JOHANNES DER TÄUFER
Predigt vom 24.6.1979
von
H.H. Pfarrer Alois Aßmayr
"Was wird wohl aus diesem Kinde werden, denn die Hand Gottes ist mit ihm"?
Daß der Herr mit Johannes etwas ganz Besonderes vorhatte, dachten die
vielen Bekannten und Verwandten alle, die zur Beschneidung und
Namensgebung acht Tage nach seiner Geburt zusammengekommen waren. War
es schon ein Wunder, daß Elisabeth in ihrem hohen Alter noch ein Kind
bekam, - ein Ereignis, welches ja selbst bei fruchtbaren Frauen sonst
nie vorkam. Elisabeth galt aber schon in jungen Jahren als unfruchtbar.
Bemerkenswert war auch die Ankündigung des Kindes und dessen Namen
durch den Erzengel Gabriel. Darüber hinaus machte noch die Stummheit
des Vaters Zacharias, die bei der Namensgebung des Kindes plötzlich
behoben wurde, auf die ungewöhnliche Ankunft des Johannes aufmerksam.
Tatsächlich hatte der Herr das Kind zu einer ganz besonderen Aufgabe
ins Dasein gerufen: es sollte einmal der Wegbereiter des Mensch
gewordenen Sohnes Gottes, des Erlösers sein, der daher ein besonders
heiliges Leben führen sollte. Hierfür hat der Herr dem Kinde alle
nötigen Gnaden geschenkt, mit denen Johannes auch ganz eifrig
mitgewirkt hat. Die Leute sollten durch die Wunder auf die besondere
Aufgabe aufmerksam gemacht werden und das Leben des Kindes aufmerksam
verfolgen, was sie sicher getan haben. Johannes hat die ihm von Gott
zugedachte Aufgabe voll und ganz erfüllt, so daß ihm Jesus selber das
Zeugnis ausstellen konnte: "Wahrlich, ich sage Euch: Unter denen, die
vom Weibe geboren sind, ist keiner größer aufgetreten als Johannes der
Täufer". (Matth. 11,11)
Wir wissen, was aus Johannes geworden ist: ein Mann, der seinen Körper
gezwungen hat, ganz der Seele, d.h. ganz Gott zu dienen, und ein
gewaltiger Bußprediger, der seinen Zuhörern völlig ungeschminkt sehr
unangenehme Wahrheiten gesagt hat. Niemand hat es gewagt, ihm zu
widersprechen, sich zu beklagen, oder gar gegen ihn vorzugehen, um ihm
den Mund zu stopfen. Weil Johannes sich vor niemandem fürchtete, hat
man sich wohl vor ihm gefürchtet. Johannes war von niemandem abhängig
und brauchte daher auf niemanden Rücksicht zu nehmen. Zudem hatte
Johannes viele Freunde, weil er ein heiliges Leben führte und man
deshalb sicher war, daß er die Wahrheit sagte. Man war überzeugt, daß
Johannes ein von Gott gesandter Prophet, ja sogar der vom Himmel
zurückgekehrte Prophet Elias sei.
Erst Herodes hatte es gewagt, Johannes zu verhaften und in den Kerker
zu werfen, um ihn mundtot zu machen, nicht aber ihn zu töten, was erst
Weibern gelang. Wie das zugegangen ist, ist ja bekannt.
Was hat nun uns das Leben des hl. Johannes des Täufers zu sagen? Sehr
viel! Zunächst uns Priestern, und zwar aller Rangstufen. Hat uns alle
doch der Herr berufen Seine Wegbereiter zu sein. Das können wir nur
sein, wenn wir auch ein heiliges Leben führen, wenn auch nicht gerade
so, wie Johannes der Täufer. Wie es in dieser Hinsicht heute aussieht,
brauche ich nicht zu sagen. Genau genommen, schäme ich mich, dies zu
sagen. Wir sind weitgehend verweltlicht und so können wir auch keine
ernst zu nehmenden Bußprediger sein. Dazu kommt noch, daß die meisten
nicht wagen, den Gläubigen die volle Wahrheit zu sagen, um bei ihnen
nicht anzustoßen. Das will sagen, daß wir die volle Wahrheit nur sagen
können, wenn wir uns in unserem Leben auch voll nach dieser Wahrheit
richten und daher auch möglichst frei und unabhängig sein müssen.
Freilich so frei und unabhängig wie Johannes der Täufer wird wohl
selten einer von uns sein. Diese vollkommene Unabhängigkeit des hl.
Johannes wird aber wohl auch nicht von uns gefordert. (Ich glaube, "daß
uns das auch kaum jemand zumutet.) Aber so versklavt, wie viele von uns
Priestern heute sind, dürften wir auf keinen Fall sein. Wenn wir das
sein wollen, wozu wir bestimmt und berufen sind, nämlich Wegbereiter
des Herrn zu sein, dann müssen wir nicht nur mit der Welt, sondern auch
mit dem modernen Katholizismus auf Kriegsfuß stehen. Um das zu können,
müssen wir neben anderem mindestens über ein bestimmtes Maß von
Freiheit und Unabhängigkeit verfügen, aber auch bereit sein,
verschiedene Unannehmlichkeiten, wenn nicht sogar Gehäßigkeiten auf uns
zu nehmen. Sicher wird heute deshalb keiner zu verhungern brauchen.
Ballast abwerfen! Wir Priester sollen nicht ganz in der rein
praktischen Arbeit aufgehen. Wir brauchen notwendig auch eine Zeit für
uns selber zum Gebet, zur Betrachtung, zur geistlichen Lesung und zum
Studium. Wir können unmöglich immer nur ausgeben, ohne einzunehmen. Wir
sollten bei unserer eigentlichen Arbeit bleiben. Wir müssen nicht
überall die Hand im Spiel haben. Predigt und Unterricht, Meßopfer,
Spendung der Sakramente und Kranken-Seelsorge, das sind unsere
eigentlichen Aufgaben! Man redet soviel von der Mündigkeit des heutigen
Christen. Warum behandelt man sie dann noch immer wie kleine Kinder,
bei denen man immer mit dem Milchflaschl kommen muß.
Das Leben Johannes des Täufers hat aber allen Gläubigen (und auch
Ungläubigen) vieles zu sagen. Zunächst den Gläubigen: Das christliche
Leben der allermeisten Katholiken ist auf einen Punkt gesunken, daß man
sie von den Andersgläubigen oder gar Ungläubigen kaum mehr
unterscheiden kann. Sie können genau so gehässig, neidisch und
eifersüchtig sein wie die anderen. Sie sind genau so ins Irdische
versunken wie die Kinder dieser Welt. Die Habsucht, Wurzel aller Übel,
ist bei unseren Christen genau so verbreitet wie bei den Gottlosen, bei
denen nach mit dem Tode alles aus ist. Die Gebote Gottes spielen
vielfach keine Rolle mehr, von den sieben Hauptsünden gar nicht zu
reden.
Von den Tugenden wird man selbst mit loo Laternen kaum noch viele
finden. Wo findet man noch Demut, die Grundlage aller Tugenden, wo
Aufrichtigkeit und Redlichkeit und Ehrlichkeit? Wo findet man noch
Keuschheit, Hilfsbereitschaft, also Gottesliebe und Nächstenliebe? Wohl
gibt es sie noch, aber selten, und sie werden immer noch seltener, da
sie systematisch zerstört werden, weil sie egoistisch ausgenützt
werden. Ich selber könnte davon ein Lied singen.
Gerade die Gottes- und Nächstenliebe hat das ganze Tun und Lassen von
Johannes bestimmt. Er selber lebte anspruchslos. Sein Kleid, das er
sich selber mühsam fabriziert hatte, bestand aus Kamelhaaren und einem
Gürtel. Seine Nahrung bildeten Heuschrecken und gelegentlich etwas
Honig von wilden Bienen. Welche Opfer mit einem solchen Leben verbunden
waren, können wir uns wohl kaum vorstellen. Aber er war frei für seine
Aufgabe. Nachmachen wird ihm das wohl kaum jemand. Nun, das wird auch
kaum jemand von uns verlangen, auch der Herr nicht, besonders, wenn man
Familie hat und auf andere Rücksicht nehmen muß. Einfacher könnten die
meisten schon leben, ohne Hunger zu leiden, (und obendrein würde man
mancher Krankheit entgehen).
Johannes hatte eine große Zuhörerschaft, wie uns Matthäus berichtet.
Das Volk wollte diesen frommen Mann sehen und hören. Was sagte er
ihnen: "Bekehret euch, denn das Himmelreich ist nahe". Die Leute waren
ergriffen und ließen sich taufen zum Zeichen der Bekehrung. Aus
Neugierde kamen auch viele Pharisäer und Saduzäer, die sich als die
ganz Frommen dünkten. Denen hat Johannes besonders ins Gewissen
geredet: "Ihr Schlangenbrut! Wer hat euch gelehrt, ihr würdet dem
kommenden Strafgerichte entgehen. Bringt daher würdige Früchte der
Buße. (...) Die Axt ist schon an die Wurzel gelegt. Jeder Baum, der
keine guten Früchte bringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen".
Lukas sagt uns noch etwas mehr: "Wer zwei Röcke hat, gebe dem einen,
der keinen hat". Mit den Lebensmitteln sollten sie es ebenso machen.
Den Zöllnern sagte er: "Fordert nicht mehr als festgesetzt ist"; den
Soldaten: "Verübt gegen niemanden Gewalt und seid zufrieden mit eurem
Sold". Das ist also Nächstenliebe, Gerechtigkeit und Zufriedenheit.
Darauf läßt sich alles zurückführen. Das aber ist gelebtes Christentum. |