DAS HEILIGE LEICHENTUCH
BEWEIS FÜR CHRISTI TOD UND AUFERSTEHUNG
von
Bruder Bruno Bonnet-Eymard
(aus: LA CONTR… REFORME CATHOLIQUE, Nr.144, August 1979;
übersetzt von H.H. Pfarrer Paul Schoonbroodt)
Fortsetzung II:
Die durchbohrten Füße
Bis 1968 verfügten wir nur .über das Leichentuch von Turin als einzigem
archäologischen Beweis für die römische Kreuzigung. Seit der Entdeckung
des Grabmals des Jehohanan ben Haggol im Nordosten von Jerusalem (in
Giv'hat hai mivtar im Juni 1968 - ein Jahr nach der Einnahme Jerusalems
durch die Israelis) wissen wir jedoch, daß die römischen Henker bei der
Durchführung der schrecklichen Hinrichtung nach mehreren Verfahren
vorgingen. So wie die beiden Schacher an der rechten und linken Seite
Jesu so wurden auch dem Jehohanan die Beine mit Gewalt gegen den
Kreuzstamm gebrochen und zerschmettert. Dieses crurifragium bereitete
dem Leben des Verbrechers ein Ende, denn dadurch wurde er daran
gehindert, noch weiter gegen die Erstickung anzukämpfen, indem er sich
auf die Füße stützte, um sich aufzurichten. Darüber hinaus waren die
Knochen der Fersen von der Innenfläche her miteinander verbunden, aber
mittels eines 17 cm langen Eisennagels durchbohrt. Bei dem Mann des
Leichentuchs verhält sich die Sache anders. Barbet hat die Stelle des
Nagels angeben können, indem er den blutigen Abdruck des rechten Fußes
untersuchte, über den sich dann der vordere Teil des linken Fußes
schob. (Abb. 7 u. 8) - entgegen "dem herkömmlichen Brauch bei den
Künstlern: auf den meisten Kruzifixen kann man sehen, wie der rechte
Fuß über den linken Fuß geschoben ist, und manchmal sind sie sogar
getrennt." Den Mittelpunkt der Blutströme setzt er "in einem
rechteckigen Flecken fest, der dem inneren Rand näher ist als dem
äußeren Rand des Abdrucks (...) in der Achse des Raumes, der die zweite
von der dritten Zehe trennt."
Vignon weist darauf hin, wie sehr diese Stellenangabe allein die
Annahme einer Fälschung ausschließt. (S.194) Im Falle, daß es zur
Täuschung des Volkes hergestellt worden wäre, "hätte dieser Stoff doch
für die Pilger etwas Enttäuschendes an sich gehabt: "Sehen Sie vorne
den Fehler der Füße ..." (Abb.8). Das stimmt tatsächlich, denn Albert
Dürer 'verbesserte' diesen Fehler, als er das Leichentuch 1516 für
Margarete von Österreich nachbildete, indem er alle Zehen darstellte
und zwar so, daß die Zehen des rechten Fußes unter dem linken
hinsichtlich der Fußachse verschoben sind. "Ein seltsamer Fehler bei
einem Meister dieses Ranges", (de Gail, S. 244.) Dadurch wird jedoch
kund, daß diese Reliquie echt ist und nichts Künstliches an sich trägt.
"Wir entdecken heute", fährt Vignon fort, "auf der Photographie der
vorderen Unterpartie des Körpers eine gewisse runde Markierung. Diese
entspricht der Nageleintrittswunde am linken Fuß, aber man kann sie nur
mit Mühe entdecken. Könnte sie überhaupt auf dem Tuch für jemand anders
als für einen Kenner sichtbar sein? Ich wende mich dem Rückenbild zu
und suche die Wunde, welche unter der Fußsohle des linken Fußes durch
den hindurchgehenden Nagel verursacht wurde: hier sehe ich einen
schönen bleichen Fleck; ein dunkler Strom gleitet auf dem Tuch
seitwärts, aber ich sehe keine Wunde. Wo ist übrigens die Sohle des
linken Fußes? Um aber zu begreifen, weshalb sie denn fehlen müsse, oder
fast fehlt, muß man vorher eine Erklärung des ganzen Zusammenhanges
erhalten haben": die beiden Füße sind gekreuzt und deshalb hat der
rechte Fuß einen vollständigen Abdruck auf dem Rückenbild hinterlassen,
während man vom linken Fuß nur die Ferse und die mittlere Partie sieht,
weil dieser Fuß schräg über den anderen und kreuzweise vom Innenrand
her hineingeht.
In Wirklichkeit, erklärt Barbet, haben die Henker, die "ihr Handwerk"
verstanden, "ganz natürlich an den weichen Stellen" durchbohrt, weil
hier das Durchstechen leichter zu machen war. Uns jedoch, die wir heute
das von den Archäologen erstellte scheußliche Bild der Kreuzigung des
Jehohanan vor Augen haben - die Beine unter sich gebogen und auf den
durchbohrten Fersen sitzend - uns erscheint dies weniger 'natürlich'
und bietet uns einen zusätzlichen, noch bemerkenswerteren Hinweis auf
Jesus, von dem Johannes bezeugt, daß man ihm kein Gebein zerschlug. Es
stimmt zwar, daß er dabei zunächst an das durchbohrte Herz Jesu dachte,
im Gegensatz zu den zerschlagenen Beinen der beiden Schächer (Joh.
19,32-37), indessen haben wir hier den gleichen Unterschied, den wir
zwischen dem Gekreuzigten von Giv'hat hamivtar und dem Uomo della
Sidone feststellen.
Die durchbohrte Seite
Der Abdruck der Seitenwunde (Abb:9) bildet eine Elipse, deren Form an
die römische lancea erinnert; die Linienführung ist deutlich gezeichnet
und hat eine große Achse von 44 mm und eine kleine Achse von 15 mm.
Diese Wunde ist klaffend, ohne daß Fleisch darüber hängt. Also wurde
der Leichnam nach dem Tode aufgestoßen. Das bedeutet eine erneute
Niederlage für die These Hans Nabers und eine erneute Übereinstimmung
mit dem Evangelium des hl. Johannes (19,33). Barbet hat die Stelle
angegeben, wo das Eisenstück diesem "starken Blutstrom" aus der rechten
Seite den Weg geöffnet hat: "Die Lanze glitt an der sechsten Rippe ab
und durchbohrte sodann den Rippen-Zwischenraum und drang in das Innere
des Körpers." (S.179) Sie erreichte die reÚhte Herzklappe, die nach dem
Tod mit flüssigem Blut gefüllt bleibt. "Wäre der Lanzenstich auf der
linken Seite erfolgt, so hätte er die blutleeren Kammern des Leichnams
durchbohrt." (S.181) Wahrscheinlich war dieser tödliche Stoß ins Herz
von der rechten Seite her, da er. die dünne Wand der rechten Kerzklappe
durchstach, die klassische Handhabe beim Fechten der damaligen Zeit,
weil ja die linke Seite normalerweise mit dem Schild bedeckt war.
Barbet hat die Handbewegung des Hauptmannes an Leichen nachvollzogen.
Er senkte sein Skalpel in den fünften Rippen-Zwischenraum der rechten
Seite, indem er "hineinstach":"nach oben und ein wenig nach hinten".
Nach 9 - lo cm öffnet das Messer die rechte Herzkammer und das Blut
läuft der Klinge entlang durch den in die Lunge gebohrten Kanal ... Das
Herzblut fließt weiter, nachdem die Klinge wieder herausgezogen ist ...
(Die fünf Wunden.)
Bemerken wir noch folgendes: "Kein Maler ist auf den Gedanken gekommen,
eine so unregelmäßige Blutbahn darzustellen. Und doch entspricht das
der Wirklichkeit und wiederum hat die Einbildungskraft der Künstler
versagt." (La Passion, S.179) Zunächst läuft die Blutbahn etwa 15 cm
herab: "Ihr innerer Rand ist in abgerundete Kerben seltsam zerteilt,
die sich aber bei einer unbeweglich senkrecht hängenden Leiche nicht
erklären lassen. Hat denn eine Hand das Leichentuch gegen diesen Teil
des Brustkorbs gedrückt?" (Les Cinq Plaies, S.27.) Ja, antwortet P. de
Gail mit Eifer: "Das ist die normale Handlung einer
Krankenhausschwester und einer Krankenpflegerin ... die Aufmerksamkeit
einer Frau oder einer Mutter..." (S.48) M. Legrand zufolge (Dossiers du
Saint Suaire, Paris 1939) ist die Handbewegung, die auf den Stoff
drückt, um ihn auf die Wunde zu bringen, während der Stoff vom rechten
Arm etwas hergezogen ist, die Erklärung für die Anomalie des einen
Ellenbogens, der scheinbar etwas tiefer und rechts mehr nach außen
reicht als links. Dieser hätte nämlich einen Abdruck mehr nach außen
hin als an der ursprünglichen Stelle hinterlassen.
Diese Erklärung, die Barbet noch akzeptierte, erscheint uns heute nicht
mehr tauglich. Seit dem Jahre 1968 nämlich haben sämtliche Gutachten
gezeigt:
1. das Leichentuch verhält sich wie
eine vollkommen starre fotographische Platte, die jeden Bildpunkt in
orthogonaler Projektion aufnimmt;
2. auch die Bilder vom Blut sind Projektionen aus einigem Abstand und
keine Abzüge mittels Berührung der Blutgerinsel mit dem Tuch; auf dem
Tuch erscheint nämlich keinerlei Spur von natürlichem Blut. Wir werden
noch darauf zurückkommen, aber beides ließ sich im Anschluß an die
bewunderungswürdigen Experimente von Barbet jetzt schon verstehen.
(S.175)
M. Legrand hatte den Einfall, "die Seitenwunde und das Blutgerinsel,
das darunter hervorkommt, auf der Brust eines Mannes von der Größe
Christi zu malen. Wohlverstanden in der Lage einer bestatteten Leiche
mit gekreuzten Händen auf dem Unterleib. Dann gab er ihm die Position
von der Kreuzigung mit den Armen im Winkel von 65∞. Und da hat er
sogleich die mittleren Rippen hervortreten sehen ... wobei auf jeder am
vorderen Ende eine Furchenbildung des Muskels erkennbar wurde. Jede
Welle am Rande des Blutgerinsels entsprach einem dieser hervortretenden
Muskeln". Entgegen der Erklärung dieser beiden Verfasser, erlaubt
dieses Experiment die Annahme, daß die Form des Blutgerinsels genau
wiedergegeben ist und zwar wie durch Projektion auf Abstand. Wäre das
Tuch aber abgezogen und in die Höhle zwischen Brust und Oberarm
zusammengedrückt gewesen, so hätten sich Falten gebildet, die beim
Entfalten des Tuches dann auch eine Formveränderung des Bildes nach
sich gezogen hätte. Aber es erweist sich so, daß das Leichentuch wie
eine Brücke zwischen dem rechten Arm und der Fläche der Brustbeinpartie
gespannt blieb.
Im Unterschied zu den Stirnblutgerinseln, wo "das langsamer perlende
Blut in seiner Abwärtsbewegung aufgehalten ist und sich oberhalb eines
Hindernisses ansammelt", ist die der Wunde am nächsten liegende
Gerinselpartie dicker und breiter, "weil der Blutaustritt stark ist.
Dies ist den Chirurgen in ihrer Erfahrung geläufig." Vor allem hat sich
das Blut nicht gleichmäßig verteilt. Es läßt sich feststellen, daß es
von hellen Zonen durchsetzt ist und weist darauf hin, daß eine farblose
Flüssigkeit mit dem Blute vermischt war. Woher konnte diese kommen?
Hierin sind sich die Ärtzte nicht einig. Die Diagnosen reichen von
einer einfachen Verletzung am Brustbeutel (Barbet, ebd., S.182) bis zu
komplizierteren Verletzungen in der Rippenfellhöhle (Anthony Sava; cf.
Wilson, S.65). Wie dem auch sei, kommt mit dem im Blut vermischten
"Wasser" eine zusätzliche Übereinstimmung mit dem Evangelium zustande,
(vgl. Joh. 19,34.)
Nach Barbet mußte die Blutwasserflüssigkeit "unter einem gewissen Druck
herausspritzen, da der Blutaustritt aus dem Herzbeutel Druck auf das
Herz ausübte. Einiges mußte wohl in die Luft gespritzt und dann auf den
Boden gefallen sein. Aber hinter dem Eisen hat sich ein Teil des Blutes
über der Brust verlaufen und bildete dann das vordere Blutgerinsel."
Dann wurde der Leichnam vom Kreuze genommen und waagrecht hingelegt.
Hierauf wird wohl ein erneuter Blutstrom geflossen sein, der "nicht
sofort vom Herzen kam ... sondern aus dem Brustfell, wo das Blut
zusammengeflossen war"; er verteilte sich auf der rechten Seite, um
sich dann auf der rückwärtigen Fläche in der Nierenhöhle zu verteilen.
(ebd. S.192 f.) Erst nach der Kreuzabnahme und der Niederlegung wurde
der Leichnam ins Leichentuch gehüllt, sonst "wäre der hintere Teil des
Leichentuchs mit Blut durchtränkt worden." Nun aber hat diese Seite des
Leichentuchs nur den Abdruck des Blutgerinsels, das sich auf der Haut
gebildet hat, während der Leichnam vom Kreuze abgenommen wurde." (ebd.,
S.196 f.)
(Fortsetzung folgt) |