er nur das, unfreiwillig zwar,
was wir behauptet haben.
Doch gerade dieses Ausliefern der hl. Messe ist die Tat eines Judas,
der seinen Herrn endgültig an die Feinde verrät und ihn verkauft.
Wenn dennoch alle Äußerungen Lefebvres und seiner Leute mißverstanden
sein sollten, wäre es ihm (und ihnen) ein leichtes, endlich einmal ein
klares, eindeutiges Wort zu sprechen - so oder so. |