DAS GROSSE GEHEIMNIS VON WEIHNACHTEN
von
H.H. Pfarrer Werner Graus
Die Menschwerdung Gottes, die Geburt des Sohnes Gottes in dieser Zeit
stellt den Werdepunkt in der Menschheitsgeschichte dar: so teilen wir
von da an die Zeit ein in die 'vor Christi Geburt' und in die 'nach
Christi Geburt'. Nur die Juden erkennen diese Zeitrechnung nicht an,
und die Feinde Gottes haben immer wieder versucht, das Weihnachtsfest
abzuschaffen oder unzudeuten: Hitler deutete es z.B. in dem Lied "Hohe
Nacht der klaren Sterne" und anderen um; Johannes Paul II. funktioniert
es um zun"Fest des Kindes und des Menschen": "Weihnachten ist das Fest
des Menschen: ein Mensch wird geboren (...) Gott mitten unter uns: das
ist der Mensch (...).
Wenn wir heute auf ebenso feierliche Weise die Geburt Jesu feiern, so
tun wir dies, un Zeugnis dafür abzulegen, daß jeder Mensch einzigartig
ist, absolut einzigartig." In einer 'Betrachtung' eines sog. 'Karmels'
konnte man lesen: "Gott ist Mensch geworden, damit die Menschen
menschlicher werden." In unserem liberalen, atheistischen Staat wird an
Weihnachten nicht mehr das Evangelium vom Staatsoberhaupt verlesen, wie
dies noch Adenauer getan hatte: ein Sieg des antichristlichen Geistes
also auf der ganzen Linie!
Wir aber wollen dieses große Geheimnis der Menschwerdung des ewigen
Gottessohnes ehrfürchtig betrachten, so wie es uns nahegebracht wird im
Evangeli un und u.a. in den ergreifenden Weihnachtspredigten des hl.
Papstes Leo d.Gr.
Ein Kirchenlied besingt dieses Geheimnis der herablassenden Liebe des unendlichen Gottes so:
"Den aller Weltkreis nie beschloß,
der lieget in Mariens Schoß;
er ist ein Kindlein worden klein,
der alle Ding' erhält allein. Kyrie eleis. (...)
Er ist auf Erden kommen arm,
daß er unser sich erbarm,
und in dem Himmel mache reich
und seinen heiligen Engeln gleich. Kyrie eleis."
In einem anderen Lied heißt es:
"Gott ward ein schwaches Kindelein, damit wir Gottes Kindern sei'n."
Wir feiern also das Mysterium unseres Heiles, das versprochen ward am
Anbeginn (im Protoevangeli un) und in seinen Einzelheiten von den
Propheten immer deutlicher vorherverkündet worden war. Und nun geziemt
es sich, daß wir in Freude unsere Herzen erheben, um dieses göttliche
Geheimnis anzubeten.
Unser Gott, in der Tat allmächtig und gütig, dessen Natur die Güte ist,
d.i. die sich verströmende Liebe, dessen Handeln Barmherzigkeit ist,
hat nach dem Sündenfall ein Heilmittel seiner Barmherzigkeit
eingesetzt, um die Menschheit zu erneuern. Christus sollte kommen im
Fleische, der Gott-Mensch, der Emanuel, der "Gott-mit-uns" - geboren
aus einer Jungfrau -, der durch seine Geburt ohne Makel denjenigen
verdammen würde, der es gewagt hat, die Unversehrtheit des
Menschengeschlechtes zu verletzten. Gott in seiner strengen
Gerechtigkeit plante die Erlösung, damit der Mensch durch die Täuschung
des Teufels nicht zugrunde ginge. So erfüllte sich das Wort des
Propheten: "Euer Gott selber wird kommen, euch zu erlösen." Und der
Herr spricht bei seiner zeitlichen Geburt, bei seinem Eintritt in diese
Welt: "Opfer und Gaben hast du nicht gewollt. Einen Leib hast du mir
bereitet; an Brandopfern und Sühneopfern hast du kein Wohlgefallen. Da
sprach ich: siehe, ich komme - in der Buchrolle steht von mir gesdrbben
- Deinen Willen zu tun, o Gott." (Hebr. lo,5-7; vgl. Ps. 39,7-9.) Gott
wird Genugtuung in jener Natur geleistet, in der er beleidigt wurde. In
einer Vision des hl. Hieronymus sagte das Kind in der Krippe zu ihm:
"Gib mir deine Sünden; ich habe sie auf mich genommen, sie gehören
mir!"
So nimmt Christus Verbindung mit der Niedrigkeit dieser Erde auf. Er
steigt vom Himmel herab, ohne die Herrlichkeit des Vaters zu verlassen
- das war ein Werk ohnegleichen! durch eine nie vernommene Geburt! Denn
unsichtbar in sich selber, macht er sich sichtbar in unserer Natur;
unbegreiflich, will er begriffen werden; der vor aller Zeit ist,
beginnt in dieser Zeit zu existieren; als Herr des Weltalls nimmt er
die dienende Knechtsgestalt an und verbirgt den Glanz seiner Majestät;
Gott, der leidensunfähig ist, verschmäht es nicht, ein leidensfähiger
Mensch zu werden; der unsterbliche Gott, er will sich dem Gesetz des
Todes unterwerfen.
Dieses hilflose Kind in der Krippe, in Windeln gewickelt, er ist
dennoch der Allmächtige, durch den alles ist. Er teilt unser
menschliches Los, die Sünde ausgenommen, und in diesem Sinne können wir
im Lied singen: "Jesus ist unser Bruder, das liebe Kindelein!"
Der Sohn Gottes, eines Wesens mit dem Vater, hat sich herabgelassen,
sich unserer Niedrigkeit beizugesellen: er will einer der Menschen
sein, die leiden, die sterben ..., das ist eine so wunderbares und
göttliches Vorhaben, daß die Weisen nicht hätten in die Pläne Gottes
eindringen können, wenn das wahre Licht nicht gekommen wäre, um die
Finsternisse der menschlichen Unwissenheit zu zerstreuen.
In und durch Maria, seligste Jungfrau und Gottesgebarerin, erbaute sich die Weisheit ein Haus.
Wegen unserer Schwäche hat er sich selbst herabgelassen zu denen, die
sich nicht zu ihm erheben konnten, und er hat mit einem Schleier des
Fleisches den Glanz seiner Herrlichkeit verhüllt, den unser Blick nicht
hätte ertragen können. Sein Licht ist zu den Blinden gekommen, seine
Kraft zu den Schwachen, seine Barmherzigkeit zu den Unglücklichen und
dies durch die Wirkung seiner unendlichen Macht: der Sohn Gottes hat
die menschliche Substanz mit sich geeint und unsere Sache in die Hand
genommen, um unsere Natur zu heilen, die er geschaffen hatte, und un
den Tod zu vernichten, den er nicht geschaffen hatte. "Die
geheimnisvolle Menschwerdung des Wortes zeigt dem Auge unseres Geistes
das neue Licht seiner Herrlichkeit. Indem wir Gott als das Kind in der
Krippe so mit leiblichen Augen schauen, entflammt er in uns die Liebe
zu den unsichtbaren Gütern." (Präf. von Weihnachten.)
"Doch die Seinigen nahmen ihn nicht auf ... aber allen, die ihn
aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden." Damals kamen wohl
nicht sehr viele zur Krippe: die armen Hirten, einfache, arme Leute ...
und die gottsuchenden Gelehrten aus der Ferne, die dem Stern der
Wahrheit gefolgt waren. Der gottlose König erschrickt über die Geburt
des Messias; die Schriftgelehrten und Pharisäer bestätigen: Bethlehem
ist der Geburtsort gemäß den Propheten. Aber sie glauben nicht, sie
beten nicht an. Dieser anti-christliche König verbreitet Schrecken; das
Weinen der Mütter, deren Kinder grausam gemordet wurden - die aber dann
dem Lamme folgen, wohin es geht -, will sich nicht beruhigen lassen!
Über der Krippe leuchtet das Kreuz auf, und un das Weihnachts fest
gruppieren sich die Feste der Märtyrer: der unschuldigen Kinder, des
hl. Stephanus!
"Gott wollte die alte Schlange nicht mit seiner Allmacht besiegen,
sondern durch die Demut und die Liebe" sagt die hl. Hildegard. Seine
Liebe wird immer größer sein als der Haß dieser Welt, der sich selbst
richtet. "Die Seinen nahmen ihn nicht auf ...": in größter Armut, in
einem Stall wird er geboren, in eine Krippe gelegt, abseits von den
Weltkindern - und dennoch, in der Ausgestoßenheit, in größter Armut
waren Maria und Joseph reicher als die ganze Welt, weil ihr Herr und
Erlöser bei ihnen war, den sie anbeteten voll unsäglichen Glücks.
Auch wir heute, in einer Welt, die fast vollständig von den
anti-christlichen Mächten beherrscht ist - bis hin zum okkupierten
Stuhle Petri -, sind Ausgestoßene, von "Pharisäern und
Schriftgelehrten" verachtet, ja gehaßt, von den Herrschern dieser Welt
zur Vernichtung bestimmt ... aber dennoch: in unserer Armut und
Ausgestoßenheit sind wir unsagbar glücklich, denn wir haben (immer
noch) seine wahrhaft leibliche Gegenwart, die die andern verloren
haben. Aber erst, wenn wir ihn wirklich in unser Herz aufnehmen, wenn
unser Herz zu seiner Krippe wird, besitzen wir dieses Glück auch
innerlich und sind in der Liebe fest verwurzelt und fest begründet,
weil Christus durch den Glauben in unseren Herzen wohnt. Aller Haß un
uns läßt nur unso mehr seine Liebe aufleuchten. Sein Trost wiegt alle
Gehässigkeit auf, mit der uns die alte Schalnge verfolgt - auch durch
die selbst irre geführten 'Hirten' der sog. Neu'kirche'.
Beten wir die große Demut unseres Gottes an, des Kindes in der Krippe,
und legen wir allen Stolz ab; sind wir mit d e m Platz zufrieden, den
uns Gott in dieser Zeit zugewiesen hat. Beten wir'die große Liebe
unseres Gottes an, des Kindes in der Krippe, das alle unsere Sünden auf
sich genommen und gesühnt hat, und bringen wir diese erbarmende Liebe
den Menschen, die guten Willens sind. Bitten wir dieses Kind in der
Krippe, den großen Gott und Heiland Jesus Christus, daß wir in jene
Herrlichkeit gelangen, deren er sich entäußert hat bei seiner
Menschwerdung und Geburt, und sagen wir ihm dies mit den Worten eines
Liedes:
"0 Kind, du Gott der Herrlichkeit, nimm hin das Herz für alle Zeit und
zeig uns einst in deinem Licht - der Gottheit strahlend Angesicht.
Amen. In der Heiligen Nacht werde ich besonders der Einsamen im Gebet
gedenken und erteile allen Lesern meinen priesterlichen
Segen.
gez. Werner Graus Pf.i.R.
***
CHRISTUS WAHRER GOTT UND WAHRER MENSCH
Alter Weihnachtshymnus der ostsyrischen Liturgie
"Er war im Schoß seines Vaters vor aller Welt von Ewigkeit als wahrer Gott;
Er kam zu uns in der Fülle der Zeit, nahm unseren Leib an und erlöste uns damit als wahrer Mensch.
Die Propheten verkündeten ihn in ihren Gesichten und die Gerechten versinnbildeten ihn als wahren Gott.
Er war im Mutterschoß neun Monate lang und ward geboren als wahrer Mensch.
Die Engel priesen ihn als wahren Gott.
Er ward in die Krippe gelegt als wahrer Mensch.
Der Stern verkündete ihn als wahren Gott.
Er wurde gesäugt an der Mutterbrust als wahrer Mensch.
Die persischen Magier brachten ihm kostbare Gaben und Geschenke als wahrem Gott.
Er ließ sich beschneiden und ließ Opfer bringen im Tempel nach dem Gesetz als wahrer Mensch.
Simeon nannte ihn das "Licht der Heiden" und den "Ruhm seines Volkes Israel" als wahrer Gott.
Er floh nach Ägypten vor der Hand des gottlosen und grausamen Herodes als wahrer Mensch.
Die Hirten eilten, ihn zu verehren und, geneigt über ihre Stäbe, beteten sie ihn an als wahren Gott.
Er ward genährt und wuchs an Gestalt und Weisheit und Gnade vor Gott als wahrer Mensch.
Er verwandelte Wasser in Wein, und die Gäste tranken davon und priesen seinen Namen als wahren Gott.
Er ward getauft im Jordan als wahrer Mensch.
Die Himmel öffneten sich für ihn als wahren Gott.
Der Vater bezeugte ihn öffentlich als wahren Menschen.
Der Geist stieg auf ihn hiernieder als wahrer Gott.
Er fastete und ward versucht als wahrer Mensch ...
Er heilte die Kranken und Schwachen, reinigte die Aussätzigen und gab das Gesicht den Blinden als wahrer Gott.
Er stieg auf den Berg, zu beten und verharrte im Gebet bis zur Morgenfrühe als wahrer Mensch.
Er gab Macht zu gehen dem Lahmen und Glieder dem Verstümmelten als wahrer Gott.
Er schlief auf dem Boden des Schiffes als wahrer Mensch.
Er stillte das Meer als wahrer Gott.
Er stieg auf den Berg als wahrer Mensch ...
Er ward müde von der Wanderung, saß nieder am Brunnen und bat die Samariterin im Wasser als wahrer Mensch.
Er enthüllte ihre Geheimnisse und verkündete ihr alle ihre verborgenen und offenen Taten als wahrer Gott.
Er weinte und vergoß Tränen un Lazarus und suchte den Ort seines Grabes als wahrer Mensch;
Er rief und erweckte ihn aus dem Grabe durch die Kraft seiner Gottheit als wahrer Gott.
Er ritt auf dem Esel als wahrer Mensch.
Die Kinder priesen ihn als wahren Gott ...
Maria salbte ihn mit kostbarer Narde und trocknete seine Füße mit den Haaren ihres Hauptes als wahren Menschen;
Er erließ ihr ihre Sünden und vergab ihre Missetaten und tilgte aus ihre Übertretungen und ihr Unrecht als wahrer Gott ...
Er kündete vorher die Verleugnung seiner selbst durch Simon Petrus, das Haupt der Apostel, als wahrer Gott.
Er ward zu seinem Leiden hingeführt, bespien, mit Dornen gekrönt als wahrer Mensch.
Er wies zurück, die ihn haschten und haßten, und sie fielen zu Boden auf ihr Angesicht vor ihm als wahrem Gott.
Er ward angenagelt an das Holz als wahrer Mensch.
Er erschütterte die Felsen als wahrer Gott.
Nägel wurden durch ihn getrieben als wahren Menschen.
Er öffnete die Gräber als wahrer Gott.
Sie gaben ihm Essig zu trinken als wahrem Menschen.
Er erschütterte den Tempel als wahrer Gott.
Er schrie auf am Kreuz als wahrer Mensch.
Er umhüllte mit Finsternis die Sonne als wahrer Gott;
Er unterlag dem Tode, sein Leib ward einbalsamiert und in ein aus dem
Felsen gehauenes Grab gelegt, als der eines wahren Menschen.
Er aß und trank mit seinen Jüngern nach seiner Auferstehung, wie geschrieben steht, als wahrer Mensch.
Er ging durch verschlossene Türen und grüßte die Zwölf mit dem Gruß des Friedens als wahrer Gott.
Er zeigte ihnen die Nägelmale an seinen Händen und Füßen und wies seine Seite dem Thomas als wahrer Mensch;
Er fuhr auf in Herrlichkeit zu dem, der ihn gesandt, und wird wiederkehren zuletzt um alle zu richten als wahrer Gott.
Nach seiner Auffahrt verkündeten Engel, daß er werde wiederkommen öffentlich in dem Leibe als wahrer Mensch.
Er sandte den Geist, den Tröster, auf seine Jünger herab, der sie erfüllte mit Weisheit, als wahrer Gott.
Konstantin suchte und fand das Kreuz, an dem er gekreuzigt war als wahrer Mensch.
Er erwählte sich aus allen Völkern eine Kirche, welche er heiligte durch die Glorie seiner Gottheit, als wahrer Gott."
(Aus: Heiler, Friedrich: "Urkirche und Ostkirche", E. Reinhardt, München 1937)
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