CHRISTUS NOVUM INSTITUIT PASCHA SE IPSUM AB ECCLESIS
PER SACERDOTES SUB SIGNIS VISIBILIBUS IMMOLANDUM *)
von
H.H. Pater Guérard des Lauriers O.P.
(übersetzt von H.H. Pfarrer Paul Schonnbroodt)
Zweck dieser Studie ist es, den Inhalt dieser vom tridentinischen
Konzil formulierten und bestätigten Lehre in ihren praktischen
Anwendungen auszudeuten und im Gedächtnis aufzufrischen. In der
augenblicklichen Lage der Katholiken, die der Tradition die Treue
halten wollen, ist dies wohl sehr angebracht. Man ist nämlich
überrascht, wenn man in der Zeitschrift FIDELITER Nr.13, S.65-70,
liest, was Mgr. M. Lefebvre - in seiner
"Zusammenfassung seiner Stellungnahme in Schriften und Vorträgen" - zu
den beiden Fragen, die das Gewissen der Katholiken bedrängen (die der
Tradition treu bleiben wollen), darlegt: bezüglich der Gültigkeit des
N.O.M. und der Frage,"ob der Papst tatsächlich sein Amt innehat". (F 65
- mit dem Buchstaben "F" verweisen wir auf FIDELITER und die jeweilige
Seite.)
Mgr. Lefebvre kommt darin hinsichtlich der Messe zu folgender
Aufzählung: "Vor allem werden folgende fundamentale Dogmen über die
heilige Messe nicht mehr klar zum Ausdruck gebracht und finden sogar
Widerspruch" (F 66). Der Verfasser zählt deren fünf auf und zwar:
1.
"der Priester ist der alleinige Diener am Altar",
2. "es liegt ein
wahres Opfer vor",
3. "Jesus ist wahrhaft gegenwärtig, er ist das
Schlachtopfer",
4. "dieses Opfer ist ein Sühnopfer" und
5. "das Opfer
und das Sakrament werden durch die Worte der Wandlung - Konsekration -
vollzogen"
Diese Aufzählung krankt aber an zwei Auslassungen.
Außer den fünf "fundamentalen Dogmen", die von Mgr. Lefebvre angegeben
werden, setzt das Konzil von Trient noch außerdem zwei andere
dogmatische Lehren fest, die nicht weniger 'fundamental' sind. Ja, sie
sind sogar grundsätzlich in dem Sinne, daß sie hinsichtlich aller
anderen für die Opferhandlung den Wert eines Prinzips haben. Einerseits
bringt Christus sich selbst zum Opfer dar, er ist nicht nur das
"Schlachtopfer", sondern an erster Stelle "der Priester": "(Ipse)
semetipsum obtulit" (HËbr. 9,14), und dies sowohl in der Messe wie auch
am Kreuz. Anderseits erneuert Christus sein Opfer in der Messe auf
sakramentale Weise "AB ECCLESIA": auf Anordnung der Kirche. Dies wird
auch Mgr. Lefebvre mit Sicherheit wissen. Aber er tut so, als ob er es
nicht wüßte, da er weder das eine noch das andere erwähnt, und da er in
keiner Weise gerade das zweite, das "ab Ecclesia" berücksichtigt,
obwohl er das ausdrücklich zu berücksichtigen hätte. Dieser 'geistige
Ausrutscher' oder diese Auslassung liefert gewiß nicht die
Rechtfertigung, wohl aber die einzige Erklärung für die überraschende
Schlußfolgerung: "Folglich kann die Priesterbruderschaft St. Pius X.
keime Mitglieder in ihren Reihen dulden, die sich weigern, für den
Papst zu beten und die behaupten, daß alle Messen des Novus Ordo
ungültig sind." (F 7o)
In Wirklichkeit kann diese Vorschrift nur von einer verborgenen
Strategie herrühren; denn die Beweggründe, von denen sie herrühren als
'Folgerung', sind nicht stichhaltig. Diesen Aspekt der Sache wollen wir
an einer anderen Stelle untersuchen, da er, wenn er auch von Bedeutung
ist, im gegenwärtigen Fragenkomplex nur zweitrangig ist. Das von Mgr.
Lefebvre angewendete Ultimatum soll zunächst als Anlaß dienen, jenes
"fundamentale Dogma" herauszustellen, mit welchem er im Widerspruch
steht. So werden wir hier nun darauf hinweisen, in welchem Sinne die
Messe ab Ecclesia ist: von Rechts wegen hinsichtlich der Einheit der
Kirche (I); tatsächlich durch die Feier der Liturgie (II); und das in
'Friedenszeiten' als auch in 'Kriegszeiten' (III). Daraus folgt dann
die Bestimmung für die Art von 'Messe', bei welcher Mgr. Wojtyla "una
cum Ecclesis" genannt wird (IV).
I. Von rechtswegen ist die Messe a b E c c l e s i a
Der Auftrag "ab Ecclesia" erhellt, wie wir sehen werden, die Einheit im
Opfer der Kirche, (jene Einheit), welche der Kirche als eigenes Gut
angehört.
1.) "Christus setzte das neue Osterlamm ein, indem er sich selbst zum
Geopfertwerden (einsetzte) unter sichtbaren Zeichen, durch die
Priester, auf Anordnung der Kirche." Das Opfer, von dem Christus
Priester und Opfergabe zugleich ist, wird in der Kirche von gültig
geweihten Priestern dargebracht; dieses Opfer ist aber von der Kirche
befohlen: "Christus (...) se ipsum AB ECCLESIA immolandum."
Es geht nicht an, das Opfer von der Kirche zu trennen; denn, in einem
gewissen Sinne, ist dieses Opfer auf Grund göttlicher Einsetzung das
Opfer der Kirche selbst. Die Sendung durch die Kirche, ab Ecclesia, ist
integrierender Bestandteil der Handlung, bei der die Darbringung des
Opfers vollzogen wird. Wer dieses "ab Ecclesia" vernachlässigt,
'vergißt' - oder wer sich gar weigert, auch dies in Erwägung zu ziehen
-, der verursacht zwar nicht die Ungültigkeit der Handlung, sondern
begeht zumindest in einer ausgesprochen heiligen Sache eine schwere
Verfehlung bzw. eine Sünde, sofern er dies bewußt tut. Wollen wir uns
daran erinnern, worin das ab Ecclesia besteht und folglich welche
Pflicht der Priester, der diesen Auftrag erhält, auf sich nimmt.
2.) Das ab Ecclesia ist die dynamische Vollendung der kirchlichen
Einheit, welche in der Handlung, bei der das Opfer der Kirche vollzogen
wird, immanent eingeordnet wird.
Als einziger unter den Menschen kann Jesus Zeugnis geben von sich, weil
Er Gott ist: "Obschon ich Zeugnis von mir selbst gebe, ist doch mein
Zeugnis wahr." (Joh. VIII,14). Die von Christus gestiftete Kirche - als
einzige unter allen 'Kirchen' - kann kraft ihres Oberhauptes von sich
selber Zeugnis ablegen. Aus sich muß sie bezeugen, daß sie die Kirche
dessen ist, der von sich Zeugnis ablegte. Und da die Kirche von sich
Zeugnis ablegen muß, weil sie allein dazu ermächtigt ist, so muß sie
auf Grund ihrer "Autorität" erklären (weil sie allein dazu in der Lage
ist): "was von mir kommt, das ist es, was ab Ecclesia ist". Da das
Opfer der Kirche genau das ist, wovon man sagen muß, daß es ab Ecclesia
ist, insofern es sub signis visibilibus vollzogen wird, kommt diese
Behauptung im Namen der ganzen Kirche und für die ganze Kirche zum
Ausdruck bei der höchsten Handlung, welche vom Oberhaupt der
streitenden Kirche vollzogen wird, und zwar bei der Darbringung des
Opfers der Kirche.
So wird also bei der Handlung selbst, bei welcher der Papst die Feier
vollzieht, das ab Ecclesia ipso facto bekräftigt, verkündet und
promulgiert. Gerade diese Messe, wie der Papst sie zelebriert, gemäß
dem Ritus, der sie näher bestimmt, (und das nicht nach jedem
x-beliebigen Ritus) diese Messe wird als ab Ecclesia kommend
konstituiert kraft der Handlung, welche vom sichtbaren Oberhaupt der
streitenden Kirche voltzogen wird.
3.) Was nun so im Hinblick auf die formale Ursache festgestellt ist,
wird jetzt auch vorzüglich hinsichtlich des Zweckes bekräftigt.
Denn, warum hat wohl das Konzil von Trient bestimmt, daß das Meßopfer,
das ja das Opfer Christi und der Kirche ist, von der Kirche, ab
Ecclesia, befohlen sein muß? Doch wohl hauptsächlich aus dem Grunde,
damit die Kirche, von Christus her, selber das Prinzip ihrer eigenen
Einheit sei, wie sie es ja auch ihrem eigenen Zeugnisse zufolge ist.
Demzufolge ist die Kirche vollendet, und in der Einheit vollkommen. So
hat die Eucharistie als Eigenschaft, die Einheit der Kirche zu
bewirken. (S. Thomas, III q 80, a 4; Q 82, a 9, 2m) Es geziemt sich
also, daß die Einheit, welche in der Kirche vom Opfer hergeleitet wird,
auch die Kirche zum Ursprung habe. Mit anderen Worten: es geziemt sich,
daß das Opfer ab Ecclesia sei. So gesehen ist das Opfer in der Kirche
eins, auf Grund des Befehles, der von der Kirche herkommt. Im Vollzug
des einzigen Opfers wird dann die Einheit der Kirche vollendet. So wird
die dynamische Vollendung der kirchlichen Einheit durch das ab Ecclesia
bei der Opferhandlung immanent eingeordnet.
Und da in der Kirche alles hierarchisch geordnet ist, angefangen bei
der Einheit, so muß das ab Ecclesia, welches in der Kirche am Ursprung
der Einheit steht, die durch das Opfer in ihr verbreitet wird - dieses
ab Ecclesia also muß verwirklicht und bekräftigt werden in der
Handlung, die dem Oberhaupt der Kirche zukommt. So ist darum die
Handlung des Oberhauptes von Rechts wegen - und sie muß es auch
tatsächlich sein - das lebendige Vorbild der Einheit. Jene, denen die
Feier des Opfers aufgetragen ist, d.h. jene, die es feiern, indem sie
den Befehl der Kirche erhalten haben, müssen also das gleiche Opfer
feiern wie jener, der den Befehl dazu erteilt. Andernfalls würde das ab
Ecclesia seine Bedeutung verlieren; ja es wäre dann sogar geschändet,
weil der Grund für seine Forderung und seine Rechtfertigung praktisch
geleugnet würde.
II. Die Messe ist tatsächlich ab Ecclesia auf grund der abgehaltenen Feier.
1.) PER SE hat der Priester, der die Messe feiert, die Pflicht, im
Laufe der Handlung dieser Feier, näher zu bestimmen, worin das ab
Ecclesia für diese Feier genau besteht.
So lautet die Schlußfolgerung der obigen Feststellungen. Die Messe ist von Rechts wegen ab Ecclesia. (I)
Positis ponendis (im Verhältnis) haben die Gläubigen die gleiche
Aufgabe wie der Priester. Und wenn der Priester diese oder jene Messe
feiert, so hat er "PER SE" die Pflicht, die Gläubigen, die dieser Messe
beiwohnen zu belehren. Der Ausdruck "per se" besagt, daß diese Pflicht
objektiv zum Wesen der Handlung gehört, worin die Feier besteht:
Handlung Christi, Handlung der Kirche, Handlung des Priesters, Handlung
der Gläubigen; eine Handlung also, die nur gemäß der Einheit einer
Rangordnung bestehen kann.
Daß es eine knifflige Angelegenheit ist, dies theoretisch zu bestimmen,
das beweist ja die Erfahrung nur allzu sehr. Aber in 'Friedenszeiten'
wurden diese Fragen im Tun der Kirche so leicht gelöst, daß man diesem
Umstand leider kaum Beachtung schenkte.
Im Te igitur wird nämlich deutlich und feierlich ausgedrückt, - für
jeden, der einen Grundsatz annimmt und 'lebt', der allgemein angenommen
war und es auch bleibt -, worin das ab Ecclesia besteht.
2.) Das Prinzip, auf welchem der Auftrag ab Ecclesia tatsächlich beruht und das für jede Meßfeier erforderlich ist.
a) Die Voraussetzungen, die für die 'Ortung' des Prinzips erforderlich
sind. Da das Opfer Gott dargebracht wird, ergibt sich daraus als Folge,
daß Gott zwischen sich und der Person, die das Opfer darbringt, eine
neue gnadenhafte Beziehung aufnimmt. Mit 'dem Auge Gottes' betrachtet,
begründet diese Beziehung die Zuerkennung und normalerweise auch die
Anwendung einer übernatürlichen Frucht. Die gnadenhafte Zuerkennung ist
die Folge der Genugtuung, welche Gott vom Opfer erhält; die von Gott
kommende 'Zuwendung' macht dann die Erlösungsgnade aus. Die gleiche
Beziehung, die von Gott neu eingesetzt wird, begründet die Zuteilung
eines Verdienstes im Inneren dessen, der das Opfer darbringt. Nach St.
Thomas (3a pars, Q 48) haben wir da die vier Arten, nach denen das
Leiden Cheisti vollendet wurde: "per modum meriti", "per modum
satisfactionis", "per modum redemptionis", "per modum sacrificii".
Was uns in diesem Falle speziell beschäftigt, ist die 'Anwendung', wie
oben erwähnt. Wenn man nämlich dieses Opfer besonders darbringt, diese
Messe, für diese physische oder moralische Person, so bittet man Gott,
die Frucht dieses Opfers dieser Person zuzuwenden.
So kommen wir also dazu, die Normen dieser 'AN- bzw. ZU-Wendung' in
Erinnerung zu rufen. Tatsächlich zeigen diese in der 'Praxis' der
Kirche den Auftrag "ab Ecclesia" an.
b) Das Prinzip, auf welchem die von der Kirche ausgesprochene Behauptung des Auftrages "ab Ecclesia" beruht.
Dieses Prinzip ist, alles in allem genommen, eine Übertragung des
Axioms, das am Ursprung der Gerechtigkeit steht, auf das Gebiet der
übernatürlichen Ordnung. Um das darzulegen, trägt es zur Deutlichkeit
bei, wenn wir vorher die Unterscheidung für die darauffolgende
Bezugnahme im Gedächtnis wachrufen.
b-a) Die Unterscheidung "de condigno - de congruo" in Bezug auf die Lehre des Verdienstes.
Wenn ein Glied Christi einen Liebesakt setzt, hat es ein Verdienst "de
condigno" für sich selbst. Christus hat ein Verdienst "de condigno" für
sich selbst und für alle seine Glieder. Es kann nämlich niemand ein
Verdienst erlangen, ohne mit Christus verbunden zu sein. Daraus folgt,
daß das "De condigno"-Verdienst, welches formell die Beziehung zwischen
dem Akt und der handelnden Person betrifft, ipso facto und vorrangig
die Beziehung eben dieses Aktes mit Christus persönlich betrifft.
Wenn ein Glied Christi einen Liebesakt setzt, kann es für jemand anders
ein "de congruo"-Verdienst erlangen, wenn es Gott gefällt!
Streng genommen würde die Unterscheidung zwischen den beiden Kategorien
des Verdienstes tür uns ausreichen. Aber unter dieser scheinbaren
Deutlichkeit wird die Tiefe des Geheimnisses, wotin das Opfer Christi
eingetaucht ist, noch irgendwie verhüllt. Wir werden also daran
erinnern, daß die Kategorien-Einteilung des Verdienstes vom Axiom, das
am Ursprung der Gerechtigkeit liegt, abgeleitet wird. Wir werden die
Anwendungsmöglichkeiten dieses Axioms dann näher bestimmen. Daraus
ergibt sich die metaphysische und theologische Formulierung des
Prinzips, das unser Problem regiert.
b-b) Die metaphysische Grundlage der Unterscheidung des "de condigno" - "de congruo".
Das de condigno-Verdienst überträgt gemäß der "Analogie des Glaubens"
(Rom. 12,6) auf den übernatürlichen Bereich das am Ursprung der
Gerechtigkeit liegende Axiom: suum cuique (jedem das Seine).
Dieses Axiom hängt nämlich mit der Metaphysik der Person zusammen.
Folglich gilt es im natürlichen wie auch Im übernatürlichen Bereich. So
erklärt der hl. Thomas: "Wer auch immer für die Gerechtigkeit leidet,
wenn er in der Gnade lebt, der erlangt dadurch das Verdienst des Heiles
(für sich selbst)." Der hl. Thomas (3a q48 a) verweist auf das
Evangelium: "Selig, die Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen"
(.Matth. 5, lo). Mit anderen Worten: jener erlangt die Frucht des
Opfers, der es auch dargebracht hat. In dem Maße wie man opfert, in dem
Maße empfängt man auch. Diesem Prinzip zufolge erlangt Christus von
rechtswegen, da er als Haupt des mystischen Leibes in der Gnade steht,
empfängt er in jedem seiner Glieder, d.i. für die ganze Kirche, (die
sein Leib ist), die Frucht seines eigenen Opfers.
In gleicher Weise und durch die Anwendung des gleichen Prinzips
empfängt der Priester von rechtswegen und notwendigerweise - empfangen
auch die Gläubigen, die an der Darbringung des Meßopfers teilnehmen -
eine Frucht, deren Maß von der inneren Empfänglichkeit jedes einzelnen
abhängt. So erlangt ein jeder das "de condigno"-Verdienst für sich. Das
wäre also das erste Prinzip als notwendige Folge des Axioms "suum
cuique" in den Bereich des Übernatürlichen hineingenommen und zwar
insbesondere in die Tugend der Religion. Hat doch Christus selber die
Anwendung dieses Prinzips in seiner eigenen Opfertat verankert, wie wir
es oben mit dem hl. Thomas angeführt haben.
Auch kann das "de congruo-Verdienst" in der Zuwendung der Früchte
mitspielen, welche durch dia Darbring˙ng des Opfers ohne weiteres
erlangt werden.
Die Kirche heißt es gut, indem sie den möglichen Mißbrauch einschränkt,
wenn nämlich die Priester z.B. Meßstipendien annehmen mit dem Zweck,
das Meßopfer in der Meinung des Stifters darzubringen. Diese Stipendien
werden als eine 'Übertragung' der Intention betrachtet: sie geht von
der Person des Stifters auf den Priester über, der die Messe liest. (1)
So empfängt die Person, die das Meßstipendium stiftet, die Frucht des
Opfers durch Vermittlung des Priesters.
Das Empfangen der Frucht ist jedoch der Bewertung Gottes unterworfen.
Denn in seiner Weisheit will Gott das wahre Gut; es kann also
vorkommen, daß Gott die Opferfrucht in einer anderen Form gibt als dies
durch die Meinung des Stifters angegeben wurde. Natürlich macht der
zelebrierende Priester sich die "Meinung" zu eigen, wie sie ihm
aufgegeben wird; wohl aber hängt die Zuwendung der Frucht der Messe für
diese "Meinung zu guter Letzt von Gottes Weisheit ab. Der Stifter wird
notwendigerweise eine übernatürliche Frucht "de condigno" empfangen -
nach dem Maße seiner geistigen Verfassung. Aber die Frucht, die er
selber in der Meinung festsetzte, wird er nur "de congruo" empfangen,
d.h. nach den von Gott festgesetzten Bedingungen.
(1) Formell untersteht die Überreichung von Meßstipendien der Beziehung
von Person zu Person. Es wird für den Unterhalt des Priesters gesorgt.
Es ist abwegig, wenn man es rechtfertigen will, daß mehrere
Konzelebranten einzeln ein Meßstipendium annehmen für diese eine Messe,
die da zelebriert wird. Dies gründet darin, daß die Frucht einer
einzigen Messe unendlich sein kann. Dadurch werden die Meßstipendien
unmittelbar mit der Frucht der Messe verknüpft. Hier handelt es sich um
das falsche Prinzip der Simonie.
Die Zuwendung der Frucht, wie sie in der Erlangung des Verdienstes
enthalten ist, kann also auf zweifache Weise verwirklicht werden:
Einerseits de condigno - gemäß dem Axiom suum cuique, wenn die gleiche
physische oder moralische Person die opfernde und die empfangende ist.
Die Darbringung zieht notwendigerweise das Recht auf das Empfangen nach
sich, auch dann, wenn letzteres wegen der fehlerhaften Voraussetzungen
in der opfernden und empfangenden Person unter dem (erwarteten) Maße
bleibt! Andererseits de congruo, wenn die Person, welche die Frucht
empfängt, von der Person, welche das Opfer darbringt, verschieden ist.
Die Gnade Christi als des Hauptes besteht darin, daß jedes Glied,
obschon es vom Haupte physisch verschieden ist, dennoch in lebendiger
"Einheit" mit Ihm steht. So verleiht Christus de condigno jedem seiner
Glieder, das von sich kein Hindernis in den Weg legt, die Frucht seines
eigenen Opfers nach dem Maß der Mitwirkung, eben dieses Gliedes. De
congruo für ein bestimmtes Glied, wie es Gott gefällt, wird die Frucht
seines eigenen Opfers zur Verfügung gestellt, nach Maß eines Gliedes,
das verschieden ist von dem, welchem die Frucht zugewendet wird,
b-c) Die theologische Grundlage für die Unterscheidung: "de condigno - de congruo".
Die Zuwendung des Verdienstes, welche per se durch das Opfer erworben
wird, geschieht durch Gott selber. In diesem Sinne ist sie auch
theologisch begründet.
Insofern die Zuwendung von Gott ausgeht, ist sie stets eine Wirkung
seiner Barmherzigkeit; hinsichtlich des Geschöpfes geht sie niemals
gegen die Gerechtigkeit. Es ist Sache der göttlichen Weisheit, die
Barmherzigkeit und die Gerechtigkeit nach der entsprechenden Wirkung
aufeinander abzustimmen.
Die Zuwendung der Frucht kann auf zweifache Weise verwirklicht werden:
entweder gemäß einer Forderung der Gerechtigkeit, die dem erschaffenen
Wirken innewohnt - dabei ist die Barmherzigkeit dennoch vorausgesetzt
-, oder auf grund der Barmherzigkeit, die im Hinblick auf ein höheres
Gut die Forderung übersteigt, die dem erschaffenen Wirken innewohnt.
Die Zuwendung der Frucht begründet im ersten Fall das "de
condigno"-Verdienst und im zweiten das "de congruo"-Verdienst.
Man sieht also, daß diese Bezeichnungen in Wahrheit berechtigt sind
durch die göttlichen Eigenschaften, denen sie einzeln entsprechen. Die
Zuwendung geschieht de condigno, wenn der Empfangende gemäß der
Gerechtigkeit ihrer würdig ist. Die Zuwendung geschieht de congruo,
wenn der Empfangende aus Gnade darüber verfügen darf auf grund einer
Angemessenheit, die sicherlich der Gerechtigkeit Rechnung trägt, die
aber alles in allem genommen durch die Barmherzigkeit allein erteilt
wird.
b-d) Die Formulierung des Prinzips, auf welchem die Behauptung seitens
der Kirche beruht, daß das Opfer im Auftrag "ab Ecclesia" vollzogen
wird.
Dieses Prinzip wird von der notwendig realisierten Einheit zwischen den
beiden Begründungen für die Unterscheidung "de condigno - de congruo"
abgeleitet. Die eine ist metaphysischer Art (b-b), die andere
theologischer Art (b-c). Was eher für unsere Frage von Bedeutung ist,
das ist die Zuwendung der Frucht des "de condigno"-Verdienstes.
Nach dem Vorhergehenden hat das "de condigno"-Verdienst drei
Eigenschaften, die sich jede einzelne von der Zuwendung des de
congruo-Verdienstes unterscheidet.
1. Die de condigno-Zuwendung entspricht der Forderung der
Gerechtigkeit, die im Axiom "suum cuique" zum Ausdruck kommt. Denn die
Person, der die Frucht zugute komnt; ist auch - ob physisch oder
mystisch ist gleich - dieselbe, die auch das Opfer darbringt. Wenn aber
Verschiedenheit, und nicht Gleichheit zwischen dem Opfernden und dem
Empfangenden besteht, dann geschieht die Zuwendung de congruo.
2. Die de-condigno-Zuwendung erfolgt notwendig, wenn man den Bezug auf
die Person nimmt, der sie zugute kommt. Diese Person ist gerade auch
diejenige (vgl.1), die das Opfer darbringt, während die "de congruo"
Zuwendung von der Freigiebigkeit Gottes abhängig ist und sich als solche als zufällig erweist.
3. Die de-condigno-Zuwendung erfolgt von rechtswegen, ja selbst auf
Grund "göttlichen Rechts", in dem Sinne nämlich, daß sie formell von
der göttlichen Gerechtigkeit abgeleitet werden kann (vgl. b-c) - diese
wohnt ja jeder Verwirklichung des Axioms suum cuique inne. Dem
gegenüber besteht die de-congruo-Zuwendung nur als de facto gegeben.
Sie kann a posteriori zum Gegenstand einer Feststellung werden; sie
kann nicht a priori mit Sicherheit angezeigt werden.
Das Prinzip, das wir formulieren wollen, muß die Tatsache
berücksichtigen, daß die drei angegebenen Merkmale gleichzeitig
beisammen sind. Jedes dieser drei Merkmale ist nämlich der gleichen
Wirklichkeit eigen - es handelt sich um die de-condigno-Zuwendung - und
somit sind alle drei austauschbar; d.h. wenn eines verwirklicht ist,
ist es das andere auch.
Wenn man also eine gegebene Opferdarbringung betrachtet - und auch die
Zuwendung der daraus hervorgehenden Frucht -, dann kann man im
konkreten Fall folgende drei Sätze miteinander vertauschen:
1. Die Zuwendung geschieht gemäß der Gerechtigkeit; d.h. sie geschieht zugunsten der Person, die das Opfer darbringt.
2. Die Zuwendung geschieht notwendigerweise zugunsten der betreffenden Person.
3. Die Zuwendung geschieht von rechtswegen - auf Grund göttlichen
Rechts; d.h. sie geschieht gemäß der göttlichen Gerechtigkeit - und das
nicht nur gemäß der Gerechtigkeit ganz allgemein.
In den folgenden .Abschnitten verwenden wir den Terminus
"Austauschprinzip" für die Tatsache, daß die drei Merkmale austauschbar
sind bzw. sich gegenseitig bedingen, wenn es sich um die Zuwendung der
Frucht des de-condigno-Verdienstes handelt.
(Fortsetzung folgt)
Anmerkungen:
*) "Christus setzte das neue Osterlamm ein, indem er sich selbst zum
Geopfertwerden (einsetzte) unter sichtbaren Zeichen, durch die
Priester, auf Anordnung der Kirche" (Konzil von Trient, XXII. Sitzung,
Kap. 1.)
(1) Formell untersteht die Überreichung von Meßstipendien der Beziehung
von Person zu Person. Es wird für den Unterhalt des Priesters gesorgt.
Es ist abwegig, wenn man es rechtfertigen will, daß mehrere
Konzelebranten einzeln ein Meßstipendium annehmen für diese eine Messe,
die da zelebriert wird. Dies gründet darin, daß die Frucht einer
einzigen Messe unendlich sein kann. Dadurch werden die Meßstipendien
unmittelbar mit der Frucht der Messe verknüpft. Hier handelt es sich um
das falsche Prinzip der Simonie.
Hinweis: Der französische Text dieser Abhandlung kann als Sonderheft bei der Redaktion bestellt werden.
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