"DER SCHAFSTALL CHRISTI IST DIE KATHOLISCHE KIRCHE"
vom
hl. Augustinus (354-43o)
(aus: Tractatus in Johannem (45,2-5) in: Migne "Patrologia latina" Bd.35, S.172o f.)
"Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, wer nicht durch die Türe zum
Schafstall eingeht, sondern anderswo einsteigt, der ist ein Dieb und
ein Räuber" (Joh. lo,l). Es gibt ja viele, die nach einem gewissen
üblichen Maßstab dieses Lebens als gute Menschen bezeichnet werden,
brave Männer, brave Frauen, ohne Schuld, die sozusagen das im Gesetz
Befohlene beobachten: ihren Eltern Ehre erweisen, nicht ehebrechen,
nicht morden, nicht stehlen, gegen niemanden falsches Zeugnis ablegen
und die übrigen Gesetzesgebote gleichsam halten, aber nicht Christen
sind... So sagen also die Heiden: Wir führen ein gutes Leben. Gehen sie
aber nicht durch die Türe ein, was nützt ihnen, dessen sie sich rühmen?
Denn dazu soll einem das gute Leben frommen, daß ihm das ewige Leben
verliehen werde, denn wem das ewige Leben versagt wird, was frommt
einem solchen das gute Leben? Aber wie kann von einem guten Leben die
Rede sein bei solchen, die das Ziel des guten Lebens entweder aus
Blindheit nicht kennen oder aus Dünkel verachten? Keiner aber hat wahre
und sichere Hoffnung auf ewiges Leben, der das Leben, das Christus ist,
nicht anerkennt und nicht durch die Tür in den Schafstall eingeht.
Nun pflegen solche Menschen auch andere zu bereden, daß sie gut leben
und dazu das Christentum nicht benötigen. Sie wollen anderswo
einsteigen, rauben und töten; und nicht, wie der Hirt, wahren und
retten. So gab es Philosophen, die vielerlei Tugenden und Laster
tiefschürfend erörterten, einteilten, abgrenzten, die scharfsinnigsten
Schlüsse zogen, Buch um Buch füllten, ihre Weisheit hochtönend
anpriesen und sich nicht scheuten, den Leuten zu sagen: Folget uns
nach, schließt euch unserer Schule an, wenn ihr selig zu leben begehrt.
Aber sie waren nicht durch die Türe eingegangen: verderben wollten sie,
schlachten und töten.
Was soll ich von diesen sagen? Sieh: auch die Pharisäer lasen, und
ertönten von dem, was sie lasen von Christus, erhofften den Kommenden,
und erkannten den Gekommenen nicht; auch sie rühmten sich a]s Lebende,
will sagen, als Wissende, und sie leugneten Christus und gingen nicht
ein durch die Tür. Auch sie also, wenn anders sie welche verführten,
verführten sie, um sie zu schlachten und zu töten, nicht um sie zu
befreien. Lassen wir diese beiseite; wenden wir uns zu jenen, die sich
des Namens Christi rühmen: ob vielleicht sie durch die Türe eingehen.
Unzählige nämlich gibt's, die sich nicht nur als Sehende brüsten,
sondern als von Christus Erleuchtete betrachtet sein wollen, aber
Häretiker sind. Sind vielleicht sie durch die Tür eingegangen?
Mitnichten!... So einer predigt den Christus, den er sich selber
zurechtgedacht hat, nicht den die Wahrheit verkündet. Den Namen hast
du, die Sache nicht. Christus ist der Name für eine Sache: halte dich
an die Sache, wenn du willst, daß der Name dir nütze... Halte dies eine
fest: Der Schafstall Christi ist die katholische Kirche. Wer immer zum
Schafstall eintreten will, trete ein durch die Tür, verkünde den wahren
Christus. Und nicht nur verkünden soll er den wahren Christus, sondern
auch Christi Ehre suchen, nicht die seine; denn viele haben, indem sie
ihre eigene Ehre suchten, die Schafe Christi mehr zersprengt als
gesammelt. Demütig und niedrig ist nämlich die Türe, Christus der Herr:
wer durch die Türe eintreten will, muß sich ducken, um heilen Hauptes
eintreten zu können. Wer sich nicht demütigen will, sich vielmehr
erhebt, der will über die Mauer klettern: wer aber über die Mauer
klettert, der steigt, um zu fallen. |