WAS BEDEUTET EINE VON DEN BISCHÖFEN AUF DER EBENE
DER DIÖZESE FESTGESETZTE KOEXISTENZ
DER VOR- UND NACHKONZILIAREN RITEN?
von
Reinhard Lauth
Erzbischof Lefebvre hat in seinem Rundschreiben Nr.16 an die Freunde
und Wohltäter seiner Seminarien seinen eigenen Brief anWojtyla (von ihm
tituliert: "Heiliger Vater") vom 24. Dez. 1978 zitiert, in dem er unter
anderem schrieb: "Wir bitten Sie inständig, als Nachfolger Petri und
als Hirte der gesamten Kirche den Bischöfen (...) zu sagen: 'Wir
genehmigen die freie Ausübung der tridentinischen Messe '. (...) Die
Bischöfe würden Orte und Zeiten festsetzen (...) Die Einheit würde sich
augenblicklich auf der Ebene der Diözese wiederherstellen." Ungefähr im
gleichen Zeitraum schrieb Mgr. Lefebvre an von Saventhem: "Für die
universale Kirche wünsche ich (...) die friedliche Koexistenz vor- und
nachkonziliarer Riten. Die Priester (...) könnten dann die 'Ritenart'
wählen, der sie vorzugsweise beiwohnen (sie!) wollen." (Brief vom 17.
Sept. 1976.)
Trotz wiederholter Aufforderung durch Priester und Laien, die auf die
schwerwiegenden Folgerungen, die aus diesen Äußerungen gezogen werden
müssen, hingewiesen haben, hat Mgr. Lefebvre diese Worte nicht
zurückgenommen oder revidiert. Er beharrt also bei der verlautbarten
Auffassung.
Man hat diese so zu deuten versucht, als ob Mgr. Lefebvre die
Wiederaufnahme der tridentinischen Meßpraxis in den katholischen
Gotteshäusern neben der Praxis des N.O.M. und zugleich mit dieser
anstrebe, ohne doch damit die Validität oder Unbedenklichkeit der
Wirkung des N.O.M. bestätigen zu wollen. Er sei vielmehr nurªfür eine
Taktik, die die unrechtmäßige und verderbliche neue Ritenart dulde, bis
die Mehrzahl der Gläubigen, durch die ihnen wieder zugängliche
tridentinische Messe mehr angezogen, selbst einen Wandel in der Kirche
herbeiführe.
Diese Ansicht ist aber unhaltbar. Um dies zu zeigen, berufe ich mich
nicht, wie viele, auf die berühmt gewordenen Worte Mgr. Lefebvres: "Von
diesem neuen Ordo Missae werde ich niemals behaupten, er sei häretisch;
ich werde niemals sagen, die nach ihm gefeierte Messe könne kein Opfer
sein." Denn ganz streng und wörtlich genommen besagen diese Worte nur,
daß Mgr. dies nicht sagen will und wird, nicht aber, daß er das
Gegenteil sagt. Der Satz:"Ich urteile nicht, daß der N.O.M. ungültig
ist", ist nicht identisch mit dem Satz: "Ich urteile, daß der N.O.M.
gültig (bzw. ungültig) ist". Mgr. Lefebvre hat sich also mit diesen
Worten wie mit so vielen anderen so ausgedrückt, daß man ihnen nichts
in der Frage Entscheidendes entnehmen kann.
Ich beziehe mich vielmehr ausschließlich auf die zu Anfang zitierten Äußerungen Mgr. Lefebvres
1. gegenüber Montini und
2. gegen von Saventhem.
"Die friedliche Koexistenz vor- und nachkonziliarer Riten", d.h. (u.a.)
der römischen sog. tridentinischen hl. Messe und des N.O.M., soll nicht
etwa durch spontanes Wirken von Priestern (und Bischöfen) herbeigeführt
werden - wobei dies vielleicht sogar im Sinne einer vorschriftswidrigen
Handlungsweise gemeint sein könnte. Sie soll, wie die aufgeführten
Worte Mgr. Lefebvres eindeutig sagen, auf Anordnung des Heiligen Vaters
an die Bischöfe hin amtlich realisiert werden. Mgr. Lefebvre sieht vor,
daß die Bischöfe auf das "Sagen" (die Anordnung) des "Heiligen Vaters"
hin "festsetzen", daß die "Ritenart" "vor- oder nachkonziliarer" Modi
von den Priestern "gewählt" werden dürfe. Analysieren wir diese
Vorstellung. Pater Guérard des Lauriers hat in seinen letzten,
theologisch hervorragenden Abhandlungen völlig klargemacht, daß die hl.
Messe im Auftrag der Kirche, und das ist im römisch-katholischen
Kirchenverständnis, im Auftrag des Papstes zelebriert wird. Ebendarum
sagt der Priester zu Beginn des Kanons: "offerimus una cum Papa N.N.".
Setzt man nun mit Mgr. Lefebvre voraus, daß Paul VI. bzw.- Johannes
Paul II. rechtmäßige Päpste sind (bzw. waren), so würde die
tridentinische Messe nach einer solchen Anordnung, wie Mgr. Lefebvre
sie von den Genannten verlangt, im Auftrage ebendieser gelesen.
Aber ebendies gilt auch vom N.O.M. Auch dieser würde im Auftrage der
genannten Päpste rechtsgültig gelesen. Ist der N.O.M. wirklich ein
Meßopfer, so ist er, da von einem wirklichen Papst angeordnet, auch
totsicher eine gültige Meßfeier, an der noch dazu der katholische
Gläubige allsonntäglich teilzunehmen verpflichtet ist.
Nun hat aber Mgr. Lefebvre selbst wörtlich am 6. März 1976 ausgerufen:
"Wie ist es möglich, daß Rom von uns verlangt, einen Kult anzunehmen,
der uns zum Protestantismus führt?" Andererseits sieht Mgr. Lefebvre
nach den oben zitierten Worten eindeutig vor, daß der (rechtmäßige) Hl.
Vater die Zelebration eines Kultes (neben der Zelebration der trid. hl.
Messe), der derjenige des N.O.M. ist, anordnet. Doch läßt sich dies
vereinigen, wenn man als die Meinung Lefebvres annimmt, daß der
rechtmäßige Papst rechtmäßig die Zelebration des (somit gültigen)
N.O.M. vorschreiben könne, obgleich dieser die Gläubigen zum
Protestantismus führt. Lassen wir diese merkwürdige Ansicht ruhig so
stehen; auf sie kommt es nicht an.
Entscheidend ist vielmehr bei dem allem, daß Mgr. Lefebvre dem N.O.M.
mit seinen Worten implizit unleugbar Validität zuerkannt hat. Dies
liegt logisch unausweichlich in seinen Äußerungen beschlossen. Mgr.
Lefebvre meint also und vertritt, die hl. (trid.) Messe und der N.O.M.
seien beide gültige hl. Messen und sollten simultan in der katholischen
Kirche gefeiert werden - im Auftrage des (rechtmäßigen) Papstes und auf
Anordnung der Bischöfe hin.
Dann kann aber von einer Rückeroberung unserer Kirchen durch die
alleingültige Hl. Messe durch die Traditionalisten als einem Programm
Econes nicht mehr gesprochen werden.
Will man aber annehmen, Mgr. Lefebvre nenne Montini und Wojtyla nur
(irreführend) "Heiliger Vater", anerkenne aber nicht, daß sie
rechtmäßige Päpste sind, so bedeutete das, daß er zu einem Betrug
aufforderte, um sein Ziel, die Wiedereinführung der hl. (trid.) Messe
zu erreichen. Denn der sog. "Heilige Vater" wäre dann garnicht
rechtmäßiger Papst, könnte infolgedessen nichts rechtmäßig anordnen,
und die Hl. Messe könnte gültig nicht in seinem Auftrag und in Einheit
mit seiner "Kirche" (una cum!) gelesen werden. Denn die bloße
Rückbeziehung auf den Auftrag dieses Oberhauptes stellte die
Rückbeziehung auf einen Apostaten dar, der das hl. Opfer zu einem
Vollzug in dessen Auftrag destinierte, wodurch es eben aufhörte, ein
von der Kirche Christi dargebrachtes Opfer zu sein. Die Aufforderung,
dies nun unter dem betrüglichen Anschein der Rechtsgültigkeit
nichtsdestoweniger zu vollziehen, kommt der Aufforderung gleich, mit
dem Heiligsten Schindluder zu treiben. Die hl. (trid.) Messe könnte so
vielleicht zum Zuge kommen, aber nur innerhalb einer häretischen
Glaubensgemeinschaft und im (freilich nichtssagenden) Auftrage von
deren Oberhaupt.
Mgr. Lefebvre hat sich jedoch mit seinem Vorschlag eben gerade an
Montini (und, da er dabei bleibt, nunmehr auch an Wojtyla) als
"Heiligen Vater" gewandt, diesen damit in foro externo (und dieses
entscheidet bei einer Handlung, die Lefebvre als Bischof öffentlich
vollzieht, allein - das forum internum könnte dabei immer zu seinen
Gunsten sprechen) als rechtmäßigen Papst anerkannt, somit als
rechtmäßig auch das, was er ex officio vertritt und durchführen läßt,
also auch die Häresien und schismatischen Akte dieses Mannes.
Man sage nicht, das Vorhandensein solcher Häresien und schismatischen
Akte gestehe Mgr. Lefebvre nicht zu. Am 6. März 1976 sagte er: "Wir
können dem hl. Vater in den Zielrichtungen des Konzils (...) und in
allem, was nach dem Konzil geschehen ist, nicht folgen." Und am 29.
Juli desselben Jahres: "Die Kirche, die derartige Irrtümer vertritt,
ist ineins schismatisch und häretisch. Diese Konzilskirche ist also
nicht katholisch." Da diese Kirche nichts vertritt, was nicht der Papst
vertritt (der allein in verbindlichen Glaubenssachen entscheidet), so
vertritt eben dieser "Papst" Häresien und verhält sich als
Schismatiker, "ist also nicht katholisch".
Die Schlußfolgerung ist eindeutig: Mgr.
Lefebvre anerkennt mit seinem zitierten Brief einen Papst Paul VI. als
rechtmäßiges Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche, und er wendet
sich an den also Anerkannten mit der Bitte um eine Amtshandlung, durch
die sowohl die hl. (trid.) Messe als auch der N.O.M. als zu
zelebrierende gültige hl. Messen durch die Kirche vorgeschrieben werden
sollen.
Es ergibt sich also eine doppelte Schlußfolgerung:
1.) Indem Mgr. Lefebvre um die amtliche
Anerkennung der hl. (trid.) Messe und des N.O.M. bittet, erkennt er dem
letzteren zu, gültige hl. Messe zu sein.
2.) Indem Mgr. Lefebvre Montini und Wojtyla als rechtmäßige Päpste um
diese Anordnung bittet, erkennt er an, daß die Reformkirche weder
häretisch noch schismatisch ist, und daß deren Oberhaupt berechtigt und
befugt war, den N.O.M. vorzuschreiben, der somit nicht häretisch sein
kann.
Nun kann man alle vier Schlußfolgerungen zurecht ziehen:
1. Folgerung: Ist Wojtyla als Oberhaupt der "sowohl schismatischen als
häretischen" Kirche selbst Schismatiker und Häretiker, so kann er die
hl. (trid.) Messe gar nicht rechtmäßig anordnen und wiedereinführen.
Eine derartige Aufforderung an ihn ist also unsinnig.
2. Folgerung: Ist Johannes Paul II. rechtmäßiger Papst, so muß man,
solange allein der N.O.M. von ihm als Meßopfer angeordnet ist, diesem
folgen.
3. Folgerung: Ist der N.O.M. ungültig, so kann er nur von einem
häretischen Expapst anstelle der gültigen trid. Messe angeordnet sein
(bzw. werden); dann kann ein solcher Häretiker aber auch garnicht
aufgefordert werden, "die friedliche Koexistenz vor- und
nachkonziliarer Riten" anzuordnen, weil er zu einer solchen Anordnung
de iure gar nicht mehr in der Lage ist.
4. Folgerung: Ist der N.O.M. gültig, dann ist seinetwegen das Oberhaupt
der Kirche, in der er zelebriert wird, nicht Expapst, sondern er ist
rechtmäßiges Oberhaupt geblieben. Als solches kann es aber die
Zelebration der trid. hl. Messe unterbinden und an deren Stelle den
N.O.M. zur alleinigen Ritenpraxis machen. Mgr. Lefebvre und die seinen
müssen dann gehorchen. Eben vor dieses Dilemma hat auch die röm.
Glaubenskongregation Mgr. Lefebvre gestellt. Seine Antwort lautete, er
wolle sich dazu im Augenblick nicht weiter äußern.
Folgerungen dieser Art sind unausweichlich, wenn man von den sich
widersprechenden Voraussetzungen Lefebvres ausgeht. Die Klügeren unter
den Traditionalisten (und wer ist heute nicht klüger als die anderen)
werden das taktisch sehr geschickt finden. Sie übersehen dabei oder
verbergen, daß diese Taktik ineins Vollzug der Häresie ist. Sie
bejubeln die Ingeniosität einer Operation, unter der der Patient
gestorben ist.
Was aber Mgr. Lefebvre betrifft, so vertritt er eindeutig eine
häretische Position, solange er seinen Vorschlag an Montini und seine
Wunschäußerung an von Saventhem nicht zurücknimmt. Wir sagen das nicht,
weil wir das geringste Verlangen danach hätten, jemanden zum Ketzer zu
stempeln. Wir sagen es, weil es uns um das Kostbarste geht, was die hl.
Kirche vollzieht: das gültige heilige Meßopfer.
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Pfarrer Hans MILCH in seinem Zirkular-Brief vom 27.8.1980:
"Es wäre ein Wunder, wenn der Teufel (damit meint er ohne
Zweifel uns; Anm.d.Red.) nicht gerade auch in den Reihen derer, die
treu bleiben und vor dem Gift des Modernismus nicht kapitulieren
wollen, sein Spiel treiben würde. Leider treibt er's mit viel
Raffinement und Erfolg! Gerade deshalb war es meine heilige Pflicht,
einen klaren Richtweiser zu nennen, dessen Denken und Handeln den
ewigen Linien katholischer Wahrheit und Weisheit sicher gemäß ist:
ERZBISCHOF LEFEBVRE. (Unterstreichungen von der Red.) In einer Zeit, da
die bestellten Wächter und Träger des Lehr- und Hirtenamtes sich
konstant und grundsätzlich ihrer Aufgaben entziehen, hat uns der Herr
in Seinem Erbarmen den großen Erzbischof als Leuchtturm und Wegmarke
der Orientierung gesandt. Dieses mein öffentliches Bekenntnis zum
Inbegriff des Katholischen in unserer Zeit, zum Erzbischof, hat meine
'Suspendierung' - die objektiv null und nichtig ist - zur Folge
gehabt."
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