MITTEILUNGEN DER REDAKTION
München, 11.11.1981 am Fest des hl. Martin
Verehrte Leser!
Unsere religiöse Lage bietet wenig Anlaß, hochgemut zu sein. In "Celle
qui pleure" zieht Leon Bloy das einfache Resümee: La Salette war die
letzte Bastion der Christenheit, doch diese Festung kapituliert seit
1846. Ein klareres Urteil über den allgemeinen Zusammenbruch, über das
feige, hochmütige Versagen derjenigen, die durch die Firmung Streiter
Gottes hätten werden sollen, gibt es nicht. Wenn man neben der
heuchlerischen, erpresserischen konservativen Diplomatie die
Passivität, den Heilsegoismus, das religiöse Heinzelmännchen-Dasein
vieler Gläubiger, die bewußte Blindheit vieler konservativen Kleriker
mit ihrem Dünkel - getarnt als bescheidene Zurückhaltung - sieht, müßte
man ohne Gottes Hilfe verzweifeln. Immer wieder überkommt mich der
Gedanke, daß es letztlich einfacher sein muß, für eine Sache ins
Gefängnis zu gehen, als aus sich heraus, aus innerem Antrieb etwas
Konstruktives für sie zu tun, sich - wie im vorliegenden Fall - für die
Sache Gottes zu verzehren. Wenn ich an bestimmte Personen denke, so
kann ich mir nicht vorstellen, daß sie, auf die Probe gestellt, Gott
direkt verraten würden. Doch jetzt, wo in dieser Not jeder auf seinem
Platz stehen müßte, verweigern sie sich und lähmen damit zugleich ihre
Umgebung. Verweigern heißt, sich Gottes Befehl verschließen, Ihn nicht
ganz annehmen, Ihn nicht wirklich aufnehmen.Wie ein einziger großer
Wehklang hallt diese Verweigerung in Christi Heilsbotschaft wider.
Selbst das Fest der Menschwerdung Gottes ist davon überschattet: "Er
kam in sein Eigentun, doch die Seinen nahmen ihn nicht auf."... die
Seinen!
"Ach!" rufen die Triunphalisten, "Bloy hatte kein Gottvertrauen,
wenigstens kein echtes, wie wir es verstehen, und Sie natürlich auch
nicht! Sie können nicht abwarten!" Sicher, Gott hat uns prophezeit, die
Pforten der Hölle werden die Kirche nicht überwältigen - und ich
zweifele daran auch keinen Augenblick -, aber jeder, der an der
wirklichen Not nicht blind vorübergeht, der nur mit ein klein wenig
Aufmerksamkeit und Nüchternheit die derzeitige Situation betrachtet,
sieht, daß diese Unüberwindbarkeit der Kirche allein fast nur noch von
Gott gewollt und allein von Ihm gesichert wird. Die meisten von denen,
die Er zun Hirtenamt berufen hat, stehen mit den Händen in den
Hosentaschen abseits; ihnen reicht Gottes Versicherung von den Pforten
der Hölle, die die Kirche nicht überwältigen. All diejenigen, die
unfähig sind zu leiden, die sich verantwortungslos abwenden, sich
verschließen, erinnere ich an die Worte unseres Heilandes, die Er in
diese Zeit hineingesprochen hat: "Und würden jene Tage nicht abgekürzt,
würde kein Mensch gerettet werden, doch un der Auserwählten willen
werden jene Tage abgekürzt werden." (Mt. 24,22) Noch einmal: "Und
würden jene Tage nicht abgekürzt, würde kein Mensch gerettet werden."
Man wiederhole sich diese Worte, die vor jedem von uns wie ein
Richterspruch dastehen müssen, mehrfach; so lange, bis das letzte
Bißchen Arroganz, Dünkel aus einem gewichen ist. Nur Gottes übergroßer
Barmherzigkeit werden etliche ihre Rettung, wird die Kirche ihren
Weiterbestand zu verdanken haben. ...
Auch draußen ist es mittlerweile dunkel geworden und kalt. Da
plötzlich: auf der Straße ein lautes, wildes Singen. Ich habe
vergessen, daß heute St. Martins-Tag ist.
Unten stehen die Kinder, schwenken ihre Laterne. Sie rufen mich heraus,
sie singen das Lied vom hl. Martin noch einmal, laut und unbekümmert.
In der Dunkelheit hüpfen ihre Laternen hin und her. Ach, wenn diese
Kleinen doch ihr Licht behalten könnten, in dieser metaphysischen
Dunkelheit, un so Gottes Barmherzigkeit auf sich herabzuziehen! ...
Im Namen der Redaktion wünsche ich Ihnen ein gnadenreiches Weihnachtsfest.
(sig.:) E. Heller |