DAS HEILIGE LEICHENTUCH
- BEWEIS FÜR CHRISTI TOD UND AUFERSTEHUNG -
von
Bruder Bruno Bonnet-Eymard
Mitglied der wissenschaftlichen Tagung in Turin am 7./8. Oktober 1978
(aus: LA CONTRE REFORME CATHOLIQUE, Nr.144, August 1979;
übersetzt von H.H. Pfarrer Paul Schoonbroodt)
"EINE STILLE REVOLUTION"
In gewissen Forschungslaboratorien wie z.B. im hochentwickelten Jet
Propulsion Laboratory von Passadena in Californien oder im
Kernforschungslaboratorium von Los Alamos hat eine "stille Revolution"
stattgefunden, wie Ian Wilson sie nennt ("Das Schweißtuch von Turin"
Albin Michel 1978). "Still, weil sie in Universitätskreisen weithin
unbekannt geblieben ist, weil man dort kaum die Ansicht teilt, das
Schweißtuch könne ein beachtenswertes Forschungsobjekt sein" und "weil
die große Masse noch weniger Bescheid darüber weiß" (S.25).
Es handelt sich aber tatsächlich um eine Revolution, "ume eine
sprunghafte Entwicklung von Interessen, Studien und Forschungen seitens
der Experten in den verschiedensten Wissensbereichen." (Peter M.
Rinaldi S.D.B., in LA STAMPA - Anhang: La Sindone, Aug.-Okt.1978) Wie
ist es zu erklären, daß eine solche Entwicklung so wenig von sich reden
macht? Wilson, der durch das heilige Leichentuch vom "agnostischen
Skeptizismus" zum Glauben kam, bedauert diese Tatsache. Aus Erfahrung
weiß er zu schätzen, wie sehr diese Reliquie, die "berühmteste Reliquie
der Christenheit" (Rinaldi), ein von der Vorsehung geschenktes
Gegenmittel gegen den Zweifel ist, der den Glauben unserer Generation
seit hundert Jahren heimtückisch zersetzt.
Indessen erlebt augenblicklich das eingehende Studium dieses
rätselhaften Geschichtsstückes solche Entwicklungen, daß es gewiß nicht
kühn ist, wenn man behauptet, daß die "Revolution", welche von Wilson
festgestellt wurde, unaufhaltsam im Gange ist; sie ist dabei, eine
wunderbare "katholische Renaissance" herbeizuführen. Dazu möchten wir
aus allen Kräften mithelfen, wenn wir, nach sovielen anderen, die
Ergebnisse der jüngsten Forschungsarbeiten veröffentlichen, nicht ohne
zuvor alle Einzelheiten sorgfältig erruiert zu haben.
Im Geiste des internationalen Kongresses vom 7. und 8. Oktober 1978 in
Turin geht unser Vorhaben darauf aus - wie der Universitätsrektor von
Turin, Georgio Cavallo es bei der Eröffnung des Kongresses mit
Nachdruck betonte - die Ergebnisse der Wissenschaft darzulegen. Unser
Standpunkt schließt bewußt jeglichen Dogmatismus aus, um für jede neue
Entdeckung empfänglich zu sein. Seit Abschluß des Kongresses vom 9. bis
13. Oktober haben weitere Untersuchungen stattgefunden, insbesondere
auf dem Gebiete der Mikroanalyse. Sobald wir die Ergebnisse erfahren,
werden wir sie an dieser Stelle bekanntgeben. Die Forscher haben zwar
versprochen, sie nicht eher als in zwei Jahren zu veröffentlichen,
einiges ist aber schon durchgesickert. Wir sind in der Lage zu
behaupten, daß sie eine außergewöhnliche Übereinstimmung der
Wissenschaft und des Glaubens bezüglich dieser Reliquie hervorheben
werden. Denn das gibt auch der anglikanische und sehr modernistische
Robinson zu: "Kaum hat man den Saum dieses Tuches berührt, wird man in
eine Forschung verwickelt, die durch mehrere Wissensbareiche führt."
Sie alle führen zu der unglaublichen, aber massiven Schlußfolgerung:
"Das Leichentuch von Turin bietet eine solche Echtheitsgewähr, daß es
töricht wäre - um nicht zu sagen: unehrenhaft -, nichts davon wissen zu
wollen".
"DIE ERKENNTLICHKEIT DES BILDES CHRISTI AUF DEM HEILIGEN LEICHENTUCH VON TURIN."
So lautete schon die Überschrift eines Vortrages, den Yves Delage -
natürlich Agnostiker -, Professor an der Sorbonne, vor der Akademie der
Wissenschaften in seiner Eigenschaft als Museumsdirektor für
Naturgeschichte und Mitglied dieser Akademie am 21.4. 1902 hielt. Seine
Beweisführung bestand aus drei Teilen, deren zwingende Verknüpfung
durch die Forschung der folgenden 75 Jahre nur noch verstärkt wird.
Auf diesem Tuch kann man zahlreiche Spuren von Wunden sehen, die sich
mit tadelloser anatomischer Genauigkeit auf dem Bildnis eines
menschlichen Körpers abgezeichnet haben: "Das Bild ist eine äußerst
realistische Wiedergabe, fehler- und lückenlos, wobei nichts
ausgelassen ist; es trägt der Tradition nur ungenügend Rechnung, fällt
nicht ins Schemamäßige und nicht ins konventionelle; diese
Eigenschaften liegen bei keiner ikonographischen Produktion und zu
keinem Zeitalter vor."
Diese "Diagnose" war damals im Jahre 19o2 ein Novum in der bis dahin
bekannten Geschichte des Leichentuchs, die sich immerhin auf mehrere
Jahrhunderte erstreckte. Sie stammt von der Untersuchung eines
photographischen Negatives, welches Sekundo Pia 1898 angefertigt hatte.
Dieses wunderbare Photo zeigt, wie man weiß, im Negativ ein Positiv,
das das unleugbare Bild eines nackten und geschundenen Menschen
darstellt, wobei die Vorderseite und die Rückenseite vom Kopf her sich
gegenüberstehen. (Abbild.1) Auf dem Negativ von Sekundo Pia kann man
einen Mann sehen - dessen Leichentuch somit ein umgekehrtes, negatives
Bild ergibt (Abbild.1,oben) -, dessen Verletzungen, die durch die
körperlichen Abdrücke darin im Positiv sichtbar werden, man bis in die
kleinsten Einzelheiten verfolgen kann.
Delage stellte die Schlußfolgerung auf: es ist unmöglich, daß ein
solches Bildnis das Werk eines Fälschers ist, selbst wenn es ein Genie
gewesen wäre: "Warum hätte dieser Fälscher sich bemühen sollen, etwas
so Schönes zu verwirklichen, welches man auf seinem Werk selbst nicht
erblicken konnte und dessen man erst durch eine Umkehrung ansichtig
wird, was erst später möglich war? Er hätte wohl für seine Zeitgenossen
gearbeitet, und nicht für das 2o. Jahrhundert und die Akademie der
Wissenschaften". Außerdem findet sich auf diesem Stoff keine Spur
bekannter Pigmente. Es ist also kein Gemälde, sondern eine
'Photographie1, ein 'Negativ'. Dieses 'Negativ' stellt "einen
Gekreuzigten dar, der gegeißelt wurde, der an der rechten Seite
durchbohrt wurde und mit Dornen gekrönt wurde" ..., dessen Identität in
den Augen von Delage keinen Zweifel bestehen läßt. (Revue Scientifique,
31.5.19o2; cf. de Gail, Le visage de Jesus-Christ et son linceul,
S.3o9).
Dieser Bericht rief in der laizistischen, ehrenwerten republikanischen
Versammlung einen Sturm der Entrüstung hervor. Marcellin Bertholet,
Akademiesekretär, weigerte sich, den Vortrag im vollen Wortlaut
wiederzugeben.
In der wissenschaftlichen Zeitschrift gab Delage seiner Verwunderung
Ausdruck, indem er naiverweise behauptete, daß "keine religiöse Frage"
mit einem rein wissenschaftlichen Problem verwechselt werden darf
(...). "Wenn es sich um jemand wie Sargon, Achilles oder um einen der
Pharaone gehandelt hätte - anstatt um Christus -, so wäre niemand auf
den Gedanken gekommen, irgendeinen Einwand zu erheben (...) Ich bin bei
der Behandlung dieser Frage dem echt wissenschaftlichen Geist treu
geblieben und habe mich lediglich an die Wahrheit gehalten." (Wilson,
S.49)
"DIE AUSSERORDENTLICHE SCHÖNHEIT DES GEKREUZIGTEN."
Nun sind schon 75 Jahre vergangen, aber das Verfahren der Ärzte ist
noch stets dasselbe geblieben, ihre Schlußfolgerungen sind indessen
noch aussagekräftiger geworden und noch einhelliger - in dem Maße, in
dem auf dem Gebiet der Photographie technische Fortschritte gemacht
wurden: angefangen bei den Negativen von Enrie (1931) bis zu denen von
Judica-Cordiglia (1969) und bis hin zu dem Ergebnis von Prof. Aurelio
Ghio, Experte beim Gerichtshof in Turin, dessen empfohlene
wissenschaftliche Photographie des Tuches herauskommen soll. Es wird
noch das Ergebnis der telemetrischen Photographie erwartet, welches im
Studienzentrum für das Fernsehen ausgearbeitet wird. John Jackson und
Eric Jumper, die jungen Ausbildungsoffiziere bei der Akademie der
Luftwaffe der USA haben auf den Negativen von Enrie unter Zuhilfenahme
des VP8-Bilduntersuchungsverfahrens festgestellt: die drei Dimensionen
eines volumetrischen Leichnams waren haargenau auf dem Leichentuch
abgezeichnet. - Die dritte Dimension ergab sich aus der genauen Messung
mit dem Densimeter des Bräunungsgrades an jedem einzelnen der
mikrometrischen Punkte des Tuches. Die Bearbeitung dieser Messungen
durch den Computer setzte das Bild in seinem natürlichen Volumen
zusammen - entweder auf dem Bildschirm eines Fernsehgerätes oder auch
in einem handgemachten Muster - und enthüllte "die außergewöhnliche
Schönheit des Gekreuzigten" wie Jackson es nennt.
Seine beeindruckende Körpergröße läßt sich leicht messen: 1,81 m. Der
Leichnam ist robust und gut ausgewogen. Was am meisten fasziniert, ist
das Antlitz. Unter der Leitung von Prof. Tamburelli und durch dieselbe
informatorische Methode vermochten die Italiener das Relief dadurch
zusammenzusetzen, daß alle Möglichkeiten des Computers noch besser
ausgeschöpft wurden. (Vgl. die gute Darlegung dieser Methode durch den
Professor selbst in: ARCHEOLOGIA, Nr.l3o, Mai 1979: "Les images de
l'ordinateur".) Der Computer ist nämlich in der Lage, eine ganze Reihe
von Arbeitsgängen zur mecanographischen Zusammensetzung eines Bildes
auszuführen, da die Maße durch "ein Zählerlesegerät angegeben werden,
welches die verschiedenen Punkte eines Diapositives des Bildes des
heiligen Leichentuches mittels Lichtstrahl abtastet und die
Leuchtstärke des Strahls, der wegen der Durchsichtigkeit durchbricht,
verschlüsselt. Unter den Arbeitsgängen sind zu erwähnen: Ausmerzung von
Mängeln (Striche, Flecken, zahlreiche 'Unglücksfälle' des Tuches . . .
) , Verbesserung von undeutlichen und unvollständigen Stellen,
Hervorhebung gewisser Detailstellen. Dieses Verfahren ermöglichte
beispielsweise die Beobachtung eines charakteristischen kreisförmigen
Scheines auf den Augenlidern. Wahrscheinlich rührt dieser Schein daher,
daß man ein Geldstück darauf gelegt hat. Nun wissen wir durch die
Archäologie, daß man in alt-jüdischen Kreisen diese Sitte kannte, um
die Augen der Toten geschlossen zu halten." (Wilson, S.275.) So lassen
sich auch die Blutzüge durch dieses Verfahren feststellen. Die
Italiener konnten auf diese Art eine echte Blutkarte vom menschlichen
Antlitz auf dem Leichentuch zeichnen.
Wenn man jetzt "durch ein Behandlungsverfahren, das den Unterschied
zwischen den statistischen Eigenschaften der Wundabbildungen oder der
Blutspuren oder der Gesichtszüge" ausläßt, so erscheinen die
eigentlichen Gesichtszüge ganz klar und sauber: eine Adlernase, eine
fast glatte Stirn, gut geführte Augenlieder und Augenbrauen mit fast
losem Haarwuchs (Abbild.2). Unterstreicht man mit einem dunklen Strich
dazu noch den Bart und den Schnurrbart, dann erscheint das Antlitz
äußerst jugendlich und von einer unvergleichlichen Schönheit.
Diese Technik ermöglichte es also, zahlreiche Zeichen erkennbar zu
machen, die bislang der Diagnose der Ärzte der ersten Generation
entgangen waten. Jetzt schon kann man mit Dr. Bollone mehr als 600 (!)
Verletzungen festhalten, die im Fleisch des "Uomo della Sindone"
abgezeichnet sind.
GERICHTSMEDIZINISCHE UNTERSUCHUNG
Die Tatsache, daß dieses gemartete Fleisch in seiner ganzen Blöße
dargestellt wird, liefert von vorneherein die Vermutung der Echtheit.
Denn "niemals hat ein Künstler den Gekreuzigten ganz nackt darstellen
wollen." (Barbet: "Das Leiden Christi vom Chirurgen her gesehen".) So
sind auch viele Geißelstreiche auf dem Hinterteil erkennbar, ebenso auf
dem Rücken, auf den Beinen, auf den Armen und am oberen Brustkasten.
"Nur allein eine echte Reliquie kann solche Kühnheiten aufweisen."
(Vignon: "Le Saint Suaire de Turin" Masson 1939, S.194.)
Die Geißelung:
Diese Wunden sind von einer waagrechten Linie in Höhe der Lenden
fächerförmig verteilt und fast immer in Gruppen von zwei Pralellwuriden
angeordnet (oder drei, wenn man Mgr. Ricci folgt) (Abbild.4) Vignon hat
Haltung und Bewegung der Henker beschrieben wie auch das Werkzeug, das
furchtbare römische Flagrum, das sie in der Hand hatten: am Ende der
Riemen waren zwei Bleikügelchen oder kleine Schafwirbel angebracht
(S.55-60). Die Schläge lassen sich gut zählen: "im ganzen hundert,
vielleicht hundertzwanzig. Wenn also zwei Riemen am Flagrum waren, so
sind etwa sechzig Streiche verpaßt worden, ohne die andern zu zählen,
die nicht abgezeichnet sind, weil nur eine 'Ecchymosis' entstand, die
auf dem Leichentuch keine Spur hinterlassen hat." (Barbet, S. 125.)
Mgr. Ricci besteht darauf, sie mit drei und drei zu gruppieren,
vielleicht, um dann auf die bei den Juden vorgeschriebene Zahl von
vierzig Streichen zu kommen. Aber wenn die Henker Römer waren,
brauchten sie sich nicht an das jüdische Gesetz zu halten.
(Deuteronomion 25,3) "Die Maler begnügen sich im Höchsfalle mit
undeutlich, schlecht umrissenen Abschürfungen. Hätte denn überhaupt
einer alle die kleinen Einzelheiten ersinnen und verwirklichen können?"
so rief schon Barbet aus. Nun ist aber die bedeutsamste Einzelheit von
Lorn und Lynn vom Jet Propulsion Laboratory in Pasadena im Laufe des
Sononers 1976 entdeckt worden. Im Unterschied zu allen andern Abdrücken
auf dem Leichentuch (ihrem Aussehen nach) haben sie beobachtet, daß die
durch die Peitschenhiebe zurückgelassenen Spuren bei näherem Hinsehen
"ein direktionelles Bild" ergeben. Eine gewisse Anzahl aus ihnen
erscheinen stärker, wenn man sie in einem Winkel von 45 betrachtet, als
ob sie durch ein von der linken Hand geführtes Flagrum verursacht
wären. Andere erscheinen wiederum stärker vom entgegengesetzten Winkel
aus gesehen, so daß diese wahrscheinlich durch ein von der rechten Hand
geführtes Flagrum verursacht sind. (Wilson, S.276.) Allein diese
Dynamik bei der Geißelung, welche durch ein rein mathematisches
Verfahren ans Licht gebracht wird, genügte schon, um die Hypothese
eines Fälschers endgültig auszuschließen.
Aber das ist noch lange nicht alles. Wie wissen nämlich, daß solch eine
Geißelung das normale Vorspiel vor der Kreuzigung im römischen Altertum
war. Nun bestand die übliche Prozedur darin, den Verurteilten auf dem
Weg zur Hinrichtung zu schlagen (Vignon, S.5o.), während er mit
ausgebreiteten und am Querbalken (Patibulum) gebundenen Armen beladen
sich dahinschleppte. Hier lassen sich aber die durch Peitschenhiebe
zurückgelassenen Wundmale unter der Stelle in der Schultergegend, wo
der Querbalken hätte drücken müssen, zählen. Der Mann des Leichentuches
wurde also gegeißelt, bevor er mit dem Kreuz beladen wurde. Diese
Einzelheit hat schon den Wert einer Beglaubigung, denn er stimmt mit
den Angaben des Evangeliums überein. Die Geißelung Jesu wird dort
vorgestellt als ein Versuch seitens Pilatus, den Angeklagten vor der
Todesstrafe zu retten (Joh.19.).
(Fortsetzung folgt.) |