"RÜCKGABE VON MENSCH UND WELT"
- DIE EUCHARISTIELEHRE JOHANNES PAUL II. IN
"DOMINICAE CENAE" -
von
Univ.Prof. Dr. Wigand Siebel
Auszug aus: BEDA-KREIS, Mai 198o
1. Anlaß und Zielsetzungen
Das Schreiben Johannes Paul II. vom 24. Februar 1980 "Dominicae Cenae"
über "Das Geheimnis und die öffentliche Verehrung der heiligsten
Eucharistie"(1) ist an "alle Bischöfe der Kirche" gerichtet. Es hat zum
Anlaß den Gründonnerstag und stellt sich in den Zusammenhang des
vorjährigen Gründonnerstagsbriefes an die Priester. Im Vergleich zu den
vorangegangenen Briefen und Rundschreiben ist "Dominicae Cenae" kaum
auf stärkere Kritik getroffen. Vielfach gilt dieses Schreiben als eine
Darlegung der traditionellen katholischen Lehre über das Sakrament der
Eucharistie und das Meßopfer. Selbst der Abbé de Nantes, der die
Enzyklika "Redemptor hominis" noch sehr kritisch gewürdigt hatte, ist
bei diesem Gründonnerstagsschreiben zu einer ziemlich vorbehaltlosen
Zustimmung gekommen. Er schreibt (2): "Dieses Schreiben erinnert mit
Genauigkeit und Glanz an die Lehre der Kirche. Dabei wird sogar das
traditionale dogmatische Vokabular benutzt und zwar in einem wahrlich
irenischen aber entschiedenen Ton: Das ist so, das ist der Glaube, das
ist unser Glaube! Alle diejenigen, die (noch) den katholischen Glauben
besitzen, werden sich freuen, ihren obersten Lehrer und Hirten zu
sehen, wie er klar den Glauben ins Gedächtnis ruft in Ausdrücken, die
die gewöhnlichen Hirten, Priester und Bischöfe nicht mehr benutzen".
[...]
Tatsächlich werden solche Ausdrücke wie "Sühneopfer", "Darbringung" und
"Wandlung", wie es scheint, recht unbefangen wieder aufgenommen. Die
Frage ist jedoch, ob eine wieder traditionelle Wortwahl auch zugleich
die Wiederaufnahme der traditionellen Lehre bedeutet. [...]
Der zentrale Abschnitt des neuen Gründonnerstagsbriefes dürfte
derjenige über den "sakralen Charakter der Eucharistie und das Opfer"
sein. In ihm kommt der Wunsch zum Ausdruck, gewisse Auswüchse und
Entgleisungen der nachkonziliaren Entwicklung zurückzudämmen.
Insbesondere wird der "sakrale Charakter der Eucharistie" eingeschärft,
dementsprechend man das Bußsakrament nutzen soll (11.5-6). Das
"Voranschreiten der Kirche" braucht nach der Umbruchszeit wieder eine
gewisse Stabilität; allein schon aus Gründen der ökumenischen Politik.
Es fällt aber auf, daß das, was in die traditionelle Richtung
gesprochen zu sein scheint, vielfach ohne eine deutliche Verpflichtung
vorgetragen wird.
Was die lateinische Sprache angeht (l0,3), so soll man "den Gefühlen
und Wünschen" der Gläubigen, die "jetzt das Fehlen dieser einheitlichen
Sprache bedauern", nicht nur "Verständnis, sondern auch Respekt
entgegenbringen". Im "Rahmen des Möglichen" (quantum fieri potest) muß
man ihnen entgegenkommen, "wie es auch in den neueren Anweisungen
vorgesehen ist".
Bezüglich der Handkommunion (11, l0) werden die bestehenden Regeln
eingeschärft. Es wird gesagt, daß man die "Handkommunion im Geist
tiefer Ehrfurcht und Frömmigkeit empfangen" könne. Nach Balthasar
Fischer (3) "ist sogar erstmals in einem päpstlichen Dokument lobend
von den Gläubigen die Rede, 'die den Herrn Jesus bei der
Handkommunion'" empfangen. [...]
Die besondere Zielsetzung des Briefes ist nach wie vor die Ausführung
der Leitlinien des Vatikanum II. Es ist so, daß wir die "Lehre dieses
II. Vatikanischen Konzils ... mit tiefem Glauben annehmen wollen,
überzeugt, daß der Heilige Geist sich seiner bedient hat, um der Kirche
die Wahrheiten mitzuteilen und die Hinweise zu geben, die sie zur
Erfüllung ihrer Sendung für die Menschen von heute und morgen braucht.
Es wird weiter unser besonderes Anliegen sein, die Erneuerung der
Kirche gemäß der Lehre des II. Vatikanischen Konzils zu fördern und im
Geist einer stets lebendigen Tradition weiterzuführen. Gehört es doch
zum Wesen einer recht verstandenen Tradition, daß man auch'die Zeichen
der'richtig deutet"(13,1).
Außerdem werden die Gedanken der Enzyklika "Redemptor hominis"(4)
wieder aufgenommen und z.T. weitergeführt. Alle wesentlichen Punkte,
die in der Enzyklika behandelt wurden, finden sich hier wieder. So die
Religionsfreiheit. Es besteht, wie es heißt, "die Pflicht, den Glauben
eines jeden zu achten", und diese Pflicht "steht mit dem natürlichen
und bürgerlichen Recht auf Gewissens- und Religionsfreiheit in einem
inneren wechselseitigen Zusammenhang" (8,6). [...]
2. Kirche und Menschheit
Wie in dem Rundschreiben "Redemptor hominis" kommt die
Bezeichnung "katholisch" in dem Gründonnerstagsschreiben an die
Bischöfe nicht vor! Bemerkenswerter Weise wird aber an einer Stelle von
der "römisch-lateinischen Kirche" (11,9) gesprochen. Der Begriff der
römischen Kirche wird seit dem Vatikanum II parktisch nicht mehr
benutzt. Taucht er hier wieder auf? Die römische Kirche ist nichts
anderes als die eine wahre katholische Kirche. So sagt Pius XII. in der
Enzyklika "Mystici corporis": "Bei einer Wesenserklärung dieser wahren
Kirche Christi, welche die heilige katholische, apostolische, römische
Kirche ist..." (H19). Wird von der "römisch-lateinischen" Kirche
gesprochen, so ist von einer Teilkirche die Rede, wobei das Wort
"lateinisch" aber eigentlich gar nicht mehr als Merkmal brauchbar ist.
An die Stelle des lateinischen römischen Ritus ist ja eine
unübersehbare Zahl von Riten getreten.
Und so gelingt es dann auch von "römischer Kirche" im Sinne einer
Partikularkirche zu sprechen: "Die römische Kirche hat besondere
Verpflichtungen gegenüber dem Latein, der großartigen Sprache des
antiken Rom ..." (l0,3). Das christliche Rom, das bis in unsere Tage
reicht, braucht da nicht erwähnt zu werden.
Die Kirche besteht, wie es heißt, aus "dem ganzen Volk Gottes, allen
die an Christus glauben" (2,3). Dieser Kirchenbegriff kann jedenfalls
nicht die katholische Kirche als Leib Christi meinen. Im Unterschied
zur Enzyklika "Redemptor hominis" scheint es so, als seien die
Nichtchristen dieses Mal aus dem "Volk Gottes" deutlich ausgeschieden.
Aber: Es ist "uns doch die Eucharistie auch 'für' die andern
anvertraut, die deshalb von uns ein besonderes Zeugnis der Verehrung
und Liebe für dieses Sakrament erwarten, damit auch sie ermutigt und
angeregt werden, 'geistige Opfer darzubringen'" (2,3).
Im Hinblick auf die "geistigen Opfer" ist in dem Schreiben auf 1 Petr.
2,5 hingewiesen. Dort heißt es: "Laßt euch als lebendige Steine zu
einem geistigen Tempel aufbauen, zu einem heiligen Priesterum, um
geistige Opfer darzubringen, die durch Jesus Christus Gott wohlgefällig
sind". Wenn die "andern", d.h. diejenigen, die nicht an Christus
glauben, wie behauptet, geistige Opfer darbringen können, dann müßten
sie im heiligen (allgemeinen) Priestertum stehen und damit auch
Mitglied der Kirche bzw. des Volkes Gottes sein. Nach katholischer
Lehre gehören aber zur Kirche nur diejenigen, die getauft sind, den
vollen katholischen Glauben besitzen und nicht von der Gemeinschaft der
Kirche getrennt sind. Keinesfalls gehören die Nichtchristen dazu, denn
niemand kann geistige Opfer darbringen, die Gott durch Jesus Christus
wohlgefällig sind, als nur ein getaufter Christ. Die Taufe verleiht die
Rechtfertigung. Nur ein Gerechtfertigter, d.h. ein im Stande der Gnade
befindlicher Christ, vermag überhaupt übernatürliche Verdienste zu
erwerben (DS 1546). Und nur diese Verdienste sind Gott wohlgefällig.
Ähnlich mehrdeutig ist der letzte Satz des Schreibens, wo es heißt: Wir
wollen "alles tun, damit die heilige Eucharistie immer mehr Quelle des
Lebens und Licht der Gewissen aller unserer Brüder und Schwestern in
allen Gemeinschaften innerhalb der universalen Einheit der Kirche
Christi auf Erden wird" (13,4). Sind mit den "Gemeinschaften" die
nichtkatholischen "Kirchen" und Gemeinschaften gemeint? Und mit
"Brüdern und Schwestern", wie sonst im Schreiben (z.B. 6,1) alle
Menschen?
3. Nächstenliebe und Menschenliebe
Das Christentum verlangt von seinen Gläubigen als sein
Hauptgebot Gottes- und Nächstenliebe. Warum nicht Menschenliebe? Weil
Gott im Nächsten geliebt wird, nicht in einem Abstraktum der
Menschheit. Nach dem Schreiben "Dominicae Cenae" wird die "Eucharistie,
in ihrem wahren Sinn verstanden, ... von selbst zur Schule tätiger
Nächstenliebe ... Die Eucharistie führt uns auf tiefere Weise in diese
Liebe ein; denn sie zeigt uns, welchen Wert jeder Mensch als unser
Bruder und unsere Schwester in den Augen Gottes hat, da Christus sich
unter den Gestalten von Brot und Wein einem jeden in gleicher Weise
schenkt"(6.1). Danach muß die echte eucharistische Frömmigkeit "in uns
das Bewußtsein von der Würde eines jeden Menschen wachsen lassen. Das
Wissen um diese Würde wird das tiefste Motiv für unsere Beziehung zum
Nächsten" (6.1). Die christliche Nächstenliebe erstreckt sich aber
gerade nicht gleichzeitig auf jeden Menschen, sondern jeweils auf
diejenigen unter ihnen, die als die Nächsten dem Christen begegnen,
weil in jedem von diesen Christus ihm entgegentritt. Die Orientierung
auf jeden Menschen, auf den Wert jedes Menschen, auf die Würde jedes
Menschen führt nicht ohne Weiteres zur christlichen Nächstenliebe,
sondern kann ein Anlaß sein dazu, Christus durch den Menschen zu
ersetzen. So ist aus christlicher Sicht der Satz, wonach das Wissen um
die Menschenwürde "das tiefste Motiv für unsere Beziehung zum Nächsten
ist" höchst fragwürdig. Das tiefste Motiv kann doch nur Gott sein, kann
nur Christus sein. Wäre aber das Wissen um die Menschenwürde das
tiefste Motiv, dann würde die Einheit von Gottes- und Nächstenliebe,
die fundamental für das Christentum schlechthin ist, in Frage gestellt.
Wäre der Satz wahr: "Der Sinn des eucharistischen Geheimnisses drängt
uns zur Liebe des Nächsten, zur Liebe eines jeden Menschen (ad amorem
denique ergo singulos homines)" (6.1), dann hätte Christus nicht das
Beispiel des barmherzigen Samariters lehren brauchen, um zu erklären,
wer unser Nächster ist. [...]
4. Liturgie und Mahl
Die "neue Liturgie" ("liturgia renovatio"; 9,8) enthält, wie es
heißt, einen Reichtum, den man sich zu entdecken bemühen muß. Die
Eucharistie hat so "die Form von Brot und Wein (species paÒis et vini),
somit von Speise und* Trank; sie ist dem Menschen deshalb so vertraut,
so eng mit seinem Leben verbunden, wie'es eben Speise und Trank
sind"(7.1). Dieses Menschliche erlaubt es sogar, von einem "Sakrament
von Brot und Wein" zu sprechen: "Tatsächlich erfährt alles Menschliche
in diesem Sakrament von Brot und Wein, von Speise und Trank, eine
einzigartige Umwandlung und Erhöhung". Daher ist der eucharistische
Kult "nicht so sehr der Kult einer unzugänglichen Transzendenz, als
vielmehr der Kult der göttlichen Herablassung" (7.7). Auf die heilige
Messe kan man "den Vergleich der Kirchenväter von den beiden Tischen
anwenden, auf denen die Kirche ihren Söhnen und Töchtern das Wort
Gottes und die Eucharistie, das Brot des Herrn darreicht" (l0.l). Aber
ist damit das Opfer nicht unter dem Gesichtspunkt des Tisches doch
wieder zum Mahl geworden? Als "zweiter Tische des Geheimnisses der
Eucharistie" (11.1), ist die Eucharistie eine ständige Einladung, am
"Hochzeitsmahl des Lammes" (offb 19,9) bzw. am Hochzeitsmahl nach dem
Gleichnis des Evangeliums (Lk 14,16 ff) teilzunehmen (11.3). Die
Einheit "realisiert sich jedoch nicht nur durch das Einswerden der
Menschen in der Erfahrung der Brüderlichkeit, wie das eucharistische
Mahl sie ihnen ermöglicht. Vielmehr verwirklicht sich die Kirche, wenn
wir in jener brüderlichen Gemeinschaft und Einheit das Kreuzopfer
Christi feiern" (4.3). Danach wäre die brüderliche Einheit im
eucharistischen Mahl Voraussetzung, um das Kreuzesopfer Christi zu
feiern, wobei offen bleibt, was "die Feier des Kreuzesopfers"
beinhaltet. [...]
5. Ein neues "Opfer der Erlösung"
a) SÜHNOPFER? Der Begriff des "Sühnopfers" wurde in der
nachkonziliaren Theologie und auch in den römischen Erlassen so weit
wie möglich vermieden, insbesondere soweit die heilige Messe in
Betracht stand. Ist doch gerade dieser Begriff dem ökumenischen Dialog
sehr hinderlich. Johannes Paul II. dagegen gebraucht diesen Begriff
wieder in mehreren Passagen seines Gründonnerstagsschreibens
(4.3;8,4;9,6).
Zwar ist nicht direkt gesagt, daß die Messe ein Sühnopfer ist, wie es
der katholische Glaube bekennt, aber die Formulierungen lassen es
zumindest möglich erscheinen, daß auch die Messe als Sühnopfer gemeint
ist. Wäre das aber der Fall, so müßten sich nicht unbeträchtliche
hemmende Rückwirkungen auf den Ökumenismus ergeben.
Um diese Fragen zu klären ist es nötig, das Opferverständnis Johannes
Paul II. genauer zu untersuchen. Es heißt im Text: "Die Eucharistie ist
vor allem ein Opfer. Opfer unserer Erlösung und zugleich Opfer des
Neuen Bundes" (9.1). Kreuzesopfer und Opfer der Eucharistie sind
identisch. "Daher werden gerade bei der Gegenwärtigsetzung dieses einen
Opfers unseres Heiles Mensch und Welt durch das neue österliche
Geschenk der Erlösung Gott zurückgegeben (restituuntur). Diese Rückgabe
darf nicht fehlen, denn sie ist das Fundament für den 'neuen und ewigen
Bund1 Gottes mit dem Menschen und des Menschen mit Gott (testamenti Dei
cum hominibus hominumque cum eo). Ohne diese Rückgabe (restitutio)
müßte man sowohl die Erhabenheit des Erlösungsopfers in Frage stellen,
das doch erhaben und endgültig war, als auch den Opfercharakter der
heiligen Messe. Da die Eucharistie also ein wahres Opfer ist, bewirkt
sie diese Rückgabe an Gott" (9.1).
Zwar besagt das Wort "restitutio" auch "Wiederherstellung", aber der
Kontext ergibt eindeutig, daß die Übersetzung des autorisierten
deutschen Textes mit "Rückgabe" richtig ist.
Die "Rückgabe" nimmt nach dem Gesagten eine zentrale Stellung ein. Sie ist
a) Fundament für den "neuen und ewigen Bund Gottes mit dem Menschen" (genauer: "mit den Menschen"),
b) konstitutiv für die "Erhabenheit des Erlösungsopfers" und
c) bestimmend für den "Opfercharakter der Messe".
Ist diese Vorstellung der "Rückgabe" vereinbar mit der traditionellen
Theorie vom Meßopfer und Kreuzesopfer, wonach Christus sich selbst,
d.h. seinen Leib und sein Blut, und in sich und mit sich die Kirche
Gott Vater darbrachte bzw. darbringt? H.TJ
b) BUND GOTTES MIT DEN MENSCHEN?
Was ist damit gemeint? Zunächst: Gibt es einen "Bund Gottes mit dem
Menschen" bzw. mit "den Menschen"? Gott hat mit bestimmten Personen den
Alten Bund geschlossen, das gleiche gilt für den "neuen und ewigen
Bund". Wie es der Prophet JeremÌas (31,31) vorhergesagt und Paulus
wiederholt hat (Hebr 8,8), erstreckt sich der Bund Gottes auf "Israels
Haus" und "Judas Haus". Damit kann nur die Kirche gemeint sein, die
unsichtbar das Alte Testament bereits getragen hat. Die jeweils im Bund
befindlichen Personen sind Auserwählte Gottes. Dem Begriff des Bundes
widerspricht es, "den Menschen" alle Menschen, die Menschheit oder die
Welt zu umfassen. "Wäret ihr von der Welt, so würde die Welt auch euch
als ihresgleichen lieben. Weil ihr aber nicht von der Welt seid,
sondern ich euch von der Welt auserwählt habe, deshalb haßt euch die
Welt" (Joh 15,19).
Was im Schreiben gemeint ist, wird schneller deutlich, wenn man die
Enzyklika "Redemptor hominis" zu Rate zieht. Darin hatte Johannes Paul
II. die Meinung vertreten, daß jedem Menschen die Würde der
gnadenhaften Gotteskindschaft durch die Erlösung am Kreuz zuerkannt
worden sei, eine Meinung, die die Kirche als Institution der Erlösung
überlüssig macht (5).
Entsprechend heißt es auch im Gründonnerstagsschreiben: "Unsere
Anbetung enthält noch eine weitere Besonderheit. Sie ist durchdrungen
von der Größe dieses Todes eines Menschen, bei dem die Welt (mundus
universus), das heißt jeder von uns, 'bis zur Vollendung' geliebt
worden ist" (3.4). Danach hat Christus die Welt und damit jeden
Menschen bis zur Vollendung geliebt. Zum Beleg wird von Johannes Paul
II. auf Joh. 13,1 verwiesen. Dort heißt es: "Jesus wußte, daß für ihn
die Stunde gekommen war, aus dieser Welt zum Vater zu gehen. Da erwies
er, der die Seinen, die in der Welt waren, liebte, seine Liebe bis zum
Letzten". Es steht in diesem Vers des Evangeliums weder, daß Jesus die
Welt geliebt hätte, noch daß jeder Mensch von ihm bis zur Vollendung
geliebt worden sei. Im Gegenteil, er unterscheidet zwischen den Seinen,
die er liebte, und der Welt sehr genau. Das ist ein neuer Beweis für
die Verfälschung des Evangeliums, wie sie ja auch mehrfach in der
Enzyklika "Redemptor hominis" festzustellen ist. [...]
c) RÜCKGABE?
Wenn alle Menschen bereits vollständig und endgültig ohne ihre
Zustimmung erlöst worden sind, so kann man darin eine "Rückgabe" der
Welt an Gott sehen. Da das Erlösungsopfer, wie es heißt, "vollkommen
und endgültig war", wäre ohne die "Rückgabe" angeblich seine
Erhabenheit in Frage gestellt und entsprechend das Opfer der Messe. Der
Christ aber weiß, daß von einer Rückgabe von "Mensch und Welt" bis zum
Weltgericht nicht die Rede sein kann. Dann aber "werden die, die Gutes
getan haben, zur Auferstehung des Lebens herauskommen, die Böses getan
haben, zur Auferstehung des Gerichtes" (Joh 5,28).
Es gibt also höchstens eine "Rückgabe" der Erlösten, nicht aber der
Verdammten. Die Welt aber wird nicht "zurückgegeben", sondern sie wird
am Jüngsten Tage untergehen (vgl. Mt 24,35). [...] Wenn alles gültig
erlöst ist, braucht es kein Opfer mehr. Wenn es keine Opfergemeinschaft
ist, die opfert, sondern die Welt, dann ist die Kirche jedenfalls
überflüssig. Die "Rückgabe des Menschen und der Welt" als zentraler
Inhalt des Opfers widerspricht allen bisherigen Opfertheorien, ja hebt
das Opfer als Bekenntnis einer Gemeinschaft zu Gott auf.
Aber die Idee der "Rückgabe" ergänzt sich auf das Vollkommenste mit
einem wichtigen Abschnitt der Pastoralkonstitution "Die Kirche in der
Welt von heute" des Vatikanum II. Dort ist davon die Rede (38,1/2), daß
"die Menschheit selbst eine Gott angenehme Opfergabe wird". Das gleiche
gilt für die mit einer Zähigkeit sondergleichen verteidigten Fälschung
des Evangeliums, die in der Eucharistiefeier beim Einsetzungsbericht
demonstrativ laut vorgetragen wird, nämlich die Ersetzung der Worte
"für viele" durch "für alle".
Der neue Bund, über den das Bundesblut fließt, umfaßt danach "alle",
und entsprechend erstreckt sich die Vergebung der Sünden auf "alle".
Die Kirche ist aber die Arche des Heiles, die nur die Auserwählten in
den Himmel führt. Sie-wird in dieser neuen Intention ersetzt durch die
Religion des Menschen, die Idee der "Welt". Damit ist das Reich des
"Fürsten dieser Welt" angebrochen (vgl. Joh 12,31).
d) GRÖSSERE DURCHSICHTIGKEIT?
Abschließend ist in dem Abschnitt über das Opfer gesagt: "Die nach dem
II. Vatikanischen Konzil erfolgte liturgische Erneuerung hat
tatsächlich dem eucharistischen Opfer sozusagen eine größere
Durchsichtigkeit geschenkt. Dazu helfen u.a. die Worte des
eucharistischen Hochgebetes, die der Zelebrant mit lauter Stimme
spricht, besonders die Wandlungsworte mit der Akklamation der Gemeinde
unmittelbar nach der Wandlung" (9.9).
Von einer größeren "Durchsichtigkeit" des eucharistischen Opfers kann
aber nicht die Rede sein. Im Gegenteil dienen die mit lauter Stimme
vorgetragenen "Wandlungsworte" dazu, deutlich zu machen, daß es sich um
einen Bericht handelt.^Ein solcher muß natürlich laut wiedergegeben
werden. Für das Geschehen eines Opfers dagegen wäre das leise
Aussprechen der Wandlungsworte angemessener. Deshalb hat auch das
Konzil von Trient bestimmt: "Wer sagt, die gottesdienstlichen Satzungen
der römischen Kirche, nach denen ein Teil des Kanons und die
Wandlungsworte leise gesprochen werden, seien zu verurteilen ... der
sei ausgeschlossen" (DS 1759).
6. Pluralismus und Abweichung
"Die Eucharistie ist als Sakrament ihrer Einheit ein gemeinsames Gut
der ganzen Kirche" (12.2). Dieses ist sie allerdings nur dann, wenn der
gemeinsame, unreduzierte und unverfälschte katholische Glaube
vorausgesetzt wird. Und dieser Hinweis fehlt vollkommen. Einheit ergibt
sich nicht mehr zentral aus dem Glauben, sondern aus der gemeinsamen
Marschrichtung hin auf den Ökumenismus und die Welteinheitskirche zu.
Dabei kann der eine oder andere schon etwas schneller voranschreiten
oder auch zurückbleiben, nur wer die Richtung verweigert, wird
notwendiger Weise zum Feind der "Einheit".
Dies gilt auch dann, wenn auf liturgischem Gebiet weitgehend alles
erlaubt ist. So war in der Phase der Erneuerung "die Möglichkeit einer
gewissen 'kreativen' Autonomie zugestanden worden" (12.3). "Auf dem Weg
dieses Pluralismus" muß natürlich auch die Einheit beachtet werden. Das
gilt für den "vom II. Vatikanischen Konzil vorgesehenen Pluralismus des
eucharistischen Kultes" (12.4).
So können die kultische "Autonomie" bzw. der kultische "Pluralismus"
nicht soweit gehen, daß auch die überlieferte Form der heiligen Messe
noch zugelassen würde. [...]
Es folgt sogar noch eine Beschwörung gegen die Abtrünnigen, die sich
nicht auf den neuen Weg der Heilssendung ziehen lassen wollen: "Im
Namen des gekreuzigten Christus und seiner Mutter bitte und beschwöre
ich Euch, daß wir jede Opposition und Spaltung hinter uns lassen und
uns alle in dieser großen Heilssendung vereinen, die zugleich Preis und
Frucht unserer Erlösung ist"(13.3). [...]
"Der Heilige Stuhl wird alles tun, was möglich ist, um auch weiterhin
nach Mitteln und Wegen zu suchen, welche die hier gemeinte Einheit
sicher können"(13.3).
Es kann nun keinem Zweifel unterliegen, daß die gegen die Bischöfe
gewandte Beschwörung in erster Linie Erzbischof Lefebvre gilt. [...]
Damit dürfte endlich Klarheit geschaffen sein. Hatte man sich doch auf
Seiten Erzbischof Lefebvres, genährt durch mündliche Äußerungen
römischer Prälaten, lange Zeit Hoffnung gemacht auf eine Übereinkunft
mit Rom.
Eine solche Übereinkunft wird - jedenfalls nach "Dominicae Cenae" wohl
kaum in Zukunft erreichbar sein. Eher scheint eine deutliche Scheidung
bevorzustehen. Aber auch ohne eine solche, muß sich der Katholik, ja
der gläubige Christ, von den dargestellten Lehren und ihren Vertretern
nicht als geschieden betrachten?
Anmerkungen:
(1) Joannis Pauli II Summi Pontificis Epistula ad
universos Ecclesiae episcopos: De Ss. eucharistiae mysterio et cultu.
Typis Polyglottis Vaticanis 1980. Deutscher Text: Verlautbarungen des
Apostolischen Stuhles, Nr.15, hrsg. vom Sekretariat der Deutschen
Bischofskonferenz, Kaiserstr. 163, Bonn. Die Fundstellen sind nach dem
deutschen Text angegeben.
(2) Abbé de Nantes: La lettre du Pape sur l'eucharistie; Pour le retour
a l'ordre? In: La Contre Ré forme catholique No. 152, Avril 1980, S.l.
(3) Balthasar Fischer: Fest auf dem Boden des Konzils, Das aktuelle
Interview, in: Der Sonntag, Limburger Bistumsblatt, 34. Jg. Nr. 13, vom
3o.3.1980, S.8.
(4) Vgl. W. Siebel: Erlöser des Menschen? Zur Enzyklika Johannes Paul
II. "Redemptor hominis", in: Beda-Kreis, Nr.184, Okt.1979; Einsicht
9.Jg., Nr.7, S.266ff.
(5) Vgl. Siebel: Erlöser des Menschen?
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