WARUM DIE SCHULISCHE SEXUALERZIEHUNG ABZULEHNEN IST
von
F. X. Förg, Dipl. Psych.
(aus: "Der schwarze Brief", Nr. 8/80)
Das Gutachten des Bayerischen Senats zur Einfügung der Sexualerziehung
in das Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen vom 23.1. 198o
ist enttäuschend und besorgniserregend. Es schwenkt voll auf die zeit-
und trendbedingte Linie der bundesdeutschen Unterrichtsverwaltungen
ein, die bekanntlich 1968 verfassungswidrige Richtlinien für die
Sexualerziehung in den staatlichen Pflichtschulen erließen. Es ist
erstaunlich, wie auch dieses Gutachten weitab von einer zureichenden
wissenschaftlichen Fundierung verfaßt wurde und in seinem Praxisbezug
die Realitätsfremdheit der kultusministeriellen Richtlinien noch
übertrifft. Außerdem ist es in seiner inneren Widersprüchlichkeit ein
Spiegelbild der Verworrenheit auf dem Bildungssektor überhaupt.
Kultusminister Maier beklagt selbst in seinem Herder-Taschenbuch Nr.
76o mit dem Titel "Streiflichter der Zeit" (198o), daß sich die
Bildungstheorie nur zu häufig in dem Versuch erschöpft, sich an den
eigenen Haaren aus dem Sog der Orientierungslosigkeit zu ziehen
(S.116). Er hofft auf den Tag, "da Allgemeinbildung wieder Form und
Umriß gewinnt" (S.32). Diesen Tag könne die Schulverwaltung vorbereiten
und eine Entwicklung dahin offenhalten; aber eine neue Allgemeinbildung
schaffen, anordnen, in schulische Formen dekretieren - genau das könne
sie nicht, schreibt er in diesem Taschenbuch weiter (S.32). Aber eben
das will er jetzt mit Unterstützung von Senat und Landtag auf dem gewiß
nicht einfachen Gebiet der Sexualkunde tun.
Im Senatsgutachten heißt es, "wenn der Staat durch die schulische
Sexualerziehung an der elterlichen Erziehung mitwirkt, dann sind
Regelungen erforderlich, die sowohl das Elternrecht als auch das
Persönlichkeitsrecht des Kindes unverletzt lassen". Das ist leere
Rhetorik. Uns geht es hier wie dem hl. Augustinus mit dem Manichäer
Faustus in Mailand: von solchem Gerede habe ich die Ohren voll.
Was sind das für "Regelungen" konkret? Ich arbeite jetzt seit fast 10
Jahren als Psychologe im bayerischen Zentrum für Bildungsforschung. Ich
weiß, daß sich dort heute kein führender Bildungstheoretiker mehr auf
eine Theorie der Bildung oder der Schule zu berufen wagt. Er würde
nämlich dem "Pluralitätsgebot" nicht gerecht werden und damit seine
Karriere - so weit er noch glaubt, eine vor sich zu haben - gefährden.
Mit einem "Regelpluralismus", der sich dann logisch und zwingend in der
Sexualerziehung der Schule entwickeln wird, wird es dann ebenso
zwingend zu Regelkollisionen mit dem elterlichen Erziehungswillen
kommen. Ich werde in dieser Ansicht bestärkt, wenn ich Kultusminister
Maier höre. In seinem genannten Taschenbuch stellt er fest: "Ich kann
z.B. einen Lehrer, der keiner Religionsgemeinschaft angehört, nicht zur
persönlichen Vertretung der Sexualmoral der Kirchen verpflichten
..."(S.47)
Zu einem theoretischen Pluralismus gesellt sich dann also noch ein
weltanschaulicher, da sich ja noch viele Eltern der Sexualmoral ihrer
Kirchen verpflichtet fühlen. Ein solcher Pluralismus wirkt sich nach
aller psychologischen Erfahrung für die Kinder schädlich aus.
Die bayerischen Senatoren wollen verhindern, der Sexualerziehung ein
einseitiges Gewicht gegenüber anderen Erziehungszielen zu geben. Das
ist eine Illusion. Das Kultusministerium kämpft erbittert um eine
"fächerübergreifende" Sexualerziehung. Und außerdem sehe ich einen
inneren Widerspruch, wenn das Gutachten verlangt, daß zur Sicherung und
Wahrung der Elternrechte über die Klassenelternversammlung den Eltern
ein stärkerer Einfluß auf Inhalt und Form der Sexualerziehung
eingeräumt werden muß. Damit erhält doch die Sexualerziehung jene
dominierende Stellung innerhalb der Schule, die gerade verhindert
werden soll. Und jeden erfahrenen Praktiker schaudert es vor einer
aufkommenden Fehlform der erzieherischen Pluralisierung und
Demokratisierung der Schule, die ihren Alltag noch unruhiger und noch
unsicherer machen wird als er ohnehin schon ist. Zum Schaden der
Kinder, zum Schaden der Familien.
Doch gerade die Förderung von Ehe und Familie soll durch die moderne
und zeitnahe Sexualerziehung Vorrang erhalten, fordert das Gutachten.
Wiederum eine gefährliche Illusion. Im Heft 5/1979 der
kultusministeriellen Zeitschrift "Schulreport" werden in Wahrung und
Sicherung des Pluralitätsgebotes in einem offensichtlichen neuen Fach
"Schulische Familienerziehung" die "Ehe auf Probe" und die
"Wohngemeinschaft" als "vorfamiliäre Lebensformen" alternativ
angeführt.
Ein curricularer Lehrplan und ein fächerübergreifendes Curriculum
werden dann im Sinne einer ethischen Pluralität Beziehungen und zwar
inhaltlich, methodisch und klar zielorientiert zwischen den
"aufgeklärten" Formen des neuen Sexualverhaltens und den neuen
Vorformen der Familie herstellen. Man braucht gewiß kein Prophet zu
sein, daß diese "Vorformen" der Familie, amtlich gefördert, nach und
nach die Idee und schließlich auch die Wirklichkeit der Familie
verändern werden, sicherlich nicht im Sinne wenigstens einiger
Senatoren.
Der Ausbildung und Fortbildung der Lehrer für die schulische
Sexualerziehung kommt eine überragende Bedeutung zu, verlangt das
Gutachten. Eine berechtigte Forderung könnte man von dieser Einsicht
ableiten. Aber wie eine solche realisieren?
Und welche Auswirkungen hätte sie in der Praxis?
An den Universitäten müßten, um dem Pluralitätsgebot genüge zu tun, die
Lehrstühle mit. Personen verschiedener theoretischer und
weltanschaulicher Richtung besetzt werden. Die jungen Lehrer würden
dann in der Praxis je nach Einstellung plural oder mehr einseitig
indoktrinieren.
Das gleiche Problem der Ausbildung tritt mutatis mutandis für die Fort-
und Weiterbildung auf. Erlässe, Verordnungen und ethische Appelle sind
kein Mittel gegen einseitige Beeinflussungen. Sie stellen lediglich
eine Rechtfertigungsmanier der Verantwortlichen dar.
Wir können theoretisch, praktisch und weltanschaulich'das Problem der
schulischen Sexualerziehung drehen und wenden wie wir wollen, wir
finden keine Lösung, die real-politisch vertretbar ist. Lediglich einem
irrationalen Drang, einer Ideologie zu folgen, wäre verantwortungslos.
Eine schulische Sexualerziehung der geplanten Art würde in ihrer
gewaltsamen Durchfürhung eine weitere Problematisierung der staatlichen
Pflichtschulen bedeuten. Sie ist deshalb abzulehnen zum Wohl von Ehe
und Familie, der Kinder und der Schule.
***
DIE KONSEQUENZ UNSERER FEIGHEIT:
EIN KIND BITTET ZUM GESCHLECHTSVERKEHR
von
Claus P. Clausen
(aus: "Der schwarze Brief" I0/80)
Eine Bekannte brachte uns den Brief eines sechsjährigen Mädchens aus
der Nachbarschaft, der an ihren elfjährigen Sohn gerichtet war. Der
Brief enthält fünf klar formulierte Sätze, mit denen das Mädchen den
Jungen zum Geschlechtsverkehr auffordert. Die Technik des Vorgangs ist
genau beschrieben. Der Brief enthält zahlreiche Fehler in fast allen
Worten, außer jenen, die sich auf das Geschlechtliche beziehen. Das
Mädchen hatte dem Jungen schon in der Kindergartenzeit Briefe
geschrieben, lustige Briefe mit Blumen und Tieren. Entgegen der
Gewohnheit hatte der Vater diesen Brief geöffnet und gelesen. Die
Nachforschung der bestürzten Eltern ergab, daß das Mädchen - es besucht
die 1. Klasse - seine Kenntnisse aus der Schule mitgebracht hat. Es ist
müßig, zu untersuchen, ob dies ein Einzelfall ist. Nicht jedes
sechsjährige Mädchen wird die gerade in der Schule aufgezwungene
"Aufklärung" in Briefform an einen Nachbarjungen weitergeben.
Der Vorgang gewinnt nicht an Bedeutung dadurch, daß es sich um eine
Sechsjährige handelt, denn es war lange abzusehen, daß der nahezu
krankhafte Drang der "Experten" der Schulsexualerziehung zu genau
diesem Ergebnis führen würde. Der Brief ist vielmehr ein Dokument
dafür, daß die "fortschrittliche Pädagogik" das Ziel der
Totalaufklärung weitgehend erreicht hat.
Alle Erklärungen von Bischöfen, der katholischen Bundeskonferenz für
Schule und Erziehung, von Elternrund Lehrerverbänden sind angesichts
der bestehenden Praxis Makulatur. Diese Stellungnahmen und Appelle, die
in meinem Archiv drei Hängemappen füllen, sind Ausdruck erschreckender
Weltfremdheit und gefährlicher Naivität. In einer Erklärung der kath.
Bundeskonferenz von 1976 heißt es u.a.: "Sie (die Landesparlamente)
müssen sicherstellen, daß im Unterricht die Erziehungsvorstellungen der
Eltern nicht beeinträchtigt und daß die Schüler weder in sittlicher
noch in psychischer Hinsicht geschädigt werden."
Die Landesparlamente und die Bischöfe können überhaupt nichts mehr
sicherstellen. Seit die entsprechenden Lehrbücher für den
Sexualkunde-Unterricht in den Ländern zugelassen worden sind, werden
sie Tag für Tag im Unterricht auch verwendet. Und wer den schulischen
Sexualkundeunterricht gesetzlich verankert oder diesem Gesetz zustimmt,
ist vor Gott verantwortlich für die systematische Zerstörung von
Kinderseelen. (...) |