DAS SECHSTE GEBOT GOTTES
von
H.H. Pfarrer Alois Aßmayr
Durch das sechste Gebot regelt der Herr die Fortpflanzung des
Menschengeschlechtes und schützt den Fortpflanzungstrieb vor Mißbrauch.
Der Herr hat die ersten Menschen, Adam und Eva, als Mann und Frau
erschaffen und ihnen die Fähigkeit mitgegeben, sich selbst
fortzupflanzen. Er hat ihnen hierzu auch den Auftrag gegeben. Der
Geschlechtstrieb stammt also von Gott und nicht aus der Sünde! Alles
ging in Ordnung, da dieser wie die anderen Triebe ohne Schwierigkeit
von den Menschen beherrscht wurde. Die Erziehung und Erhaltung der
Kinder war ebenfalls kein Problem.
Durch den Sündenfall hat sich das ganz bedeutend geändert. Der Mensch
ist nicht mehr so unbedingt Herr über seine Leidenschaften, er ist
ihnen aber auch nicht hoffnungslos ausgeliefert. Er kann sie
beherrschen und sie in seinen Dienst stellen. Sein Wille ist immer noch
Herr über seine Triebe und Leidenschaften. Nur ist das keine leichte
Sache, wie die Erfahrung ja zur Genüge zeigt.
Zu einer geordneten Fortpflanzung des Menschengeschlechts gehört die
Unauflöslichkeit der Ehe (die auch nicht so problemlos ist, wie wir
besonders heute feststellen müssen). Dazu gehört dann auch die durchaus
nicht schmerzlose Geburt der Kinder, ihre Erziehung und Erhaltung. Die
Gefahr in der Ehe ist u.a. die, daß man nur die Befriedigung des
Geschlechtstriebes sucht und das Dazugehörige verweigert. Das ist
ungefähr so, als wenn ein Arbeiter sich für eine Arbeit zahlen läßt,
die Arbeit selbst jedoch verweigert, teilweise oder ganz.
Die ungeordnete Befriedigung des Geschlechtstriebes, der Mißbrauch
desselben richten fürchterliche Verheerungen an. Es heißt daher, diesen
starken Trieb im Zaume halten. Ich möchte ihn mit einem Motorfahrzeug,
mit Feuer, Benzin oder Sprengstoff vergleichen. Wieviel können einem
diese nützen und helfen - was wären wir ohne sie? -, wenn man sie unter
Kontrolle hält! Was aber können und richten sie sonst an?
Die Tiere haben ja ebenfalls einen Geschlechtstrieb, um sich
fortzupflanzen. Diesen Trieb hat der Herr selber geregelt. Er tritt
meistens zu ganz bestimmten Zeiten auf und schweigt dann wieder. Der
Mensch hat Verstand und freien Willen mitbekommen, weswegen dieser
Trieb von ihm selber geregelt werden soll und kann - wenn auch nach dem
Sündenfall nicht mehr ganz so leicht. Er soll daher nicht
unnötigerweise erregt werden. Was diesen Trieb nun erregt, brauche ich
wohl nicht aufzuzählen.
Es ist daher ein fürchterliches Verbrechen, wenn schon bei den Kindern,
die ja noch keinen Geschlechtstrieb kennen, dieser geweckt wird, und
diese Kleinen in alle Laster eingeführt werden, wobei man noch so tut,
als ob die Befriedigung bei ihnen nicht nur erlaubt, sondern sogar gut
sei. Wir sehen ja, welch fürchterliches Unheil das anrichtet.
Zum Schutz der Keuschheit gehört auch die Schamhaftigkeit. Sie ist der
Zaun um die Keuschheit. Nimm diesen Zaun weg, und es ist um die
Keuschheit geschehen, besonders, wenn ein solch freier Verkehr zwischen
den Geschlechtern gang und gäbe ist wie heute! Gewiß ist der ganze
mensbhliche Körper nichts Schlechtes. Unter Umständen muß man über die
Schamhaftigkeit hinweggehen wie bei der Geburt, bei einer Operation
oder Krankheit. Dort ist es aber selten gefährlich, da der Trieb dabei
schweigt, wenigstens von einer Seite. Manchmal muß man die Gefahr in
Kauf nehmen, um helfen zu können. Man kann aber der Gefahr gewachsen
sein. Die Schamhaftigkeit wäre ja nicht notwendig, wenn Nacktheit,
Entblößung und manch anderes nicht den Geschlechtstrieb wecken und zu
Befriedigung reizen würde - eben zum Mißbrauch. Sonst wäre ein
ehelicher Verkehr kaum möglich. Aber auch in der Ehe gibt es eine
eheliche Keuschheit und Unkeuschheit. In der Ehe muß man sich
gleichfalls beherrschen können. Ehemißbrauch ist heute wohl derart die
Regel, daß sich dadurch die Eheleute kein gutes Zeugnis ausstellen.
Deswegen hört er jedoch nicht auf, Sünde zu sein.
Im 6. Gebot wird daher verboten, alles, was die Keuschheit oder
Schamhaftigkeit verletzt, alles, was zur Verletzung der Keuschheit
führt. Der alte Katechismus führt dabei an, was zur Verletzung der
Keuschheit verleitet: 1. Vorwitz der Augen, 2. unsittliche Bilder und
das Lesen unsittlicher Bücher und Schriften, 3. unehrbare Kleidung, 4.
zu freier Umgang mit Personen des anderen Geschlechtes und
leichtfertige Gesellschaften, 5. unanständige Tänze, Schauspiele und
Darstellungen, 6. Müßiggang und Unmäßigkeit im Essen und Trinken. Alle
diese Punkte sind sehr leicht Anlaß zurUnkeuschheit, sie sollen daher
möglichst vermieden werden. Es vertragen ja nicht alle gleichviel. Auch
hier soll darum die Vernunft walten. Von direkter Unkeuschheit kann man
da ja noch nicht reden. Diese Gelegenheiten führen nur sehr leicht
dazu.
Wodurch wird aber die Keuschheit unmittelbar verletzt? Dazu sagt der
Katechismus: Die Keuschheit verletzen: 1. freiwillige unehrbare
Gedanken und Begierden, 2. unehrbare Reden, Scherze und Lieder, 3.
unehrbare Blicke und alle unehrbaren Werke. Dazu sagt der hl. Paulus im
Briefe an die Epheser (5,3-4): "Unkeuschheit und jede Unreinigkeit
(...) werde unter euch nicht einmal genannt, wie es Heiligen geziemt.
Noch komme vor Schamlosigkeit und törichtes Gerede."
Da der Geschlechtstrieb in jedem normalen Menschen vorhanden ist, er
sich daher bei der Geschlechtsreife und danach in jedem Menschen von
Zeit zu Zeit meldet, ist daher nicht jeder Gedanke und jede Begierde
Sünde, auch keine läßliche Sünde. Es kommt nur darauf an, wie man sich
zu ihnen stellt. Wir können es Versuchung nennen. Diese selbst ist ja
noch keine Sünde, und Versuchungen der verschiedensten Art kommen an
jeden Menschen heran. Man soll aber die Versuchung nicht herbeirufen,
und wenn sie doch kommt, ihr die Zustimmung versagen. So kann sie nicht
nur nichts anrichten, sondern sogar dazu beitragen, in den Tugenden zu
wachsen und Verdienste zu mehren. Es ist jedenfalls nicht immer leicht
zu entscheiden, ob man nicht doch irgendwie gesündigt hat oder nicht.
Sicher ist aber, daß jemand, solange er kämpft, nicht sündigt. Man soll
also auch nicht zu ängstlich sein. Daß man über Geschlechtliches
vernünftig reden, denken und schreiben und lesen darf, ist wohl
selbstverständlich. Es kommt auf die Absicht dabei an. Man kann
besonders heute nicht allen Gefahren aus dem Wege gehen. Schließlich
müssen wir Gefahren überwinden lernen, und wir können es auch. Mit der
Hilfe Gottes geht es. Dazu gehört eifriges Gebet ebenso, daß man die
Gefahren meidet, soweit man kann. Wer die Gefahr liebt, geht jedoch
darin unter.
Wenn ich noch das 9. Gebot kurz streife, so deshalb, weil man auch in
Gedanken und Begierden schwer gegen die Keuschheit sündigen kann. Der
Her sagt: "Wer eine Frau begehrlich anblickt, hat die Ehe schon
gebrochen." Das will sagen: wer eine Frau so mit Begierde anblickt, daß
er mit ihr zu sündigen bereit ist, hat die Sünde schon begangen, auch
wenn es aus irgend einem Grunde doch nicht zur Ausübung der Sünde
gekommen ist. Nur braucht er keinen Schaden gut zu machen, da er ja
keinen angerichtet hat. Die Sünde ist aber dennoch schon geschehen.
Wir sollen also den Geschlechtstrieb beherrschen und ihn nur dazu benützen, wozu er da ist und in der rechten Weise.
Biberwier, 5. August 1980
***
VERALTETER EHEBRUCH:
In dem von Josef Gölles, 'Pfarrer' an der Herz-Jesu-Kirche in Graz -
Österreich, herausgegebenen Pfarrblatt Nr. 3, Juni 1979, ist folgender
Leserbrief abgedruckt, in dem sich N.N. für die 'klare' Stellungnahme
des Pfarrers Gölles bezüglich der Zulassung wiederverheirateter
Geschiedener zu den Sakramenten bedankt: "Habe Ihr Pfarrblatt Nr. 2
gelesen und möchte Ihnen für die Einladung, daß auch die Geschiedenen
und standesamtlich Wiederverheirateten zu Ostern zu den Sakramenten
kommen sollen, recht herzlich danken. Ich bin selbst von diesem
Schicksal betroffen und weiß, was es heißt, diesen Weg zu gehen. Bei
einer Scheidung ist fast jeder Partner am seelischen Nullpunkt
angelangt, weil man sich beim Heiraten soviel gute Vorsätze macht, die
dann alle ins Wasser fallen. Es ist mir bewußt, daß die Kirche die Ehe
heilig halten muß, gerade in einer gesunden Familie liegt die Zukunft.
Ich hätte es vorher auch nicht geglaubt, aber in manchen Fällen ist es
besser, die Partner gehen auseinander.
Für die Geschiedenen bzw. standesamtlich Wiederverheirateten wurde
bisher von Seiten der Kirche viel zu wenig getan, ich möchte sagen, die
Betroffenen waren von der Kirche fast wie ausgeschlossen, wurden wie
Verstoßene betrachtet und sind als Menschen II. Klasse hingestellt
worden. Durch die bisherige Haltung der Kirche fühlen sich diese
Menschen völlig verstoßen und beginnen dann über die Kirche zu
schimpfen, denn Kirchensteuer zahlen können wir wohl, dazu sind wir gut
genug, aber sonst ... ? (...)
Durch meinen Beruf komme ich mit sehr vielen Menschen zusammen, höre
oft bei Diskussionen zu und kann daher sagen, daß ca. 95 % der
Katholiken dafür sind, daß die standesamtlich Wiederverheirateten die
gleichen Rechte im Sakramentenempfang haben sollten."N.N. |