DIE HERZ-JESU- UND HERZ-MARIÄ-VEREHRUNG
von
Eugen Golla
Betrachtet man die Herz-Jesu-Verehrung nicht buchstabengetreu nach der
Form, wie sie Ende des 17. Jahrhunderts entstanden ist, ergibt sich,
daß in der Verehrung der menschlichen Person Christi immer auch eine
gewisse Verehrung seines hl. Herzens eingeschlossen war. In diesem
Sinne dürfen wir z.B. aus dem Johannes-Evangelium interpretieren: 13,1:
"Vor dem Paschafest, da Jesus wußte, daß seine Stunde gekommen war, um
hinüberzugehen aus dieser Welt zum Vater, zeigte er den Seinen, die er
in dieser Welt liebte, die Liebe bis zur Vollendung." Ferner 13,23:
"Einer von seinen Jüngern, der, den Jesus liebte, lag an der Brust
Jesu." Neben diesen Stellen, die von der göttlichen und menschlichen
Liebe Jesu zu uns handeln, gibt es auch solche, die ausdrücklich von
seinem Herzen sprechen, z.B.: "Einer der Soldaten stieß mit der Lanze
in seine Seite, und sogleich kamen Blut und Wasser heraus." (Joh.
19,34) oder "Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin
sanftmütig und demütig von Herzen." (Matth. 11,29).
Vom "Quell des Lebens" handelt außer Joh. 19,34 auch Joh. 7,37: "Wenn
jemand dürstet, komme er zu mir und trinke!" Diese zwei Stellen bilden
die Grundlage der Herz-Jesu-Theologie der Kirchenväter. Hierbei werden
diese Texte in zweierlei Weise interpretiert. Entweder wird im "Quell
lebendigen Wassers aus dem Herzen Christi" der Reichtum der Sakramente
gesehen oder, wie in der Lehre des Origines, entströmt dem Herzen
Christi die Quelle der Erkenntnis. Jedenfalls wurde die patristische
Theologie vom Gnadenquell aus der Seitenwunde die Grundlage de"r
mittelalterlichen Herz- Jesu-Verehrung, die gerade auf deutschem Boden
ihre bedeutendsten Vertreter fand. Am Anfang steht der erste Herz-Jesu
Sänger in der katholischen Kirche überhaupt: Der hl. Hermann Joseph vom
Kloster Steinfeld in der Eifel (+ ca 1240) mit seiner Hymne Summi Regis
cor aveto (Laß mich, Gottesherz, dir singen). Den Höhepunkt bilden
unsere grossen Mystiker wie Eckehart, Tauler, Heinr. Suso, Mechthild v.
Magdeburg und insbesondere Gertrud die Große, der vom hl. Johannes
geoffenbart wird, daß die Herz-Jesu-Andacht für die letzten Zeiten
bestimmt sei, wenn die Menschheit in der Liebe zu Gott erkalten werde.
Im ausgehenden Mittelalter wird dieses Gedankengut gepflegt
insbesondere von der Devotio moderna (Thomas v. Kempen) und von den
Karthäusern, am intensivsten von dem Kölner Kloster St. Barbara.
Seit Petrus Canisius ab 1537 die Kölner Universität besuchte, stand er
in enger Verbindung mit diesem Kloster. Subprior war damals der
aszetische Schriftsteller Joh. Justus Landsberg. Er schrieb für seine
Schüler u.a. folgende Ratschläge nieder: "Gebt euch Mühe, in euren
Seelen die Andacht zum liebenswürdigen Herzen Jesu zu entzünden, das so
überreich an Liebe und Erbarmung ist. ... Bringt dann an einem Orte, an
dem ihr oft vorübergeht ein Bild des Herzens unseres Herrn oder der 5
Wunden an oder ein Bild Jesu in Blut und Wunden. ... Ja, sollten auch
die Herzen aller eurer Freunde und die ganze Welt euch verwerfen oder
euch verraten, beruhigt euch und seid überzeugt, dieses treueste Herz
wird euch nie und nimmer täuschen noch verlassen.", (zitiert nach James
Brodrick S.J. "Petrus Canisius", Bd. 1, Wien 1950).
Doch erst dem Zeitalter des Barock war es vorbehalten, den öffentlichen
Herz-Jesu-Kult einzuführen. Der erste, der sich um die öffentliche
liturgische Feier bemühte war der hl. Johannes Eudes (16ol-168o), der
Gründer der Weltpriesterkongregation der Eudisten; doch blieb sein
Bemühen, Messe und Offizium des Herz-Jesu-Festes zum allgemeinen
Gebrauch der Kirche einzuführen, lange Zeit ohne Erfolg.
Der Hauptanstoß zur Verehrung erfolgte dann durch die Offenbarungen der
hl. Margareta-Maria Alacoque (1647-169o), einer Nonne in dem
burgundischen Städtchen Paray-le-Monial. Der Herr zeigte ihr wiederholt
in den Jahren 1673-1675 sein Herz, "das die Menschen so sehr geliebt
hat und mit Undank belohnt wird" und verlangt u.a. die Einführung des
Herz-Jesu-Festes und der Sühnekommunion am ersten Freitag des Monats,
wobei er reiche Gnaden verhieß. (Die sogenannten 12 Verheißungen, die
allerdings aus ihren Briefen zusammengestellt sind.)
Dessenungeachtet verhielt sich die Kirche weiter zurückhaltend, ja das
Herz-Jesu-Buch ihres Seelenführers, des Jesuiten Croiset, wurde zuerst
auf den Index gesetzt und es sollten noch Generationen vergehen, ehe
die Päpste ihre Zurückhaltung gegenüber dem neuen Kult aufgaben;
dennoch entstanden in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit
kirchlicher Genehmigung über looo Herz-Jesu-Bruderschaften.
Die letzten Bedenken wurden 1765 durch eine Denkschrift der Bischöfe
Polens beseitigt und so genehmigte in diesem Jahre Papst Clemens XIII.
den Bischöfen Polens und der Erzbruderschaft vom Hl. Herzen Jesu das
Fest nebst eigener Messe und Offizium. Von jetzt ab erbaten sich auch
immer mehr Diözesen und Ordensgenossenschaften dieses Privileg.
Weiterhin mußte sich aber die Herz-Jesu-Verehrung schweren Kämpfen und
Auseinandersetzungen stellen. Weil sie die Liebe Christi zur gesamten
Menschheit zur Grundlage hatte und den häufigen Empfang der hl.
Kommunion förderte, mußte sie dem Jansenismus, der für den Empfang der
Sakramente fast unerfüllbare Forderungen stellte und lehrte, daß
Christus nur für die Auserwählten gestorben sei d.h. für diejenigen,
denen er allein seine Gnaden zuteilt, ein Dorn im Auge sein. Aber nicht
minder wurde sie auch von den Kirchenreformern des Rationalismus gehaßt
und ihre Anhänger als Herzanbeter und Alacoquisten verspottet. Ja sogar
die Staatsgewalt wurde eingeschaltet und in Wien erhielt ein Jesuit
wegen Verbreitung von Schriften über die Herz-Jesu-Andacht 500 Gulden
Strafe, ein Canonicus aus dem gleichen Grunde sogar Gefängnis. Auch die
Synode von Pistoja, deren Hauptanliegen eine pseudo-rationalistische
Liturgie (im Besonderen: die Feier des Meßopfers in der Landessprache)
war, bekämpfte die Andacht. Sie erhielt aber 1794 durch die Bulle
"Auctorem fidei" des Papstes Pius VI., in der sämtliche 85 Sätze dieser
Pseudosynode verurteilt wurden, eine neue Rechtfertigung.
Zu Beginn des vorigen Jahrhunderts entstanden die heute gebräuchlichen
Herz-Jesu Bilder mit der Darstellung des Herzens auf der Brust des
Herrn.
Die damals aufblühende Romantik begeisterte sich zwar sehr für diesen
Kult, führte aber andererseits auch viel phantastisches und süßliches
Beiwerk ein mit der Folge, daß man immer mehr vergaß, daß P. Eudes und
M.M. Alacoque eine Botschaft der Glaubensstärke und der Sühne verkündet
hatten.
1856 erhob Pius IX. das Fest zu einem Fest duplex majus, das von der
gesamten Kirche am Freitag nach Fronleichnam zu feiern ist. Noch
volkstümlicher wurde es als 1864 M.M. Alacoque seliggesprochen wurde.
Leo XIII. erhöhte den liturgischen Rang zum Fest dupl.I.CI. und vollzog 1899 die Herz-Jesu-Weihe der Welt.
Seit 1907 verbreitet sich, durch den hl. Pius X. gefördert, die von P.
Matteo Crawley ins Leben gerufene heutige Form der Weihe der Familie an
das hl. Herz als Thronerhebung des hl. Herzens Jesu. (Weihe und
Aufstellung eines Herz-Jesu Bildes vor versammelter Familie).
Pius XI. glich 1928 das Fest durch Inzufügung einer Oktav den höchsten
Festen an; gleichzeitig wurde unter Mitarbeit dieses Papstes unsere
derzeitge Herz- Jesu-Messe verfaßt, deren Texte abwechselnd den
Sühnegedanken und die Liebe Christi zum Ausdruck bringen und deren
Evangelium - der Bericht des hl. Johannes von der Durchbohrung des hl.
Herzens durch die Lanze des Soldaten - uns direkt zum Herzen Jesu führt.
Anläßlich der Jahrhundertfeier des allgemeinen Herz-Jesu Festes erließ Pius XII. 1956 die Enzyklika "Haurietis aquas".
Wenige Jahre später fiel mit den leoninischen Gebeten auch die ihnen
angefügte dreimalige Anrufung des hl. Herzens Jesu der "kleinen"
Meßreform Johannes XXIII. zum Opfer. Ein gewiß an und für sich
unbedeutendes, aber doch nicht zu übergehendes Zeichen!
Die Geschichte der Herz-Mariä-Verehrung ist in vielfacher Weise ähnlich abgelaufen.
Die hl. Schrift enthält über diese Verehrung keine ausdrückliche
Aussage. Da aber unter dem Symbol des Herzens Maria die Heiligkeit der
Gottesmutter, ihre Liebe zu Gott, Jesus und zur Menschheit gemeint
sind, können für diese Teilelemente einzelne Schriftstellen, z.B. das
Magnificat (Lk l,46ff) oder "Siehe, deine Mutter!" (Joh.19,27) dienen.
Im Mittelalter kommt durch den Benediktiner Eadmer Io55ó1124, den
Freund Anselms von Canterburys der Ausdruck "Herz Maria" in die
Theologie. So schreibt er z.B.: "Ja alle Grausamkeit, womit man gegen
den Leib eines Märtyrers wütete, war gering im Verhältnis zu ihrem
Leiden, welches mit einer gewissen Unermeßlichkeit das ganze Innere
ihres liebevollen Herzens durchdrang." (zitiert nach "Die Verehrung
unserer Lieben Frau" v. Stephan Beissel, Freiburg 1911). Weitere
Anklänge finden wir auch bei den großen deutschen Mystikerinnen des
Mittelalters.
Der Ausbau erfolgte auch hier durch den hl. Joh. Eudes mittels
Bruderschaften und Andachten. Die eigentliche Initiative ging hierbei
aber von der Mystikerin Marie des Vallées (1590-1656) aus. Die
Gottesmutter offenbarte ihr, daß Jesu Herz auch das ihrige sei und daß
die Verehrung dieses hl. Herzens viele Gnaden herabziehen werde.
Wenn auch der hl. Joh. Eudes bereits frühzeitig das Fest Herz-Mariä in
den Häusern seiner Kongregation eingeführt hatte wurde dennoch 1669
seitens Roms die Messe mißbilligt, weil das Fest nicht notwendig und
die Lehre nicht genug klar begündet sei. Obwohl auch hier mit der Zeit
viele Bruderschaften entstanden und sich viele Bischöfe für ein
allgemeines Fest einsetzten, wurde erst 18o5 eine offizielle
liturgische Verehrung des Herzens Maria anerkannt.
Die jetzige Gestaltung erfolgte durch Pius XII., indem das Fest des
Herzens Maria als allgemeines Kirchenfest II. Klasse mit neuem
Meßformular und Offizium für den 22. August festgesetzt wurde. (4. Mai
1944).
Derselbe Papst vollzog zwei Jahre vorher auch die Weltweihe an das Herz Maria, die besonders durch Fatima gefördert wurde.
Versuchen wir noch kurz den Gegenstand der Herz-Jesu Andacht zu
präzisieren, die ihrem Wesen nach selbstverständlich ein latreutischer
Kult, d.h. Anbetung ist, während die Verehrung des Herzens Maria ein
Akt der Hyperdulie ist, d.h. der außergewöhnlichen Verehrung, die Maria
wegen ihrer einmaligen heilsgeschichtlichen Stellung erwiesen wird.
Der Gegenstand ist das von Liebe brennende Herz des Heilands, wobei
aber Herz und Liebe nicht getrennt betrachtet werden dürfen, da sie ein
Gegenstand sind, der aus zwei Elementen, einem geistigen und einem
sinnlichen besteht. Das geistige Element ist die Liebe Jesu, aber nicht
nur die Liebe, die er als Mensch empfunden hatte, sondern seine
gottmenschliche Liebe zum Vater und zu den Menschen. Das sinnliche
Element ist das leibliche, lebendige, von Liebe und Schmerz beeinflußte
Herz, das von der Person Christi nicht getrennt betrachtet werden darf
und daher immer in irgendeiner Weise in die Andacht mit eingeschlossen
ist. Begründet wird diese Einbeziehung und daher Anbetungswürdigkeit
des leiblichen Herzens - des Sinnbildes für das gesamte Innen- und
Tugendleben des Herrn - durch die hypostatische Union, das
Verbundensein der göttlichen und menschlichen Natur Christi in der
Einheit der göttlichen Person. Und schließlich stellt das blutende
Herz, vielfach von einer Dornenkrone umgeben dargestellt, die durch den
Undank der Menschheit gepeinigte und verachtete Liebe Christi dar,
weshalb der Hauptzweck der Herz-Jesu-Andachten Sühne und Genugtuung
sein sollen.
Ergreifend und klar betete Cardinal Newman zum Herzen Jesu:
O heiliges Herz Jesu, ich bete Dich an
in der Einheit der Persönlichkeit mit der zweiten Person der
hochheiligen Dreieinigkeit. Was immer der Person Jesu angehört, gehört
Gott an und ist derselben Anbetung würdig, die wir Jesus zollen. Er hat
die menschliche Natur nicht angenommen, als etwas von sich selbst
Verschiedenes und Getrenntes, sondern sie ist ganz und gar und ewig
sein eigen, so daß sie schon im Gedanken an ihn eingeschlossen ist. Ich
bete Dich an, o Herz Jesu, weil Du Jesus selbst bist, das ewige Wort in
menschlicher Natur, die der Sohn Gottes ganz und vollkommen angenommen
hat, in der er ganz lebt, und weil in ihr, lebt er auch in Dir. Du bist
das Herz des Allerhöchsten, der Mensch geworden ist. Wenn ich Dich
anbete, bete ich meinen menschgewordenen Gott, den Emanuel, an ...
Mein Gott und Erlöser, ich bete Dein hl. Herz an, denn es ist der Sitz
und die Quelle all Deiner menschlich zärtlichen Liebe zu uns Sündern.
Es ist das Werkzeug und Organ Deiner Liebe. Es schlug für uns. Es
sehnte sich nach uns. Es litt für uns und unser Heil. Es brannte vor
Eifer, daß Gottes Ehre in uns und durch uns verkündet werde. Es ist der
Kanal, durch den uns alle Deine unendliche Menschenliebe und Deine
göttliche Erbarmung zugeflossen ist ..."
Benützte Literatur:
Wetzer und Weites Kirchenlexikon. Herder Verlag 1888.
Lexikon für Theologie und Kirche. Herder Verlag 1932.
Lexikon für Theologie und Kirche. Herder Verlag 1960.
Pastor, Geschichte der Päpste, Band XVI (1) und (3).
P. Baumann SJ, Der Herz Maria Sühnesamstag. Kanisius Verlag.
James Brodrick SJ, Petrus Canisius Bd.I. Wien 1950.
Beissel St. SJ, Die Verehrung Unserer Lieben Frau. Freiburg 1911. - Irdisches und Himmlisches. Bonn 1939.
Hausmann Irmg.: Marie des Vallées, Sühnopfer f.d. Zeit der großen Bekehrung, Gröbenzell 1971.
J.H. Kard. Newman: Betrachtungen u. Gebete. Zweiter Band. München 1924.
Winterhalter: Das hl. Herz Jesu und unsere täglichen Fehler und Versäumnisse. Kanisius Verlag.
P. Willibrord Menke S.D.S.: Der selige Hermann Joseph. |