"CHRISTUS IST UNS GEBOREN, KOMMT LASSET UNS ANBETEN"
(Aus der Weihnachtsmette)
von
H.H. Pfarrer Paul Schoonbroodt
"Als
mitternächtliches Schweigen das All umfing, und die Nacht in ihrem Lauf
des Weges Mitte erreichte, da kam Dein allmächtiges Wort, o Herr, vom
königlichen Thronsitz hernieder, alleluia."
(Aus der Liturgie vom Sonntag in der Oktav von Weihnachten.)
Die Menschwerdung des Gottessohnes, welcher in diesem
biblisch-liturgischen Text zum Ausdruck kommt, ist das erste der
Erlösungsgeheimnisse, dem wir uns in den drei Festkreisen des
Kirchenjahres zuwenden. Weihnachten ist der 1. Höhepunkt im Ablauf der
kirchlichen Feste. Sie alle haben ihre Bedeutung in sich, da sie uns
die Erlösungstaten Gottes in ihren einzelnen Phasen nahebringen. So
haben sie dann auch ihre Bedeutung für uns, da jedem einzelnen der
Erlösungsgeheimnisse eine besondere Gnadenkraft innewohnt, aus der wir
zu unserer Heiligung schöpfen können. Scheinbar kommt das
Weihnachtsfest bei der großen Mehrheit des Volkes gut an, wenn man
danach urteilt, wie Krippen, Christbäume, Weihnachtsbeleuchtung und
Weihnachtslieder die Geschäftigkeit der Menschen zu Hause und im
Berufsleben bestimmen. Und doch bleibt in den meisten Fällen dies alles
an der Oberfläche hängen, weil es nur dazu beiträgt, eine Art
Jahresendstimmung zu wecken. Das gegenseitige Beschenken schafft zwar
Wohlwollen, aber wieviele denken da an die Menschenfreundlichkeit des
Erlösers, der sich uns geschenkt hat und sich uns noch stets schenkt,
was wie durch kleine Gesten des Wohlwollens nachahmen wollen. Es kommt
also auf die rechte Gesinnung an. Geschieht alles auf der Ebene eines
gesellschaftlichen Konformismus, so ist es bei allem Aufwand doch
ziemlich ärmlich. Es bringt der Seele nichts und es wäre nicht
verwunderlich, wenn das Weihnachtsfest sich bei vielen zum heidnischen
Sonnenwendfest zurückentwickelte. Dieses Heidentum wäre dann schlimmer
als das Heidentum von vor zweitausend Jahren. Denn damals bestand die
allgemeine Erwartung des Messias bei den Juden oder wenigstens eines
neuen Zeitalters bei den Heiden. Dazu könnte man die überraschenden
Worte Vergils vom lächelnden Knaben anführen: "Incipe, parve, puer,
risu cognoscere matrem". (Eclogae 4)
Wenn aber Christen vom Glauben abfallen und zu Neuheiden werden, dann
hat die Fülle der Weissagungen wie die eines Propheten Isaias und die
gemeinsame Erwartung eines Gottesvolkes keinen Einfluß mehr. Jetzt hat
sich nämlich alles erfüllt, aber man weigert sich, Tatsachen zur
Kenntnis zu nehmen. Auch in diesem Falle denkt man an die Worte des
johanneischen Prologs: "Er kam in sein Eigentum, doch die Seinen nahmen
ihn nicht auf." Für diese armen Menschen wollen wir am Vigiltag von
Weihnachten mit der Kirche beten: "Gott, gib, daß wir, die wir deinen
Eingeborenen, den wir als Erlöser mit Freuden aufnehmen auch als den
kommenden Richter mit Zuversicht schauen, unsern Herrn Jesus Christus,
deinen Sohn."
Für den eifrigen Gläubigen wird der Inhalt dieses Festes vom Glauben
und vom liturgischen Geschehen der Kirche bestimmt. Er weiß, daß durch
den Sündenfall von Adam und Eva dem Menschen das Geschenk der
Gotteskindschaft verloren ging und daß die Schuld der Stammeltern als
Erbsünde auf alle Nachkommen außer auf Maria übergeht. Er erkennt, daß
die Erbsünde das größte Unglück für den Menschen ist, weil er dadurch
die Freundschaft Gottes verloren hat. Von dieser Tatsache ausgehend
erkennt er die Tragweite des Protoevangeliums aus dem 1. Buch der hl.
Schrift: "Ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibè,
zwischen deiner Nachkommenschaft und ihrer Nachkommenschaft: sie wird
dir den Kopf zertreten, und du wirst ihrer Ferse nachstellen." (Gen.
111,15). Er weiß um die Erfüllung dieser ersten Prophezeiung in Maria,
die uns den Gottessohn gebar.
Das ganze alte Testament mit seiner bewegten Geschichte des
auserwählten Volkes ist eine Hinführung zum Emmanuel, den die Völker
erwarteten. Auch läßt dieser Glaube sich nicht dadurch enttäuschen, daß
die Geburt des Friedensfürsten in einem kleinen, verachteten Volke
stattfinden sollte. So hat die göttliche Weisheit es angeordnet.
Er besitzt die Fähigkeit, vor der geheimnisvollen Vermählung zwischen
der göttlichen und menschlichen Natur des Christkindes bewundernd zu
staunen. Gottes Sohn wird Mensch ohne sein Gottsein zu verlieren. Er
wird unser Bruder und bleibt doch Gott. Er hat unter uns gewohnt, er
hat hier sein Zelt aufgeschlagen. Die Möglichkeit ist nun gegeben, die
Gotteskindschaft wiederzuerlangen und folglich den Himmel zu erreichen,
dessen Tore bislang verschlossen waren.
O wieviel Wunderbares auf beiden Seiten! Herablassung Gottes und
Adelung des Menschen! Und dies alles wurde möglich durch das
bedingungslose "Fiat" der allerseligsten Jungfrau Maria!
Auch in Maria war die göttliche Tugend des Glaubens am Werke. Gott
spricht zu ihr durch den Erzengel Gabriel und sie glaubt seinem Worte.
Sie läßt den weiteren Verlauf ihres Lebens nach Gottes Willen
bestimmen. Ihre Hingabe an Gott in ihrer Jungfräulichkeit findet nun
ihre Bekrönung in der göttlichen Mutterschaft. So ist sie zweifach
gebenedeit unter den Weibern: einmal als Mutter des menschgewordenen
Gottessohnes und dann als Königin der Jungfrauen. Diese ihre Würde wird
sie vor Prüfungen nicht bewahren. Stellen wir uns vor, was die werdende
Mutter in der Seele empfinden mußte, wenn das Gerede der Menschen, und
gerade in einer sittlich-religiös streng genormten Gesellschaft,
Zweifel an ihrer Tugend aufkommen ließen, wo auch der hl. Joseph durch
heimliche Entlassung die peinliche Situation beendet hätte, wäre nicht
der Engel erschienen: "Joseph, fürchte dich nicht, Maria, dein Weib zu
dir zu nehmen, denn das Kind, das sie im Schöße trägt, stammt vom
Heiligen Geiste." (Matth. l,20) Nun wird auch ihm alles klar. Er weiß
sich nun als besonderes Werkzeug im Plane Gottes. Das "Fiat" seiner
Braut hat auch Folgen für ihn. Er wird seinen Weg im Dunkel des
Glaubens gehen, in der Zeit vor dem Ereignis der Geburt wie auch
danach. Tatkräftig und ohne zu klagen wird er nach der Herbergssuche
die letzte Möglichkeit für eine Unterkunft wahrgenommen haben. Ein
Stall in der Grotte zu Betlehem, ausgebreitetes Stroh als Bettlager für
die Mutter und die Krippe als 'Wiege' für das neugeborene Kindlein.
"Sie hüllte ihn in Windel und legte ihn in eine Krippe. (...) Und dies
soll euch zum Zeichen sein: ihr werdet ein Kindlein finden, in Windeln
eingewickelt und in einer-Krippe liegend." So steht es im Evangelium
des hl. Lukas. Die Beschreibung spricht für sich. Armut und Würde
zugleich! So soll das vermessene Wollen, soll die Habgier des Menschen
geheilt werden. Das Werk der Erlösung ist schon im Gange. Gott
entäußert sich freiwillig, um uns zu bereichern.
Es hat ihm gefallen, in der Armut des Stalles von Betlehem und in der
Schwäche des Kindleins seine Allmacht zu zeigen. Die letzte
provisorische Unterkunft, die noch in jenen Tagen in Betlehem übrig
blieb, wurde zum Himmel auf Erden, wo die Engel Gott dienen und wo der
Gottessohn nun auch als wahrer Mensch von seiner heiligen Mutter und
vom Pflegevater Joseph angebetet wurde. Der seit Jahrhunderten
angekündigt war und erwartet wurde, fand keine Aufnahme bei den
maßgeblichen Personen der Gesellschaft. Dafür besuchten ihn die
einfachen Leute des Volkes und als erste die Hirten, die das Kindlein
anbeteten. Die himmlische Musik der Engelschar auf den Fluren Betlehems
als Begleitung für die Verkündigung der Geburt auf Erden des
Gottessohnes steht im Kontrast zur Stille und Verborgenheit der
heiligen Familie im Stalle.
Jedes Jahr beeindrucken uns die Umstände bei der Geburt des Herrn aufs
neue. Beim Nachdenken über das Wirken Gottes in der Erlösung erkennen
wir immer besser eine Art Gesetzmäßigkeit. Er liebt es, die
Armut, das Kleine und das Schwache als Mittel für die Werke seiner
Allmacht zu gebrauchen. Da verstehen wir besser, wie er bei der
Vermittlung der Erlösungsgnaden durch die Worte und die Gewalt des
Priesters dem Sünder seine Unschuld wiedergeben kann und beim
heiligen Meßopfer seinen Leib und sein Blut als Opfergabe und als
Opferspeise bereiten kann. Was für die Sakramente zutrifft, mag
auch beim Wirken der göttlichen Vorsehung zu erkennen sein: das
Unscheinbare, die Bescheidenheit der Mittel im Leben der Heiligen
und der Kirche. Ob diese Erfahrungstatsache auch zur Annahme
berechtigt, daß die offizielle und bewußte Abkehr von der
Vergangenheit und der hl. Tradition der katholischen Kirche einen Weg
für die Rückkehr offenläßt? Das hoffen wir in übernatürlicher Hoffnung.
Es liegt in der Wundermacht des Jesuskindes. Unterdessen wollen wir dem
Christkind danken, weil es uns auch diesmal besuchen will,
obschon wir keine Ansprüche zu stellen haben. Öffnen wir ihm
unser Herz, bereiten wir dort eine Krippe. Bringen wir ihm die
Geschenke unserer gläubigen Anbetung und Liebe zum Heile der Seelen und
zur Wohlfahrt der katholischen Kirehe, die in den Herzen und in den
Gemeinschaften der Treugebliebenen weiterlebt.
In diesem Sinne segnet Sie, lieber Leser, der Verfasser dieser Zeilen.
Bei den Weihnachtsmessen wird er auch Ihre Anliegen miteinschließen.
gez.: Paul Schoonbroodt, Pfarrer
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