ZUM MAI-MONAT
von
H.H. Pfarrer Joseph Leutenegger
"Kommt Christen, kommt zu loben,
der Mai ist froh erwacht.
Singt all des Lobes Lieder
in seiner Blütenpracht."
Wer ist denn die Lobwürdige? Wem sollen denn die Loblieder gelten? Doch
niemand anders als der Königin des Maien, der Mutter des Herrn. Ihr war
von jeher der Monat Mai geweiht und die Christenheit trug gern die
Frühlingsblumen zu Füßen der Madonna und sie sang ihr, der schönsten
aller Blumen, die schönsten Lieder. Und ewig schön und mit der
Volksseele ganz verwachsen, und mag es dem modernen Menschen auch
kitschig vorkommen, ist halt doch das Lied:
"Es blüht der Blume eine
auf ewig grüner Au
wie diese blühet keine
soweit der Himmel blau."
Und fragst du mich nach dem Grunde dieser Marienliebe, so gibt es nur
eine einzige große Antwort: Sie ist die Mutter Gottes, die Mutter Jesu.
Selbst die Protestanten, die doch nicht viel übrig haben für unsere
Marienverehrung, müssen sich unter der Wucht der Tatsache beugen: Ohne
Maria hätten wir keinen Christus, keinen Erlöser.
"Erhebt in vollen Chören, Maria singt ihr Lob,
vereint euch sie zu ehren, die Gott so hoch erhob."
Es ist aber in der Ordnung der Gnade und Natur: Je größer das Amt, je
höher der Auftrag, den Gott einer Seele stellt, desto größer die
Gnadenausrüstung. Daher verwundert es uns nicht, daß Gott diese
wunderbare Frau unerhört begnadigte und mit einer Fülle von Gnaden
ausstattete. Vor allem ließ er sie sündenlos in die Welt treten.
"Mit der Erbschuld Fluch bedeckt
irrt der Mensch dem Himmel fern,
Du allein strahlst unbefleckt
der Erlösung Morgenstern",
und flehend fügen wir bei:
"Jungfrau sündelos und makelrein
laß uns deinem Schutz empsohlen sein!"
Am elften April begingen wir den hundertsten Todestag des Seherkindes
von Lourdes. Als es am Feste Maria Verkündigung, auf Geheiß des
Pfarrers Peyramal die schöne Dame nach ihrem Namen fragen mußte,
erhielt es zu: Antwort: "Ich bin die unbefleckte Empfängnis". Just vier
Jahre zuvor, am 8. Dezember 1854 hatte Papst Pius IX. diese Wahrheit
zum Glaubenssatz erhoben.
Mit der unbefleckten Empfängnis erhielt Maria eine Fülle anderer
Gnaden, eine Seelenschönheit ob der der hl. Geist selber entzückt
ausrief: "Tota pulchra est Maria!" Es hat einer das Wort ausgesprochen:
"Der Herrgott hätte einen schöneren Himmel und eine schönere Erde
erschaffen können, aber keine schönere Muttergottes". Ist es da nicht
angezeigt der schönsten aller Frauen zu huldigen und ihr die
schönsten Maienblumenkränze zu winden?
Und mit der Schönheit verbindet sich ihr gutes Herz. "Gütige Jungfrau"
nennt sie die lauretanische Litanei. Ein erneuter Grund, daß wir unsere
Schritte zu den Maialtären lenken. "Tal der Tränen" nennen wir diese
Erde und sie ist es und mir scheint, sie werde es mehr und mehr. Die
Nöte steigen: die Seelennot, die Leibesnot, die Zeitnot. Aber wir haben
die Verheißung der Gottesmutter: "Ich allein kann euch noch helfen"
(Fatima). Wahrlich, wenn uns die Schönheit und Gnadenfülle Mariens
nicht zu den Maialtären ziehen würde, dann wäre es unsere
Hilfsbedürftigkeit, unsere Notlagen, eigene oder fremde. Und da
erinnern wir uns so gerne an St. Bernhards Versicherung: "Gedenke, o
gütigste Jungfrau Maria: Es ist noch nie gehört worden, daß jemand, der
zu dir seine Zuflucht genommen, deine Hilfe angerufen, um deine
Fürsprache gefleht, von dir sei verlassen worden." Tragen wir darum im
Maimonat alle Lebensnot vor den Maialtar, eigene und vor allem die
Zeitnot. Sie ist ins Riesenhafte gewachsen, und Tausende sagen und
fragen: "So kann's nicht mehr weitergehen."Sie erwarten den Eingriff
Gottes. Die Maialtäre sind ein Hinweis, wo die Hilfe liegt: Bei ihr,
der allzeit Hilfreichen.
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