DAS HEILIGE LEICHENTUCH
BEWEIS FÜR CHRISTI TOD UND AUFERSTEHUNG
von
Bruder Bruno Bonnet-Eymard
(aus: LA CONTRE REFORME CATHOLIQUE, Nr.144, August 1979;
übersetzt von H.H. Pfarrer Paul Schoonbroodt)
Fortsetzung III:
Erste Schlußfolgerungen
Am Karfreitagabend vor fast 2ooo Jahren betrachtete der Lieblingsjünger
Jesu die geöffnete Seite. Ob er schon an das Prophetenwort gedacht hat,
das er viele Jahre später im Evangelium anführen wird: "Sie werden auf
den schausn, den sie durchbohrten". (Joh. 19, 37) Am Abend des 8.
Oktober 1978, rief Pater Exteandia, nachdem die Abdrücke des "Uomo
della Sindoiie" während zweier Tage sorgfältig geprüft worden waren,
aus: "Meine Herren, worauf warten Sie noch, um zu sagen: das ist Jesus
Christus?" Das war in Wirklichkeit eine lobende Anerkennung für die
Ernsthaftigkeit und Strenge, mit welcher die Wissenschaftler
vorgegangen waren; sie waren ja nie von den strengen Regeln der
hypothetischen Methode abgewichen. Aber schließlich widersprach ja
niemand, so sehr brachte er die Überzeugung aller zum Ausdruck. Denn
"die Schlußfolgerung, die sich a]len aufdrängte, die an den
Untersuchungen beteiligt waren, ist folgende: das in Turin aufbewahrte
Stück Stoff ist tatsächlich das Grablinnen Jesu". Als
Kommissionsmitglied kann ich bezeugen, daß auch die anderen dieser
Schlußfolgerung voll und ganz beipflichteten. (P. Dubarle, Le Linceul
de Turin, D.C., 19.3.1978, S.289.)
Die fachmännische Untersuchung des Stoffes, welche von Prof. Raes,
Kommissionsmitglied von Turin, im Jahre 1973 in Gent durchgeführt
wurde, hat die Schlußfolgerung "durch eine bisher nicht geahnte
Entdeckung" bestätigt. (Wilson, a.a.O. S.98) In den für die
mikroskopische Untersuchung vorbereiteten Lamellen fand er in den am
24. Nov. in Turin entnommenen Linuenfäden - und zwar im Einschluß und
in der Kette - kleinste, jedoch deutlich erkennbare Spuren von
Baumwolle. Dadurch ist der Beweis erbracht, daß da, "wo man das
Leichtentuch gesponnen hat, der Webstuhl auch zum Spinnen von Baumwolle
benutzt worden war." Fasern von Baumwolle weisen aber Spiralwindungen
auf, deren Anzahl je nach der Art wechselt. "Die von Raes untersuchten
Fasern entsprechen dem Gossypium herbaceum, einem für den mittleren
Osten üblichen Baumwoll-Pflanzengewächs", das dort von Sennacherib im
7. Jahrhundert vor Christi Geburt eingeführt worden war,"und dessen
Fasern nur acht Windungen pro Quadratzentimeter aufweisen". Es steht
also außer Zweifel, daß das Leichentuch im mittleren Osten gewebt wurde
und nicht in Europa, wo keine Baumwollpflanze wächst; auch nicht in
Amerika, wo die Baumwolle etwa 18 bis 3o Windungen pro
Quadratzentimeter aufweist. Es spricht sogar manches zugunsten von
Palestina, weil die Mishna den Webern "die Mischung der Arten" streng
untersagt, aber eine Mischung von Linnen und Baumwolle zuläßt. (Vgl.
Wilson, S.337, Anm.6)
Die Fachuntersuchung hat seit Raes einen solchen Fortschritt gemacht,
daß sie bei der Turiner Tagung für eine 'Überraschung' sorgte. Prof.
Morano vom Zentrum für elektronische Mikroskopie von Verceil und vom
Turiner Pathologischen Institut hat als erster die ultra-strukturellen
Aspekte eines Fadens des Grablinnens mit dem elektronischen
Abtast-Mikroskop untersucht. Der Fortschritt gegenüber dem
herkömmlichen elektronischen Transmissionsmikroskop ist beachtlich. Das
erst sehr junge Verfahren besteht darin, daß Muster mittels eines
Elektronenbündels zu untersuchen, das auf einen sehr verengten Punkt
gerichtet wird. Die mit dieser dreidimensionalen Perspektive
durchgeführte Untersuchung eines ungefähr hundert Jahre alten
Leinenfadens enthüllt, daß die Fasern geplättet und völlig glatt sind,
während die Fasern des Leichentuches zylindrisch und unrein erscheinen
und mit allerlei Fremdkörpern durchsetzt sind: Sporen, Pollenkörner...
genau wie die Fasern eines zweitausend Jahre alten Mumientuchs im
ägyptischen Museum von Turin. Ein neuer, maßgebender Beweis für die
Echtheit des Linnens.
In seinem oben erwähnten Artikel zieht P. Dubarle folgende
Schlußfolgerung: "Die Exegeten sind jetzt vor eine Gegebenheit
gestellt, die sie mit den Berichten über das Leiden Jesu vergleichen
müssen. Wie sonst bei einer Neuheit auf archäologischem Gebiet können
sie auch hier zu einem neuen Textverständnis geführt werden, worauf man
sonst nicht gekommen wäre. Die Schriften beleuchten die Überbleibsel
aus der Vergangenheit und erscheinen ganz unerwartet in einem neuen
Licht. Man darf aber nicht vom Grablinnen verlangen, uns die religiöse
Bedeutung der Passion Christi im göttlichen Heilsplan zu vermitteln.
Unserem Auge aber kann es ein ebenso bewegendes wie auch majestätisches
Antlitz Christi darbieten, das den Vorteil hat, wahr zu sein, und nicht
nur eingebildet." (ebd., S.289) (vgl. Abb.lo)
II. Ein fünftes Evangelium
Die methodische Beschreibung der Abdrücke bietet für sich einen
regelrechten Leidensbericht mit seinen verschiedenen Abschnitten:
Dornenkrönung, Geißelung Jesu, bevor man ihm das Patibulum auflud, wie
er es dann getragen hat, die Durchbohrung der Hände, der Füße und der
Seite. Der Bericht wird hier mit genauen Angaben erweitert, deren
zusätzlicher Realismus beim einfachen Lesen des Evangeliums
unvorstellbar wäre, und weicht sogar merklich von allen bisherigen
Erkenntnissen ab, welche die Christen seit 2ooo Jahren aus der
Betrachtung des Leidens gewonnen hatten.
Das erstaunlichste Zusammentreffen (obschon es allgemein übergangen
wird) ist die Tatsache, daß die Bestattung eines Mannes, der an seinem
Körper alle Merkmale einer schändlichen Hinrichtung trägt, die sonst
Großverbrechern vorbehalten war, eine vornehme Bestattung in einem
großen Linnentuch von 4,36 m x 1,10 m erhielt, das heute noch "trotz
der Patina (in elfenbeinener Farbe) der Jahrhunderte eine überraschende
Sauberkeit aufweist, so daß dem Beobachter die natürliche Farbe den
Glanz eines Damastlinnens bietet und dem, der es berührt ... das ist ja
eigentlich verboten! ... wie Seide vorkommt." (Wilson, S.3o.)
Der nach allgemeinem Recht Verurteilte mußte deswegen berühmt gewesen
sein, sonst wäre er doch im Massengrab verschwunden und hätte nicht
eine solche Bestattung erfahren!
Es ist Tatsache, daß sein Leinentuch so sorgfältig aufbewahrt und von
Generation zu Generation weitergegeben wurde! Dieses archäologische
Überbleibsel ist wohl einzigartig. Und das zu Recht... Wenn Archäologen
alte Gräber öffnen, finden sie Spangen und Schmuckstücke, manchmal
Stoffreste, aber niemals ein Leichentuch. Es gibt nur ein einziges
geschichtliches Beispiel für ein Leichentuch, das aus einem Grabe
stammt, und das ist eben das Leichentuch Jesus von Nazareth, das man am
dritten Tage nach seinem Tode unter den bekannten überraschenden
Umständen gefunden hat: in diesem Tuch befand sich nicht mehr der
Leichnam, den es umhüllte. Der hl. Johannes berichtet den Vorgang des
Begräbnisses und des leeren Grabes (19,31- 2o,lo) als aufmerksamer und
genauer Augenzeuge. Dies wird durch zwei Entdeckungen aus der jüngsten
Zeit bestätigt, welche von P. Fasola, Mitglied der Pontifikalkommission
für Archelogia sacra auf der Turiner Tagung berichtet wurden.
Das Zeugnis des Evangelisten Johannes
Im Kap. 19, Vers 39 spricht Johannes "von einer Mischung von Myrrhe und
Aloe, wohl an hundert Pfund", die Nikodemus für das Begräbnis Jesu
mitgebracht hatte. Oftmals hat man die Frage nach der geschichtlichen
Glaubwürdigkeit dieser großen Menge gestellt: 33 kg duftende Salben für
einen Menschen! Sollte es sich hier etwa um eine 'eingefügte'
Textstelle handeln? Oder könnte diese Zahl bloß eine symbolische
Bedeutung haben? Wilson vertritt die Meinung, "es handle sich hier um
Salben in Würfeln, die an den Leichnam gelegt wurden". So blieb der
Stoff über dem Leichnam gerade gespannt. Der Vorteil wäre dann, daß
"dadurch verständlich wird, wieso keine Verformung des Leinens in der
Abbildung vorhanden ist, was ja stets eines der Rätsel des Leichentuchs
war." (S.83) Diese Annahme ist aber gegenstandslos. Denn die
Ausgrabungen von den Jahren 1973-74 in den hebräischen Katakomben der
Villa Torlonia zu Rom haben Gräber zutage gefördert, welche innen und
außen mit reichlich ölhaltigen Produkten von Aloe und anderen noch
nicht identifizierten Produkten bestrichen waren. "So erklärt sich auch
die in Joh. 19,39-4o angegebene Menge von 100 Pfund", schlußfolgert P.
Fasola. Die große Menge, nach Vignon in Pulverform, wurde
wahrscheinlich in ölartiger Form verwendet, um das Grab Jesu innen und
außen damit zu bestreichen. Es gibt auch noch einen weiteren Hinweis
auf die Authentizität. Johannes erwähnt in 19,41 neben anderen
Einzelheiten, welche auch bei Matthäus und Lukas bei der Beschreibung
des Grabes vorkommen, einen Garten, der bei den Synoptikern nicht
erwähnt wird, der aber hier wie an manchen anderen Stellen ein mit
Symbolhaftigkeit ausgestattetes theologisches Thema darstellt, wie es
in der Eigenart des 4. Evangeliums liegt. Nun aber haben die
Untersuchungen, welche vom gemeinsamen technischen Ausschuß der drei
Eigentümergemeinschaften der Basilika des hl. Grabes zwischen den
Jahren 1961 bis 1974 durchgeführt wurden, die Möglichkeit ergeben, die
ursprüngliche Struktur des Grundstückes zu rekonstruieren: es handelte
sich "um einen Steinbruch, in Terassen angeordnet, in deren
Seitenwänden Gräber ausgemeißelt waren. Für reiche Juden, die es sich
leisten konnten, war dieser Bereich mit einer Gartenanlage verschönert.
Mangel an Übereinstimmung mit den Synoptikern?
Johannes erweist sich als bevorzugter Augenzeuge von einer historischen
Genauigkeit, die mit mystischer Tiefe gepaart ist. Leider scheint ein
schwerer Mangel an Übereinstimmung mit den anderen Evangelisten
hinsichtlich der Bestattungstücher zu bestehen. Markus berichtet
eingehend über die Bestattung: Joseph "kaufte Leinwand (sindon), nahm
ihn (sc. den Leichnam) ab und hüllte ihn in eine Leinwand" (15,16).
Matthäus und Lukas erwähnen dieses Sindon ebenfalls, aber sie
gebrauchen ein anderes Verb: entylissein = Joseph 'wickelte' den
Leichnam in das Tuch. Matthäus fügt noch als Erklärung hinzu, daß
dieses Leinen "ohne Flecken" (kathara) war. P. Lavergne legt eine Frage
über diese ungewöhnliche Beifügung vor: will Matthäus damit "die
besondere Qualität dieser weißen Leinwand unterstreichen, wie es für
ein Leichentuch sein soll, oder will er auf diesem Wege die Einzelheit
über den Kauf aus der jüngsten Zeit einholen, weil er vorher nicht
davon gesprochen hatte?" ("Der Beweis für die Auferstehung Jesu nach
Joh. 2o,7 - Estratto dai Quaderni Sindon, Nri. 5 u. 6, 1961, S.18)
Besteht denn keine einfachere Erklärung, die von erstaunlichem Wert
sein könnte? Da "das in Turin aufbewahrte Stoffstück wohl das
Leichentuch des Begräbnisses Jesu ist" (Dubarle, a.a.O.), ist es wohl
gewiß mit diesem (erwähnten) Sindon gleichzusetzen. In diesem Falle
wäre das Fehlen von Flecken absichtlich erwähnt als Anspielung auf die
'Flecken' und auf die braungewordenen Stellen, die an diesem Tuch zu
beobachten waren, als der Evangelist seinen Bericht niederschrieb!
Aber nun kommt die Schwierigkeit, über die man schon so viel
geschrieben hat: Johannes erwähnt das Sindon nicht. Joseph von
Arimathäa und Nikodemus "nahmen den Leichnam Jesu und wickelten ihn in
Linnentücher" (= othonia, 19,4o) Die Abweichung von den Synoptikern
liegt sowohl in der Wahl des Verbs (= binden) als aueh im Plural ( =
othonia, Linnentücher). Diese doppelte Unstimmigkeit schließt wohl
jegliche Gleichsetzung der othonia von Johannes mit dem Sindon der
Synoptiker aus, und erst recht mit dem verehrungswürdigen Tuch von
Turin.
These von Pater Feuillet:
P. Feuillet hat versucht, dieser Schwierigkeit aus dem Wege zu gehen.
Darin folgt er der Fährte von P. Lavergne. Seiner Ansicht nach besteht
nur eine scheinbare Unvereinbarkeit der Berichte; sie beruht lediglich
auf einem Unterschied im Gebrauch des Wortschatzes. Gehen wir einmal
seinen Auslegungen nach (in: "La découverte du tombeau vide en Jean
2o,3-lo, in: "Esprit & Vie", 5. u. lo.5.1977). Die Mehrzahl othonia
soll die Gesamtheit der Bestattungstücher bezeichnen, vorausgesetzt,
daß man nicht mit 'Wickelbändern' übersetzt, wodurch ja eigentlich die
bei den Ägyptern übliche Bestattungsweise angedeutet wird: das wären
also das Sindon und die Bänder, womit die Füße und die Hände Jesu
gebunden wurden, (vgl. Joh. 11,44) Auch gebraucht der hl. Lukas
scheinbar das Wort Sindon (Lk. 23,53) und othonia (Lk. 24,12) für das
gleiche.
Das erste, was also "der andere Jünger, den Jesus lieb hatte" am
Ostermorgen von außen her im Halbdunkel des Grabes erblickte, bevor
Petrus ankam, das sind die herumliegenden Tücher (keimena ta othonia;
2o,5) Lavergne und Feuillet sind der Ansicht, daß dieser Ausdruck das
leere, gefaltete Sindon der Synoptiker meint. Dann kommt Petrus an. Er
geht hinein und erblickt dieses große gefaltete Tuch "sowie das
Schweißtuch, das auf Jesu Haupt gelegen hat", d.h. die kleine
Serviette, welche nach Auffassung der gleichen Verfasser für das Kinn
benutzt worden war und unter dem großen Tuch eine Erhöhung ausmachte.
These von Prof. Delebecque:
Prof. Delebecque hat eine Reihe von beachtlichen Einwänden gegen diese
Auslegung vorgebracht. ("Le tombeau vide"Joh. 2o,6-7, in: "Revue des
…tudes Grecques" Jul.-Dez. 1977) Es sieht aber nicht so aus, als habe
P. Feuillet dies zur Kenntnis genommen. Denn in Turin hat er im
wesentlichen den oben genannten Artikel wieder aufgegriffen, ohne auf
die Einwände zu antworten.
Delebecque bemerkt zunächst, im Gegensatz zu Lavergne, daß nach
Johannes "Simon Petrus das Schweißtuch daliegen sah, unmittelbar mit
eigenen Augen". "Etwas sehen" oder "sehen, wie es gelegt ist", das ist
noch nicht dasselbe. Unter der Hülle der Tücher habe Petrus das
Schweißtuch nicht gesehen. Dann bringt er die Übersetzung von zwei
umstrittenen Versen, die von P. Feuillet stammt: "Er sieht die
herunterhängenden Tücher und das Soudarion, das am Kopfende
zurechtgelegt war,das aber nicht 'mit' (wie) den (die) Tücher(n)
zusammengefallen war, sondern das getrennt umhüllt und an seinem Platz
aufgerollt war." Er beanstandet das Künstliche an dieser Übersetzung:
"Zunächst ist das Wort soudarion nicht übersetzt, obschon zwei Spalten
darüber geschrieben sind, und die Präposition epi mit dem Imperfect
(en) kann nicht heißen, daß dieser Gegenstand "am Kopfende zurecht
gelegt war". Johannes sagt bloß: "das auf seinem Haupte lag". Dann
bedarf es einer Klammer - nur eine, aber das ist schon zuviel - um zu
erklären: 'mit' heiße 'wie'.
Schließlich bedarf es zweier Verben für 'umhüllt und aufgerollt' als
Übersetzung für das eine griechische Verb 'entetuligmenon'. Auch
bestreitet Delebecque die Übersetzung von othonia durch 'Tücher',
welche von P. Lavergne erfunden wurde, weil er darin einen pluralis
extensivus sah (der in Wirklichkeit das große Leichentuch im Gegensatz
zum kleineren Schweißtuch bezeichnet) so wie 'die Himmel', um den
Himmel in der Einzahl zu bezeichnen, weil er weiter als die Erde ist:
im Vergleich zum kleinen Schweißtuch war das Leichentuch groß", (ebd.,
S.19) Delebecque geht gegen diese Auslegung des Plurals an, weil zuviel
daraus abgeleitet wird. Zugegeben, in den Papyrussen wird das Wort oft
für Tücher oder für feinen Stoff gebraucht, auch sogar für Kleider. Im
Evangelium aber muß dem dortigen ständigen Gebrauch Rechnung getragen
werden, besonders aber dem Verb 'dein' (binden) bei Joh. 19,4o, das
gebraucht wird, um anzudeuten, daß Joseph von Arimathäa und Nikodemus
"den Leichnam Jesu nahmen und ihn mit othonia wickelten". Zu diesem
ausführlichen Text muß der andere von Joh. 11,44 hinzugezogen werden,
wo beschrieben wird, wie Lazarus aus dem Grabe kommt und "mit Bändern
(= keiriais) an Händen und Füßen gebunden ist". Jesus sagt dann:
'Bindet ihn los und laßt ihn gehen'. Wäre der Erweckte nur mit einem
Schweißtuch umhüllt gewesen, dann hätte er sich selbst befreien können.
War er aber behindert und gefesselt, konnte er das nicht. Mit einem
Wort: die othonia sind nichts anderes als Bänder oder Wickel, die den
Leichnam festhalten und das große Leichentuch eng anschließend
festmachen sollten. Diese Begriffeauffassung ist im Ärztewortschatz
geläufig. Dort bezeichnet das Wort leichte, geschmeidige, aber starke
Wickel, deren der Arzt sich bei Knochenbrüchen oder Gelenkauskugelungen
bedient", (ebd., S.243 f.)
Nun aber ist "das große Leichentuch" das Sindon der Synoptiker.
Johannes erwähnt es aber nicht, als er von der Entdeckung des leeren
Grabes berichtet. Der Professor schlußfolgert daraus, daß es am
Ostermorgen nicht mehr im Grabe lag: "Johannes berichtet Von dem, was
er gesehen hat. Er schweigt über das, was er nicht gesehen hat und
worüber man bestürzt ist. Was er zunächst nicht gesehen hat, ist
hauptsächlich der Leichnam Jesu. Dann das Leichentuch, das sindon, das
den Leichnam umhüllte. (...) Es bleiben nur die Bänder und das
Schweißtuch", (ebd., S.246.) Diese Schlußfolgerung könnte nicht
widerlegt werden, wenn nicht gleich ein Einwand aufkäme, den jedoch der
Prof. zu widerlegen versucht: "Man soll nicht einwenden, daß Johannes
auch nichts vom Sindon erwähnt, wenn er die ersten Handlungen am
Leichnam Jesu beschreibt. (...) Er nennt an der Stelle auch nicht das
Schweißtuch, sondern erst später, wahrscheinlich, weil die Bänder
einerseits das Soudarion auf dem Kopf befestigten und andererseits das
Leichentuch an den Händen und den Füßen. Er spricht von Dingen, die
selbstverständlich sind." (ebd., Anm.13) Die Antwort auf den Einwand
zerstört das Hauptargument: am Ostermorgen wird das Sindon von Johannes
nicht erwähnt, weil es also aus dem Grabe verschwunden ist, und das ist
sicher, weil Johannes beschreibt, "was er gesehen hat". Er schweigt
sich aus über das, "was er nicht gesehen hat". Aber am Karfreitag
spricht Johannes auch nicht vom Sindon. Da war es aber vorhanden, ...
weil Johannes "nicht berichtet, was selbstverständlich ist".
(Fortsetzung folgt.)
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