"ALLEIN, WIRD DER MENSCHENSOHN, WENN ER KOMMT,
DEN GLAUBEN AUF ERDEN FINDEN?" (LUK. 18/8)
von
Dr. Hugo Maria Kellner
(Ausschnitt aus Brief Nr. 7o vom 15. Januar 1976, S. 26 ff.)
Die dogmatischen, protestantisierenden Einflüsse, die in der
katholischen Kirche bereits vor dem Zweiten Vaticanum wirksam waren,
wurden von der katholischen Bevölkerung kaum beachtet, insbesondere da
diese von der, die Moral aushöhlenden Wirkung der säkularistischen
Umgebung, in der sie zu leben hatte, bereits weitgehend angesteckt war.
Diese Lage änderte sich mit dem Zweiten Vaticanum dadurch, daß diese
Einflüsse verstärkt wurden, große Publizität fanden und den Widerstand
der prozentual sehr kleinen Gruppen der sogenannten "Traditionalisten"
fanden, die, wie ihr Name andeutet, alle Änderungen in Dogma und
Liturgie übelnahmen, die von der katholischen Tradition abwichen.*)
Es ist nicht meine Absicht, hier in eine, ins Einzelne gehende
Behandlung der "traditionalistischen" Bewegungen einzutreten. Es möge
genügen, ihre gegenwärtigen Besonderheiten aufzuzeigen, d.h. ihre
Besonderheiten, nachdem der Abfall der katholischen Kirchenorganisation
bereits zur vollendeten Tatsache geworden ist.
Zunächst soll darauf hingewiesen werden, daß die "Traditionlisten"
nicht mit den früheren Mitgliedern der katholischen Kirchenorganisation
verwechselt werden dürfen, die sich in keiner Weise an deren Abfall
beteiligt haben, deshalb in vollem Maße den wahren katholischen Glauben
beibehalten haben und deshalb die gegenwärtige "katholische" Kirche als
eine apostatische Organisation betrachten. Sie können als die
Mitglieder der bis jetzt noch unorganisierten katholischen Restkirche
bezeichnet werden und der Autor dieses Aufsatzes gehört zu ihnen.
A. Die "Traditionalisten", die
unfreiwilligen Werkzeuge Satans in der Verhinderung der Organisierung
der übriggebliebenen, wahren Katholiken
Während zu Beginn des Zweiten Vaticanums die Tätigkeit der
"Traditionalisten" den Eindruck einer legitimen, gottgefälligen
Verteidigung katholischer Rechtgläubigkeit gegen die modernistischen,
protestantisierenden Reformer in der Kirche machten, wurde es im Laufe
der Zeit mehr und mehr klar, daß diese Tätigkeit nicht nur keinerlei
hindernden Einfluß auf den, in der katholischen Kirche vor sich
gehenden Protestantisierungsprozeß ausübte, sondern daß sie sogar die
Wirkung hatte, erfolgreich die Organisierung der übriggebliebenen,
wahren Katholiken zu verhindern, die für deren Seelsorge notwendig ist.
Der Grund für diese Fehlschläge der "Traditionalisten" ist ihre
erstaunliche Unkenntnis der dogmatischen Erfordernisse für die
Mitgliedschaft in der katholischen Kirche und ihr Mangel an Einsicht in
die Nichtumkehrbarkeit der Apostasie der "katholischen"
Kirchenorganisation - der gleiche Mangel, der früher von der
katholischen Hierarchie gegenüber dem Protestantismus gezeigt worden
war.
Das Hauptmerkmal der "Traditionalisten" besteht in der Tatsache, daß
sie nicht glauben, daß die gegenwärtige "katholische"
Kirchenorganisation unwiderruflich eine apostatische, protestantische
Sekte geworden ist, sondern fast einmütig darin übereinstimmen, daß sie
immer noch die wahre, katholische Kirche ist und daß Paul VI. und die
regierenden Bischöfe dieser Kirchenorganisation immer noch die legitime
Hierarchie der wahren, katholischen Kirche sind. Ihre Einwände bestehen
in ihrer Überzeugung, daß diese Hierarchie sehr stark und in weitem
Ausmaße durch Häresien angesteckt ist, die es notwendig machen, dieser
Hierarchie nicht Folge zu leisten, soweit diese Häresien in Frage
kommen. Zur Verteidigung dieser Gehorsamsverweigerung beziehen sie sich
häufig auf den hl. Robert Bellarmine (in seinem Werk "De Rom.Pont."
lib.II, c.29). Aber sie haben den festen Glauben, daß die, von Häresien
verseuchte Kirche mit Gottes Hilfe und durch ihre eigenen Anstrengungen
"in der von Gott vorbestimmten Zeit" zu voller katholischer
Rechtgläubigkeit und Glorie zurückgebracht werden kann. Alle haben eine
Vorliebe für die lateinische,tridentinische Messe, aber hinsichtlich
der Gültigkeit oder Ungültigkeit des Novus Ordo Missae sind sie
geteilter Meinung. Die meisten "Traditionalisten" sind geneigt, die
gegenwärtige Kirchenlage mit der arianischen Häresie zu vergleichen.
Deshalb ist der hl. Athanasius in ihrer besonderen Gunst.
Anmerkung:
*) Der Name "Traditionalist" ist eine irreführende, falsche
Bezeichnung. Denn die "Traditionalisten" haben durch die Wahl ihres
Namens den falschen Eindruck erweckt, daß die, von ihnen verteidigten,
katholischen Wahrheiten ihre Autorität von der langen Zeitdauer
erhalten haben, während der sie aufrechterhalten wurden. - Außerdem
verursachen sie mit ihrem Namen den falschen Eindruck, daß
"traditionell" gleichbedeutend mit "gut" ist, ein Irrtum, der am besten
aus der Tatsache ersichtlich ist, daß die Erbsünde, das schlimmste
Übel, das die Menschheit befallen hat, die "traditionellste" Tatsache
auf Erden ist.
Daß hinsichtlich der Mitgliedschaft in der katholischen Kirche ein
solch ausgesuchter, dogmatischer und kanonischer Unsinn - man verzeihe
den starken Ausdruck von theologisch nicht gebildeten Laien geglaubt
werden kann, ist nicht weiter verwunderlich, aber die Tatsache, daß
dieser Unsinn auch durch die theologisch gebildeten, klerikalen Führer
der Traditionalisten-Gruppen verbreitet und verteidigt wird, ja sogar
von solchen, die mit Stolz auf ihre akademischen Titel in Theologie und
kanonischem Recht hinweisen, ist nahezu unglaublich. Als Beweis des,
von den "Traditionalisten" geglaubten Unsinns, der in striktem
Widerspruch zu dem wahren, katholischen Glauben steht, verweise ich
nachstehend auf die einschlägigen Bestimmungen des kanonischen Rechtes.
Kanon 2314, par. 1.1. CIC schreibt vor, daß "alle Apostaten vom
christlichen Glauben und alle Häretiker und Schismatiker ipso facto
(d.h. automatisch) exkommuniziert sind, d.h. daß sie automatisch von
der katholischen Kirche ausgeschlossen sind. Dieser Kanon gilt
natürlich auch für Päpste und Bischöfe und bezieht sich, wie aus dem
schon (früher) angeführten Kanon 1325, par. 2 hervorgeht, selbst auf
die Leugnung auch nur einer einzigen der Wahrheiten, die de fide divina
et catholica geglaubt werden müssen. Es ist auch wichtig festzustellen,
daß die soeben angeführten Kanons nicht die Natur sogenannter positiver
'Gesetze haben, die mit wechselnden Umständen geändert werden können,
sondern Gesetze sind, die wesenhaft mit dem katholischen
Glauben'verbunden sind und deshalb nicht geändert werden können.
Im Lichte dieser kanonischen Situation sind Paul VI. und alle
regierenden Bischöfe der gegenwärtigen "katholischen"
Kirchenorganisation automatisch von der wahren katholischen Kirche
ausgeschlossen, da sie ohne Ausnahme*) von grundsätzlichen Wahrheiten
des katholischen Glaubens abgefallen sind, wie die "Traditionalisten"
selbst freimütig zugeben. Sie können daher nicht mehr länger die
legitime Hierarchie der wahren katholischen Kirche bilden. Die
Kirchenorganisation, die sie regieren und deren Mitglieder sie als eine
legitime Hierarchie anerkennen, ist deshalb eine nicht katholische
Sekte geworden.
In diesem Zusammenhang möchte ich, um möglichen Einwendungen zu
begegnen, anfügen, daß die Glaubensabweichungen Pauls VI. und der
Bischöfe mit "Hartnäckigkeit" begangen sind, d.h. in bewußtem und
absichtlichem Widerstand gegen die Lehren des wahren katholischen
Glaubens, wie dies im Kanon 1325, par. 2, ausdrücklich verlangt wird;
denn sie werden unter dem Banner des "Progressivismus" begangen, d.h.
sie sind absichtliche Abweichungen von den "alten" Glaubenslehren.
Hinsichtlich Paul VI. (G.B. Montini), der für die meisten
"Traditionalisten" immer noch der "Heilige Vater" ist, möchte ich noch
den erschwerenden Umstand anfügen, daß er bereits als Erzbischof von
Mailand in der Öffentlichkeit häretische und apostatische Aussagen
machte, wie ich in meinem Aufsatz Nr. 21 vom 23. September 1967
nachgewiesen habe. Aus diesem Grunde war er kein wahlfähiger Kandidat
für die päpstliche Würde und wurde nie ein legitimer Papst. Diese
Beweisführung ist sogar der Gegenstand eines kanonischen Gesetzes, das
im Jahre 1559 durch Papst Paul IV.(1555-1559) erlassen wurde, wie ich
später entdeckte**) und in meinem Aufsatz Nr. 56 vom 11. Mai 1972
nachwies.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch anfügen, daß sich die
"Traditionalisten" grundsätzlich täuschen, wenn sie den hl. Robert
Bellarmine zur Verteidigung ihres Standpunktes anführen, daß sie einer
häretischen oder apostatischen Hierarchie einfach den Gehorsam
verweigern können ohne gleichzeitig ihre Jurisdiktion herauszufordern
und sich ihr zu entziehen. Denn in der vorher angegebenen Urkunde rät
der hl. Bellarmine zum Umgehorsam nur im Falle einer legitimen
Hierarchie, aber er ist ein kompromißloser Verteidiger des Grundsatzes,
daß ein häretischer Papst "ipso facto", also automatisch sein
Pontifikat verliert, da er in keiner Weise mehr ein Mitglied der Kirche
ist.***) Der Standpunkt des hl. Bellarmine ist deshalb in völliger
Übereinstimmung mit dem obenzitierten Kanon 2314, par. 1.1. CIC.
Anmerkungen:
*) d.h. einschließlich eines "Lieblings" der "Traditionalisten", des
brasilianischen, regierenden Bischofs de Castro Mayer, der trotz seiner
Verteidigung der lateinischen, tridentinischen Messe auch positiv die
Worte "für alle Menschen" in den Wandlungsworten verteidigt, wie der
Autor dieses Aufsatzes beweisen konnte.
**) in einem Aufsatz von Michael Wildfeuer,der in EINSICHT vom Mai 1972 veröffentlicht wurde.
***) St. Robert Bellarmine, "De Rom. Pont.", lib. II, cap.3o, Seite 42o.'
Der zweite, grundsätzliche Irrtum der "Traditionalisten" besteht in
ihrem festen Glauben, daß die Abweichungen von der katholischen
Glaubenslehre, die die gegenwärtige "katholische" Kirchenorganisation
verseucht haben, wieder rückgängig gemacht werden können und daß der
echte, katholische Glaube in dieser Organisation wieder hergestellt
werden kann. Die "Traditionalisten" geben zwar zu, daß die, in dieser
Organisation eingeführten Änderungen einen protestantischen Charakter
haben, insbesondere insoweit als -der Novus Ordo Missae in Betracht
kommt. Aber ihr Irrtum besteht darin - und in dieser Beziehung
wiederholen sie die dogmatisch fehlerhafte Einschätzung-,daß sie den
Protestantismus als eine, wieder rückgängig zu machende Häresie
betrachten, die wahre Natur des Protestantismus nicht erkennen, nämlich
seine menschbezogene Moral, die, wie bereits früher gezeigt wurde, dem
Menschen erlaubt, nach seiner gefallenen Natur durch
gewohnheitsmäßiges, unbußfertiges Sündigen zu leben, und deshalb eine
nicht rückgängig zu machende, der Hölle verschriebene Apostasie
darstellt. Als Folge ihrer falschen Einschätzung des Protestantismus
sind die "Traditionalisten" dazu geneigt, hauptsächlich die dogmatische
und liturgische Seite des Protestantisierungsprozesses in der
gegenwärtigen, "katholischen" Kirchenorganisation zu sehen, z.B. den
Novus Ordo Missae. Aber sie übersehen dabei die Tatsache, daß der
Protestantisierungsprozeß in der "katholischen" Kirchenorganisation
auch seine moralischer. Wirkungen hervorbrachte und zwar in einem
solchen Ausmaß, daß apostatisches, gewohnheitsmäßiges, unbußfertiges
Sündigen wie z.B. künstliche Geburtenverhütung, Ehescheidung und
Wiederverheiratung und unsittliche Kleidung, in der gegenwärtigen
"katholischen" Kirchenorganisation praktisch das gleiche Ausmaß
erreicht hat wie im Protestantismus. Da apostatische Moral, d.h. die
Zurückweisung des Erlösungswerkes Christi zu den, von Gott gesetzten
Bedingungen, in der gegenwärtigen, "katholischen" Kirchenorganisation
einen Grad erreicht hat, bei dem es kein Zurück mehr gibt, hat die
Erwartung ihrer Rückkehr zum wahren katholischen Glauben keine
Grundlage in der Wirklichkeit mehr. Hier liegt die gleiche Situation
vor, die dafür verantwortlich ist, daß, wie bereits früher erwähnt,
niemals eine protestantische Sekte als Sekte zum katholischen Glauben
zurückkehrte. Unter diesem Umständen sind alle Versuche der
"Traditionalisten", die Behörden der gegenwärtigen Kirchenorganisation
durch dogmatische und historische Beweisführung davon zu überzeugen,
daß ihr gegenwärtiger Kurs eine Abweichung von unveränderlichen,
katholischen Wahrheiten ist, ganz und gar zwecklos. Denn diese Behörden
wissen dies bereits recht gut, aber es macht keinen Eindruck auf sie;
denn es ist das Resultat ihrer bewußten "Modernisierung" der Kirche,
die von menschenbezogenem Fortschritt und menschbezogener Moral
geleitet ist.
Bei dieser Sachlage ist die Gewohnheit der "Traditionalisten" die
gegenwärtige Kirchenlage auf die gleiche Stufe wie die Kirchlage unter
der arianischen Häresie zu stellen, und dementsprechend den
"traditionalistischen" Kämpfern für katholische Rechtgläubigkeit die
Ehren eines hl. Athanasius zuzuerkennen, ganz und gar unangebracht.
Denn, wie bereits früher erwähnt, bekannte sich der Arianismus trotz
der Schwere seiner Glaubensabweichung zu Gottbezogenheit und
gottbezogener Moral und war deshalb nur eine rückgängigzumachende,
christliche Häresie, während die gegenwärtige "katholische"
Kirchenorganisation eine apostatische, protestantische Sekte ist, die
nicht einmal ein Athanasius zum wahren Glauben zurückbekehren könnte.
Nicht einmal der fromme Glaube der "Traditionalisten", daß sie bei
ihren Versuchen, die gegenwärtige, "katholische" Kirchenorganisation
zurückzubekehren, die Hilfe Gottes haben werden, wird in Erfüllung
gehen; denn ihr Glaube ist unzulässige Vermessenheit, wie katholische
Glaubenslehre und historisches und biblisches Zeugnis beweisen. Denn
Gott mischt sich normalerweise nicht ein, wenn der freie Wille des
Menschen sich positiv Gottes Gnaden in einer apostatischen Weise
widersetzt, wie dies bei gewohnheitsmäßigem, unbußferigem Sündigen der
Fall ist. Ein Beweis dafür ist die Rolle Gottes in der Geschichte'
Seiner Kirche: Der christliche Glaube wurde, wie bereits erwähnt, in
der heidnischen Welt mit Gottes Hilfe in einer, ans Wunderbare
grenzenden Schnelligkeit verbreitet. Der Grund dafür war, daß die
Heiden ihre ursprüngliche Gottbezogenheit und ihre Anhänglichkeit zu
gottbezogener Moral zum mindesten wesenhaft beibehalten hatten und
deshalb würdig und empfänglich für Christi Erlösungswerk waren. Das
Gleiche gilt, mutatis mutandis, für die Häretiker. Andererseits
verhinderte Gott nicht, daß die protestantischen Apostaten von der
Kirche abfielen und Apostasie über die ganze Welt verbreiteten, in
demifeine protestantische Sekte als Sekte zum wahren katholischen
Glauben zurückkehrte. Gott intervenierte unter den Apostaten zugunsten
Seiner Kirche selbst dann nicht, als diese schließlich durch die
apostatischen Kräfte in eine hoffnungslose Minderheitsstellung gedrängt
wurde. Daß Gott unter den Apostaten nicht einmal in der Zeit
unmittelbar vor der Zweiten Niederkunft Christi zugunsten Seiner Kirche
sich einmischen wird, nachdem sie fast vollständig von Ihm abgefallen
ist, ist sicher nach Christi eigenen Worten in der bereits wiederholt
angeführten Stelle in Lukas 18:8
"Allein wird der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf Erden finden?" gesagt.
Dementsprechend betet die Kirche in ihren feierlichen
Karfreitags-Fürbitten pro haereticis et schismaticis, pro perfidis
Judaeis und pro paganis, aber nicht für die Bekehrung der Apostaten und
nicht, wenn ich meine Beweisführung zu ihrem aufschlußreichen Extrem
führen darf, für den Teufel und seine Helfershelfer.
Der folgenschwerste Irrtum der "Traditionalisten" besteht in ihrer
offensichtlichen Blindheit für die eschatologische Lage unserer Zeit.
Sie glauben natürlich, daß letztendlich die Vernichtung der Menschheit
kommen wird; denn sie ist in der Heiligen Schrift klar vorausgesagt;
aber sie sehen nicht klar den, den Zeitpunkt dieser Vernichtung
bestimmenden Faktor. Sie haben sicherlich im Zusammenhang mit der
ersten Frage des Katechismus gelernt, daß die Menschheit zur größeren
Ehre Gottes geschaffen wurde, die durch den Gehorsam gegenüber den
Geboten Gottes verwirklicht und durch ewige Seligkeit belohnt wird,
aber sie sehen nicht klar, daß als Folge des Grundes der Erschaffung
der Menschheit ihre Vernichtung kommen muß, nachdem sie von
gottbezogener
Moral abgefallen ist. Die "Traditionalisten" wissen natürlich, daß
Christus durch Sein Erlösungswerk die, infolge der Erbsünde moralisch
stolpernde Menschheit mit den sakramentalen Gnaden versehen hat, die
für die Befolgung der Gebote Gottes und für ihr Seelenheil notwendig
sind und daß Christus seiner Kirche, indem er ihr die Verteilung seiner
Erlösungs- und Heilsgnaden anvertraute, ihr den weltweiten Auftrag
gegeben hat, durch die Förderung der Befolgung der Gebote Gottes die
Ehre Gottes zu fördern. Wie die "Traditionalisten" sicherlich ebenfalls
wissen, erfüllte die Kirche ihren göttlichen Auftrag, indem sie den
christlichen Glauben erfolgreich bis zu den damals bekannten Grenzen
der Erde trotz Häresien und Schismen verbreitete bis sie weltweite,
geistige Herrschaft im dreizehnten Jahrhundert erreichte. Aber was die
"Traditionalisten" offensichtlich nicht sehen, ist die bereits oben
auseinandergesetzte Tatsache, daß zu Beginn des sechzehnten
Jahrhunderts, in derselben katholischen Kirche als Folge
weitverbreiteter äußerster Unsittlichkeit ihrer priesterlichen und
hierarchischen Mitglieder, die Apostasie der Menschheit von ihrem
obenangeführten, von Gott bestimmten Schöpfungszweck zu menschbezogener
Moral mit der protestantischen Revolution ihren Anfang nahm und
schließlich, nach der Apostasie des größten Teils der katholischen
Kirche in der Ära nach dem Zweiten Vaticanum, in einer praktisch
universalen, der Hölle verschriebenen Apostasie der Menschheit endete.
Dies ist unsere gegenwärtige, vom hl. Paulus in 2 Thess. 2:3
beschriebene Lage. Sie hat das letzte, ihrer Vernichtung vorhergehende
Stadium der Menschheit eingeleitet, die Zeit, in der der katholische
Glaube und die Kirche Christi nur noch in sehr wenigen, weit
zerstreuten Menschen fortleben, wie dies in der, schon mehrmals
angeführten Vorhersage Christi in Lukas 18:8 angedeutet ist.
"Allein wird der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf Erden finden?"
Wie gezeigt wurde, ist der vorhergehende Beweis des eschatologischen
Charakters unserer Zeit in einem umfassenden Ausmaß durch Logik,
katholische Glaubenslehre, kanonisches Recht und Vorhersagen der
Heiligen Schrift, die größtenteils die eigenen Worte Christi anführen,
gestützt und ist dramatisiert durch die fürchterliche Wirklichkeit der
Nuklearbedrohung der Menschheit. Im Lichte dieser Beweisführung erweist
sich eine Lieblingsvorstellung der "Traditionalisten" als ein
Hirngespinst, nämlich die Vorstellung, daß die katholische Kirche als
eine Riesenorganisation bis zum Zeitenende fortbestehen wird. Durch ihr
Festhalten an dieser Vorstellung wollen sie offensichtlich die Stärke
ihres katholischen Glaubens und insbesondere ihren starken Glauben an
Christi Worte in Matth. 16:18 beweisen:
"Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen, und
die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen" und lehnen eine
eschatologische Deutung unserer Zeit, in der die katholische Kirche
eine unendlich kleine Einheit geworden ist, von vorneherein ab. In
ihrer geistigen Blindheit sehen sie gar nicht, daß die Worte Christi in
Matth. 16:18 nur das Fortbestehen Seiner Kirche bis zum Zeitende
garantieren, aber nicht das geringste Anzeichen dafür enthalten,
welchen Umfang Seine Kirche zu diesem Zeitpunkt haben wird, und daß die
Tatsache, das die Kirche am Ende der Zeiten nur noch aus einer
außerordentlich kleinen Anzahl von Gläubigen bestehen wird, von
Christus ausdrücklich in Lukas 18:8 vorausgesagt ist.
Das eben auseinandergesetzte Hirngespinst der "Traditionalisten", das
teilweise durch persönliche Interessen unterstützt wird, ist auch ein
Grund, der die "Traditionalsiten" und insbesondere die
"traditionalistischen" Priester daran hindert zu sehen und zu glauben,
daß die ganze katholische Kirchenorganisation eine apostatische,
protestantische Sekte geworden ist und sie sogar den dogmatischen und
kirchenrechtlichen Unsinn glauben läßt, daß die apostatische Hierarchie
dieser Organisation immer noch die legitime Hierarchie der wahren,
katholischen Kirche ist.
Als Folge ihrer oben erläuterten, grundsätzlichen Irrtümer, wären die
Anstrengungen der "Traditionalisten", die gegenwärtige
"katholischen"Kirchenorganisation durch Aktionen "von innen her" zum
wahren Glauben zurückzubringen, selbst unter der Voraussetzung
vollkommen vergeblich, daß ihren Beschwerden von dieser
Kirchenorganisation ein angemessenes Gehör geschenkt würde. Aber die
vereinzelten "Briefe", die von den "Traditionalisten" an den "Heiligen
Vater" gerichtet wurden, wurden einfach ignoriert, ebenso die von ihnen
inszenierten Rom-Pilgerfahrten. Die jüngsten Pilgerfahrten wurden sogar
von der Presse ignoriert. Die persönliche Gegenüberstellung mit Paul
VI., die von dem französischen, "traditionalistischen" Priester Georges
de Nantes gesucht wurde, endete in einer Polizeiaktion, die
literarischen Proteste des französischen "traditionalistischen"
Priesters Louis Coache endetenmit seiner Unterwerfung unter das
Vatikan-Urteil seiner Entfernung als Pfarrer von Montjavoult und der
angriffslustige Aufsatz des früheren Bischofs von Tulle (Frankreich),
Mgr. Marcel Lefebvre, "Oui à la Rome éternelle - Non à la Rome
moderniste" (Ja zum ewigen Rom - Nein zum modernistischen Rom), der am
15. Januar 1975 in der, von Jean Madiran herausgegebenen, französischen
Zeitschrift "Itinéraires" erschien, endete mit dem, von Paul VI.
unterstützten vatikanischen Urteil vom 6. Mai 1975, das Mgr. Lefebvre
gebot, seine Priesterbruderschaft einzustellen und sein Seminar in
Econe (Schweiz) und seine anderen Häuser zu schließen.
Die Wiederbekehrungsanstrengungen der "Traditionalisten" sind
größtenteils nur Wunschträume, die ihren Ausdruck in Aufsätzen, die nur
von "Traditionalisten" gelesen werden, und in anderen internen
Tätigkeiten finden.
In Betonung der äußersten Zwecklosigkeit der "traditionalistischen"
Anstrengungen kann man wohl ohne irgendwelche Übertreibung sagen, daß
noch nie auch nur ein einziges apostatisches Mitglied der
apostatischen, "katholischen" Kirchenorganisation als Folge der
"traditionalistischen" Anstrengungen zum wahren, katholischen Glauben
zurückgekehrt ist.
Anderseits können die "Traditionalisten" nicht genug davor gewarnt
werden, daß ihr Verbleiben in der apostatischen "katholischen"
Kirchenorganisation ernste Gefahren für ihr eigenes Seelenheil mit sich
bringt. Denn bei ihren zwecklosen Versuchen, diese Kirchenorganisation
zum wahren Glauben zurückzubringen, laufen sie Gefahr, unheilvolle
Kompromisse in Glaubenssachen in der gleichen Weise zu schließen, wie
dies die Vor-Vatikan II-Kirche in ihren "ökumenischen" Anstrengungen
tat, die protestantischen Sekten zum Katholizismus zu bekehren,
Anstrengungen, die mit ihrer eigenen Bekehrung zum Protestantismus
endeten. Solch ein unheilvoller Kompromiß wurde bereits von den
"traditionalistischen" Gruppen eingegangen, die zwar die lateinische,
tridentinische Messe bevorzugen, aber auch die Gültigkeit des Novus
Ordo Missae unmittelbar oder in verschleierter Form anerkennen. Zu
diesen Gruppen gehören die "Traditionalisten" unter der Führung Mgr.
Marcel Lefebvres. Ein anderer solcher Kompromiß, der beinahe von allen
"Traditionalisten" eingegangen wird, ist die Tatsache, daß sie die
Legitimität der Hierarchie der gegenwärtigen, "katholischen"
Kirchenorganisation anerkennen, obwohl sie diese offenkundiger Häresien
anklagen. Derselbe Kompromiß wird begangen, wenn "traditionalistische"
Priester im Kanon ihrer lateinischen, tridentinischen Messe für "famulo
tuo Papa nostro Paulo" und für den örtlichen "katholischen" Bischof
beten, wie +eine Untersuchung von Tonbändern tridentinischer Messen
erweist.
Der Grund dafür, daß die klerikalen Führer "traditionalistischer"
Gruppen überhaupt Anhänger finden, ist weniger das Interesse dieser
Anhänger an der Rückbekehrung der gegenwärtigen, "katholischen"
Kirchenorganisation als ihre Erwartung, durch die priesterlichen
Funktionen dieser Führer eine Gelegenheit zu erhalten, gültigen
tridentinischen Messen beizuwohnen und gültige Sakramente zu empfangen.
Leider muß jedoch aus Gründen der Glaubenslehre und des kanonischen
Rechtes angenommen werden, daß diese Erwartung nicht notwendigerweise
berechtigt ist. Z.B. sind die lateinischen, tridentinischen Messen, die
von "traditionalistischen" Priestern zelebriert werden, die auch die
Gültigkeit des Novus Ordo Missae anerkennen, selbst wenn dies nur für
seine lateinische Form zutrifft, selbstverständlich ungültig wegen des
Vorliegens einer falschen Intention - in Übereinstimmung mit der
Ungültigkeitserklärung der anglikanischen Ordinationen durch die
Enzyklika "Apostolicae Curae" Papst Leos XIII.(1896) (Denzinger
1963-1966).*) Sogar die Verdienstlichkeit der priesterlichen Funktionen
von solchen "traditionalistischen" Priestern, die gültig geweiht sind
und nur die Gültigkeit der lateinischen, tridentinischen Messe
anerkennen, ist in vielen Fällen zweifelhaft. Denn priesterliche
Funktionen können natürlich erlaubterweise nur im Rahmen der wahren,
katholischen Kirche ausgeübt werden, die gegenwärtig nur durch die
katholische Restkirche vertreten wird, aber nicht in der apostatischen,
"katholischen" Kirchenorganisation. Deshalb sind "traditionalistische"
Priester, die sich noch als Priester der gegenwärtigen, "katholischen"
Kirchenorganisation betrachten, exkommunizierte und deshalb
suspendierte Priester, deren priesterliche Handlungen nach Kanon 2264
CIC unerlaubt sind. Dies bedeutet, daß ihnen z.B. auch die Zelebrierung
lateinischer Messen unter schwerer Sünde verboten ist, und daß es auch
schwer sündhaft für die Gläubigen ist, solchen Messen beizuwohnen, wenn
sie nicht durch Unkenntnis entschuldigt sind (Siehe St. Thomas von
Aquin, Summa Theologica, Teil III, Frage 64, Artikel 6, Antwort auf
Einwand 2, und Artikel lo, Antwort auf Einwand 3).
(...) Die Laien-Mitglieder der "traditionalistischen" Gruppen waren
natürlich ursprünglich wahre Katholiken, die nicht an der großen
Apostasie ihrer Kirche teilgenommen hatten und sich bereits geistig von
der apostatischen, "katholischen" Kirchenorganisation getrennt hatten.
Bezüglich Kirchenzugehörigkeit waren sie deshalb bereits Mitglieder der
katholischen Restkirche. Von einem metaphysischen Standpunkt aus
gesehen müssen deshalb die klerikalen Führer der "traditionalistischen"
Gruppen, die diese wahren Katholiken wieder in die Einflußspäre der
apostatischen, "katholischen" Kirchenorganisation zurücklockten, als
die unfreiwilligen Instrumente Satans in seiner Absicht betrachtet
werden, auch die katholische Restkirche zu zerstören. Diese kann
deshalb nur organisiert werden, nachdem der Einfluß der
"traditionalistischen"" klerikalen Führer auf die verbliebenen wahren
Katholiken ausgeschaltet oder zurückgedrängt ist.
b. Christi Vorhersagen über Seine Restkirche
Satan wird es nicht gelingen, Christi Kirche vollständig auszulöschen.
Denn wir haben als Garantie die bereits angeführten Worte Christi in
Matth. 18:18:
"Die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen."
Aber daß diese Kirche in der Endzeit entgegen den Illusionen der
"Traditionalisten" nur eine außerordentlich kleine Anzahl weit
zerstreuter Mitglieder umfassen wird, ist ebenfalls sicher aufgrund der
Worte des gleichen Christus in der immer wieder angeführten Stelle in
Lukas 18:8:
"Allein wird der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf Erden finden?"
Diese Voraussagen Christi sind ein Unterpfand dafür, daß auch die
gegenwärtigen Machenschaften der "traditionalistischen" klerikalen
Führer letztendlich die Organisierung der übriggebliebenen, wahren
Katholiken nicht hintertreiben können.
*) Anmerkung der Red.: D.h.,
wenn sie die für den sog. 'N.O.M.' offiziell festgelegte Mahl-Intention
bei der Feier der trid. Messe bewußt unterlegen. In vielen Fällen
handeln aber gerade ältere Priester einfach so, daß sie leider die
Frage der Gültigkeit des sog. 'M.O.M.' und der Rechtmäßigkeit des
'Papstes' aus Bequemlichkeit oder Altersschwäche ausklammern, d.h. aber
dann, daß sie bei ihrer Meßfeier auch nicht die falsche Intention
haben, denn diese falsche kennen sie zumeist gar nicht.
c. Der gegenwärtige, unorganisierte Zustand der katholischen Restkirche
Da aus den obenangegebenen Gründen die "traditionalistischen"
Organisationen nicht als Organisationen der katholischen Restkirche
betrachtet werden können und nicht einmal als solche betrachtet werden
wollen, existiert diese Restkirche, wie ich bereits in meinem Aufsatz
Nr. 61 auf den Seiten 23 und 24 bemerkt habe, gegenwärtig nur in den
sehr wenigen Katholiken, die, wie der Autor dieses Aufsatzes, während
der grossen Apostasie nicht von ihrem Glauben abgefallen sind. Sie
bestehen beinahe ausschließlich aus Laien und haben bis jetzt keinerlei
kirchliche Organisation, da alle regierenden Bischöfe ohne irgend eine
Ausnahme abgefallen sind und praktisch alle der wenigen konservativen
Priester in der apostasierenden katholischen Kirchenorganisation
verblieben sind und, soweit sie ihre konservative Haltung öffentlich
zum Ausdruck bringen, "traditionalistische" Priester geworden sind.
Infolgedessen sind den wenigen, übriggebliebenen, wahren Katholiken nur
in sehr wenigen Ausnahmefällen gültige Messen zugänglich und auch in
diesen Fällen handelt es sich meistens nur um, von den
"traditionalistischen", der apostatischen, "katholischen"
Kirchenorganisation angehörigen Priestern zelebrierte, lateinische,
tridentinische Messen, deren seelsorglich zweifelhafte Fruchtbarkeit
bereits oben auseinandergesetzt wurde.
Es gibt ziemlich verläßliche Anhaltspunkte dafür, daß der Prozentsatz
der übriggebliebenen, rechtgläubigen Katholiken zwischen 1 % und 0,1 %
der Mitgliederzahl der apostatischen, "katholischen"
Kirchenorganisation liegt. Wenn letztere mit 5oo.ooo.ooo und der
Prozentsatz der übriggebliebenen, rechtgläubigen Katholiken in erster
Annäherung mit o,3 % angenommen wird, so beträgt die Gesamtzahl der
rechtgläubigen Katholiken auf Erden 1.5oo.ooo, d.h. es ist
kein-vernachläßigbarer Betrag in absoluten Zahlen; denn er deutet an,
daß z.B. in einer Diözese von 3ooooo "Kathdiken wie die von Rochester,
New York, in der der Autor dieses Aufsatzes lebt, wahrscheinlich etwa
900 rechtgläubige Katholiken vorhanden sind, die im Interesse ihres
Seelenheiles begierig auf eine rechtgläubig-katholische Seelsorge
warten. Die Wiederherstellung der, gegenwärtig durch die Verheerungen
der "großen Apostasie" unterdrückten seelsorglichen Funktionen der
katholischen Kirche für die treugebliebenen Katholiken ist deshalb eine
gebieterische Notwendigkeit geworden und die "konservativen" Priester,
die bis jetzt immer noch in der apostatischen, "katholischen"
Kirchenorganisation verblieben sind, sind hiermit aufgerufen, die
apostatische Kirchenorganisation zu verlassen und im Aufbau der
Seelsorge der katholischen Restkirche ihre unumgänglich notwendige
Rolle zu spielen.
Andererseits kann nicht genug betont werden, daß aus den bereits
genannten Gründen und in Übereinstimmung mit den biblischen Voraussagen
nicht erwartet werden kann, daß die winzige Anzahl der
übriggebliebenen, rechtgläubigen Katholiken erheblich vermehrt werden
kann oder daß sie den Keim für eine Rückbekehrung der apostatischen,
"katholischen" Kirchenorganisation bilden kann. Ganz im Gegenteil muß
angenommen werden, daß ihre Zahl zurückgehen wird, wenn sie nicht in
naher Zukunft mit einer regelmäßigen, rechtgläubig-katholischen
Seelsorge versehen werden.
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