TERESA VON AVILA
(1515 - 1582)
von
Manfred Jacobs
Teresa war schön, klug und charmant. Sie wußte sehr wohl um diese Gaben
und war stolz darauf. "Wissen Sie, mein Vater hat mir in meinem Leben
drei Lobsprüche erteilt. Man sagte, ich sei klug, heilig und schön, von
diesen drei Lobsprüchen glaubte ich zwei und meinte, sie zu verdienen.
Ich glaubte, daß ich klug und schön sei. Das war eine große Eitelkeit",
sagte sie einmal zu einem Karmeliter, der sie kurz vor ihrem Tode
kennenlernte. Aber noch in ihrem Alter machte sich diese Eitelkeit hie
und da etwas bemerkbar. So murrte sie einmal einen Karmeliterbruder,
der ihr Portrait gemalt hatte, an: "Gott vergebe Euch, Fra Juan! Was
habe ich nicht unter Euren Händen zu erdulden gehabt! Was fällt Euch
ein, mich derart häßlich und triefäugig zu malen!" Aber ganz
unberechtigt war dieser Tadel dem Maler gegenüber sicherlich nicht,
denn wir wissen durch Fray Luis de Léon, daß sie, wie er schreibt,
"jedem, der sich ihr näherte den Kopf verdreht habe und, so fügt er
hinzu, die Sorgfalt die sie auf ihr Äußeres verwandte, ihre feinsinnige
Gesprächsführung, ihre sanften und züchtigen Umgangsformen steigerten
noch ihre Schönheit, so daß das Weltkind und die Heiligen, der Mann der
Gesellschaft und der Asket, die Ältesten und Jüngsten von ihr
gefangengenommen, bezaubert wurden ... Als Kind und als junges Mädchen,
im Laienstand und als Nonne wirkte sie auf alle, die sie sahen, wie der
Magnet auf das Eisen." Und sie selbst gestand in ihren späteren Jahren:
"Unser Herr hat mir die Gabe erwiesen, jedermann, wo immer es sei, zu
gefallen." Diese Eigenschaften können einem jungen Mädchen sehr
gefährlich werden," aber Teresa versichert uns, sie habe sich, trotz
jugendlicher Unbekümmertheit, Lebenslust und Ausgelassenheit, niemals
so weit gehen lassen, daß ihre Ehre dabei verletzt worden wäre.
Die Beschäftigung mit Oberflächlichkeiten und die Hingabe an die
harmlosen Vergnügungen dieser Welt konnten aber die religiöse
Veranlagung Teresas nicht unterdrücken, und so schwankte sie in der
Entscheidung, welchen Stande sie letztlich angehören wollte, dem
Ehestand oder dem Ordensleben, zumal sich Teresas ursprünglicher
Widerwille gegen das Ordensleben gelegt hatte. Sie druchkämpfte, wie
sie selbst sagt, eine wahre Schlacht, die drei Monate in ihr tobte. Sie
erlitt Fieber und Ohnmächten bei diesen seelischen Qualen. Schließlich
siegte der Entschluß, das Ordensleben zu wählen. "Ich entschloß mich,
meinem Vater mich zu erklären (ihre Mutter war bereits gestorben, als
Teresa 12 Jahre alt war), und das war fast ebensoviel wie das
Ordensgewand zu nehmen. Denn ich betrachtete es als einen Ehrenpunkt,
bei dem Entschluß zu bleiben, für den ich mich einmal bestimmt hatte."
Der Vater, Don Alonso Sanchez de Cepeda, verweigerte bestürzt seine
Zustimmung zu dem Vorhaben Teresas. Da verließ die 19-Jährige heimlich
das Elternhaus ohne Abschied, mit blutendem Herzen, und trat in den
Orden der Karmelitinnen zu Avila ein.
Im Kloster ließ der anfängliche Eifer aber bald merklich nach.
Begünstigt durch die lockere Handhabung der Ordensregel (eine Klausur
u.s.w. gab es nicht) blieb die Verbindung mit der Welt aufrecht
erhalten,und Dona Teresa de Ahumada, wie sie immer noch genannt wurde,
empfing täglich Besuche von Verwandten und Freunden, mit denen sie ihre
Zeit verschwatzte. Sie fühlte zwar, daß dies nicht die richtige Haltung
war, hatte aber noch nicht die Kraft das zu sein, was sie eigentlich
hätte sein müssen. In ihrer Lebensbeschreibung hat sie sich deshalb
später Vorwürfe gemacht: "Ich führte ein höchst qualvolles Leben ...
Auf der einen Seite rief micht Gott, auf der anderen folgte ich der
Welt. Während ich große Freude an allen göttlichen Dingen hatte,
fesselten mich die weltlichen. Ich schien damals zwei entgegengesetzte
und sich feindlich gegenüberstehende Dinge wie das geistliche Leben und
die sinnlichen Freuden, Genüsse und Unterhaltungen miteinander
vereinigen zu wollen. Gab ich mich weltlichen Vergnügungen hin, so
peinigte mich die Erinnerung an das, was ich Gott schuldig wäre;
beschäftigte ich mich mit Gott, so ließen mir die weltlichen Neigungen
keine Ruhe. Ich trieb auf einem ungestümen Meer herum, beständig
fallend und mich wieder erhebend, leider aber nur, um danach aufs neue
zu fallen."
Diese innere Zerrisssenheit übertrug sich auch auf das körperliche.
Herz- und Magenbeschwerden stellten sich ein, sie begann Blut zu
spucken und litt an Nervenstörungen. Die Ärzte waren ratlos. Konnten
sie ahnen, was in der Seele Teresas vorging? Der Zustand verschlimmerte
sich. Drei Jahre lang lag sie wie gelähmt, bis sie schließlich ganz in
einen starrkrampfähnlichen Zustand verfiel und wie tot dalag.
Man zündete an ihrem Bett die Totenkerzen an, und im Klosterhof wurde
schon das Grab geschaufelt, welches sie aufnehmen sollte. Da erwachte
sie am vierten Tag und entkam so dem schrecklichen Schicksal, lebendig
begraben zu werden. "Weil ich selbst keine Buße übte, darum hat mir
Gott so viele Krankheiten geschickt." Sie meinte, daß sie "eine sehr
schlechte Nonne gewesen sei, und die klösterlichen Regeln am wenigsten
gehalten habe."
Eines Tages aber, ganz plötzlich, kam die große, heilsame
Erschütterung. Der Anblick einer Statue, die den blutüberströmten
Christus an der Geißelsäule darstellt, brachte Teresa aus der Fassung.:
"Es war mir ganz und gar unmöglich daran zu zweifeln, daß ER in mir
weile und ich ganz in IHM versenkt sei." Sie gelobte augenblickliche
Umkehr.: "Das Leben, das ich bisher geführt habe war mein Leben. Das
was jetzt für mich begann, ist das Leben Gottes in mir." Die
"Bekenntnisse" des hl. Augustinus stützten - und förderten ihre
Anstrengungen. Teresa hatte zu sich selbst gefunden.
Rasch folgte nun die Gottvereinigung, und Teresa wurde von Schauungen
über Schauungen in die Geheimnisse des Glaubens eingeführt. Wieder lag
sie da wie eine Tote, unempfindlich gegen die Einflüsse der Außenwelt,
diesmal aber durchströmt von unendlicher Freude in einer "glorreichen
Verrücktheit" wie sie selbst sagt. Sie bekennt: "Schon war ich wie von
Sinnen und berauscht von göttlicher Liebe. Ich gehe fast wie eine
Betrunkene umher."
Die Erscheinungen und Extasen, die gegen ihren Willen geschahen, waren
ihr äußerst unangenehm. Sie schreibt in einem Brief: "Wieder haben mich
Verzückungen befallen ... Zuweilen finden diese öffentlich statt, auch
beim Chorgebet, und das ist für mich recht peinlich. Dagegen hilft aber
kein Sträuben, und man kann dies auch nicht verhindern. Ich empfinde
danach eine so tiefe Beschämung, daß ich mich, ich weiß nicht wohin,
verkriechen möchte. Ich habe Gott gebeten, diese Gnaden mir doch nicht
mehr in der Öffentlichkeit zu gewähren ... denn sie bereiten viel
Ungelegenheiten." Hier ist der Beweis dafür erbracht, daß wir es bei
Teresa von Avila mit einer e c h t e n Mystikerin zu tun haben, die, im
Gegensatz zu visionären Schwindlerinnen oder Hysterikerinnen, sich
nicht mit angeblichen Offenbarungen interessant machen wollen. Teresa
mißtraute sich immer selbst und fragte sich, ob sie nicht vielleicht
ihre eigne Einbildungskraft getäuscht habe, aber sie behielt stets ein
kritisches Urteil. Sie konnte z.B. nicht begreifen, daß sich manche
Leute einreden können, etwas zu sehen oder zu hören, was sie in
Wirklichkeit nicht sehen und hören. Sie war sich darüber klar, daß
übertriebenes Fasten und allzuhäufige Nachtwachen Zustände herbeirufen
können, die von Unkundigen sehr leicht mit Verzückungen verwechselt
werden, tatsächlich aber nichts anderes als "Weiberohnmachten" sind,
die sich mit gutem Essen und ausreichendem Schlaf sehr leicht und
absolut sicher wieder kurieren lassen. Von einem Theologen schreibt
sie: "Er ist ein großer Gegner aller Privatoffenbarungen, und er
schenkt selbst jenen der heiligen Birgitta keinen Glauben ... Ich hatte
eine besondere Vorliebe für Männer, die solcher Ansicht waren. Ich
dachte mir nämlich, sie könnten, wenn ich in einer Täuschung befangen
wäre, mich sicherer davon befreien als andere."
Wo Menschen sind, da menschelt's, und so giftete Neid die Heilige an,
und Mißtrauen umlauerte und umschlich sie. Trotz ihrer demütigen
Versicherungen, Gott führe sie auf einem ungewöhnlichen Weg, weil ihre
Schwäche einer außerordentlichen Stütze bedürfe, hegte man im Kloster
den Verdacht, die Visionen stammten nicht von Gott, sondern vom Teufel.
Doch die Heiligen Franz Borja, Ludwig Bertran, Petrus von Alcantara und
Johannes vom Kreuz erklärten die mystischen Zustände Teresas für echt.
Der protestantische Hagiograph Walter Nigg schreibt: "Ihre Visionen
mußten die schärfste kritische Prüfung über sich ergehen lassen. Von
der Kirche wurden sie nicht auf leichtgläubige Art hingenommen.
(Niemals geschieht dies, noch ist es jemals geschehen. Anm. d.Verf.)
Sie (die Visionen) haben aber in diesem Prozeß ihre Echtheit
unwiderleglich bewiesen."
Wichtig ist zu wissen, daß die Heilige selbst das gewöhnliche Gebet des
einfachen Christen immer für wertvoller gehalten hat als ihre Visionen.
Sie sagt: "Der höchste Grad der Vollkommenheit besteht offenbar nicht
in (...) erhabenen Verzückungen auch nicht in Visionen (...), sondern
nur in einer solchen Gleichförmigkeit unseres Willens mit dem
göttlichen Willen, daß wir alles, was wir als seinen Willen erkennen,
mit unserem ganzen Willen umfassen, und daß wir das Bittere und das
Schmerzliche, wenn wir erkennen, daß seine Majestät es will, ebenso
freudig hinnehmen wie das Angenehme."
Man könnte leicht versucht sein, den Verdacht zu hegen, visionäre und
ekstatische Menschen seien für das praktische Leben völlig ungeeignet.
Das Leben Teresas beweist das genaue Gegenteil. Sie war eine
außergewöhnlich talentierte Organisatorin und ein Finanzgenie dazu.
Nach ihren eigenen Worten verdankte sie diese Gaben ihren Visionen:
"Erhabene Gedanken tragen viel dazu bei, erhabene Taten zu
vollbringen." - "Es kommt nicht darauf an,viel zu denken, sondern viel
zu lieben ... Die Liebe aber besteht nicht in wonnigen Gefühlen der
Andacht, sondern in dem festen Entschluß, in allen Stücken Gott
gefallen zu wollen." "Handeln heißt beten." "Dies ist der Zweck des
Gebetes, dies der Zweck der geistlichen Vermählung, Taten
hervorzubringen, immer Taten."
Teresas aufreibendes Bestreben, Seelen zu retten und die Menschheit
umzuwandeln, wird erkennbar aus ihren Worten: "Könnte ich doch dazu
beitragen, daß Gott noch mehr geliebt und gepriesen werde, wenn auch
nur von einer einzigen Seele und für einen Augenblick. Ich würde es für
wichtiger halten, als wenn ich selbst schon im Besitz der himmlischen
Herrlichkeit wäre. (...) Ich dachte nach, was ich wohl tun könnte. Ich
kam auf den einfachen und nächsten Gedanken, damit anzufangen, daß ich
mich in meinem eigenen Berufe vervollkommne und meine Ordensregel mit
größter Treue befolgte." Jetzt begann der ungeheure Kampf gegen die
äußere Umwelt.
Der Karmeliterorden war im zwölften Jahrhundert auf dem Berg Karmel in
Palästina gegründet worden, und seine Regeln erlaubten weder Einkünfte
durch Stiftungen und Renten noch das Tragen feiner Kleidung, häufiges
Fasten und Klausur waren Gebot. Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts
aber war diese ursprünglich strenge Regel zugunsten der bereits
erwähnten lockeren umgeändert worden. Im Hinblick auf das Wesentliche
erkannte Teresas Geist aber, das es"für Eltern besser sei,ihre Töchter
zu verheiraten, als in Klöster ohne strenge Zucht eintreten zu lassen."
In diesem Sinne reformierte sie.Es war eine Revolution! Teresa wußte,
daß jeder, der revolutionieren will, zuerst bei sich selbst beginnen
muß, und sie zog die Konsequenz daraus. Sie kehrte zu der strengen
ursprünglichen Regel ihres Ordens zurück, zog ihre Schuhe aus, und
nannte sich fortan Teresa von Jesus.
Der Sturm der Entrüstung seitens ihrer Mitschwestern, vielfach Töchter
vornehmer Familien ohne Vollkommenheitsstreben, nicht selten außerhalb
der Klostermauern in Bequemlichkeit und ohne Beruf lebend, ist ein
Zeichen dafür, daß Teresa sich auf dem richtigen Weg befand. Es kam zu
Protesten, Beschwerden und Drohungen, aber alle Schwierigkeiten wurden
von Teresa hartnäckig und unnachgiebig überwunden. Nicht umsonst zeigt
das Wappen des Geschlechts, dem Teresa entstammte, den springenden
Löwen der Cepeda und den rauchenden Turm der Ahumada, denn die Ahnen
fochten wie die Löwen gegen die Mauren und steckten ihre Burg lieber in
Brand, als sie dem Feind in die Hände fallen zu lassen.
Ermutigt durch ihren Beichtvater, den hl. Petrus von Alcantara, und mit
Erlaubnis Papst Pius IV. und des Bischofs von Avila, begann sie, ohne
einen Pfennig den Bau eines Klosters am Rande von Avila. 1562 wurde es
eröffnet mit strenger Klausur. Die Schwestern nahmen hier wieder das
ursprünglich harte Leben der Buße und der Abtötung auf sich und
strebten Selbstvervollkommung an. Ein Schrei der Empörung lief durch
die Bevölkerung von Avila. Eine rasende Menge rottete sich vor dem kl.
Klösterchen zusammen und versuchte gewaltsam einzudringen. Sie schämte
sich nicht vor den vier Nonnen, die das Kloster bewohnten. Die
städtischen Behörden strengten sogar einen Prozeß gegen diese
Schwestern an. Ein halbes Jahr lang zog sich dieser hin, und 7
Sitzungen wurden abgehalten "Zwei oder drei Tage nach der Gründung des
Klosters versammelten sich einige Gemeinderäte, der Bürgermeister und
Mitglieder des Domkapitels und erklärten einmütig, die neue Stiftung
sei durchaus nicht zu dulden, weil offenbar das allgemeine Wohl
darunter leiden müßte" sagt Teresa in ihrer Lebensbeschreibung.
Das Kloster blieb stehen! Und nicht nur das. Immer mehr der Besten
schlössen sich Teresa an, und es mußten im Laufe der Jahre Neugründung
auf Neugründung vorgenommen werden.
Zu einer bedeutungsvollen Begegnung kam es im Jahre 1567. Teresa,
inzwischen 52 Jahre alt, traf mit dem um 27 Jahre jüngeren Juan de la
Cruz zusammen. Juan de la Cruz ebenso wie Teresa unzufrieden mit den
desoltaten Zuständen im Karmeliterorden, wollte den Kartäusern
beitreten. Teresa riet Juan aber, statt dessen besser ein Reformkloster
zu gründen. So entstand der Männerorden der Unbeschuhten Karmeliter.
Der feinnervige, menschenscheue Juan aber war seelisch viel zu zart und
empfindsam, um die notwendige Härte aufbringen zu können, die die
organisatorisch-praktischen Dinge einer Reform verlangt. Teresa war
hier die führende- und stützende Kraft. 1575 kam es schließlich zum
offenen Kampf. Die milde Richtung der beschuhten Karmeliter tobte gegen
die strenge Richtung der unbeschuhten an. Das Generalkapitel erklärte
alle unbeschuhten als Apostaten und Exkommunizierte, hob 4
Neugründungen auf und entzog Teresa, die man als Landstreicherin und
unruhiges Frauenzimmer verschrie, die Vollmachten. Ja, man erreichte
sogar, daß sie in ein Kloster eingesperrt wurde. Man ließ sie
bespitzeln Ihre Schriften wurden der Inquisition vorgelegt. Um
belastendes Material gegen Teresa zu finden, wurden ihre Briefe von den
beschuhten Karmeliten abgefangen und zensiert. Teresa, die dieses Tun
bemerkte, verwendete deshalb Decknamen und Tarnadressen in ihrer
Korrespondenz. Jahrelang Verleumdungen, Feindseligkeiten und Drohungen
hatte Teresa zu erdulden.
Sie hatte einmal geschrieben: "Ich wünschte selbst, es möchte mein
Leben inmitten der größten Leiden und Verfolgungen dahinfließen." Nun
war es so weit, und froh nahm sie es an. "Ganz unvermutet kamen die
Untersuchungsrichter. (...) Gott erwies mir die Gnade, mich noch zu
freuen. (...) Es ist etwas Großes um die Sicherheit des Gewissens und
die Freiheit des Geistes." - "Die beste und stärkste Lanze zur
Eroberung des Himmels ist die Geduld in Prüfungen." Sie stellt aber
auch fest: "Es ist etwas Entsetzliches um die Ungerechtigkeiten, die
hierzulande gang und gäbe sind. Wenig Wahrheit, lauter Lügen. (...)
Dieses hier ist wie eine Hölle. Alles geschieht ohne Gerechtigkeit!!
1577 erschien ein päpstlicher Nuntius in Avila, um die Wahl Teresas zur
Priorin zu hintertreiben oder zu annulieren. Jede Nonne, die für Teresa
stimmte, würde exkommuniziert, ließ er wissen. Den hl. Juan de la Cruz
ließ er in Einzelhaft setzen. Juan gelang es aber zu entfliehen. Er
konnte in seine Zelle gelangen, und dort den Briefwechsel mit Teresa
vernichten. Erneut aufgegriffen wurde er nach Toledo geschleppt, von
den "milden" beschuhten Ordensbrüdern erneut eingekerkert und täglich
mit Peitschen geschlagen.
Teresa wandte sich in einem Brief an Philipp II. "Die ganze Stadt ist
empört. Jeder fragt sich wie dieser Mann (der Nuntius, Anm.d.Verf.) zu
solcher Macht kommt. Er ist kein Prälat. (...) Was mich betrifft, so
bin ich betrübt, unsere Geistlichen in Händen derartiger Leute zu
sehen. Ich würde sie lieber unter den Mohren wissen, denn diese würden
vielleicht mehr Erbarmen üben. (...) Dieser große Diener Gottes, Bruder
Juan, ist so geschwächt von all dem, was er erlitten, daß ich für sein
Leben fürchte. Um der Liebe Gottes willen beschwöre ich Eure Majestät,
ihn in Freiheit zu setzen."
Das schlimmste aber war ein Dekret des Nuntius, welches die
Unbeschuhten den Ordensoberen der Beschuhten Karmeliter unterstellte.
Damit war die Reform gescheitert.
Juan de la Cruz wies die Aufforderung, der Reform abzuschwören - trotz
Drohungen und ständiger Mißhandlungen - ab. Es gelang ihm, nach
monatelanger Dunkelhaft, wieder zu fliehen und sich zu Teresa
durchzuschlagen, die ihn verstecken konnte. Aber auch sie war ebenfalls
in ihrer Freiheit eingeschränkt, und ihr zweiter Mitkämpfer, Pater
Jerónimo Gracian, den man ebenfalls in Rom verleumdet hatte und der vom
General des Ordens exkommuniziert worden war, saß ebenfalls im Kerker.
Monatelang hatte Teresa keine Nachricht mehr von ihm oder über ihn
erhalten.
Inzwischen war die Öffentlichkeit auf die heftigen Auseinandersetzungen
aufmerksam geworden. König und Adel setzten sich für die Verfolgten
ein. Es wurde erreicht, daß sich Teresa und Juan de la Cruz wieder frei
bewegen durften. 158o machte ein Dekret des Papstes die beschuhten und
unbeschuhten Karmeliten unabhängig voneinander und bestätigte ihre
Satzungen. Pater Gracian wurde zuuersten Provinzial der Unbeschuhten
ernannt.
Teresa selbst reiste und gründete neue Niederlassungen. Man stelle sich
vor Augen, was das heißt. Grundstücke erwerben, geeignete ausfindig
machen und kaufen; dann das Bauen, Finanzierungen sichern,
Genehmigungen seitens der weltlichen Gemeinden und der bischöflichen
Ordinariate einholen, das Wohlwollen anderer Orden gewinnen, geeignete
Obere für die Niederlassungen auswählen u. s.w. u. s.w. Teresa ließ es
bei dem allem nicht bewenden. Sie entwarf selbst Baupläne und übernahm
die Bauleitung. Sie nähte selbst die .Ordenskleider für die neuen
Schwestern. Sie sorgte sich um Hygiene, und kümmerte sich um alle
möglichen Kleinigkeiten. Sie nahm gerne den Besen in die Hand, kochte
ausgezeichnet und saß, auch wenn sie Besuch hatte, am Spinnrad. Arbeit
sollte die Klöster bestehen lassen, nicht das Betteln und nicht das
Annehmen von Almosen. So wollte es Teresa, und so lebte sie es ihren
Mitschwestern vor. Überhaupt hatte Teresa ein großes Selbstbewußtsein
und ein grenzenloses Gottvertrauen. Der Blickwinkel, aus dem heraus sie
alles betrachtete und beurteilte, war unerhört realistisch. Als es sich
z.B. eines Tages herausstellte, daß eine größere Kirche gebaut werden
mußte, obwohl nur ein Pfennig in der Kasse war, sagte Teresa: "Teresa
von Jesus und drei Dukaten ist nichts, aber Teresa von Jesus, drei
Dukaten und Gott ist alles", und unverzüglich begann sie mit den
Bauarbeiten.
Herzerfrischend ist auch die Art, wie
Teresa die Dinge anfaßte. So sollte z.B. der Bau eines neuen Klosters,
nach Aussagen der Unternehmer, ein halbes Jahr dauern. "Unmöglich! In
vierzehn Tagen ziehen wir ein!" war Teresas Reaktion. Sie legte bei den
Bauarbeiten mit Hand an, und tatsächlich, nach vierzehn Tagen stand das
Gebäude. Wir dürfen aber nicht meinen, Teresa sei von robuster
Gesundheit gewesen. Ganz im Gegenteil! Ihr körperliches Wohlbefinden
war schlecht und sie war schwach. Von ihrem 17. Lebensjahr an bis zu
ihrem Tode war sie fast immer krank. Aus ihren Briefen wissen wir, wie
sehr sie oft gelitten hat. "Der Herr gibt mir fortwährend schlechte
Gesundheit, und wenn ich trotzdem alles tun kann, muß ich zuweilen
darüber lachen." Überhaupt war sie immer heiter. "Es ist besser, die
Stiftung eines Klosters zu unterlassen, als darin melancholische Nonnen
aufzunehmen. Denn derartige Nonnen sind der Ruin des Klosters." "Ich
fürchte eine mißvergnügte Nonne mehr als eine Menge böser Geister."
"Gott bewahre mich vor Heiligen mit verdrießlicher Miene!" In den
Erholungsstunden lachte und tanzte sie, schwang das Tamburin, dichtete
Verse aus dem Stegreif und begleitete den Gesang der Schwestern mit
Flötenspiel. Jemand, der sie deswegen tadelte, gab sie zur Antwort:
"All dies ist notwendig, um das Leben ertragen zu können."
Selbst der Tod hatte für sie nichts Schreckenerregendes. Als eine Nonne
starb, komponierte sie freudige Lieder und verbot Trauergesänge. "Ich
weiß nicht, wie wir über jene, welche die ewige Ruhe besitzen sollen,
weinen können."
Teresa lehrt uns das Wesen und die Rangordnung der Dinge. Ihr
Wahlspruch: "Entweder Leiden oder Sterben" hat nichts mit frömmelndem
Fanatismus zu tun. Sie, die das Gelübde für sich abgelegt hatte, ihren
eigenen Willen immer und in allem dem Willen Gottes zu unterwerfen,
hatte Freude an allem. Sie brachte es fertig, Gott zu lieben, ohne
dabei das Irdische zu verachten. Sie verstand es, jeder Sache ihren
rechten Wert beizumessen, indem sie sich zuvor von den Bindungen der
Erde zugunsten des göttlichen Willens gelöst hatte. Sie konnte ebenso
gut streng fasten als auch, wenn es an der Zeit war, ihr Leibgericht
mit gutem Appetit zu sich nehmen. Einer Nonne, die sich darüber
mokierte, sagte Teresa einmal lachend: "Lobe lieber die Freundlichkeit
deines Herrn und merke dir: wenn Rebhuhn, dann Rebhuhn, wenn Buße, dann
Buße." Von außergewöhnlichen Bußübungen hielt sie nichts. Zu den
übertriebenen Bußübungen einer Frau äußerte sich Teresa einmal ganz
nüchtern, ja unwillig: "Ich beneide sie um ihrer Tugenden; aber um
eines beneide ich sie nicht: nämlich, daß sie ihre Bußübungen in keiner
Weise einschränken will, obwohl ihre Beichtväter erklärt haben, daß
diese übermäßig seien." Einem anderen gab sie den Rat: "Gehen Sie
zuweilen in frischer Luft spazieren, wenn Sie in gedrückter Stimmung
sind. Denn (...) wir müssen gegen unsere Schwäche in der Weise
ankämpfen, daß die Natur nicht darunter erliegt (...). Es ist nun
einmal notwendig, daß wir unsere Seele sanft führen."
Gerne nahm sie von ihren Verwandten Süßigkeiten an und bedankte sich:
"Ich muß über mich selbst lachen, daß ich Ihnen für die Sendung von
Backwerk nichts zu geben weiß als einen Bußgürtel." Wie herrlich ist
doch dieser Humor, und aus welch freier Seele kommt er. Leicht drängt
sich die Vermutung auf, Teresa hätte keine Sorgen und keinen Ärger
gehabt. Es sieht so aus, als habe sie nicht gegen Widerstände kämpfen
müssen. Weit gefehlt! Ihr Leben wurde vergiftet durch Eigenwilligkeiten
von Priorinnen, Nonnen und Verwandten, die ihr nur allzuoft keine
geringen Enttäuschungen und Kränkungen bereiteten. Aber gerade das paßt
in das Klischee von Teresas Weltverständnis. Wußte sie doch, daß der
Teufel immer darauf aus ist, jedes gute Werk zu zerstören. Deshalb war
ihr auch ein Unternehmen, bei welchem sie mit keinen Schwierigkeiten zu
kämpfen hatte, von vorneherein schon suspekt und ließ sie mißtrauisch
werden. Je mehr ihr aber Steine in den Weg gelegt wurden, umso sicherer
war sie, genau das Richtige zu tun. Gar manche bekamen ihren
kämpferischen Geist zu spüren. "Mir wird man nie etwas abgewinnen, wenn
ich sehe, daß es gegen mein Gewissen ist, und wenn darüber die Welt in
Trümmer ginge." In diesem Sinne beugte sie sich auch nicht vor den
Großen dieser Erde. "Erinnert Euch daran, Sire, daß auch Saul die
Salbung empfing und trotzdem verworfen wurde", ließ sie Philipp II.
wissen. "Kommt nur alle her! Ich bin Gottes Dienerin und würde gerne
sehen, was ihr mir antun könnt." Eine solche Sprache führte diese Frau,
die es gleichzeitig fertig brachte, sich in Gehorsam dem Generalkapitel
ihres Ordens zu unterwerfen, der die Reform des Ordens verbot. Welch
echte Demut. Und weil diese Demut echt ist, und nicht Duckmäuserei,
kann sie bedenkenlos dem Obern eines andern Ordens schreiben: "Schon
lange hat mich nichts so gekränkt wie das Schreiben, das ich heute von
Euer Gnaden empfing. Denn meine Demut geht nicht so weit, daß es mir
erwünscht wäre, daß man mich für hochmütig hält. (...) Niemals hatte
ich solche Lust, einen Brief von Euer Gnaden zu zerreißen. Ich
versichere Euch, daß Ihr Euch recht gut darauf versteht, Kränkungen
zuzufügen und mir zu verstehen zu geben, wie wenig ich darstelle."
Bis in ihr Alter hinein erstaunt uns ihre nicht erlahmende Tatkraft.
Ihre außerordentliche Energie wird vor allem auf ihren vielen Reisen
erkennbar. Über diese Reisen, die notwendig waren, um Klöster zu
visitieren oder Neugründungen vorzunehmen, schreibt sie: "So zuwider
mir auch dieses Umherreisen ist, so ist doch der Nutzen, den diese
Klöster unter dem Volk überall stiften, so groß, daß es Gewissenssache
ist für mich, so viele zu gründen, als ich kann. Auch segnet der Herr
diese Unternehmungen so, daß ich immer wieder neuen Mut gewinne". -
"Dieses Reisen ist etwas, das mir in diesem Leben am meisten zuwider
ist und mir die größten Leiden verursacht, zumal ich bei alledem noch
sehen muß, daß man es übel deutet. Oft habe ich mir schon gedacht, wie
weit besser es für mich wäre, wenn ich in meiner Einsamkeit bleiben
könnte und mir vom General diese Stiftungen nicht befohlen wären. Sehe
ich dann aber wieder, wie eifrig dem Herrn in diesen Klöstern gedient
wird, so mache ich mir aus allem wenig. Seine Majestät (Anm.d.Verf.:
die Karmeliter reden Gott mit "Seine Majestät" an.) wolle mich so
leiten, daß ich Ihren Willen vollführe. (...) Wenn es sich nicht um
eine Stiftung handelt, ist mir das Reisen sehr peinlich. Hätte ich
keinen Auftrag, so würde ich nie reisen." "Möge Gott uns recht viel
Gelegenheit geben, für Ihn zu leiden, und sei es auch nur durch Plagen
von Flöhen, Poltergeistern und Reisebeschwerden." Dieser Sinn ist es,
der sie befähigte, trotz ihrer körperlichen Gebrechlichkeit die
Unbilden des damaligen Reisens auf Ochsenkarren oder auf Maultieren
reitend bei Wind und Wetter, bei sengender Sonne oder bei Eis und
Schnee im Gebirge und in der Ebene bei katastrophalen
Straßenverhältnissen auf sich zu nehmen und zu ertragen. Dazu kam noch,
daß sie oft - weil sie keine andere Wahl hatte - in den übelsten
Herbergen und abscheulichen Spelunken umgeben von Dirnen, Pennern und
Ganoven übernachten mußte. Welche Selbstüberwindung! "Gott hat mir
einen Mut gegeben, der den einer Frau übersteigt!" Bei diesen Reisen
erkannte sie die Sittenverderbnis und die Gefahren, die der
Christenheit drohten. "0, hei Christen, es ist Zeit, daß ihr euren
König verteidigt und in einer so großen Verlasseneuch um Ihn schart!
Denn klein ist die Zahl der Getreuen, die Ihn noch umgibt, groß dagegen
die Schar jener, die Luzifer folgen. Das schlimmste aber ist, daß diese
äußerlich als Freunde des Herrn sich ausgeben, insgeheim aber ihn
verraten, so daß Er fast niemand mehr findet, auf den Er sich verlassen
kann." - "Das Übel soll nicht weitergreifen, und ich möchte nicht
täglich mehr Seelen zugrunde gehen sehen. 0 helft mir doch, vom Herrn
diese Gnade zu erflehen; denn er hat euch an diesem Ort vereinigt, dies
ist euer Beruf, das soll euer Geschäft und euer Verlangen sein, dafür
sollen eure Tränen fließen, dahin eure Gebete ziehen. (...) Die Welt
steht in Flammen; man will Christus sozusagen aufs neue verurteilen, da
man tausend falsche Zeugnisse wider Ihn erhebt; man will seine Kirche
vernichten. Und wir sollten die Zeit mit Bitten um Dinge verbringen,
wodurch wir vielleicht, wenn Gott sie gewährte, Ursache wären, daß eine
Seele weniger in den Himmel käme? Nein, meine Schwestern, jetzt ist
keine Zeit, mit Gott über geringfügige Dinge zu verhandeln."
Das sind Worte in unsere Zeit gesprochen! "Die öffentlichen Ereignisse
beschäftigen (Teresa) lebhaft im Hinblick auf Christus und Sein Reich.
Während der öffentlichen Wahlen verrichtete sie harte Bußübungen,
besondere Gebete und Hilferufe stiegen zum Himmel empor." So urteilt
die Priorin Marie de Jesus über Teresa.
Nach der Klostergründung in Burgos erlitt Teresa auf dem Heimweg in
Alba de Tormes einen Blutsturz, dem sie am 4. Oktober 1582 erlag.
Teresa hatte 17 Frauenklöster und °5 Männerklöster gegen eine Welt von
Gegnern unter meist dramatischen Umständen gegründet. Ihre Schriften
füllen neun Bände, und wir kennen 45o Briefe von ihr. Sie
korrespondierte mit Königen, Fürsten, Bischöfen und Gelehrten. Positiv
und reich wird das Geistesleben durch sie beeinflußt, vor allem wohl
durch ihre Werke der Mystik.
"Nichts soll dich ängstigen, nichts dich erschrecken.
Alles geht vorüber, Gott allein bleibt derselbe.
Geduld erreicht alles.
Wer Gott besitzt, dem kann nichts fehlen.
Gott allein genügt."
(Teresa)
Verwendete Literatur:
"Sie lebten das Christentum" von Gisbert Kranz.
"Helden und Heilige" von Hans Hümmeler. |