CHRISTUS NOVUM INSTITUIT PASCHA SE IPSUM AB ECCLESIA PER SACERDOTES SUB SIGNIS VISIBILIBUS IMMOLANDUM
von
H.H. Pater Guérard des Lauriers
(übers.: H.H. Pfr. Paul Schoonbroodt)
1 . Fortsetzung:
II. 3.) Der Auftrag "ab Ecclesia", wie er gewöhnlich bei jeder Feier
des Meßopfers bezeichnet und verwirklicht wird. Der Auftrag "ab
Ecclesia" wird in der Kirche als sichtbare Gemeinschaft verwirklicht,
dem Wesen der sinnfälligen Ordnung gemäß, d.h. sowohl im Wort als auch
in der Tat. Das wollen wir jetzt näher bestimmen.
a. Der Auftrag "ab Ecclesia" wird durch die Worte mitangedeutet, die
der Priester während des Kanons der Messe spricht. Wir machen folgende
Vorbemerkung: Zunächst gehören diese Worte zum Kanon (a-a); dann sind
die beiden Gedenken für die Lebenden, in deren Meinung das Opfer
dargebracht wird, unter sich qualitativ differenziert (a-b); danach
leiten wir über zur Beschreibung der wahren Tragweite (a-c).
a-a) Der Meßkanon und das Vorlesen der Inschrift auf den Tafeln
(Dyptika). Der Meßkanqn, dem die Präfation vorausgeht, erstreckt sich
vom Te igitur bis zum Amen nach dem Per ipsum. In früheren Zeiten las
der Priester während des Kanons die Namen der Personen ab, die auf dem
Täfeichen oder auf dem "Dyptika" geschrieben waren und für die das
Opfer dargebracht wurde. Es werden zwei Gedächtnisse verlesen. Eines
wird vor der Wandlung verlesen, weil es für die Lebenden ist, die ja an
der Darbringung des Opfers aktiv teilnehmen können. Das andere wird
nach der Wandlung verlesen, weil es die Verstorbenen betrifft, da diese
lediglich in der Lage sind, die Frucht des Opfers zu empfangen, nachdem
es vollzogen ist.
Das Gedächtnis der triumphierenden Kirche, durch die ersten Märtyrer
personifiziert, wird den Lebenden wie auch den Verstorbenen zugesellt.
Das Verlesen dieser zwei Gedächtnisse wird allgemein als eine
Unterbrechung des Kanons angesehen. Es muß jetzt festgestellt werden,
vro die Unterbrechung für das erste dieser Gedächtnisse beginnt.
Der Abschnitt "Te igitur ... haec sancta sacrificia illibata" leitet
den Kanon (oder die Regel für die Wandlung) ein. Die Abschnitte, welche
auf das Wort "illibata" folgen und vor dem Hanc igitur stehen, erwähnen
die physischen oder moralischen Personen, deren Teilnahme in die
Opferhandlung hineingenommen ist. Der dritte und letzte Abschnitt gilt
der triumphierenden Kirche:"Communicantes et memoriam venerantes ..."
Der zweite Abschnitt wird gewöhnlich das "Memento der Lebenden"
genannt: "Memento Domine...". In Wirklichkeit hat dieses Memento die
Aufmerksamkeit der Gläubigen zum Nachteil des ersten auf sich
konzentriert; so ist die Tragweite des ersteren vermenschlicht und
vermindert worden. "Diminutae sunt veritas a filiis hominum." (Ps.
11,2) Die Aussage in Bezug auf den Auftrag "ab Ecclesia" steht
allerdings im ersten Abschnitt: "in primis" (wie wir sehen werden -
a-c). Aus diesem Grund gilt es, das "In primis" bezüglich seiner
Bedeutung hinsichtlich des Kanons genau herauszustellen.
Wir behaupten also: das "In primis" ist Bestandteil des Kanons, während
das "Memento" und das "Communicantes" eine Unterbrechung darstellen.
Die entgegengesetzte Auffassung ist scheinbar nicht ganz
ausgeschlossen; denn das "In primis" erwähnt wie das "Memento" lebende
Gläubige, für die das Opfer dargebracht wird. Auch das Volksmissale von
Dom Lefebvre (1921) vereinigt unter einer Überschrift "Lesung der
Dyptika" das In primis und das Memento. Es handelt sich aber hier um
eine Art Nebeneinanderstellung; denn wir werden sehen (a-b), daß diese
beiden Kategorien von Gläubigen nicht in gleicher Weise von der
Opferfrucht betroffen werden. Um beide von einander zu unterscheiden,
gibt es auch noch einen zwingenden Grund: der liegt im Wesen des Opfers
selbst: Das Meßopfer hat nämlich Sühnecharakter. Es handelt sich hier
um ein eigenes Merkmal, dessen Bedeutung durch die heutige subversive
Infragestellung besser kundgetan wird. Wenn aber das Opfer von Natur
aus eine mitteilbare Frucht gibt, dann muß es für jede Opferfeier
gelten, daß gewisse Personen der Opferfrucht teilhaftig werden. Mit
anderen Worten: etwas kann nur vollkommen sein, wenn es den Forderungen
seines Wesens entspricht. So könnte eine gegebene Meßfeier von
rechtswegen "unvollkommen" sein - was aber nicht sein kann! -, wenn
kein Mensch eine Frucht daraus empfangen würde.
Das Te igitur enthält eine Darbringung und erbittet das Wohlgefallen.
So muß es also die Personen erwähnen, denen von rechtswegen durch das
Wesen des Opfers die übernatürliche Frucht, die mit dem göttlichen
Wohlgefallen gleichzeitig ist, notwendigerweise mitgeteilt wird. Das In
primis steht also nicht als Ergänzung zum Te igitur. Nein, es ist
notwendigerweise dessen Vollendung. Wir wiederholen es: weil das
Meßopfer von Natur aus Sühnecharakter hat.
Wir merken noch an, daß das In primis im "Pfarrgottesdienst" von
Solesmes (Ausgabe 1962) an das Te igitur anschließt (im Druck); das In
primis wird nur durch ein Komma von illibata getrennt. Desgleichen ist
das In primis durch einen Doppelpunkt von illibata getrennt im
römischen Kanon, wie er im Missale der Dominikaner festgesetzt ist.
Das In primis ist der Ruhepunkt nach dem Auftakt des Te igitur. Die
ganze Linie in der Einheit der Kontinuität muß erfaßt werden: "Nimm
wohlgefällig an ... diese Gaben ... diese makellosen Opfergaben
(illibata, in primis quae tibi offerimus . . . ) , wir bringen sie Dir
dar vor allem für ...". Das In primis ist also Bestandteil des Kanon
und insbesondere des Te igitur, dessen Abschluß es ist. Das Memento und
dann das Communicantes gelten indessen als eine Unterbrechung des
Kanons, der beim Hanc igitur wieder aufgegriffen wird.
a-b) Die Erwähnung der lebenden Gläubigen, die beim Te igitur und beim
Memento geschieht, ist bei jedem der beiden Gebete qualitativ
different. Der Unterschied wird durch den Vorgang und in Bezug auf die
Ausdehnung zum Ausdruck gebracht. Bevor nämlich der Priester
irgendwelche Personen einzeln nennt, betet er für die ganze streitende
Kirche: "(Diese Gaben, diese Geschenke, diese Opfergaben) bringen wir
Dir dar vor allem für Deine heilige katholische Kirche ... gleichzeitig
auch (una cum - in einem) für Deinen Diener, unsern Papst N, unsern
Bischof N (und unsern König N), und für alle, die den katholischen und
apostolischen Glauben fördern."
Dann erst erwähnt der Priester gegebenenfalls diese oder jene Person, insbesondere: "Memento Domine ..."
Nun aber unterscheiden sich die beiden Erwähnungen - die erste in Bezug
auf die ganze streitende Kirche wie auch auf Papst und Ortsbischof, die
zweite in Bezug auf diesen oder jenen "Diener" Gottes - nicht nur
hinsichtlich der Ausdehnung. Sie unterscheiden sich auch noch viel
tiefer durch die Art des Bittgebetes und dem entsprechend auch durch
die Tragweite, welche eine jede von ihnen bei der Opferhandlung hat.
Die Erwähnung einer bestimmten Person kann wegfallen; beim Memento der
Lebenden ist das der Fall, wenn die Messe für einen Verstorbenen
dargebracht wird. Sollte aber eine bestimmte Person genannt werden,
dann ist die Zuwendung der Frucht, die naturgemäß durch das Meßopfer
erlangt wird, für diese Person de congruo; sie bezieht sich nicht
formell auf die göttliche Gerechtigkeit - abgesehen natürlich von der
Zuwendung de condigno zugunsten dieser Person, wenn sie selbst aktiv an
der Darbringung des Opfers teilnimmt.
Hingegen ist die Erwähnung der ganzen Kirche und damit in eins des
Papstes und des Bischofs (des Ortes) wesentlicher Bestandteil des
Kanons. Folglich muß sie bei jeder Zelebration der Messe stattfinden.
Denn was vom Bräutigam ausgeht, muß von rechtswegen und no twend i ge
rwei s e und auch formell von der Gerechtigkeit her - die
Barmherzigkeit ist vorgegeben - für die Braut sein. Die von Christus
zugunsten der Kirche hinterlassene Opferfrucht muß der ganzen
streitenden Kirche zugewendet werden, d.h. der Kirche als solcher, wie
sie auf Erden besteht, also folglich auch dem Papste und dem Bischof
als sichtbaren Spitzen und Personifizierungen der Einheit der Kirche.
Bezüglich des Empfanges der Frucht finden wir wieder, was wir oben
(a-a) bemerkt haben für das Opfer, das sie hervorbringt. Der Bräutigam
bedarf der Braut auf geheimnisvolle Weise. Das ist der Schlüssel. Weil
das Opfer von Natur aus Sühnecharakter hat, muß auch dessen Frucht
zugewendet werden: das haben wir weiter oben dargelegt (a-a). Daraus
folgt: wenn das Opfer zugewendet wird, dann haben wir die Frucht auch
notwendigerweise mitgeteilt. Das wollen wir jetzt aufmerksam
betrachten. M.e.W.: die Opferfrucht Christi, die in einem auch die
Opferfrucht der Kirche ist, muß der ganzen Kirche und allen, die sie
hierarchisch verkörpern de condigno zugewendet werden. Andererseits
wird die gleiche Frucht einem bestimmten Glied Christi, das eigens
genannt wird, de congruo zugewendet.
a-c) Das Te igitur enthält in Wirklichkeit, objektiv - wenn auch einschlußweise - die Verkündigung des Auftrages "ab Ecclesia".
Wir haben nämlich soeben festgestellt, daß die Opferfrucht, welche der
ganzen Kirche von rechtswegen zugewendet wird, nach ihren Regeln der
Zuwendung eh de condigno-Verdienst verwirklicht. Daraus folgt auf Grund
"des Prinzips der Austauschbarkeit" (2,b-d), daß diese Zuwendung
zugunsten der Person selber geschieht, die das Opfer darbringt. Dafür
bitten, daß das Opfer für die ganze Kirche dargebracht werde und
gleichzeitig auch für den Papst und den Bischof, das bedeutet ein
Bitten von rechtswegen, damit die Frucht der ganzen Kirche und
gleichzeitig auch dem Papst und dem Bischof zugwendet werde. Durch eben
diese Tatsache wird festgehalten: das Meßopfer wird von der ganzen
Kirche und gleichzeitig auch vom Papst und vom Bischof dargebracht: in
Anbetracht dessen, daß die Zuwendung der Frucht rechtens und
notwendigerweise zugunsten der Person geschieht, die das Opfer
darbringt.
Wir wollen auf diesen Punkt näher eingehen. Wird der Papst und der
Bischof eigentlich durch das "una cum" der Kirche zugesellt, insofern
sie die Empfangende ist, und zwar insofern sie als erste (in primis)
die Opferfrucht empfängt? - Sicherlich! Aber auf Grund des
"Austauschprinzips" (2,b-d) sind Papst und Bischof auch (una cum) mit
dem Opfernden - "zusammen mit" uns, die wir darbringen. Das "offerimus"
bedeutet in einem, daß das Objekt auch das Subjekt ist. Geschieht
nämlich die Zuwendung der Frucht rechtens und notwendigerweise, d.h.
ist es ein de-condigno-Verdienst, dann empfängt der Opfernde, dann
opfert auch der Empfangende. Wenn dieser Priester und diese bestimmten
Gläubigen, die an diesem bestimmten Orte versammelt sind, die die Messe
an diesem Ort feiern, dann sind sie die Kirche an diesem Orte. Die
Frucht dieser Messe ist in primis FÜR die ganze heilige und katholische
Kirche, wie sie an diesem Orte verwirklicht ist. Folglich wird diese
bestimmte Messe auch DURCH die ganze heilige katholische Kirche, wie
sie an diesem Ort verwirklicht ist, dargebracht und zwar ipso facto
gemäß dem Austauschprinzip, welches im Opfer Christi verankert ist.
Nun aber könnte die Kirche, wie sie an diesem Ort verwirklicht ist,
dort nicht eins, nicht heilig, nicht katholisch sein, wenn sie nicht
una cum mit dem Bischof dieses Ortes, und folglich auch una cum mit dem
Papst, der als der Bischof von Rom auch vorrangig Bischof dieses Ortes
ist (Jurisdiktionsprimat! - durch das Vatikanum I definiert)
Daraus folgt, daß diese bestimmte Messe, die in primis FÜR die ganze
heilige, katholische Kirche dargebracht wird und folglich für den Papst
und für den Bischof, die an diesem Ort sozusagen mit der Kirche (wie
sie an diesem Ort verwirklicht ist) verbunden sind ... daraus folgt
also, daß diese Messe ipso facto VON der ganzen heiligen katholischen
Kirche dargebracht und folglich VOM Papst und VOM Bischof, die an
diesem Ort mit der Kirche (wie sie an diesem Ort verwirklicht ist)
verbunden sind, mitdargebracht wird. So weit reicht die erhabene Weite
des "ab Ecclesia"! Sie ist überzeitlich und universal zugleich! ("pro
Ecclesia sancta tua catholica"). Sie ist eine bestimmte und eine
persönliche! ("una cum famulo tuo Papa nostro N. et Antiste nostro N.1)
So ist es deutlich mitangegeben und in "Wirkung gesetzt" in jeder
einzelnen Zelebration, die nach dem echten Ordo Sacrificii Missae
genormz ist.
b. Der Auftrag "ab Ecclesia" ist bei jeder Messe in der Handlung
angedeutet durch die Zelebration, welche die des Papstes ist. b-a) Die
Gesetzmäßigkeit des "ab Ecclesia", wie sie in Worten angedeutet wird
(a), fordert natürlich auch auf Grund der Heiligkeit der Kirche, daß
die während des liturgischen Geschehens erklärten Worte ein Ausdruch
dessen seien, was durch und innerhalb derselben Liturgie tatsächlich
verwirklicht wird.
Der Auftrag "ab Ecclesia", der durch das "una cum Ecclesia" (a)
angedeutet ist als vom Oberhaupt der streitenden Kirche ausgehend, muß
darin bestehen, daß die tatsächlich zelebrierte Messe eben jene sein
soll, welche das Oberhaupt der Kirche zelebriert (1,2). Da jede Messe
durch die ganze Kirche dargebracht wird, durch die Kirche also solche
und gleichzeitig auch durch den Papst, darum stellt die Kirche als
solche fest, und zwar durch die Person des Papstes und mit ihm: "was
von mir ausgeht, das ist es auch, was ab Ecclesia ist".
b-b) Dieser konkrete Befehl von der Spitze her ist übrigens in der
Kirche auf hierarchischem Wege tatsächlich verwirklicht. Jeder Bischof
- indem er erklärt, in Gemeinschaft mit dem Papst zu stehen -
gewährleistet für sich selbst und für die ganze Diözese, der er
vorsteht, daß die in seinem Bistum angewendete liturgische Gesetzgebung
mit der römischen übereinstimmt. Die offiziell benutzten liturgischen
Bücher jedes Bistums sind übrigens mit einer römischen Approbierung
versehen. Diese weisen Vorschriften wären nichts anderes als ein
lächerlicher Formalismus, wenn ein bestimmter Bischof in seinem Bistum
einen Ordo missae duldete, der von dem des Papstes verschieden wäre.
Desgleichen bedeutet die feierliche Einführung des einzelnen Pfarrers
durch den zuständigen Bischof auf Grund des vorrangigen Gehorsams, daß
der Pfarrgottesdienst der Diözesangesetzgebung und folglich auch der
römischen Gesetzgebung entspricht. Diese Regelung wäre überflüssig,
wenn ein bestimmter Pfarrer sich erlauben könnte, eine Messe zu feiern,
die von der seines Bischofs abweichen würde. Schließlich muß ja auch
jeder Priester, der die Messe irgendwo feiert, wo er unbekannt ist, mit
einem Celebret versehen sein, das von seinem Ortsordinarius ausgestellt
ist. Dieses Celebret stellt ausdrücklich fest: dieser Priester fügt
sich den Gesetzesvorschriften dieses Ortsordinarius, und diese wiederum
entsprechen der römischen Gesetzgebung.
Daraus kann man ersehen, daß der Auftrag "ab Ecclesia" konkret und
gewöhnlich auf dem hierarchischen Wege von der Spitze her verwirklicht
ist. Die Messe, wie sie vom Papst zelebriert wird, ist in der
römisch-katholischen Kirche von rechtswegen die Norm für jede andere
Zelebration der Messe. So sieht also auf dem Gebiete der Praxis die
Verwirklichung der Lehre aus, wie sie auf dem Konzil von Trient
definiett wurde. Die Messe ist von rechtswegen ab Ecclesia, und, sie
muß es auch faktisch durch die Übereinstimmung mit der Messe des
Papstes sein. In seiner Person stellt nämlich die Kirche als solche
fest: was von mir ausgeht, das ist auch ab Ecclesia.
c. Wenn man einerseits den Auftrag "ab Ecclesia" andeutet und
andererseits die Person nennt, für die man Gott anfleht, die
Opferfrucht möge ihr zugewendet werden, so sind das zwei verschiedene
Dinge; sie dürfen nicht als identisch angesetzt werden.
Unterschied und Verwechslung dieser zwei Dinge. Daß beide vom Wesen her
verschieden sind, ist einleuchtend. Daß sie auch faktisch verschieden
sind, folgt aus der oben dargelegten Beweisführung (b). Der Auftrag "ab
Ecclesia" kommt in jeder Zelebration der Messe zur Geltung auf Grund
der Übereinstimmung dieser Messe mit jener, die der Papst zelebriert;
diese Übereinstimmung wird auf hierarchischem Wege sichergestellt.
Hingegen werden die Personen, für die man Gott bittet, Er möge ihnen
die Frucht der Messe zuwenden, im Laufe jeder Zelebration einzeln
genannt. Diesbezüglich haben beide Dinge nichts gemeinsam.
Indessen bleibt Mgr. Lefebvre noch immer bei der Verwechslung, die
darin besteht, "den Papst beim Te igitur zu nennen und für den Papst zu
beten". Nun aber handelt es sich hier nicht nur um eine schwerwiegende
Abweichung bezüglich der Lehre. Diese Verwechslung liegt aber auch am
Ursprung eines nachhaltigen Nicht-Begreifens. So ist es angebracht, den
Wahrheitskern freizulegen, wodurch dieses Nicht-Begreifen schanbar
entschuldigt wird. Das ist übrigens leicht, nach den in fe) gegb.
Darlegungen.
Die Möglichkeit, die eine Verwechslung hervorruft, kommt natürlich
daher, daß man verwechselt, was beiden Dingen gemeinsam ist. Die Lage
ist so zu sagen folgende: Gott wird den Sühnewert zuwenden, den Er in
Seiner Weisheit der Opferhandlung beimißt. Jene, die das Opfer
darbringen, d.h. die Priester im Namen der Kirche und bestimmter
Glieder der Kirche, die zugegen sind, tragen Gott ihre Wünsche
bezüglich der Zuwendung vor. Vor allem soll sie für die ganze Kirche
sein; gleichzeitig auch für unsern Papst, unsern Bischof (unseren
König). (Das ist das Te igitur.) Da Gott diese Zuwendung selber macht,
"empfiehlt" man Ihm während der Handlung, wo Er sich dazu anschickt,
dieser oder jener Person zu gedenken. (Das ist das Memento.) Es stimmt,
daß man auf die eine oder andere Weise den Sühnewert beansprucht, der
mit der Darbringung des Opfers verbunden ist. Man bittet Gott "für
jemand einzutreten", d.h. man betet FÜR. Also folgert man, wenn man
sich weigert, Mgr. Wojtyla "una cum Ecclesia" zu nennen, "weigert man
sich, für den Papst zu beten". So lautet das oberflächliche Urteil von
Mgr. Lefebvre.
Der Fehler bei dieser Verwechslung liegt darin, Eigentümlichkeiten, die
unterschieden werden müssen, auf eins anzuwenden. Die Formel "beten
für" wie Mgr. Lefebvre sie gebraucht, verwechselt - im gleichen
Verhältnis zweier Personen - die bittende Person und den Nutznießer,
d.h. sie verwechselt die beiden Arten (Eigentümlichkeiten), denen
zufolge das Wohlwollen Gottes ausgeübt wird. Indessen tun die
liturgischen Gebete kund, welches ihre Tragweite ist (der beiden Arten;
Anm.d.Übers.), durch eben ihre Weise, wie sie es anzeigen. Sicherlich
ist das Te igitur flehend, aber in bezug auf die Nennung der Nutznießer
ist es befehlend: "dieses Opfer wird dargebracht für ...". Die
Zuwendung ist de condigno. Beim Memento hingegen empfiehlt man diesen
oder jenen der Aufmerksamkeit dessen, der den Schatz austeilt:
"Gedenke, o Herr - wenn Du willst - des N. und M. ...". Die Zuwendung
ist hier de congruo. In beiden Fällen wird für gebetet, aber die Art
ist hinsichtlich der verwendeten Formeln verschieden, wie auch die Art
der Zuwendung hinsichtlich der Wirklichkeit.
Der Unterschied zwischen dem Te igitur und dem Memento hinsichtlich der
Bitte "ex parte Ecclesia" wie auch hinsichtlich der Zuwendung "ex parte
Ecclesia" zieht weitere zwei Unterschiede nach sich.
Wir haben bereits den Inhalt der ersten dargelegt (a-c, b-b). Das Te
igitur - und nicht das Memento! - enthält wirklich, einschlußweise in
Worten und virtuell in der Tat die Verkündigung des Auftrages "ab
Ecclesia". Diesbezüglich ist der Unterschied zwischen dem Te igitur und
dem Memento offenbar.
Es obliegt uns aber noch die Betrachtung des zweiten Unterschiedes in
diesem Abschnitt; dieser zweite Unterschied betrifft übrigens die
Haltung von Mgr. Lefebvre. Beim Te igitur dürfen nur Personen genannt
werden, die auch Glieder Christi sind! Der Text selbst ist übrigens in
der Abschlußformel, in der wiederholend zusammengefaßt wird, so
deutlich und genau wie irgend möglich: "Nimm diese makellose Opfergabe
huldvoll an, vor allem für Deine heilige katholische Kirche ...
zugleich für unsern Papst N., unsern Bischof N. (unsern König N.) und
für alle Rechtgläubigen und für alle, die den katholischen und
apostolischen Glauben fördern - et omnibus orthodoxis atque catholicae
et apostolicae fidei cultoribus".
Dadurch wird ein Häretiker oder Schismatiker natürlich ausgeschlossen !
Jede Abweichung hiervon macht von Natur aus ein Sakrileg aus; das
werden wir noch sehen (in IV,2). In einem Staat, wo die katholische
Religion öffentlich bekannt wird, läßt es die Kirche z.B. zu, daß das
Staatsoberhaupt beim Te igitur genannt wird. Das ist gerechtfertigt
durch die Darlegung weiter oben (3,a-c). Die Kirche in Frankreich,
insofern sie ein menschliches Kollektiv ist, wird in gewissem Sinne in
der Person des Königs von Frankreich zusammengefaßt, vorausgesetzt, daß
dieser lediglich der 'Leutnant' Gottes sein will, wie die hl. Johanna
von Are (die hl. Jeanne d'Arc) sagte. Dennoch enthält jede Messe, die
in Frankreich zelebriert wird, rechtens eine Frucht für Frankreich, und
der König von Frankreich wird in Frankreich in den Auftrag "ab
Ecclesia" mit einbezogen. Dieser Auftrag geht von der Kirche aus,
welche in der Person des Papstes ihre Spitze und ihr Haupt hat.
Ist aber der König von Frankreich exkommuniziert - wie Philipp der
Schöne es war -, dann kann man ihn nicht beim Te igitur nennen, auch
dann nicht, wenn Frankreich offiziell ein katholischer Staat bleibt.
Beim Memento hingegen, das eine Unterbrechung im Kanon darstellt,
(siehe 3 a-a) ist es gerechtfertigt, gemäß dem Gebrauch der Kirche, die
Person zu nennen, für die das Opfer dargebracht wird. Es ist höchst
angebracht, für den "'Papst' zu beten", wie Mgr. Lefebvre es verlangt -
und wie auch wir es schon längst gesagt haben, bevor Mgr. Lefebvre uns
ungerechtfertigterweise anklagte, dies zu verweigern. Es ist
wünschenswert, daß Messen für Mgr. Wojtyla und für Herrn Giscard
d'Estaing dargebracht werden, aber unter der ausdrücklichen Bedingung,
daß sie für die Bekehrung dargebracht werden! Z.B.: "Gedenke, o Herr,
des Karol und des Giscard, damit sie, die öffentliche Sünder sind,
Deine eifrigen Diener werden." Aber kann natürlich nicht in Frage
kommen, Carolus, den Schismatiker (Häretiker, Arm.d.Red.) oder Valerius
den Abtreiber beim Te igitur zu nennen.
Diesebezüglich hier ein Text des hl. Thomas (3a pars, q. 79 a 7, 2m).
Die Frage lautet: Kann das Altarsakrament andern Personen Frucht
bringen als denen, die es empfangen? Der hl. Thomas bejaht die Frage.
Er bestimmt allerdings die Bedingungen, die man erfüllen muß, um die
Frucht einer Messe zu empfangen, bei der man nicht selbst kommuniziert.
Dann widerlegt der hl. Thomas die Einwände, bei denen eine verneinende
Antwort auf die Frage gegeben wird. Der zweite Einwand ist sinngemäß
folgender: Wenn man die Frucht der Messe empfangen könnte, ohne zu
kommunizieren, dann könnte man ja die Gnade empfangen, ohne selber
etwas dafür zu tun, zunächst schon die Nachlassung der Sünden. Das ist
aber offenbar falsch. - Der hl. Thomas antwortet, indem er zunächst
einen Grundsatz anführt, der vom Konzil von Trient übernommen wurde:
"Obschon Christus für alle gestorben ist (2 Kor. 5,15), wird die Frucht
dieses Todes nur von solchen empfangen, denen das Verdienst des Leidens
mitgeteilt wurde." (6. Sitzung, Dekret über die Rechtfertigung, K.3;
Denz. 1523.) D.h. - fährt der hl. Thomas fort -: "Jene, die durch
Glauben und Liebe mit dem Leiden Christi verbunden sind." So auch bei
der Messe. Das Meßopfer ist das Gedächtnis des Leidens. Es hat für jene
eine Wirkung, die durch Glaube und Liebe mit diesem Sakramente
verbunden sind. Darum heißt es - um mit dem hl. Augustinus zu sprechen
-: "Opfert jemand den Leib Christi? Dann kann es aber nur für solche
sein, die Glieder Christi sind. Folglich betet man beim Kanon nicht für
solche, die außerhalb der Kirche stehen. Allerdings nützt ihnen (das
Opfer) mehr oder weniger je nach dem Maß ihrer Frömmigkeit."
Es folgen die beiden letzten Sätze, worin die ganze Lehre enthalten
ist, die wir dargelegt haben. Sie enthalten auch die ganze
Schwierigkeit: "Unde et in canone missae, non oratur pro his qui sunt
extra ecclesiam. Ulis tarnen prodest plus vel minus, secundum modum
devotionis eorum."
Der hl. Thomas stimmt also dem Einwand insofern zu, als er sagt: es ist
unmöglich, überhaupt eine Gnade zu empfangen, ohne daß eine Tat dafür
gesetzt ist bzw. wurde. Aber er antwortet nicht unmittelbar auf die
Schwierigkeit, wie sie formuliert war: "Ist die empfangende Person auch
notwendigerweise die, welche die Tat setzt?" Sinngemäß antwortet der
hl. Thomas: die empfangende Person kann nicht gleichzeitig die Person
sein, die die Tat setzt. Sie muß aber Mitglied der Kirche sein. Sie muß
durch Glaube und Liebe in die Zelebration des Sakramentes einbezogen
sein. Auf Grund der Gemeinschaft der Heiligen - diese ist vom hl.
Thomas mit der Erwähnung des Glaubens und der Liebe beiläufig gemeint -
kann der Gläubige, welcher durch eine habituelle und allgemeine
Intention mit jeder Zelebration vereint ist, ipso facto an der Frucht
einer jeden Zelebration teil haben.
Was diejenigen angeht, die nicht Mitglieder der Kirche sind - für sie
trifft die Gemeinschaft der Heiligen nicht zu, ist die Anwendung des
Grundsatzes im strengen Sinn zu nehmen, d.h.: ohne daß es einem
allgemeineren Grundsatz unterworfen wäre. Sie empfangen die Frucht des
Opfers "nach dem Maß ihrer Frömmigkeit", d.h. auf Grund einer helfenden
Gnade, die sie annehmen und die sie aufgeschlossen macht für den
Empfang - sogar ohne daß sie es reflexiv wissen. Übrigens heißt es beim
hl. Thomas (3a pars, q78, a3 8m): "Das Blut des Leidens Christi ist
wirksam, nicht nur für die Priester, die das Sakrament herstellen, oder
auch für die anderen Kommunikanten, sondern auch für jene, für die das
Opfer dargebracht wird. Und darum sagt Christus zutreffend: "für euch,
ihr Juden, und für viele, damit sind die Heiden gemeint; oder: für
euch, die ihr kommuniziert, und für viele, für die es dargebracht
wird."
So sollen die beiden Behauptungen des hl. Thomas nicht voneinander
getrennt werden: "Für jene, die außerhalb der Kirche stehen, wird beim
Kanon der Messe" nicht gebetet. Das Opfer nutzt ihnen jedoch in dem
Maße, wo sie die zuvorkommende Gnade, die sie dafür aufgeschlossen
macht, nicht vertun."
In diesem Abschnitt scheint es wohl, daß der hl. Thomas mit "Kanon der
Messe" das Te igitur bis zum Memento nicht einbegriffen versteht. Beim
Memento kann man die anderen nennen, d.h. jene, die nicht Mitglieder
der Kirche sind, die aber die Frucht des Opfers empfangen können. Für
solche kann man sogar das Opfer darbringen, vorausgesetzt, daß man ihre
Beziehung erwähnt, die sie wenigstens potentiell mit der Kirche haben.
Beim Te igitur hingegen - es schließt das in primis ein, gemäß der
textlichen Gestaltung des dominikanischen Missales - ist es unmöglich,
eine Person, die außerhalb der Kirche steht, mit denen zu nennen, für
die man betet. Der tiefe Grund dafür ist ja - wie wir gesehen haben
(3.a-c) - der, daß die Personen, die "una cum Ecclesia" ipso facto als
an ihrer jeweils hierarchischen Stelle genannt werden als aktiv
teinehmend an der Darbringung des Opfers und am Auftrag "ab Ecclesia".
Die Vorahnung des hl. Augustinus ist noch deutlicher, wenn man die
Anwendung auf unsere Frage überträgt: "Quis offerat corpus Christi,
nisi is qui est membrum Christi?"
III. Die Messe bleibt auch in einer 'Krisenzeit' ab E c c l e s i a . Wieso?
Wir nehmen uns vor, zwei Situationen vom Gesichtspunkt des Auftrages
"ab Ecclesia" zu beleuchten, die eine durch die andere: die eine ist
augenblicklich den Gläubigen der Tradition aufgezwungen, die andere ist
in der Kirche normal, vorausgesetzt, daß sie der Tradition treu ist.
Von beiden Situationen wollen wir dann die Umstände vergleichen, die
unter sich gleichartig sind. Wir werden bemerken, daß der Auftrag "ab
Ecclesia" nicht mehr kundgetan werden kann 'wie früher' (1); wir werden
den Grund dafür anführen (2); sodann werden wir näher bestimmen, wie
dieser Auftrag gegenwärtig angezeigt werden kann (3).
1.) Die Messe kann nicht mehr wie 'früher' im Auftrage "ab Ecclesia"
kundgetan werden. Soweit die Gegebenheit. Der Grundsatz, kraft dessen
die Messe "ab Ecclesia" ist, wurde in der Praxis der Kirche immer
bekräftigt. Wie ist es möglich, daß dieser Grundsatz auch in einer
'Krisenzeit' gehörig zur Geltung kommt?
Wir werden zur Schlußfolgerung kommen, daß dies nicht sein kann 'wie
früher' (c); nachdem wir darauf hingewiesen haben, worin erstens dieser
Grundsatz besteht (a), zweitens, wie er die Praxis der Kirche
beeinflußt, vorausgesetzt, daß in ihr alles 'in Ordnung' ist (b).
a. Der Grundsatz, nachdem die Messe ab Ecclesia erklärt wird, ist
folgender, wie wir in II,3a erwähnt haben: Vorausgesetzt - wie auch
ausdrücklich bekräftigt wurde -, daß das Opfer für die ganze Kirche
dargebracht wird, dann ist dessen Verdienst- Zuwendung de condigno.
Dann gilt das Prinzip der Wechselbeziehung (II,2b-a). Damit ist also
die (physische oder moralische) Person, die das Opfer darbringt,
dieselbe (physische oder moralische) Person, die auch die Opferfrucht
empfängt.
b. Nun folgt eine Beschreibung der Lage, wenn der Grundsatz auf die
Kirche angewendet wird unter der Voraussetzung, daß in ihr noch alles
in Ordnung ist. b-a) Wenn eine bestimmte Gruppe von Gläubigen wünscht -
meinetwegen die Gruppe J von Lyon -, daß eine Messe gefeiert werde, so
empfangen die betreffenden Gläubigen von diesem Opfer eine Frucht, die
sonst keiner empfängt. Die Frucht dieser Messe - durch die Gruppe J
samt Priester gefeiert - erstreckt sich in primis, rechtens und
vorrangig, auf den gesamten mystischen Leib; insbesondere erstreckt sie
sich auf die Glieder des mystischen Leibes, welche die in Lyon
versammelte Gruppe J ausmachen. Folglich wird diese betreffende Messe
auf Grund des erwähnten Grundsatzes von der ganzen Kirche dargebracht,
insbesondere von den Mitgliedern der Gruppe J, die hie et nunc in Lyon
versammelt ist.
b-b) Um diesen Sachverhalt besser zu erklären, wollen wir den Bedeutungsunterschied zwischen OMNE - TOTUM darlegen.
Sachlich entspricht diese Unterscheidung dem griechischen PAN - HOLON
und dem deutschen ALLES - GANZ; im Französischen gibt es jedoch keinen
gleichwertigen Begriff dafür.
Wollen wir durch das Wort Kollektiv jene Wirklichkeit bezeichnen,
welche von mehreren konkreten einzelnen Dingen gebildet wird, die dann
geistig zusammen gesehen werden. Zum Beispiel: ein Teller, ein Löffel,
eine Gabel, ein Messer, ein Glas auf einem Tisch verstreut. Diese fünf
Gegenstände sind konkret ein Kollektiv und abstrakt gesehen eine Menge.
Sie bilden ein Ganzes im Sinne von OMNE. Die Tatsache nämlich, daß sie
auf ein und demselben Tisch liegen und daß sie zusammen betrachtet
werden können, ist für das Wesen der einzelnen Gegenstände zufällig. Es
kommt wesentlich keine neue Eigenschaft hinzu durch die Tatsache, daß
ein Gegenstand Teil dieses OMNE ist.
Sollten aber dieselben Gegenstände in einer bestimmten Ordnung
ausgerichtet werden - anstatt verstreut zu sein -, so beim Decken des
Bestecks, dann hat jeder Gegenstand dem andern gegenüber seinen eigenen
Platz. Dann ist das Kollektiv ein TOTUM; denn jedes Teil bekommt dann
als solches von seinem Wesen her einen eigenen Platz, und insofern eine
neue Eigenschaftsbestimmung.
Angenommen, die fünf Gegenstände liegen zusammenhanglos auf dem Tisch:
sie sind alle gleich, keiner hat etwas anderes als seine eigene
Individualität. Das ist das OMNE. Angenommen, dieselben Gegenstände
liegen im Zusammenhang geordnet auf dem Tisch: jeder einzelne
Gegenstand hat dann von seiner eigenen Individualität her einen Platz,
der ihm zukommt auf Grund des Prinzips, nach welchem diese Menge
geordnet wird. Das ist das TOTUM. Er ist TOTUM und unterscheidet sich
vom OMNE, weil jeder Bestandteil von seinem Wesen her zum gleichen
immanenten Prinzip einen Bezug hat.
So wird ein Kollektiv entweder als OMNE oder als TOTUM betrachtet, je
nachdem es als eins erfaßt wird, weil jeder Bestandteil von einem
Standpunkt aus betrachtet wird, der hinsichtlich des Wesens dieses
Bestandteiles entweder unwesentlich oder wesentlich ist.
Das Ganze als OMNE kommt durch die objektive und geistige
Nebeneinanderstellung der Bestandteile zustande. Das Ganze als TOTUM
enthält außerdem ein Ordnungsprinzip, welches vom Wesen her jedem
einzelnen Bestandteil innewohnt.
b-c) die Unterscheidung zwischen OMNE und TOTUM ermöglicht eine genaue
Beschreibung des Umstandes, wieso eine gegebene Versammlung 'von der
Kirche' ist und wieso die bei ihr gefeierte Messe ab Ecclesia ist. Die
Gruppe J in Lyon ist "von der Kirche", sie ist "die Kirche in Lyon".
Die Messe, die dort gefeiert wird, ist ab Ecclesia, wenn diese Gruppe
als TOTUM betrachtet werden kann, und nicht nur als OMNE.
Die Anwendung dieses Grundsatzes umfaßt zwei Stufen, die man nicht
scheiden, aber auch nicht verwechseln soll. Die Gruppe J ist nämlich
TOTUM auf Grund eines innewohnenden Prinzips - in jedem Glied vom Wesen
her. Dieses Prinzip ist aber zweifacher Art, gemäß dem Wesen der
Kirche, welche getrennt und einfach mystischer Leib Christi und ein
Kollektiv von Menschen ist. Die Gläubigen, welche die Gruppe J in Lyon
ausmachen, sind "die Kirche in Lyon", wenn die Gruppe als TOTUM
betrachtet wird, durch Bezugnahme auf das Oberhaupt des Kollektivs von
Menschen, das von Christus eingesetzt wurde, und zwar die
römisch-katholische Kirche. Dieselben Gläubigen derselben Gruppe J, als
OMNE betrachtet, sind indessen nicht "die Kirche in Lyon", obwohl jeder
einzelne ein Glied Christi und ein Mitglied der Kirche ist, die in Lyon
präsent ist.
Beide Bezugnahmen auf Christus und auf die Obrigkeit sind von sich aus
notwendig. Erstere wird durch die Taufe verwirklicht; die zweite muß in
Kraft treten oder sie kann auch virtuell bleiben, je nachdem die
Obrigkeit das anordnet. Mehrere Gläubige, die einen Glaubensakt setzen
und zum Beispiel den Rosenkranz gemeinsam beten, sind "die Kirche, da
wo sie zusammenkommen". Die Zustimmung der Obrigkeit ist einschlußweise
gegeben: "Da, wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, bin
ich mitten unter ihnen." (Matth. 18,2o) Wenn aber eine Gruppe von
Gläubigen zur Feier der Messe mit einem Priester zusammenkommen, kann
ihre Menge nur dann ein TOTUM darstellen, und sie sind nur dann "die
Kirche in Lyon" (oder anderswo), wenn die ausdrückliche Zustimmung der
Obrigkeit gegeben ist.
"Die Kirche in Lyon" oder anderswo, das ist der mystische Leib Christi,
der die römisch-katholische Kirche ist.Ihd dies kann kein anderes
Gebilde sein, was immer es auch sein mag. Der Auftrag "ab Ecclesia",
der für die Feier dieser betreffenden Messe, die im Versammlungsraum
der Gruppe J in Lyon stattfindet, erforderlich ist, kann nur
ausschließlich von der Kirche, dem mystischen Leib Christi kommen. Der
Auftrag "ab Ecclesia", wodurch die Feier dieser Messe befohlen wird,
kommt also wesentlich von der Kirche als dem mystischen Leibe Christi,
und er kommt unmittelbar von der Kirche, insofern diese in "Lyon ist",
als TOTUM in der Gruppe J. Es ist absolut ausgeschlossen, daß dieser
Auftrag "ab Ecclesia" von einem anderen Gebilde herkommen kann, gleich
welcher Art dieses Gebilde auch sei, und wäre es ein Priester oder ein
Bischof, der keine Vollmacht von der Obrigkeit bekommen hat.
c. Wie kann der gleiche Grundsatz (a) in einer Kirche angewendet
werden, die ja faktisch 'besetzt' ist? Es kann nicht 'wie früher' sein.
Vergleichen wir die normalen Bedingungen, wie wir sie vorhin erwähnten,
mit jenen, die in der 'besetzten' Kirche den treugebliebenen Gläubigen
auferlegt sind. Nehmen wir den gleichen Fall. Ein Priester, der vom
Ortsbischof keine Vollmacht hat, feiert die traditionelle Messe auf die
Bitte der Gläubigen hin, die in Lyon die Gruppe J bilden und die dafür
einen Versammlungsraum eingerichtet haben. Wie kann denn diese Messe ab
Ecclesia sein, wie es sich ja gehören sollte?
c-a) Tatsächlich hat man diese Frage übersehen. Denn man wollte ja
alles 'wie früher' machen. Das war wohl gewiß am dringendsten. Aber
durch die Verlockung zur Bequemlichkeit stellte man dann ein Schlagwort
auf, das aber nur vorläufig gerechtfertigt war. "Die Messe aller Zeiten
feiern", "es halten wie früher" wurden als eine Antwort auf jede Frage
betrachtet. In Wirklichkeit kann es so nicht gehen. Denn man darf's
nicht mehr 'wie früher' halten, wenn die Gegebenheiten bezüglich
dessen, was 'früher' war, umgekehrt sind.
Nun aber kehrt gerade die Gruppe J in Lyon die Gegebenheiten um
hinsichtlich dessen, was 'früher' war. Als in der Kirche noch alles 'in
Ordnung' war, als die Obrigkeit noch über die Messe wachte - die
Früchte der Messe wurden von der Obrigkeit würdig empfangen -, da
konnte die Gruppe J in Lyon, positis ponendis, als TOTUM betrachtet und
angenommen werden, und als Kirche "in Lyon" angesehen werden. Aber
heutzutage kann die Gruppe J nicht als TOTUM angesehen werden, und es
ist unmöglich, daß sie die "Kirche in Lyon" ist, weil auf Grund der
Gegebenheiten, die Gruppe J sich gerade deswegen versammelt, um eine
Messe zu feiern, die nicht jene ist, welche die Obrigkeit feiert.
Sollte man anführen, daß die Gruppe J mit den 262 verstorbenen Päpsten
in Gemeinschaft steht, die die streitende Kirche regiert haben? Darauf
antworten wir, daß es sich bei diser Auffassung lediglich um frommes
Wunschdenken handelt. Denn jede kanonische Besitznahme in der Kirche im
Jahre 198o hängt vom apostolischen Stuhl ab, wie er im Jahre 1980
gegeben ist. Die Dauer, wie sie bei der Anwendung des Kirchenrechts
zutrifft, ist die sukzessive Zeitdauer und nicht die Ewigkeit. Für
kanonische Vollmachten gibt es nichts Stellvertretendes, ausgenommen
für die von der Obrigkeit vorgesehenen Fälle. Die Gruppe J kann weder
als TOTUM gebildet werden, noch die "Kirche in Lyon" darstellen durch
den Bezug zu einem Papst, der das sichtbare Oberhaupt der streitenden
Kirche nicht mehr ist und es jetzt nicht ist.
Die Folge davon ist, daß die Messe, die im Versammlungsraum der Gruppe
J in Lyon gefeiert wird, nicht mehr ab Ecclesia kommend angegeben
werden kann, wie es 'früher' wohl sein konnte, d.h. auf Grund eines
Auftrages, der in der Gruppe J gegeben war, weil diese als TOTUM
betrachtet werden konnte. c-b) Den verantwortlichen Priestern obliegt
die schwere Pflicht, die durch das Schlagwort: "es ist genug, wenn man
weitermacht wie früher" getäuschten Gläubigen aufzuklären. Die
Gläubigen, die zur Gruppe J in Lyon gehören (oder jede andere ähnliche
Gruppe) haben nicht nur das Recht, sondern sicherlich auch die Pflicht
"weiterzumachen wie früher", sie haben aber auch die Pflicht, unter
Strafe eines Sakrilegs (siehe IV), die Gruppe J nicht zu betrachten und
noch weniger sie aufzustellen, als wäre sie ein TOTUM. Sie haben die
Pflicht zu erklären, nachdem sie es selber verstanden haben, daß die
Gruppe J nicht die "Kirche in Lyon" ist, daß auch niemand, selbst Mgr.
Lefebvre nicht, mit oder ohne seine 'Priorate', die Macht hat zu
bewirken, daß das, was nicht ist, sei, und was nicht "die Kirche in
Lyon" ist, eine 'überpfarreiliche Einheit' in Lyon sei. Diese irrige
Meinung, die durch eine psychologische Neigung unterhalten wird, und
die durch den Herdentrieb noch täuschender wird, muß gebrandmarkt
werden. Da die Gläubigen der Gruppe J von ihrer früheren Pfarrei her
gewohnt waren, die Messe mit viel Volk als ab Ecclesia zu betrachten,
sind sie der Ansicht, alles sei wieder 'wie früher'. So ist es aber
nicht! Die Gruppe J ist nur OMNE und nicht TOTUM. Der Auftrag "ab
Ecclesia" gehört ihr nicht vollgültig wie 'früher', sondern nur
unvollständig
und privat. Dafür wollen wir jetzt den Grund angeben.
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