DER HL. BENEDIKT VON NURSIA
von
Manfred Jacobs
"Laßt uns die großen Männer, unsere Väter preisen!
Ihr Name lebt von Geschlecht zu Geschlecht. Von
ihrer Weisheit erzählen die Völker und ihren Ruhm
verkündet die Kirche." (Ekkli. 44.)
Während wir im Jahr 1979 des 8oo, Todestages der großen hl.
Benediktinerin Hildegard von Bingen gedachten, erinnert uns das Jahr
198o an den Gründer des Benediktiner-Ordens, den hl. Benedikt von
Nursia, den "Vater des Abendlandes" oder "Patron Europas" wie er heute
noch genannt wird. Weshalb diese Titel? Benedikt war kein Feldherr, und
er war kein Staatsmann. Aber, und das ist' das Entscheidende, er war
ein G o t t e s m a n n ! (Der Biograph des hl. Benedikt, sein großer
Schüler Papst Gregor I., nennt den Heiligen immer den "Mann Gottes".)
Wir wissen, daß in den Menschen, die sich ganz Gott zu eigen geben, die
Kraft Gottes wirksam wird, die Kraft, die "Welten schafft, und die das
Angesicht der Erde erneuert". Damals, heute und immer!
Das Leben Benedikts war nicht frei von dramatischen Geschehenissen. Er
war ein Mann, dem nichts Menschliches fremd war. Das hat sich in seiner
Ordensregel, die sich "durch ihre weise Maßhaltung, herrlich in ihrer
Sprache auszeichnet", niedergeschlagen. Hier wird auch das eigentliche
Wesen Benedikts erkennbar, "denn der heilige Mann konnte nichts anderes
lehren als er lebte".
Die Regel Benedikts hat nicht nur Ordensleuten etwas zu sagen, und
deshalb können und wollen auch wir aus dieser Quelle schöpfen, und sie
sollte wieder kräftig zum Sprudeln gebracht werden!
Der um das Jahr 480, vor 1500 Jahren also, in dem östlich von Rom
gelegenen umbrischen Stüdtchen Nursia (heute wohl Norcia) geborene
Benedikt zog als Jüngling nach Rom, um sich dort den höheren Studien zu
widmen. Dies war damals üblich bei den Söhnen aus den gehobeneren
Ständen, und Benedikt entstammte einem angesehenen römischen
Geschlecht.
Das lockere Leben und das sittenlose Treiben der römischen Jugend
ekelte ihn aber an, und so verläßt er Studien, Vaterhaus und Erbsitz,
und wendet sich den im Osten liegenden einsamen Bergen zu,wo, das wußte
er, in Klöstern und Einsiedeleien Männer lebten, die ihr Leben ganz
Gott geweiht hatten. Ob Benedikt diese innere Freiheit und Reife ganz
ohne Kampf als Geschenk der Gnade bekommen hatte, oder ob er sich erst
durch hartes Ringen diese Richtung "hin zu Gott" erkämpfen mußte,
wissen wir nicht. Ein "von der Gnade gesegneter" war er aber in jedem
Falle, denn "Gott allein wollte er gefallen". "Soli Deo - Gott allein!"
Auf seinem Weg in die Einsamkeit kam er durch das Städtchen Enfide
(Affile), wo bei der Kirche des hl. Petrus viele ehrenwerte Männer
wohnten. Solche Vereinigungen von Männern, die unter einem Priester ein
gemeinschaftliches Leben führten, gab es damals an vielen Kirchen, und
wer die Priesterseminare kennt, wie sie vor dem II. Vatikanischen
Konzil geführt wurden, könnte mit diesen einen Vergleich ziehen, obwohl
es zu Zeiten Benedikts noch keine solchen Seminare gab. Diese Männer
ministrierten beim Gottesdienst, widmeten sich den Werken der
Frömmigkeit und dem Studium der Gotteswissenschaft. Sie bereiteten sich
auf den Empfang der Priesterweihe oder eine andere Stufe des klerikalen
Standes vor.
Es ist nicht bekannt, ob Benedikt absichtlich nach Enfide ging, oder ob
dieser Ort nur auf dem Wege lag. In Enfide aber suchte er Klarheit über
seinen weiteren Lebensweg zu bekommen, denn er war durchaus noch nicht
mit sich im Reinen, wie er sein Lebensideal, die uneingeschränkte
Hingabe an Gott, verwirklichen sollte. Benedikt lebte und forschte:
"Herr, was willst Du, daß ich tun soll?"
Wie lange Benedikt in Enfide blieb, wissen wir nicht, aber sein
Aufenthalt dort war sicher von tiefer Bedeutung für ihn, denn hier
dürfte er sich wohl die umfangreiche Kenntnis der Heiligen Schrift und
der Kirchenväter angeeignet haben. Vielleicht hat er hier auch eine
klerikale Weihe empfangen. Bezeugt ist aber, daß er rastlos an seiner
persönlichen Vervollkommnung gearbeitet hat.
Wir können es uns vorstellen, daß die Mitglieder der Gemeinde den
jungen Benedikt gerne in ihren Reihen festgehalten hätten. Dieser aber
verläßt Enfide, wobei er sich heimlich von seiner alten, treuen Amme,
die ihn, nachdem sie vielleicht als einzige, hinter sein Geheimnis
gekommen war, um keinen Preis verlassen wollte und ihm bis Enfide
gefolgt war, losriß. Damit löste er sich vom letzten Band seines
bisherigen Lebens.
Ohne Aufenthalt eilt er nun seinem ursprünglichen Ziel, den Bergen, zu.
Hier sind rings in den Felswänden zahlreiche Höhlen, die ein dürftiges
Wohnen gestatten und stilles Beten und Betrachten ermöglichen. Es ist
im Aniotal bei Subiaco. Hier begegnet Benedikt dem Mönch Romanus, der,
nicht weit entfernt, in einer klösterlichen Gemeinschaft lebt. Romanus
ist gerne bereit, Benedikt mit Rat und Tat zu unterstützen. Er läßt
täglich ein wenig Brot, wohl von der eigenen Mahlzeit abgespart, an
einem Strick von oben in die Höhle Benedikts hinab. Es ist anzunehmen,
daß Benedikt von Romanus aber auch mit heiligen Büchern versorgt wurde.
Drei Jahre lebt Benedikt in dieser Einsamkeit und niemand, außer
Romanus, weiß um ihn. In heroischer Ertragung des harten
Einsiedlerlebens sucht Benedikt durch ständiges Beten und Betrachten
seine Seele zu reinigen. Da naht ihm der Versucher! Einmal, so erzählt
Benedikt selber später seinen Jüngern, einmal habe ihn des Fleisches
Lust mit solcher Macht überfallen, wie er sie nie vorher verspürt habe.
So groß war die irdische Glut in seinem Herzen, daß er daran dachte,
die Einsamkeit zu verlassen. Was muß das für ein Kampf gewesen sein,
dem der junge Mann, der in jahrelanger strengster Entsagung um Gottes
Willen Leib und Seele in Zucht genommen, der schon alles um Gottes
Willen verlassen hatte, fast erlegen wäre! Es war die letzte, beinahe
übermenschliche Entscheidung zwischen Gott und der Welt, zwischen
irdischer und himmlischer Liebe. Auf dem Höhepunkt dieses Ringens sieht
Benedikt ein Dorngestrüpp neben sich. Da reißt er sich verzweifelt
seine Kleider vom Leib, wirft sich in die Dornen und wälzt sich so
lange darin, bis sein ganzer Körper über und über mit Wunden bedeckt
ist, die mehr schmerzen als der Brand der Sinnlichkeit. Da ist der Sieg
errungen! Benedikt kehrt zu sich selbst zurück! Der Gottsuchende
Jüngling war zum Manne gereift, zum "Vir Dei", zum "Manne Gottes" wie
ihn St. Gregor immer nennt. Im "Vollalter Christi" konnte er nun auch
anderen "Führer zu Gott" werden, denn seit jener Zeit war das sinnliche
Begehren so in ihm gebändigt, daß er "Etwas derartiges nie mehr in sich
fühlte", wie er seinen Jüngern selbst sagte.
Während in den ersten Jahren seines Einsiedlerlebens nur sehr selten,
und dann auch nur durch Zufall, Menschen zu Benedikt stießen, (einmal
war es ein Priester, und ein andermal Hirten, die sich auf der Suche
nach ihrer Herde in den Felsen verstiegen hatten, und den Beter in
seiner Kleidung von Fellen unter Dorngestrüpp sahen und diesen für ein
Tier hielten) begannen im Laufe der Zeit nach und nach viele die Welt
zu verlassen, um seinem Beispiel zu folgen, denn sie erkannten in ihm,
der frei von Sünde und Versuchung und der wegen seiner
außerordentlichen Tugend überall berühmt geworden war, mit Recht den
Lehrer des vollkommenen Wandels. Er führt die, die sich ihm
anvertrauten ins geistliche Leben ein, tröstet und stärkt sie in ihren
Schwierigkeiten und Kämpfen und leitet sie durch Beispiel und Wort hin
zu Gott.
Einmal aber wird dieses Leben und Wirken Benedikts durch ein finsteres
Ereignis gestört. Nicht weit von Subiaco lag ein Kloster, Vicovaro. (Zu
Zeiten Benedikts gab es bereits klösterliche Gemeinschaften, meistens
jedoch ohne eine feste Lebensordnung.) Der Abt des Klosters Vicovaro
war gestorben und die Mönche dieses Klosters kamen zu Benedikt und
baten ihn darum, die Leitung ihrer Gemeinschaft zu übernehmen. Benedikt
weigerte sich lange. Er sagte den Mönchen von Vicovaro, daß sein und
ihr klösterlicher Wandel nicht zusammenpassen. Die Mönche aber gaben
keine Ruhe, und schließlich gab Benedikt ihrem Drängen nach, verließ
seine Einsamkeit und wurde Abt von Vicovaro. Sehr bald schon bereuten
die Mönche ihre Wahl, denn Benedikt bekämpfte die eingerissenen
Mißstände und drang auf Zucht und klösterliches Leben. Einige Mönche
kamen überein, den strengen Abt durch Gift, welches sie dem Wein
beimischen wollten, aus dem Wege zu räumen. Als sie nach klösterlicher
Gewohnheit den Wein, der tatsächlich vergiftet worden war, dem Vater
zum Segen reichten und Benedikt das Kreuzzeichen darüber machte,
zerbrach das Gefäß, wie wenn ein Stein darauf geschleudert worden wäre.
Was muß Benedikt angesichts einer so abgrundtiefen Bosheit woh].
empfunden haben? Aber er zeigt sich hier in seiner außerordentlichen
Größe. Schon ganz in Gott gegründet, bleibt er ruhig. "Mit mildem
Antlitz, mit ruhiger Seele erhob er sich, rief die Brüder zusammen und
sprach zu ihnen: Brüder! Der allmächtige Gott erbarme sich über euch!
Warum habt ihr das wider mich tun wollen? Habe ich euch nicht vorher
gesagt, daß euer und mein Wandel nicht zusammenstimmen? Geht und sucht
euch einen Abt nach eurem Sinn; denn mich könnt ihr in Zukunft nimmer
haben. Dann kehrte er an den Ort seiner geliebten Einsamkeit zurück und
wohnte wieder allein unter den Augen seines himmlischen Beschauers bei
sich." So erzählt es uns sein großer Schüler St. Gregor.
Der Ruf der Heiligkeit von Benedikt verbreitete sich aber immer weiter,
und zieht immer mehr Männer an, die, gleich Benedikt, und unter seiner
Führung ein Leben der Einsamkeit, der Buße und des Gebetes führen
wollen. So wurde die Zahl derjenigen, die sich ganz Gott weihen
wollten, immer größer, und die Höhlen in den Bergen von Subiaco
reichten nicht mehr aus, um allen Unterkunft zu gewähren. Der zum
Mönchsvater erkorene Benedikt sah sich genötigt, gleich Pachomius, der
ebenfalls als Einsiedler begonnen hatte, die in den Höhlen wohnenden
Asketen zusammenzuführen zu einem gemeinsamen Leben. "So errichtete er
zwölf Klöster, in denen er je zwölf Mönche unter Bestellung eines Abtes
zusammenwohnen ließ. Einige wenige behielt er bei sich zurück, die er
in persönlicher Unterweisung noch tiefer ins geistliche Leben
einzuführen beschloß. Es begannen damals auch gottesfürchtige Adelige
aus Rom zu ihm zu kommen, um ihm ihre Söhne zu "übergeben, damit er sie
für den Dienst des allmächtigen Gottes heranbilde."
Da läßt es Gott noch einmal zu, daß das Böse, welches überall lauert,
seine Finsternis offenbart. Florentius, Priester einer benachbarten
Kirche, sucht, - wohl aus Neid und Eifersucht -, durch üble Nachrede,
die Leute von Benedikt fernzuhalten. Als Florentius aber beobachten
mußte, daß genau das Gegenteil von dem eintrat, worauf er seine
Bemühungen konzentrierte, stieg ein unbändiger Haß in ihm hoch. Er
schickte Benedikt heuchlerisch, unter dem Schein der Freundschaft, ein
vergiftetes Weihebrot, wie man es sich als Zeichen der Liebe zuzusenden
pflegte. "Der Mann Gottes nahm das Brot mit Dank entgegen, aber das
Gift, das darin war, blieb ihm nicht verborgen. Zu der Stunde aber, wo
er zu essen pflegte, kam aus dem nahen Walde ein Rabe, um aus seiner
Hand Brot zu erhalten." Diesem Raben nun gab Benedikt "im Namen unseres
Herrn Jesus Christus" den Auftrag, das vergiftete Brot an einen- Ort zu
schaffen, wo es kein Mensch mehr finden konnte. Der Rabe flog mit dem
Brot davon, und kam drei Stunden später mit leerem Schnabel zurück. Als
Florentius sah, daß auch dieser Anschlag wieder mißlungen war, ging er
in seiner Raserei so weit, schamlose und schlechte Mädchen in den
Garten vor dem Klösterlein St. Benedikts zu schicken, die dort, durch
unsittliche Tänze, in den Herzen der Jünger St. Benedikts die bösen
Begierden wecken und so diese Seelen verderben sollten. "Der heilige
Mann sieht es von seiner Zelle aus. Er fürchtet, es könnten die
innerlich noch nicht gefestigten Jünger fallen, und da er weiß, daß ja
alles nur geschieht, um ihn zu treffen, weicht er dem Neid. Er ordnet
in den Klöstern, die er errichtet hatte, was zu ordnen war, bestellte
die Oberen, verteilte die Brüder, und dann ging er mit einigen wenigen
Brüdern, die er mit sich nahm, auf die Suche nach einem anderen
Wohnort." Er verläßt also die Stätte, die ihm so sehr teuer geworden
war. Wer kann ermessen, was das heißt? Aber Benedikt ist in dieser
Stunde wei sein Meister, denn seine Seele hat keinen Raum für
Bitterkeit gegen seinen Feind. Anders Florentius. Dieser eilt voller
Genugtuung auf den Söller seines Hauses, um dem scheidenden Benedikt
nachzuschauen und sich an dessen Abschied zu weiden. Da bricht Gottes
Strafgericht herein. Der Söller stürzt zusammen und zerschmettert den
Unseligen. Ein Schüler Benedikts, Maurus, der das gesehen hatte, eilt
seinem geistigen Vater nach und berichtete diesem voller Freude dieses
Geschehen. Benedikt aber "jammert laut, daß sein Feind so traurig
geendet, und zugleich, daß sein Jünger über seinen Tod frohlockte, und
er legte ihm eine Buße dafür auf".
Benedikt kehrte nicht zurück, denn seine, jedem Wink der göttlichen
Vorsehung hingegebene Seele fühlte durch das, was vorgefallen war,
einen neuen Ruf Gottes. Gewohnt, Gott allein zu suchen, brachte er sich
von neuem rückhaltlos zum Opfer, um in der Kraft Gottes ein neues Werk
zu schaffen.
So war es um das Jahr 525 als Benedikt südwärts zieht, "wo ein
befestigter Platz, Casinum genannt, am Hang eines hohen Berges sich
hinzieht". Hier stand noch ein Apollotempel und ein Apolloaltar, und
auch Venus wurde dort von den Bewohnern der Umgebung immer noch
verehrt. In den uralten Götterhainen die ringsum gewachsen waren,
wurden heidnische Opfer dargebracht. "Der Mann Gottes zertrümmerte das
Götzenbild, zarstörte den Altar, legte die Haine nieder und errichtete
im Tempel des Apollo ein Gebetshaus zu Ehren des hl. Martinus (des
großen gallischen Mönchsvaters und Bischofs). Dort aber, wo der Altar
des Apollo gestanden, erbaute er ein Gotteshaus zur Ehre des hl.
Johannes (des Vorläufer des Herrn, des gewaltigen Führers zu Gott). Das
ringsum wohnende Volk führte er durch unermüdliche Predigt zum rechten
Glauben." Und jetzt vollbringt er die entscheidende Tat seines Lebens,
zu der ihn Gott berufen hat. Er baut die erste (Benediktiner)Abtei und
schreibt für sie eine Regel, die bis heute Galtung hat. Er hat darin
die Erfahrungen seines eigenen Lebens und das, was die gesamte
monastische Erfahrung des Morgen- und Abendlandes bis auf seine Zeit
gelehrt hat, in vollendeter Form vereinigt, St. Benedikt war zum "Vater
der Mönche" geworden. Man stellt ihn oft dar als den strengen Herrn
seiner Mönche, neben sich die Rute der Züchtigung und den Zeigefinger
am Mund, um zum Stillschweigen zu mahnen. Dieses Bild entspricht aber
nicht dem, was Vita und Regel vom hl. Benedikt sagen, denn voll Mitleid
und Güte ist er gegenüber aller menschlichen Not. Wie milde ist er
gegenüber allen, die mehr aus Schwachheit und Unwissenheit als aus
bösem Willen gefehlt haben. Und gerade das Mitleid ist es, welches ihn
veranlaßt, die Wundermacht Gottes in Anspruch zu nehmen; und die
Wunder, die Gott durch Benedikt wirkte, sind nicht gering, weder an
Zahl noch an Gewichtigkeit.
Auch menschlicher Freundschaft war Benedikt zugetan. Besonders gerne
unterhielt er sich mit seiner leiblichen Schwester, der hl.
Scholastika. Scholastika hatte "sich gleichfalls von Jugend auf dem
allmächtigen Gott geweiht", und führte, nicht weit von Monte Casino,
ebenfalls ein klösterliches Leben - sicher im Geiste ihres Bruders.
Alljährlich trafen sich die Geschwister auf einem Besitztum des
Klosters, nicht weit vom Monte Casino, und verbrachten einen Tag
zusammen "in heiligen Gesprächen und im Lobe Gottes".
Ein besonderes Merkmal von Wesen und Geist Benedikts ist "die höchste
Ruhe und tiefster Friede", denn er hat sich ganz losgelöst von allem,
was der Vergänglichkeit und damit der Unruhe unterworfen ist, weil in
seiner Seele die Wurzel aller Friedlosigkeit, die Sünde, keinen Platz
mehr hat. Die Macht dieser Ruhe zeigt sich auch in Begegnungen mit
anderen. So z.B., als König Totila seinen Waffenträger Riggo mit
königlichem Gefolge zu dem heiligen Mann sandte "fielen alle, die mit
ihm zum Manne Gottes gekommen waren, auf die Erde nieder", und als der
stolze Gotenkönig selbst zu ihm kam, "da warf er sich schon, als er ihn
von ferne sitzen sah, auf die Erde nieder und wagte nicht
hinzuzutreten". Demütig hörte er Benedikts Mahnung und Prophezeihung
an: "0 König du hast schon recht viel Böses getan. Höre doch einmal
auf, noch mehr zu tun. Rom wirst du bezwingen, dann über das Meer
fahren und neun Jahre noch regieren. Im zehnten aber wirst du sterben
und vor Gottes Gericht kommen." Totila "bat ihn (Benedikt) um sein
Gebet und war von jener Zeit an weniger grausam".
Trotz allem aber waren auch die Jahre auf Monte Casino nicht ohne Kampf
und Leid. "Er (Benedikt) änderte den Ort, aber nicht den Feind" sagt
St. Gregor. Der Feind alles Guten fand auch den Weg nach Monte Casino.
Benedikt mußte äußere Drangsale und Schwierigkeiten beim Bau des
Klosters überwinden, und gegen Verächter der Regel und schlechte Obere
im Innern der Klostergemeinschaft kämpfen.
Seine vielleicht größte Prüfung bereitete ihm Gott. In einem Gesicht
bekommt Benedikt gezeigt, daß nach seinem Tod sein ganzes blühendes
Kloster, feindlicher Zerstörung zum Opfer fallen wird. Benedikts
Freund, Theoprobus, kam nach diesem Gesicht zu Benedikt und fand diesen
tränenüberströmt in tiefster Trauer. "Dies ganze Kloster, das ich
gebaut, und alles, was ich für die Brüder eingerichtet, ist nach dem
Urteilsspruch des allmächtigen Gottes den Heidenvölkern preisgegeben."
Heiß ringt Benedikt im Gebet mit Gott "eines konnte ich nur mit Mühe
erreichen, daß mir das Leben aller an diesem Ort geschenkt wurde". Und
tatsächlich konnten die Langobarden, die um das Jahr 580 ganz
überraschend kamen und das Kloster plünderten und zerstörten, keinen
einzigen Menschen gefangennehmen. Die Mönche flohen nach Rom. So wurde
das Werk Benedikts in die Stadt der Apostelgräber verpflanzt, von wo
aus einige Jahrzehnte später dann die apostolische Tätigkeit des Ordens
durch den Benediktinerpapst Gregor den Großen für die ganze Kirche
eingeleitet wurde. Es wurde das, was in den Augen der Menschen als
Vernichtung erscheinen mußte, durch die Hand der göttlichen Vorsehung
ein Mittel des Heiles und der Gnade. Im Vertrauen auf die göttliche
Vorsehung brachte "der Mann Gottes", nachdem ihm das Gesicht von der
Zerstörung seiner Abtei zuteilgeworden war, das vielleicht größte Opfer
seines Lebens. Er setzte seine Arbeit unverdrossen fort. Sein in Gott
gegründeter Geist weiß, daß der Herr alles zum besten lenkt. Das große
Opfer Benedikts ist die Krönung seines inneren Aufstiegs zu Gott, die
Vollendung seiner Heiligkeit in der restlosen Hingabe an Gott und
seinen heiligen Willen. Gottes Wille über alles! Gott alles in allem!
Er allein!
Es war um das Jahr 547, da gab Gott der Herr seinem Diener die Zeit
kund, daß er ihn ganz zu sich nehmen wolle. Dies vertraute Benedikt
einigen Brüdern in Freude an. 6 Tage vor seinem Tode läßt er sein Grab
öffnen; ein heftiges Fieber befällt ihn und verzehrt die Kräfte seines
Körpers. "Am 6. Tag aber läßt er sich von den Jüngern ins Oratorium
tragen. Dort stärkt er sich zu seinem Hingang durch den Empfang des
Leibes und Blutes des Herrn. Seine schwachen Glieder auf die Arme
seiner Jünger stützend, mit zum Himmel erhobenen Händen, stand er da
und hauchte unter Worten des Gebetes seine Seele aus." Sein Leib "wurde
im Oratorium des hl. Johannes des Täufers begraben, das er selbst nach
Zerstörung des Apolloaltares errichtet hatte".
Romano Guardini sprach einmal von den verschiedenen Arten, das Leben
der Heiligen zu beschreiben, u.a. die "Heiligenleben von mythischem
Stil", bei denen "ganz groß und einfach nur die Gestalt herauswächst",
bei denen "die Gestalt derart ins Große wächst, daß alles Einzelne
einschmilzt". Dabei denkt er an das Leben des hl. Benedikt, wie es uns
aus Gregor des Großen Dialogen entgegentritt."Man hat um seine
Geschichtlichkeit gestritten; aber die Gestalt des "Vir Dei", des
"Mannes Gottes", des Patriarchen der Mönche, steht da, ganz
durchleuchtet vom Geist, und spottet des Streites ..." "Wissentlich
unwissend, aus Weisheit ungelehrt."
Das tiefste Wesen der Regel St. Benedikts ist die Freiheit von der Welt
zum Zwecke ihrer Durchformung-nach dem Gesetze Christi. Das unendliche
fruchtbare Paradox des handfeinden Ja zur Welt aus dem Geiste des
persönlichen Nein zu ihr, die Bewältigung der Dinge aus dem Abstand,
das ganze Mysterium der Schöpferschaft aus der Abkehr vom
Geschöpflichen, die schlichte, große, größte aller menschlichen Weisen,
das Ora et labora! Das ist es, was Dostojewskij meint wenn er sagt: Wer
den Mönch nicht kennt, der kennt die Welt nicht.
Jede Zeit setzt andere Schwerpunkte in der Betrachtung Benedikts.
Einmal betont man seine Wertschätzung der Handarbeit, ein andermal die
kulturschöpferische Kraft seiner Regel, dann wieder seine Liebe zur
Liturgie, seinen Sinn für Ordnung, seine weise Maßhaltung. Jede Zeit
legt in ihre Betrachtung Benedikts immer auch ihre eigenen Nöte und
ihre Sehnsucht nach Überwindung dieser Nöte hinein. Wer könnte z.B. in
unserer friedlosen Zeit anders den Frieden bringen als ein Mensch,
dessen unbezwingliche Kraft der Friede in Gott - gleich der Benedikts -
ist? Durch all diese Überlegungen entsteht aber immer nur ein
partielles Bild. Das ist durchaus legitim. Doch muß sich dieses Bild
immer an der Gesamtgestalt und an den Worten Benedikts selbst messen,
damit Benedikt nicht für Dinge und Ideen herhalten muß, die mit ihm
selber nichts mehr zu tun haben.
Halten wir uns deshalb an den tiefsten Sinn der ganzen Lebensordnung,
die St. Benedikt aufgestellt hat: "Ut in omnibus glorificetur Deus"
("Auf daß Gott in allem verherrlicht werde!" - (U.I.O.G.D.))
Dieser kurze Abriß über Leben - und Werk des hl. Benedikt von Nursia
soll aber nicht abgeschlossen werden ohne Hinweis auf die sog.
Benediktusmedaille . Seit dem Tage, wo der Becher mit dem vergifteten
Wein unter der segnenden Hand Benedikts zersprungen ist, wurde das
Zeichen des Kreuzes das große Kampf- und Siegeszeichen für St.
Benedikt. Sein Orden hat diese Verehrung für das heilige Zeichen der
Erlösung und den Glauben an seine Segenskraft übernommen. Die Medaille
zeigt deshalb auf der einen Seite den heiligen Ordensvater, wie er
segnend das Kreuz erhebt, auf der anderen Seite das Kreuz mit der
Inschrift in den Anfangsbuchstaben:
"Crux sacra sit mihi lux, non draco sit mihi dux"
Das heilige Kreuz, es sei mir Licht, der Höllendrache sei mein Führer nicht!
Rings am Rand der Medaille aber stehen die beschwörenden Worte:
"Vade retro satana, numquam suade mihi vana!"
Weiche zurück, Satan! Niemals sollst du mir Eitles raten!
"Sunt mala, quae libas; ipse venena bibas!"
Böse ist der Trank, den du reichst; selber trinke dein Gift!
Es wird empfohlen, diese Medaille stets bei sich zu haben!
Verwendete Literatur:
Die Zitate sind in ihrer Mehrzahl dem 2. Buch der
"Dialoge" des hl. Papstes Gregor I. (des Großen) entnommen
(=Lebensbeschreibung des hl. Benedikt von Nursia).
Emmanuel Heufelder (Abt von Niederalteich) "Der heilige Benedikt von
Nursia (Imprimi potest 1933; Imprimatur 1934 Ausgabe 1958).
Anselm Grün OSB "Benedikt von Nursia; seine Botschaft heute" Ausgabe 1979
Josef Bernhart "Der Vatikan als Weltmacht" Ausgabe 1949
P. Philibert Seeböck, O.S.Fr. "Kleine illustrierte Heiligen-Legende" Imprimatur 1886 |