KATECHISMUS DER KATHOLISCHEN RELIGION
von
Rudolf Muschalek
Katechese ist keineswegs nur theoretische Belehrung; sie spricht nicht
nur zu unserem Verstande und zu unserem Gedächtnis. Katechese ist
darüber hinaus auch praktische Anleitung; sie spricht ebenso auch zu
unserem Willen und zu unserem Herzen. In diesem doppelten Sinne will
auch folgende Katechese verstanden werden. Katechese sollte mit
Einfachem und Bekanntem beginnen, sollte darüber hinaus aber versuchen,
theoretisch und praktisch zu vertiefen. Demnach ergeben sich auch für
diese Katechese folgende Abschnitte:
1.) theoretische, einfache Belehrung (= erste Darbietung): 1 mit 4;
2.) praktische, einfache Anleitung (= erste Anwendung): 5 mit 7;
3.) theoretische Vertiefung (= zweite Darbietung): 8 mit 15;
4.) praktische Vertiefung (= zweite Anwendung): 16 mit 19.
In der Praxis greifen die Teile aufeinander über und können kaum
vollständig voneinander getrennt werden. - Bloßes Durchlesen hilft
nichts; es sollte Punkt für Punkt durchbetrachtet und durchgeübt
werden. - Rubriken brauchen nicht gedruckt zu werden.
8. Glaubensartikel - Erste Katechese
I. Erste Darbietung
1. Der achte Glaubensartikel lautet: "Ich glaube an den Heiligen Geist."
2. Der Heilige Geist ist die dritte göttliche Person, wahrer Gott wie der Vater und der Sohn.
3. Im Credo der heiligen Messe bekennen wir: "Ich glaube an den
Heiligen Geist, den Herrn und Lebendigmacher, der vom Vater und Sohne
ausgeht, der mit dem Vater und dem Sohne zugleich angebetet und
verherrlicht wird, der durch die Propheten geredet hat."
4. Gott Vater wird zugeschrieben die Erschaffung, Gott Sohn die
Erlösung, dem Heiligen Geiste aber die Heiligung. Die Gnaden, die uns
Jesus Christus verdient hat, die spendet der Heilige Geist aus.
II. Erste Anwendung
5. Präge Dir ein, wer das ist, der Heilige Geist (1 und 2)! Ja, lerne
es auswendig, - dann wirst du es für immer wissen! Bei der
beklagenswerten religiösen Unwissenheit heute ist dieses Sich -
einprägen der Glaubenswahrheit von Bedeutung.
6. Erwäge bei dir selbst, welche Aufgabe - sozusagen - der Heilige
Geist hat bei dem Werke der Rettung des Menschen für den Himmel (4)!
7. Bekenne mit Freude deinen Glauben an den Heiligen Geist! Bete
mehrfach am Tage frohen Herzens: "Ich glaube an den Heiligen Geist!" Du
kannst zur Abwechslung dabei auch den Text des Credos der heiligen
Messe benutzen (3), bis du ihn auswendig kannst.
III. Zweite Darbietung
8. Die Glaubensartikel sind dem Apostolischen Glaubensbekenntnisse
entnommen; seinem Namen nach geht es auf die Zeiten der Apostel zurück.
Das Glaubensbekenntnis (Credo) der heiligen Messe (3) aber ist das des
Konzils von Konstantinopel (381). Dieses enthält fünf nähere Zusätze,
die jenem noch fehlten, und zwar, um gewisse Irrtümer über den Heiligen
Geist auszuschließen, die inzwischen aufgetaucht waren.
9. Erster Zusatz: "den Herrn". Es gibt auch andere Geister, die heilig
sind; wir denken an die Engel. Doch diese sind Boten Gottes und
dienende Geister. Der Heilige Geist aber ist nicht Bote oder Diener
Gottes, sondern Gott selbst, und deswegen nennen wir ihn "den Herrn".
Wie wir auch Jesus Christus im zweiten Glaubensartikel nennen "unseren
Herrn".
10. Zweiter Zusatz: "und Lebendigmacher". Lateinisch heißt das: et
vivificantem. Man findet auch die Übersetzung "Leben(s)spender". Das
wäre "und den lebend Machenden" oder "und den lebendig Machenden".
"Lebendig", der Ton, die Farbe des Ausdrucks scheint mir kräftig als
"lebend", denn nicht alles, was vielleicht gerade noch lebt, ist auch
schon so recht lebendig. Doch haben beide Übersetzungen Gültigkeit.
11. Dritter Zusatz: "der vom Vater und Sohne ausgeht". Diese dritte
Beifügung betont, daß der Heilige Geist dieselbe Wesenheit besitzt wie
Vater und Sohn; alle drei Personen sind dieselbe göttliche Wesenheit,
sind der eine Gott: Geheimnis der allerheiligsten Dreieinigkeit. - Wie
wir schon wissen, ist der Sohn das ewige Wort des Vaters. Nun lieb*:
der Vater mit unendlicher Liebe den Sohn, der Sohn mit unendlicher
Liebe den Vater. Wie nun das Wort Gottes desselben Wesens ist mit dem
Vater, so ist der Heilige Geist, der die unendliche Liebe Gottes ist,
desselben Wesens mit dem Vater und dem Sohne. Das meinen wir, wenn wir
bekennend beten: "der vom Vater und Sohne ausgeht".
12. Der dritte Zusatz (11) enthält das einst zwischen der West- und
Ostkirche viel um strittene "Filioque" (= "und Sohne"). Läßt man es
weg, könnte man meinen, der Heilige Geist ginge nur vom Vater aus,
nicht aber vom Sohne. Wir haben oben, bei der Betrachtung des dritten
Zusatzes (11), gesehen, daß diese Meinung falsch ist und falsch sein
muß. Die Ostkirche hielt daran fest, daß das "Filioque" wegzulassen
sei, da es in der ursprünglichen Formulierung des Nizäno -
Konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnisses (381) nicht enthalten
sei. In der Westkirche wurde das "Filioque" zuerst in Spanien dem
Glaubensbekenntnis eingefügt. Zur Zeit der Karolinger (9. und lo.
Jahrhundert) wurde es im ganzen Frankenreich gebräuchlich*), aber
erst auf Bitten Kaiser Heinrichs II. (973-lo24), des Heiligen, wurde es
von Benedikt VIII. (Io!2-lo24) in der Westkirche dem Credo endgültig
beigefügt**).
13. Vierter Zusatz: "der mit dem Vater und dem Sohne zugleich angebetet
und verherrlicht wird". Hier wollen wir zum Ausdruck bringen, daß dem
Heiligen Geiste dieselbe Verehrung gebührt wie dem Vater und dem Sohne.
Dies ist eine selbstverständliche Folgerung aus dem Vorausgehenden. Dem
Vater und dem Sohne gebührt göttliche Verehrung, d.h. Anbetung im
eigentlichen Sinne. Nun aber ist der Heilige Geist wesensgleich mit
Vater und Sohn. Also gebührt ihm dieselbe Verehrung, d.h. die Anbetung.
14. Fünfter Zusatz: "der durch die Propheten geredet hat". Hier
schließt sich das Credo an die Versicherung des heiligen Petrus in
seinem zweiten Briefe (l,2of) an, daß nämlich "keine Weissagung der
Heiligen Schrift nach willkürlicher Deutung zustande komme, sondern,
vom Heiligen Geiste getrieben, haben heilige Gottesmänner geredet".
Diese vom Heiligen Geiste getriebenen Männer, die von Gott geredet
haben, sind eben die Propheten.
15. Der heilige Thomas von Aquin weist in seiner Erklärung des 8.
Glaubensartikels darauf hin, 'daß der fünfte Zusatz ("der durch die
Propheten geredet hat", s.o. 14) zwei Irrtümer zurückweise.
Erstens den Irrtum der Manichäer, die sagten, das Alte Testament sei
nicht von Gott. Das ist falschª Denn der Heilige Geist selbst hat durch
die Propheten gesprochen.
Zweitens den Irrtum der Montanisten, die sagten, die Propheten hätten
in einer Art von Raserei gesprochen. Das ist falsch. Denn, wie wir oben
(14) sahen, der heilige Petrus belehrt uns, daß der Heilige Geist durch
die Propheten gesprochen hat.
Haben wir es heute mit Manichäern zu tun? Oder mit Montanisten.
Jedenfalls erkennen wir daraus, wie einst der fünfte Zusatz in das
Credo der heiligen Messe hineingekommen ist, und bekennen auch heute
noch freudigen Herzens: "der gesprochen hat durch die Propheten".
IV. Zweite Anwendung
16. Wie wir sahen (11), ist der Heilige Geist, die dritte Person in der
Gottheit, die unendliche Liebe Gottes, des Vaters zum Sohn und des
Sohnes zum Vater. Der heilige Thomas von Aquin weist in diesem
Zusammenhange darauf hin, daß '"darum auch der Mensch den Heiligen
Geist hat, wenn er Gott liebt, nach dem Worte des Apostels: Die Liebe
Gottes ist in unsere Herzen ausgegossen durch den Heiligen Geist, der
uns gegeben ist (Rom. 5,5)." Wir müssen also Gott lieben, entsprechend
dem ersten und größten Gebote unseres Herrn und Heilandes Jesus
Christus.
Es ist ein heute weit verbreiteter Irrtum, es genüge, die Menschen zu
lieben. Das unaufhörliche Geschwätz von "Mitmenschlichkeit" wird leer
und fad, weil der Kern fehlt: die Liebe zu Gott. Gott müssen wir
lieben. Distanzieren wir uns von dem oberflächlichen Gerede der Welt
und ihrer Organe, und lassen wir uns nicht davon ablenken, Gott zu
lieben! Ich selbst pflege darum in dem Rosenkranz beim dritten Ave der
Einleitung zu beten: qui amorem Dei (= gen. obj.!) in nobis accendat
atque inflammet, "der die Liebe zu Gott in uns entzünden und enflammen
möge!".
17. Wir sahen oben (lo), daß der Heilige Geist genannt wird:
vivificans. Er macht uns also "lebend" (= daß wir überhaupt - im
übernatürlichen Sinne - leben), und ohne dieses göttliche Gnadenleben
in uns, - wie sollten wir da in den Himmel kommen?
Indessen, sollte uns der Heilige Geist nur so irgendwie "lebend"
machen? Sollte Er uns darüber hinaus nicht auch wahrhaft "lebendig"
machen, wie die Heiligen? Jedenfalls sollten wir uns dafür bereit
machen, - damit wir nicht nur gerade so irgendwie in den Himmel
hineinkommen, sondern hoch hinauf.
18. Eine gewisse Schwierigkeit empfinde ich immer wieder beim vierten
Zusatz (13). Wird denn der Heilige Geist wirklich mit dem Vater und dem
Sohne zugleich angebetet und verherrlicht, oder ist das nicht eher nur
ein frommer Wunsch, eine schöne Gebetsfloskel? Wer denkt überhaupt an
Ihn, geschweige denn, daß er "angebetet und verherrlicht" wird?
Zunächst aber ist klar, daß Anbetung und Verherrlichung Ihm gebühren, -
theoretisch (13). Darüber hinaus wird zweifelsohne der Heilige Geist im
Himmel von allen Engeln und Heiligen tatsächlich angebetet und
verherrlicht. Aber auf Erden, hier auf Erden? Zwar beten wir beim
heiligen Kreuzzeichen: "Im Namen des Vaters und des Sohnes und des
Heiligen Geistes. Amen" oder in der Doxologie (= Lobpreis der
Dreieinigkeit): "Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen
Geiste ..." - mehr oder weniger gedankenlos, möglicherweise, - aber
sonst? Hier können wir nur anfangen bei uns selbst, indem wir Ihn
wenigstens dann und wann mit vollem Bewußtsein und mit tiefer Andacht
als Gott verehren, daß heißt eben: anbeten, und dadurch zu Seiner
Verherrlichung auf Erden beitragen.
19. Als ich ein Knabe war und in der Bonifatiuskirche zu Breslau unter
vielen anderen Kindern vor Altar und Kanzel stand, blätterte ich in
meinem Kindergebetbuch und fand folgendes Gebet, das ich oft und oft
wiederholte und schließlich auswendig zu beten vermochte. Noch jetzt
bete ich es in der Pfingstnovene und in der Pfingstoktave mit der
Familie zusammen und bisweilen auch sonst.
"Heiliger Geist, Du süßer Gast,
Der Du alle Gnaden hast,
Komm' zu mir, erleuchte mich,
Komm' zu mir und stärke mich,
Lehr' mich Gottes Wort verstehn,
Freudig Seine Straße gehn! Amen."
(Fortsetzung folgt)
Anm. d.Red.:
*) auf Befehl Kaiser Karls d. Gr.
**) Das Filioque wurde gleichstark in der Ost- und Westkirche
vertreten. Auch wenn es theologisch richtig war, so war es doch ein
schwerer Verstoß gegen die christliche Bruderliebe, den Text des
nizäischen Glaubensbekenntnis einseitig zu verändern bzw. zu erweitern. |