PREDIGT ZUM EVANGELIUM VOM 7. SONNTAG NACH PFINGSTEN (MATTH. 7,15-21)
gehalten von Pfarrer H.H. Paul Schoonbroodt
am 26.7.1981 in St. Michael-München
Die Worte des Evangeliums haben Ewigkeitswert: "Hiftmel und Erde werden
vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen", so sagte einmal der
Heiland. So verhält es sich auch mit dem Evangelium über die falschen
Propheten. Sein Inhalt ist uns geläufig; wie einleuchtend die Lehre
auch ist, umso schwieriger kann sie in der Anwendung sein. Falsche
Propheten sind leicht zu erkennen bzw. schnell zu entlarven. Mit ihnen
verhält es sich wie mit den Pflanzen und Bäumen. Von Dornen sammelt man
keine Trauben und von Disteln keine * eigen. Ein guter Baum kann nicht
schlechte Früchte bringen und ein schlechter Baum kann nicht gute
Früchte bringen. Aus diesen Beobachtungen an der Natur lassen sich
sichere Regeln aufstellen, um in bezug auf Prophezeiungen und
Botschaften keiner Täuschung zu unterliegen. Und wenn es in
revolutionären Zeiten eine Menge von Botsahaften gibt, w as wundert's
,wenn auch viele unechte darunter sind! Ansonsten ist das Prophetentum
im Alten und im Neuen Testament vom Hl. Geiste zu unserer Belehrung und
Erbauung wachgerufen.
Das katholische Volk hat häufig eine nur unvollständige Vorstellung von
den Prophezeiungen. Meistens ist man der Ansicht, sie würden sich auf
zukünftige Ereignisse beziehen, die für Kirche und Menschheit von
Bedeutung sind, so daß diese durch besonderes Eingreifen Gottes aus
einer ausweglosen Situation herauskommen,um zu gesunden Verhältnissen
zurüokzu, kehren.
Was aber genau soviel oder sogar größere Bedeutung hat, ist die
Tatsache, daß die Propheten als vom Geiste Gottes erleuchtete Männer
auftreten,um den Zeitgenossen Wahrheiten kundzutun, sie zum Gehorsam
gegen Gottes Gebote anzuhalten, sie von einem gottlosen und sittenlosen
Leben zurückzurufen.Beides, die Vorhersage von künftigen Ereignissen,
wie z. B. die Ankunft des Messias, und Ermahnungen zu einem sittlich
besseren Leben sind bei den großen und kleinen Propheten des Alten
Testamentes zu finden, so bei Amos, Osee, IsaÌas, JeremÌas, Ezechiel,
Daniel, Michäas usw. Der hl. Johannes der Täufer war der letzte und
größte Prophet des A.T., weil er der Vorläufer des MesÁLas war und zum
Neuen Testament überleitete. Jesus selbst, in seiner Gottheit noch
nicht mit Sicherheit von allen erkannt, galt im Volksmund als der
Prophet, der da kommen soll, weil er so mächtig war in Wort und Tat.
Alles, was Jesus zur Stiftung seiner heiligen Kirche gelehrt und
gewirkt hat,und was die Apostel in seinem Auftrag und unter der Führung
des Hl. Geistes gelehrt haben, gehört zur großen Offenbarung. Es stammt
von Gott, der uns durch die dritte Person der hhl. Dreifaltigkeit, den
Geist der Wahrheit unfehlbar lehrt. "Wenn aber jener kommt, der Geist
der Wahrheit, der wird euch in alle Wahrheit einführen".(Joh. 16,13).
So wird die katholische Kirche, unter der Führung des Hl. Geistes, das
Glaubensgut, das bei ihr hinterlegt ist, stets weiter ausdeuten. Am
Jüngsten Tage wird sie mit dieser Aufgabe noch nicht am Ende sein. Im
Himmel wird Gott sich selbst und seine Werke durch die selige
Anschauung zu erkennen geben.
Was nun nach dem Tode des letzten Apostels an Prophezeiungen und
Offenbarungen aufgekommen ist, gehört in den Bereich der
Privatoffenbarungen und fordert von Seiten des Gläubigen eine Annahme
nach den Regeln der Klugheit, keinesfalls aber eine innere Annahme wie
bei Glaubenswahrheiten und definierten Dogmen, ohne die man nicht selig
werden kann. Wenn die Privatoffenbarungen göttlichen Ursprungs sind,
dienen sie den betroffenen Personen zum Trost und zur Stärkung. Es ist
eine besondere Gnade, auf die sie eingehen müssen . Die guten Früchte
davon bestehen in der Vermehrung des Glaubens und im Fortschritt der
christlichen Tugenden. Als schlechte Früchte gelten:Sensationslust,
Vorwitz in bezug auf zukünftige Ereignisse, Widersprüchlichkeit in sich
selbst, Abweichung vom katholischen Glauben und von der definierten
Lehre der katholischen Kirche. Bei diesen Symptomen ist wohl der
Einfluß des Lügengeistes nicht zu leugnen. Wenn man bedenkt, wie manche
Seelen durch Privatoffenbarungen für eine sachliche Beurteilung der
kirchlichen Situation in bezug auf Messe und Sakramente nach dem
2.vatikanischen Konzil sowie in bezug auf die 'Konzilspäpste unfähig
geworden sind, so muß man zugeben, daß der Teufel als hochintelligente
und überlegene Person nicht nur mit Hilfe der Neuerungen im Namen eines
Konzils, sondern auch durch falsche Botschaften und unechte
Erscheinungen eine Menge von Gläubigen zu täuschen wußte. Wie schade um
die Zeit, wenn jemand sich zu sehr damit beschäftigt! Erst wenn eine
Weissagung erfüllt ist, kann man ihre wahre Tragweite beurteilen.
Zwar kennen wir die Weisung des hl. Paulus: "Prüfet alles, behaltet,
was gut ist!" Aber wer hätte die Kompetenz, die zahllosen Weissagungen
und Botschaften zu studieren und auszuwerten? Ist es nicht so, daß zehn
gute Botschaften wegen einer e^ten falschen zurückgewiesen werden
müssen? Wo Gott wirklich spricht, ist auch das Merkmal der
Irrtumslosigkeit vorhanden. Außerdem ist es Sache des kirchlichen
Lehramtes die "Prüfung" von alledem vorzunehmen wie z. B. von den
Marienerscheinungen. Jahrzehnte sind nun schon vergangen, ohne daß da
etwas Wesentliches geleistet wurde. Auch hier spüren wir die Polgen des
inneren und äußeren Zusammenbruchs der kirchlichen Hierarchie.
Wichtig für die Gläubigen ist es, die Kennzeichen der Echtheit der Marienerscheinungen im Auge zu
behalten:Obereinstimmung mit der katholisohen Lehre und Praxis und mit
dem Evangelium. Von den anerkannten Marienerscheinungen wissen wir:
Maria spricht im allgemeinen nicht viel ,ihre Worte decken sich mit den
Ermahnungen des Evangeliums: " Tut Buße, betet viel! Sündigt nicht
mehr! H5rt auf, Gott zu beleidigen! " usw. SoVerden wir in unserer
Frömmigkeit angeregt und im Mut gestärkt, um in diesen Zeiten der
Prüfung durchhalten zu können. Vergessen wir nur nicht, daß "die große
Offenbarung", die traditionelle Lehre der katholischen Kirche darüber
steht. So beruft der hl. Petrus sich für sein Wirken als Apostel nicht
in erster Linie auf das Erlebnis der Verklärung Christi auf dem Berge
Thabor, sondern auf die Prophetenworte (hier zu verstehen als die
überlieferte Lehr·: " Wir sind ja nicht klüglich ausgesponnenen Fabeln
gefolgt, als wir euch die Macht und die Ankunft unseres Herrn Jesus
Christus kundgetan haben. Vielmehr sind wir Augenzeugen seiner Majestät
gewesen. ... Indessen haben wir noch ein zuverlässigeres Wort, das
prophetische; und ihr tut gut, wenn ihr darauf achtet als auf eine
Leuchte, die an einem düsteren Orte scheint, bis daß der Tag anbricht
und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen." (2.Petr. 1,16 + 19).
In schlimmen Zeiten der Kirchengeschichte gab es auch in der Regel eine
Fülle von Prophezeiungen: "Im 13. Jahrhundert klagte der hl.
Bonaventura darüber, bis zum "Überdruß" von Weissagungen über das Elend
in der Kirche und über das Ende der Welt zu hören".
"Auf dem Konzil von Konstanz, wo dem großen westlichen Schisma ein Ende
gesetzt wurde, als es den Kampf zwischen drei "Päpsten" gab - so
berichtet Gerson, ein Teilnehmer des Konzils - gab es eine unglaubliche
Zahl von heiligmäßigen und asketischen Männern , die damafts falsche
Offenbarungen hatten... Viele von ihnen glaubten mit Sicherheit, sie
hätten durch eine Offenbarung vernommen, daß jeder von ihnen der
nächste Papst würde".
Papst Pius IX. erklärte im April 1872: "Ich schenke den Prophezeiungen
nicht viel Gehör, weil viele von ihnen nicht wert sind gelesen zu
werden, besonders was die jüngsten von ihnen angeht." Und im Juli
desselben Jahres: "Es werden viele Weissagungen verbreitet; aber ich
glaube, daß sie ein Produkt der Einbildungskraft sind."
Auch der hl. Johannes vom Kreuz rät als hervorragender Lehrer in der
Mystik: "Die beste und gesündeste Lehre ist es, keine Rücksicht auf
diese (inneren) Worte zu nehmen, auch wenn sie den glänzendsten
Anschein haben, sondern sich durch das Licht der rechten Vernunft und
durch die täglichen Belehrungen der heiligen Kirche leiten zu lassen. "
( Aufstieg 11,30 ).
Diese nüchternen, heilsamen Ratschläge können wir noch mit Worten des
Heilandes selbst bekräftigen. Auf die Frage der jünger:" Sage uns: wann
wird dies geschehen und was wird das Zeichen deiner Ankunft und des
Endes der Welt sein?" antwortet er:"Seht zu, daß euch niemand
irreführt! Denn viele werden unter meinem Namen auftreten und
sagen:'Ich bin Christus'. Und sie werden viele irreführen. Ihr werdet
von Kriegen und Kriegsgerüchten hören. Habet acht! Laßt euch nicht
erschrecken!" (Matth. 24, 3-6). Bossuet erläutert dazu: "Worüber soll
man denn erschrecken, wenn nicht wegen solcher Begebenheiten? Über gar
nichts. Denn ein Christ ist nur über seine Sünde erschrocken und über
den Zorn Gottes, den er dafür verdient hat. "Habet acht, laßt euch
nicht erschrecken!" Wenn Sie sich mit Neugier und Schrecken fragen, was
da geschieht wie z. B. was wird aus den starken Heeren, die sich
gegenüberstehen? Welch eine Verwüstung, was für ein Brandschaden, was
für ein Blutvergießen, was für eine Flut von Unglück, wenn einmal der
Damm durchbrochen ist! 0, ich gehe daran zugrunde! Wenn Sie so
sprechen, dann sind Sie kein Christ. Das Schicksal der Reiche liegt in
der Hand Gottes; sie vergehen zu ihrer Zeit wie sonst auch alles
Menschliche vergeht. Beten Sie für Ihr Vaterland! Demütigen Sie sich!
Tun Sie Buße, abef fürchten Sie sich nicht! Lassen Sie sich nicht
erschrecken! Denn so muß esgeschehen. Nicht aus blinder,
schicksalhafter Notwendigkeit, denn sie brächte uns in Verzweiflung,
sondern auf gnmd von Weisheit und Güte,welche uns durch diese Übel zu
großen Wohltaten führt. "Fürchte dich nicht, du kleine Herde, weil das
Reich, das euer himmlischer Vater euch bereitet hat" vor jedem Zugriff
gesichert ist. Weder sichtbare noch unsichtbare Feindesmächte können es
treffen; es kann euch nicht geraubt werden."
Anleitung zu solchen und ähnlichen Überlegungen gibt uns das
Evangelium, die Lehre der Kirche, ihre heilige Liturgie während des
ganzen Kirchenjahres so reichhaltig und abwechslungsreich, daß wohl
kaum nooh ein Vakuum für Erzeugnisse "falscher Propheten" offenbliebe.
Hier ist es wie mit der Musik. Hat jemand Zugang zu ihren Meisterwerken
und freut sich an ihnen, dann wird er an ordinären Rhythmen und an
unschönen,lärmenden Melodien keinen Gefallen finden und ihnen sein Ohr
nicht leihen.
Ganz allgemein läßt sich noch bemerken. Hätten die Geistlichen und die
Gläubigen in den vergangenen Jahrzehnten um die geistigen Schätze der
katholischen Kirche besser gewußt - und sei es nur der Katechismus und
die heilige Liturgie - so hätten sie sich das alles nicht so leicht
nehmen lassen. Das 2. vatikanische Konzil und sein Plan zum Abbruch der
Tradition wäre an der Basis nicht angekommen. Es hätte keine
Unzufriedenen gegeben, die als Ersatz für die verlorene Heimat in
fragwürdigen Botschaften oder Wallfahrten ihre Zuflucht gesucht hätten.
Zu alledem lasset uns Gott in Wahrheit dienen: " Nicht jeder, der zu
mir sagt: Herr! Herr! wird in das Himmelreich eingehen, sondern wer den
Willen meines Vaters tut, der im Himmel ist, der wird in das
Himmelreich eingehen."
Zur Veröffentlichung ausgearbeitet Steffeshausen,
den 12.8.1981- Fest der hl. Klara
Paul Schoonbroodt, Pfarrer |