Unfreundliche Betrachtungen
von
Eberhard Heller
Die Mitschriften von Fichtes Vorlesungen, die er nach seinem Weggang
aus Jena (im Herbst 1799) in Berlin hielt, beginnen mit der Abkürzung
„E.V.“, womit gemeint ist: „Ehrenwerte Versammlung“. Wie die
Fichte-Forschung herausgefunden hat, waren mit dieser Anrede keineswegs
die anwesenden Studenten gemeint, sondern das Corps höherer preußischer
Beamter, die sich früh morgens - d.h. vor Dienstbeginn! - z.B. der
transzendentalen Logik oder der Wissenschaftslehre widmeten, um ihren
geistigen Horizont zu erweitern.
An dieses geistige Interesse und intensive Bemühen preußischer Beamten,
das sich dann politisch in großen Reformen niederschlug, mußte ich
denken, als mir auf mein geäußertes Bedauern, daß in religiös
traditionsverpflichteten Kreisen weltweit außer mir niemand das Problem
von Ratzingers Wahl zum Nachfolger von Johannes Paul II. theologisch
aufgearbeitet habe – sieht man einmal von dem kurzen Kommentar ab, den
Herr Dr. Filiberto in "Il nuovo Osservatore Romano" Sept. 2005, unter
dem Titel "Habemus Pontificem?" verfaßt hat -, ein mir befreundeter
Priester antwortete: „Es kann es von den jungen Priestern auch
niemand.“ Die überraschende Antwort hat mich zunächst perplex gemacht
und mich dann veranlaßt, einmal einen ‚Kassensturz’ der geistigen
Potenzen (oder Impotenzen) unserer Kleriker-Riege vorzunehmen. Gemeint
sind jene Kleriker, die sich doch bewußt in einer Zeit tiefster
geistiger Verwirrnisse und gezieltem Verrätertum vorgeblich dafür
entschieden haben, den Kampf gegen diese Zerstörung aufzunehmen, um das
überlieferte Glaubensgut zu bewahren und es an die Gläubigen zu
vermitteln, die sich noch vom Reichtum der Tradition angezogen fühlen.
In der Tat, läßt man nur einige aus dieser jungen Kleriker-Riege Revue
passieren, kann man nicht umhin festzustellen, daß deren theologisches
Engagement (!) mit dem der preußischen Beamten, die sich sozusagen ‚vor
dem Frühstück’ die Köpfe mit Rechts- und Moralphilosophie oder
Interpersonaltheorie vollstopften, nicht zu vergleichen ist. Welche
Voraussetzungen bringen sie mit, um dem hegelianisch geprägten
Argumentationsduktus eines Ratzingers zu folgen, geschweige denn ihn zu
widerlegen, jenes arianisch denkenden ‚Kardinals’, der z.B. hegelsche
kategoriale Elemente von Sein, Nicht-Sein, Werden benutzt, um die
Seinsweise Christi, des Gottes-Sohnes zu erklären,... und dessen Wahl
von den Econisten als ein Zeichen der Hoffnung angepriesen wird,
nachdem auch sie vorher seine theologischen Elaborate kritisiert hatten.
In unseren Kreisen kenne ich niemanden unter den Klerikern, der
Ratzinger als Gegner – und als solchen muß ich ihn in seiner Funktion
als Chef der ‚Konzils-Kirche’ sehen, die für ein multi-religiöses
Gebilde steht, sehen – philosophisch und theologisch gewachsen wäre.
Das hängt zum einen an den derzeit gegebenen Ausbildungsmöglichkeiten
in den traditionellen Seminaren – es gibt nur Self-made-Seminare mit
den entsprechenden wissenschaftlichen Mankos -, zum anderen aber auch
an der Bequemlichkeit der Kleriker – die Bezeichnung „Faulheit“ möchte
ich vermeiden -, sich weiterzubilden bzw. sich nach der Weihe
Spezialstudien zu widmen, aber auch an der naiven Hybris, mit etwas
auswendig gelernter thomistischer Philosophie den modernen Konzepten
begegnen zu können! Abgesehen von solch ‚akrobatischen’, leider
unnützen Veranstaltungen zeugt es nun gerade nicht einmal von einer
soliden theologischen Grundausbildung, wenn ein Kleriker nicht einmal
mehr weiß, daß eine Kirche der (normale) Raum zur Feier der Liturgie
ist. Man fragt sich, was ein solcher Priester davon versteht, der doch
jeden Tag beim Lavabo betet: „Domine, dilexi decorem domus tuae et
locum habitationis gloriae tuae.“ („Ich liebe, Herr, die Zierde Deines
Hauses, die hehre Wohnung Deiner Herrlichkeit.“) In Amerika gibt es
eine Gemeinschaft, deren bischöflicher Leiter sich gerne mit den
Econern mißt und mit Stolz verkündet, er sei in den Staaten die
zweitstärkste Traditionalisten-Gruppe, die sich z. Zt. mit dem
hochaktuellen Problem beschäftigt, ob man an Freitagen Walfischfleisch
essen dürfe. (Man sollte noch wissen, daß der Fang von Walen weitgehend
verboten ist.)
Weiter im ‚Kassensturz’: Die sich schon länger manifestierende Haltung,
sich weder um den Wiederaufbau der Kirche zu kümmern, noch die
Seelsorge auszuweiten auf die Errichtung wahrer röm.-kath.
Kirchengemeinschaften, hat aber noch einen weiteren Grund, der nicht
nur in mangelnder Ausbildung zu suchen ist, sondern in fehlendem
priesterlich-missionarischem, besonders kirchlichem Interesse, d.h. an
dem eindeutigen Interesse, die aktuelle Notlage wirklich zu beheben.
Die totale Auswirkung, die die sog. vatikanischen Reformen eingeleitet
hatten, nämlich die Verwer-fung der der Kirche von Christus gegebenen
Aufgabe, alles zu halten, was Er ihr (der Kirche) anvertraut hatte,
sukzessive voranzutreiben, hatten die alten Kleriker im Zuge dieser
Umgestaltung geistig realisiert und sich entsprechend darauf
eingestellt. Ich kann mich noch an die langen Debatten mit H.H. Dr.
Katzer oder H.H. Pfr. Aßmayer erinnern, die wir geführt hatten, als
sich durch die entsprechenden Analysen herauskristallisiert hatte, daß
die neuen Weiheriten ungültig sind und die apostolische Sukzession in
Gefahr geriet. Es wurden verschiedene Modelle durchdiskutiert, wie sie
und unter welchen rechtlichen Schwierigkeiten sie zu retten sei. Von
solchem Problembewußtsein und dem Willen, den Notstand zu beheben, sind
die heutigen Kleriker weit entfernt. Ich frage mich, was all die jungen
Leute, die doch Priester unter den heutigen Gegebenheiten geworden
sind, die frei sind vom Eingebundensein in irgendwelche Verpflichtungen
seitens der Konzils-Kirche, aus deren Einflußsphäre sie sich hätten
lösen müssen, warum sie sich dieser zentralen Aufgabe der Restitution
der Kirche als Heilsinstitution verschließen und sich darauf
beschränken, ein Klientel sakramental zu befriedigen, dessen
Heilsegoismus an einer solch sektiererischen Entwicklung sein gehöriges
Maß an Mitschuld trägt. Durch diesen Ausschluß spezifisch kirchlicher
Interessen verfallen diese Kleriker einer anderen Art der
modernistischen Einstellung „extra Ecclesiam salus est“ („auch
außerhalb der Kirche gibt es das Heil“). Man müßte in unserem Fall
korrekterweise sagen: sine – ohne Kirche! gibt es Heil. Wie soll das zu
verstehen sein? Indem sie den Wiederaufbau der Kirche verhindern,
führen sie gleichsam eine Pastoral durch im kirchenfreien Raum. Das
Argument, die Seelsorge habe Vorrang, über alles andere könne man
später reden, kann man nach über 40 Jahren der Zerstörung nur noch als
Verbrämung eigener Versäumnisse verstehen.
Daß von dieser bloßen Versorgungsmentalität auch ältere Priester
befallen werden, ist insofern noch bedauerlicher, weil ihnen noch ein
richtiger Kirchenbegriff vermittelt wurde. Warum sind wohl Priester
weltweit unterwegs, um einem eingefleischten, reichen Heilsegoisten die
Sakramente zu spenden, der von der derzeitigen Notlage nur so viel
versteht, daß es unbedingt vorkonziliare Priester sein müssen, von
denen er die Messe lesen läßt. Einer der amerikanischen
‚Vielleicht’-Bischöfe – als Ex-Econer hatte er es abgelehnt, sich sub
conditione nachweihen zu lassen – hat die Angewohnheit genau dort, wo
die mexikanische Priester-Union Trento ein Zentrum errichtet, ein
Gegen-Zentrum aufzubauen... um so zu demonstrieren, wie er die
Teilnahme am mystischen Leib versteht. (N.b. ansonsten ist er weniger
ehrgeizig hinsichtlich der Bewältigung theologischer Probleme. Da gibt
er sich mit der Herausgabe einer Bildzeitung zufrieden, will sagen
eines photographischen Journals, in dem er sich beim Bedienen eines
Handys ablichten läßt.) Ich habe Hemmung das folgende zu schreiben:
einen bedrückten Priester kenne ich, der betet, Gott möge einen Bischof
sterben lassen, damit er daran gehindert ist, weitere Skandale zu
begehen.
Ein besonders perfides Stück leistete sich der Betrüger Roux, der
einfach Weihepapiere gefälscht hatte, um sich als Bischof auszugeben.
Woran erkennt man nun einen wirklich rechtgläubigen Priester? Daran,
daß dieser sein pastorales Wirken einordnet in den gleichzeitigen
Wiederaufbau der Kirche, der sich notwendigerweise in kleinen, aber
trotzdem sichtbaren Schritten vollzieht.
Sieht man nun einmal auf das moralische Verhalten der jungen
Kleriker-Riege, so wird man nach dem bisher Geschilderten die
Erwartungen vielleicht etwas herabgestuft haben. Es ist auch ratsam.
Nun, ich habe bereits einmal erwähnt, daß der allseits bekannte Juden-
und Freimaurer-Riecher Rotkranz, der die Gastfreundshaft von Pfr. N.
genießt, uns vor Jahren den pädophilen ‚Bischof’ Franck – nachweislich
sind seine Weihen ungültig! – als deutschen Regionalbischof
präsentieren wollte. Dieses Vorhaben läßt sich z.Zt. schwerlich
realisieren, weil besagter Franck wegen eines entsprechenden Deliktes
im Gefängnis sitzt. Inzwischen haben die Kölner sich an die Vorstellung
eines pädophilen Priesters schon besser gewöhnt. Auf Druck von Abbé
Reiling, den man auch als Pater Seraphim kennt (ebenfalls ein
Vielleicht-Priester) und der schon genügend auf sich aufmerksam gemacht
hat, haben die Kölner Gläubigen einen Ex-Econer als Pastor geholt, der
nicht nur mit dem „Vielleicht“-Merkmal behaftet ist, sondern wegen
Pädophilie zwei Jahre im Gefängnis saß... selbstverständlich
unschuldig, wie er an den Stufen des Altars erklärte.
In den USA verläßt ein weiterer Vielleicht-Bischof urplötzlich sein
Seminar und läßt seine Seminaristen im Stich, um mit einem einzigen
jungen Priester – diesmal unterdrücke ich das „Vielleicht“ - gen Süden
zu ziehen... Nun ja, man sollte in dieser Aufzählung den ehemaligen,
als „Eyestar“ („Augenstern“) titulierten Intimus des in der
amerikanischen Öffentlichkeit bekannten homosexuellen S. nicht
vergessen, der in der bush-igen Region nach geistlicher Macht strebt.
Wenn wir früher, als Pfarrer Leutenegger aus der Schweiz zu uns nach
München kam, um in St. Michael in der Baaderstr. die hl. Messe zu
feiern, ihn mit den neuesten Nachrichten aus der ‚Szene’ versorgten,
die damals noch verhältnismäßig harmlos klangen, schüttelte dieser fast
neunzigjährige Priester, der auf ein erfolgreiches Wirken zurückblicken
konnte, den Kopf und kommentierte: „Sind wir ein Verein!“
Das aufgezeigte Verhalten, das keineswegs nur Einzelfälle
widerspiegelt, sondern Symptome skizziert, die sich als tatsächliche
Tendenzen festgesetzt haben, hat mit dem, was sich ursprünglich
angebahnt und im Laufe der Entwicklung immer präzisere Formen
angenommen hatte, nämlich der Bewahrung des gefährdeten Depositum
fidei, nichts mehr zu tun. Gestalten wie Erzbischof Ngô-dinh-Thuc,
Bischof Blasius Kurz, Bischof Carmona, Pfr. Aßmayr, Dr. Katzer, Pfr.
Leutenegger – um nur einige zu nennen – waren Heroen, mit denen sich
die Youngsters von heute nicht messen können. Sie sollten sich fragen,
warum sie es überhaupt gewagt haben, sich in deren Schatten anzusiedeln
und sich in deren Ruhm zu sonnen.
Was hat nun dieser makabre Bericht mit Weihnachten zu tun? Sehr viel!
Beim hl. Johannes heißt es lapidar: „Er kam in sein Eigentum, aber die
Seinen nahmen ihn nicht auf.“ (Joh. 1, 11) Es heißt ausdrücklich: „Die
Seinen.“ Glauben denn die Heilsegoisten, die jedem hinterherlaufen, der
in eine Soutane gekleidet ist, ohne dessen Status wirklich geprüft zu
haben, daß Christus (oder der Hl. Geist) mit ihnen ist? Nehmen ihn die
auf, die sich die schönen Nischen gebaut haben? Was heißt denn: „Ihn
aufnehmen?“ Doch wohl, seine Gebote, seine Forderungen anzunehmen, sich
in Ge-horsam Ihm zu unterwerfen. Glauben vielleicht jene Kleriker, die
nur so eine Klientel von den vorher apostrophierten Heilsegoisten um
sich scharen, daß sie Sein Haus neu aufbauen?
Es gibt also keinen Grund, auf die schlimmen Einflüsse, auf die von den
„Feinden der Kirche“ verübten Missetaten zu verweisen, womit naive
Gemüter gerne die „Freimaurer“ bezeichnen. Wir sind an dem bestehenden
Schlamassel selbst schuld. Wir ganz allein! Vielleicht räumt uns der
liebe Gott in Seiner unendlichen Güte noch einmal eine Chance ein zur
Läuterung und zur Umkehr, wenn wir bescheiden und demütig werden. Wir
sollten voll Sehnsucht auf die Hirten schauen, denen Gott das Privileg
gewährte, als erste den Gottes Sohn im Stall besuchen zu dürfen. „Denen
aber, die Ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, all
denen, die an Seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blute, nicht aus
dem Verlangen des Fleisches, noch aus dem Wollen des Mannes, sondern
aus Gotte geboren sind.“ (Joh. 1, 12 f.)
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, verehrte Leser, ein gnadenreiches
Weihnachtsfest und Gottes Segen im Neuen Jahr. Ich bedanke mich ganz
herzlich für Ihre Mitarbeit und Ihre Anteilnahme.
Ihr Eberhard Heller |