DIE KATZE LÄSST DAS MAUSEN NICHT.
von
Univ.-Prof . Dr.Dr. Reinhard Lauth
Herr Pfarrer Milch, der die katholisch gebliebenen Christgläubigen
wegen ihrer Ablehnung des eindeutig materialen und formellen Häretikers
Paul VI. schon einmal des "lodernden Hasses" bezichtigt hat, sieht sich
bemüßigt, erneut(in seinem Cirkular vom 27. August) an der von
bestimmten Geldgeberkreisen gesteuerten Kampagne der Unterstellungen
gegen uns - ich weiß nicht, ob aus Unwissenheit oder im bewußten
Dienste - teilzunehmen. Er belastet uns mit der "Hypothek der
Unwissenheit bzw. der vorschnellen 'Meinungs'- Bildung", will "einige
Irrtümer", mit denen seine Einbildungskraft uns belehnt, beseitigen,
und sieht - wie könnte es bei Traditionalisten, die nichts als
Traditionalisten sind, anders sein - daß "der Teufel mit uns sein Spiel
treibt". Er bezichtigt uns "höchst engagierte Bundesgenossen" des
Weih*bischof s ' Kempf gegen den häretischen Erzbischof Lefebvre zu
sein, "die von anderen geistigen Dimensionen her gegen den Erzbischof
geifern (!!) zu sollen wähnen". Also, nach dem "lodernden Haß" nun der
"Geifer". Liebe Leser, ich überlasse es Ihrem Urteil, zu bestimmen, ob
und wie solch unbegründete Vorwürfe einem Geistlichen anstehen.
Gegenübergestellt wird uns als "klarer Richtweiser" Erzbischof
Lefebvre, "dessen Denken und Handeln den ewigen Linien katholischer
Wahrheit und Weisheit sicher gemäß ist". Ja, dieser Mann wird "zum
Inbegriff des Katholischen in unserer Zeit" hochstilisiert.
Worin besteht nun unsere "vorschnelle 'Meinungs'-Bildung", über die wir
durch die Erkenntnisse des Herrn Pfarrer Milch aufgeklärt werden
sollen.
1. These : Lauth macht die "Philosophie Johann Gottlieb Fichtes - zur
Grundlage der Metaphysik". So muß es sein, denn damit wird
auftragsgemäß die Kampagne gegen Lauth und gegen die SAKA - die,
wiederum laut Auftrag, eine Firma mit Lauth sein muß - bestritten.
Und da fordere ich denn den Herrn Pfarrer Milch auf, öffentlich sich
darüber zu erklären, wo wer jemals eine derartige Forderung erhoben
hat. Ich jedenfalls nicht! Für mich gibt es überhaupt keine
"Philosophie Fichtes", sondern nur eine (auch) von Fichte vertretene
Philosophie. Wenn der Herr Pfarrer Milch nicht aus reiner Unwissenheit
schriebe, hätte er meinen eigenen systematischen Büchern längst
entnommen, daß die von mir vertretene Philosophie und die von Fichte
vertretene sich nicht decken.
2. These : "Wer von ihr (sc. der Philosophie des heiligen Thomas)
abweicht, weicht von der heiligen Kirche ab." Pfarrer Milch "stützt"
diese These mit einer Passage aus der Enzyklika Humani generis Pius
XII., in der aber merkwürdiger Weise nur von der scholastischen
Theologie und den von dieser verwendeten philosophischen Begriffen die
Rede ist. Aus der Scholastik wird im Handumdrehen die thomistische
Philosophie, so als ob es die große franziskanische Scholastik, die bis
weit über Luther hinaus und z.B. auch im Konzil von Trient führend war,
nie gegeben hätte und nicht mehr gäbe. Also alle katholischen Lehrer
und Philosophen vor Thomas, alle, die neben und nach ihm eine andere,
z.B. die augustinische, die kappadozische, die franziskanische, die
cartesische Richtung vertreten haben "weich[en] von der heiligen Kirche
ab". Streichen wir ihre Namen aus dem Heiligenkalender des Jahres.
Basilius, Augustinus, Gregor von Nyssa, Damscenus, Dionysios
Areopagita, Anselm, Duns Scotus, Suarez, Bérulle - um nur diese wenigen
großen Namen zu nennen - Abweichler von der heiligen Kirche. Der hl.
Johannes der Evangelist, sicherlich kein Thomist, Abweichler von der
heiligen Kirche! Dafür aber - und hier schaut der Pferdefuß hervor -
Maritain, Lehrer Pauls VI., und Lefebvre - Thomist bzw. "Inbegriff des
Katholischen in unsrer Zeit"!
3. These : "Seine [sc.des Aristoteles] Denkweise, die - sich präzisierend - von Plato herkommt, hat die Kirche ein- für allemal als die geeignetste [...]bestimmt".
Das eben wollen die blinden Traditionalisten, das wollte Maritain in
seiner infamen Kampagne gegen Bergson und Descartes den Gläubigen
weißmachen - und dagegen haben sich die genialen katholischen Denker Pé
guy und Bloy erhoben. Die Kirche hat nach der schrecklichen Panne der
Reformation, in der insbesondere die Augustiner - aber nicht eben wegen
der Philosophie des hl. Augustinus - dem Luthertum verfielen und die
Jesuiten sich unfähig erwiesen, die philosophia perennis durch geniale
grundlegende Leistungen fortzuführen, sozusagen die Notbremse gezogen
und die vom hl. Thomas vertretene Philosophie als die geeignetste
Grundlage der katholischen Theologie empfohlen! Von "ein- für allemal"
kann, da es sich um keine dogmatische Festlegung handelt, überhaupt
nicht die Rede sein. Noch auf dem Vaticanum I wurde die thomistische
These, daß man Gott sicher beweisen könne, zugunsten der
nichtthomistischen, daß man Gott sicher erkennen könne, zurückgestellt.
Wäre wahr, was Pfarrer Milch schreibt, so hätte die römisch-katholische
Kirche - von den unierten Kirchen kann sowieso nicht die Rede sein, da
deren Grundlage die Lehre der großen Kappadozier und des hl. Johannes
Damascenus ist - alle franziskanischen Lehrstätten schließen müssen.
Das geschah aber keineswegs. Bis zum Zusammenbruch der letzten Jahre
hat es in der römisch-katholischen Kirche namhafte Theologie- und
Philosophielehrer in den Seminarien gegeben, die offen gegen Thomas
standen und die franziskanische Richtung vertraten.
Eine Geringfügigkeit, die in diesem Zusammenhang aber nicht übergangen
werden darf, ist der Nebensatz des Herrn Pfarrer Milch, daß die
Philosophie des Heiden Aristoteles "von Plato herkommt". Hier treibt
-zwar nicht der Teufel, aber - Herr Pfarrer Milch mit seinen Lesern
"sein Spiel". Die gesamte Geschichte der Philosophie ist von dem
Gegensatz des Piatonismus und Aristotelismus bestimmt. Im
systematischen Sinne kommt Aristoteles eben nicht von Plato her und ist
er kein Piatonist. Er war nur historisch sein Schüler und jener sein
Lehrer. Platonisten sind Dionysios Areopagita, die großen Kappadozier,
Anselm - und deren systematische Grundposition läßt sich eben mit der
aristotelischen und thomistischen nicht vereinigen. Hier muß man
wählen, und die Kirche hat bis heute das Recht zu dieser Wahl keinem
Christgläubigen bestritten.
Ich schreibe das alles nur für jene Leser, die sich unvoreingenommen in
der Sache ein Urteil bilden wollen, nicht etwa für den Herrn Pfarrer
Milch. Dieser möge sich zunächst auf Ehre und Gewissen fragen, ob er
die von Fichte vertretene Transzendentalphilosophie überhaupt kennt.
Sicherlich nicht! Er urteilt also als Blinder. Das ersieht man auch
daraus, daß er wie die Herren Erren und Holzer ständig von einer
thomistischen, aristotelischen, fichtischen u.s.w. Philosophie spricht.
Philosophie ist ihnen offensichtlich "'Meinungs'-Bildung".
Philosophie ist eine Wissenschaft, zu der Piaton, Aristoteles, Thomas,
Fichte u.s.w. etwas beigetragen haben. Was davon sich als haltbar
erwiesen hat, kann man "philosophia perennis" nennen. Diese Philosophia
perennis ist in der Vorstellungswelt des Herrn Pfarrer Milch so
heruntergekommen, daß sie zum Personenkult entartet ist. Entblödet sich
der Herr Pfarrer doch nicht zu schreiben, daß sie "um den engelgleichen
Lehrer, den heiligen Thomas von Aquin, kreist" (der NB. selbst wieder
der "geeignetsten" "Denkweise" des "Heiden Aristoteles" verhaftet ist).
Man sollte doch wohl denken, der hl. Thomas kreise mit seinem Denken um
die philosophia perennis, und ich bin bereit, darauf meine ewige
Seligkeit zu verwetten, daß der hl. Thomas eben dies von sich sagen und
das Gegenteil als Überhebung zurückweisen wird.
Diese Wissenschaft der Philosophie schreitet trotz aller Irrtümer und
weltanschaulichen Entstellungen langsam aber sicher fort. Wir leben im
zwanzigsten und nicht mehr im dreizehnten Jahrhundert. In den
dazwischenliegenden 700 Jahren ist von Denkern, die Aristoteles und
Plato ebenbürtig, ja in bestimmten Fällen überlegen waren, gedacht
worden. Die große transzendentalphilosophische, von dem katholischen
Christen Descartes (Mitglied der Congregatio Mariana) eingeleitete
Umwälzung ist heute nicht mehr wegzudenken. Unglücklicherweise hat sich
die römisch-katholische Kirche nach der Reformation mit dem
Jesuitenorden dem Modephilosophieren ergeben, mit dem Erfolg, daß aus
der scholastischen Philosophie Blondelismus, Heideggerianismus,
Theilhardismus, Maritainismus und Marxismus wurde, immer nach dem
Marxschen Rezept, daß man sich auf die Schultern eines Riesen zu
stellen suchte, um triumphierend verkünden zu können, man sehe weiter.
An den ungeheuren Leistungen eines Descartes, Kant, Fichte aber ging
man vorbei und bestritt sie à la Bourdin mit süffisanten Sophismen.
Möge sich der Herr Pfarrer Milch doch einmal in der Wirklichkeit
umsehen! Von den großsprechenden Thomisten in Pullach z.B. oder in
Paris, die mir, als ich jung war, vorwarfen, ich sei ein "liberaler
Katholik", sind alle ohne Ausnahme dem Heideggerianismus,
Theilhardismus, Marxismus und natürlich dem Reformismus verfallen. Die
Dominikanerphilosophen in Paris sind heute berüchtigte Marxisten. Auf
der anderen Seite könnte sich der Herr Pfarrer Milch - doch, was rede
ich, nicht er, sondern der unpartoptische Leser dieser Zeilen - einmal
fragen, wieso denn führende Kenner der Fichteschen
Transzendentalphilosophie, ein Professor G. in Paris, ein Professor P.
in Mailand, der Präsident einer der berühmtesten wiss. Akademien in
Italien, Professor G, Professor C. in Pamplona, Professor N. in Mexico
alle Reformgegner geblieben sind und den katholischen Glauben bewahrt
haben. Ich will nicht hoffen, daß ein Christ hier plötzlich mit dem
heidnischen Begriff "Zufall" arbeiten will.
Aber das alles weiß Pfarrer Milch nicht und kann er nicht wissen, wil
er die innerphilosophische Situation nicht kennt. Er hat über
Philosophie und Erkenntnis ebenso unklare Begriffe wie über Theologie
und Glauben. Denn wer in dem häretischen Lefebvre, der die
Gleichberechtigung von hl. Messe und N.O.M. anstrebt, den "Inbegriff
des Katholischen in unserer Zeit" sieht und "una cum Papa nostro Joanne
Paulo" im Kanon der hl. Messe betet, d.h. in Einheit und im Auftrag
eines manifesten Häretikers, der versteht's eben nicht oder er ist dazu
angewiesen. Da man von einem Menschen in dubio immer das Bessere
annehmen soll, nehme ich das erstere an. Dann aber bitte: manum de
tabula!
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