KATECHISMUS DER KATHOLISCHEN RELIGION
von
Rudolf Muschalek
Fortsetzung:
8. Glaubensartikel
1. Nachdem wir betrachtet haben, wer der Heilige Geist ist, fragen wir
uns nunmehr, was er tut; wir wenden uns seiner Tätigkeit zu. Wir wissen
bereits, daß der Heilige Geist die Gnaden ausspendet, die Christus
verdient hat. Christus ist in die Welt gekommen, um uns von der
Sündenschuld zu erlösen und den Himmel wieder zu öffnen. Der Heilige
Geist ist gekommen, um uns heilig zu machen und zum Himmel zu führen.
2. Verheißen hat Christus das Kommen des Heiligen Geistes beim letzten
Abendmahle. Damals sprach Jesus zu seinen Jüngern: "Ich will den Vater
bitten, und Er wird euch einen andern Tröster geben, damit Er in
Ewigkeit bei euch bleibe, den Geist der Wahrheit." (Joh. 14,16) "Der
Heilige Geist aber, den der Vater in meinem Namen senden wird, wird
euch alles lehren und an alles erinnern, was ich euch gesagt habe."
(Joh. 14,26)
3. Gekommen aber ist der Heilige Geist am ersten Pfingstfeste über die
Apostel, und zwar unter Sturmesbrausen und in Gestalt feuriger Zungen.
Damit hat Christus seine Verheißung wahrgemacht.
4. Beim Tode Jesu war es dunkel in den Seelen der Apostel. Sie hielten
alles für verloren. Sie waren kleingläubig. Jetzt wurde es hell in
ihrer Seele. Sie verstanden die Lehre Jesu. Der Heilige Geist hat sie
erleuchtet. Vorher verbargen sie sich furchtsam hinter verschlossenen
Türen. Jetzt treten sie furchtlos vor dem Volke auf und predigen wie
mit Feuerszungen. Verfolgung, Geißel, Gefängnis, Martyrertod schrecken
sie nicht ab. Der Heilige Geist hat sie gestärkt. Die Seelen der
Apostel wurden durch den Heiligen Geist gereinigt von allem Sündhaften.
Sie wuchsen im Guten und lebten heilig nach dem Vorbilde ihres
göttlichen Meisters. Der Heilige Geist hat sie geheiligt.
5. Jesus hatte gesagt, daß "euch der Vater einen andern Tröster geben
wird, damit er in Ewigkeit bei euch bleibe, den Geist der Wahrheit" und
"Er wird euch alles lehren und an alles erinnern, was ich euch gesagt
habe". Damit hat Jesus angegeben, wozu der Geist der Wahrheit kommen
würde. Die Apostel blieben nicht immer auf Erden, so kann es sich nur
handeln um ihre Nachfolger im Amte, das heißt um die Kirche, insofern
sie die lehrende und leitende Kirche ist, also um ihre Vorsteher.
6. Es handelt sich zunächst um das Lehramt der Kirche. Der Heilige
Geist ist ihr gegeben, damit sie niemals etwas Falsches lehre. Die
Kirche, nicht etwa "die Theologen". Unsereins hat heute den Eindruck,
daß nicht die Kirche die Theologen lehrt, sondern "die Theologen" die
Kirche.
7. Es handelt sich sodann um das Priesteramt der Kirche. Durch das
hochheilige Meßopfer und durch die sieben heiligen Sakramente erhalten
die Menschen die ihnen notwendigen Gnaden und werden so geheiligt. Der
Heilige Geist spendet diese Gnaden und heiligt uns; ist Er doch der
Lebendmacher, der Lebendigmacher, wie wir schon wissen.
8. Es handelt sich schließlich um das Hirtenamt der Kirche. Die
Bezeichnung "Hirtenamt" erinnert an das biblische Bild vom Hirten und
seiner Herde, die er auf den rechten Weg und auf die rechte Weide
führt, ein Bild, das uns in unserer Industrieund Wohlstandsgesellschaft
nicht mehr so ganz geläufig ist. Was es allerdings bedeutet, wissen wir
sehr wohl: die Kirche führt und leitet die Menschen und bewahrt sie vor
Abwegen, und das eben kann sie tun durch den ihr verleihenen Heiligen
Geist, so daß wir uns ihrer Leitung vollkommen sicher anvertrauen
dürfen. Es ist also keineswegs so, daß sich die Kirche "dem veränderten
sittlichen Bewußtsein des modernen Menschen anzupassen habe", sondern
umgekehrt, auch der "moderne" Mensch hat sich von der Kirche lenken und
leiten zu lassen, wenn anders er das ewige Ziel erreichen will. Aber
eben, der "moderne"Mensch kennt kein ewiges Ziel; sein einziges Ziel
ist diese Welt, das irdische Leben. Und in seinem übersteigerten
Selbstbewußtsein denkt er gar nicht daran, sich "lenken und leiten zu
lassen", vielmehr will er selbst alles lenken und leiten.
9. Zusammenfassend müssen wir also sagen: Der Heilige Geist lehrt,
heiligt und leitet die Kirche und durch sie die Menschen bis ans Ende
der Welt.
10. Froher Dank sollte uns erfüllen bei der Erinnerung an die
Verheißung Jesu, daß Er den Heiligen Geist, den "andern Tröster",
senden werde. Von dieser frohen, dankbaren Gesinnung waren gewiß auch
die Apostel im Abendmahlssaale, trotz ihrer wehmütigen Stimmung sonst,
erfüllt. Froher Dank sollte uns aber erst recht erfüllen bei der
Erinnerung an die Aussendung, an die Ausgießung des Heiligen Geistes
über die Apostel beim ersten Pfingstfeste! Hier ist geschehen, was
verhießen war; wie froh und dankbar sind wir, - ach, könnten wir etwas
von dem inneren, seelischen Schwünge verspüren, der damals die Apostel
beseelte! Und an den Pfingstfesttagen - Oktav! - und an den Sonntagen
nach Pfingsten, sollte dieser wahrhaft fromme Wunsch in uns dann nicht
besonders lebhaft sein?!
11. Erfüllen sollte uns sodann das beglückende Bewußtsein der
Geborgenheit. Wir sind nicht allein! Wir schweben nicht im Unsicheren!
Durch die Kirche sind wir nicht verlassen und verloren, sondern durch
sie sind wir lebendig verbunden nicht etwa nur mit anderen Menschen,
die vielleicht ebenso verlassen und verloren wären wie ich, sondern
eben durch die Kirche sind wir in lebensvoller Verbindung mit dem
Heiligen Geiste, mit dem "Geiste der Wahrheit". Bedenken wir das,
erwägen wir das! Lassen wir uns von diesem Strom des Glücks erfüllen
und aufwärts tragen!
12. In Jesuitenpater Wilmers' Lehrbuch der Religion, im 2. Bande, auf
Seite 36o, finde ich: "Regierte und leitete nicht Gott selbst die
Kirche, so wäre dieses durch Christi Hand aufgeführte Gebäude schon
längst durch die Stürme der Zeit vom Erdboden weggefegt; ja, seine
eigenen Bewohner hätten es zertrümmert. Unnötig ist es, die von außen
herantobenden Stürme alle uns ins Gedächtnis zurückzurufen: ein Blick
in das menschliche Herz veranschaulicht uns die ganze Gefahr der
Kirche. Wieviele Throne sind von den Untertanen gestürzt, wieviele
Zepter gebrochen worden! Monarchien werden zu Republiken umgeformt,
diese bestehen einige Zeiten, und der bisherigen Regierungsform schon
müde, suchen die Völker in einer neuen Ordnung der Dinge Heil und
Segen." Ja, seine eigenen Bewohner hätten es zertrümmert, das durch
Christi Hand aufgeführte Gebäude der Kirche. Und ihrer bisherigen -
monarchischen - Regierungsform schon müde suchen die Völker in einer
neuen Ordnung der Dinge Heil und Segen. Es müsse ja auch die Kirche
Christi "demokratisiert" werden, meint man. Schließlich habe "die
Basis" zu entscheiden, was zu glauben und wie "christlich" zu leben
sei(!) Das alles ist grundsätzlich unmöglich, eben wegen des Heiligen
Geistes. Wo aber solchen Bestrebungen grundsätzlich Raum gegeben wird,
kann der Heilige Geist sicher nicht sein.
13. Der "Rauch Satans" soll in die Kirche eingedrungen sein . - Da lese
ich, was einer selbst erlebt hat; er muß es doch wohl wissen;
Erzbischof Marcel Lefebvre.
"Ein außetordentlicher Vorfall ereignete sich bei der letzten der
vorbereitenden Sitzungen. Es entspann sich ein regelrechter Kampf
zwischen dem deutschen Kardinal Bea der die liberalen Kardinale
vertrat, alle Kardinale, die für die Änderung, für den Progressismus
waren, und dem Kardinal Ottaviani, der die konservativen Kardinäle
vertreten hat. Kardinal Oütaviani, Vorsitzender der Theologischen
Kommission für den Glauben, hatte ein Gutachten verfaßt:"De tolerantia
religiosa", "Über die religiöse Toleranz". Kardinal Bea hatte über
dasselbe Thema ein anderes Schema verfaßt: "De libértate religiosa"",
"Über die Religionsfreiheit". Sie sehen sofort den Unterschied in der
Geisteshaltung. Auf der einen Seite werden die Religionen, die falsch
sind, geduldet, weil es nur eine wahre Religion gibt. Auf der anderen
Seite steht die Freiheit für alle Religionen, Freiheit für alle
Religionen! Kardinal Ottaviani erhebt sich nun während der Sitzung,
zeigt mit dem Finger auf Kardinal Bea und sagt: "Sie hatten kein Recht,
Eminenz, dieses Schema zu verfassen, diese Arbeit zu machen!" Darauf
antwortet dieser: "Wieso nicht? Ich bin Vorsitzender der Kommission für
die Einheit und dieses Schema ist sehr wichtig für den Ökumenismus und
für die Einheit. Ich hatte das Recht, es zu verfassen. Und im übrigen
bin ich gegen Ihre Theorie, gegen Ihre Lehre!" Kardinal Bea war also
gegen die Lehre des Kardinals Ottaviani! Unglaublich! Kardinal Ruffini
von Palermo erhob sich und sagte: "Das ist sehr ernst! Wir haben zwei
unserer Mitbrüder vor uns, die in einer für die Kirche sehr wichtigen
Frage in radikalem Gegensatz einander gegenüberstehen. Wir müssen uns
daher an die übergeordnete Autorität wenden, an den Papst." Es wurde
dann darüber abgestimmt, wer für Kardinal Bea und wer für Kardinal
Ottaviani ist. Ich war anwesend und habe es mit eigenen Augen gesehen:
es waren achtzig Kardinäle und etwa zwanzig Erzbischöfe und Bischöfe,
darunter auch ich, und ich habe zugeschaut, wie die einen ihre Stimme
Kardinal Bea gegeben haben und die andern Kardinal Ottaviani. Sie waren
vollkommen gespalten, ein Bild des Konzils! Hier die liberalen,
progressistischen Kardinale, dort die konservativen Kardinäle,
besonders die Kardinale der römischen Kurie. Was sollte unter solchen
Umständen aus dem Konzil werden? Man war im Begriff, das Konzil mit
einem Bruch zwischen den Kardinälen zu beginnen, das muß man sagen! Und
ich fasse das ganze Konzil in ein paar Worte zusammen und sage, die
Päpste, Papst Johannes XXIII. und Papst Paul VI. begünstigten die
liberalen Kardinale. Die konservativen Kardinale mußten schweigen.
Jedesmal, wenn sich ein konservativer Kardinal erhob, lachte man über
ihn oder machte ihn lächerlich; war es ein progressistischer Kardinal,
der sich erhob, um zu sprechen, applaudierte alles. So spielte sich das
Konzil ab. So war die Atmosphäre auf dem Konzil."
Als einfacher Mensch kann ich nicht verstehen, wie man hier lachen
kann. Auch wenn ich nicht derselben Ansicht gewesen wäre, - aber
lachen? Und der Papst stellte sich auf die Seite der Lacher?! Mir will
scheinen, nicht nur der Rauch Satans, sondern auch das "Gelächter
Satans" ist in die Kirche eingedrungen. Er lacht, weil er gesiegt zu
haben glaubt.
14. Wenn aber Christen selbst die von Christus gegründete Kirche
umzugestalten und also von innen her zu zerstören trachten, wenn auch
das Gelächter Satans - er hat gut lachen! - eingedrungen ist in die
Kirche, bis oben hin! - wo ist dann noch die vom Heiligen Geiste
geführte, geleitete Kirche? Ein wahres "Problem", ein überaus ernstes
Problem, - ist es lösbar? Ich leide darunter, wie auch ihr, meine
Freunde, darunter leidet.
15. Eine Lösung, eine Antwort weiß ich nicht. Dürfen wir denn annehmen,
daß sich der Heilige Geist aus der großen, über die ganze Welt
ausgebreiteten Kirche, die sich "katholisch" nennt, zurückgezogen hat
und zwar in unsere kleinen Kreise hinein - und wir sind verschwindend
kleine Kreise und gar nicht mehr kat' holon (topon), noch dazu bei
unserem beinahe völligen Mangel an apostolischem, an missionarischem
Eifer, - so daß wir Geringfügigen die wahre Kirche sind, bei der der
Heilige Geist ist, der - alles! - Lebendigmacher? Schwer vorstellbar,
nicht wahr? Ist das nicht die Haltung des Sektierers? Wenn schon ich
selber mich keineswegs fürchte, als "Sektierer" angesehen zu werden.
16. Der Heilige Geist soll den Jüngern "Paraklet" sein. Diese Benennung
findet sich nur bei Johannes vor. Sie bezeichnet ganz allgemein den zur
Unterstützung Herbeigerufenen - parakaleo ich rufe herbei -, den
Beistand, den Helfer. Schon früh aber hat sich auch die Deutung von
"Paraklet" als Tröster bei den Kirchenvätern eingebürgert und von ihnen
aus auch in die Gebete der Kirche Eingang gefunden. Gewiß wollte der
göttliche Heiland durch die Verheißung des Heiligen Geistes die Apostel
trösten und tatsächlich ist und bleibt dessen Beistand der große Trost
der Kirche auf ihrer irdischen Pilgerfahrt. Indessen lesen wir beim
heiligen Thomas von Aquin in seiner summa contra gentiles (4,22) über
den Trost des Heiligen Geistes: "Es ist der Freundschaft eigen, daß
jemand an der Gegenwart des Freundes sich ergötzt und an seinem Reden
und Tun Freude hat und daran Trost findet in aller Angst. Deshalb
nehmen wir in Trauerfällen vorzüglich zu den Freunden Zuflucht, um bei
ihnen Trost zu finden. Weil also der Heilige Geist uns zu Freunden
Gottes macht und Gott in uns wohnen läßt und uns in Gott, so ist die
Folge, daß wir durch den Heiligen Geist Freude an Gott haben ... Und
deshalb nannte der Herr den Heiligen Geist Paraklet, das ist Tröster."
Wenn man diesen Text aufmerksam liest, spürt man ordentlich, wie hier
der Heilige Geist als Tröster erscheint, aber nicht so sehr oder gar
ausschließlich der Apostel und ihrer Nachfolger, sondern jedes
einzelnen Christen. Das heißt, die Betrachtung gleitet über vom
Heiligen Geiste als Paraklet der Gesamtkirche zu Ihm, insofern Er der
Tröster der Einzelseele ist. Doch darüber dann in der nächsten
Katechese. |