SONNTAG NACH PFINGSTEN 1980
von
H.H. Pfarrer Alois Aßmayr
(Predigt vom 22.6.80, gehalten in St. Michael, München)
In der Epistel (dieses Sonntages) drückt der Apostel Paulus seine
Überzeugung aus, daß die Leiden dieser Welt in keinem Verhältnis stehen
zur Herrlichkeit, die uns in der Ewigkeit dafür erwarten. Das ist
freilich nicht von jedem Leiden gemeint, sondern von den Leiden im
Dienste Gottes. Es kommt also darauf an, wofür und wie wir die Leiden
im irdischen Leben tragen und ertragen.
Die Leiden sind Folgen der Sünde. Sünde ist es, wenn man sein Tun und
Lassen nicht nach der Wahrheit richtet, was sich dann notwendiger Weise
in Leiden auswirkt. Die Sünde rächt sich also durch Leiden. Trotzdem
hat Gott in die Leiden Werte hineingelegt, die wir uns gar nicht
vorstellen können. Eine Ahnung davon bekommen wir, wenn wir die Leiden
Christi betrachten, die imstande waren, die Sünden der ganzen
Menschheit vom Anfang bis zum Ende zu sühnen. Auch muß uns das
nachdenklich machen, daß der Herr gerade Seine Lieblinge reichlich mit
Leiden versorgt. Freunden und Lieblingen gibt man doch nur Gutes,
Wertvolles. Leiden ertragen die Freunde des Herrn so, daß sie ungeheuer
viel zu ihrem ewigen Glück beitragen.
Am meisten hat wohl Unser Herr Jesus gelitten, aber auch mit einer
Gesinnung, die wohl niemand erreichen, geschweige denn überbieten kann,
darum auch Seine Herrlichkeit als Mensch im Himmel von niemandem
erreicht werden kann. Niemand ist Unserm Herrn näher gestanden als
Maria ,und sie wird die Königin der Märtyrer genannt, aber auch die
Königin des Himmels, sie ist also das schönste und glücklichste
Menschenkind im Himmel.
Ich möchte zunächst den Sühnewert und alle anderen Werte beiseite
lassen und nur den Verdienstwert erwähnen. Was sagt Christus von Seinen
Leiden? "Mußte nicht Christus das Alles leiden und so in Seine
Herrlichkeit eingehen." Die Leiden, die der Herr als Mensch auf Erden
ertragen und getragen hat, haben Seine Herrlichkeit im Himmel bewirkt.
Darum sagt der Herr zu seinen Freunden, daß Er ihnen nichts Kostbareres
geben könne als Kreuz und Leiden, weil diese ihnen die Möglichkeit
geben, eine große Herrlichkeit im Himmel zu erlangen. Darum heißt Gott
lieben, leiden. Je mehr man daher Gott liebt, um so größer die Leiden,
weil gerade diese- ihnen die Möglichkeit geben, dem Herrn ihre Liebe zu
beweisen. Mit nichts kann man ja jemanden seine Liebe mehr zeigen und
beweisen, als wenn man ihm zuliebe und für ihn leidet. Daran erkennen
wir die Größe der Liebe Gottes zu uns Menschen, daß Ihm kein Opfer zu
groß und kein Leiden für uns zu schwer war. Daran aber erkennt der Herr
auch unsere Liebe zu Ihm. Darun gibt der Herr Seinen Lieblingen die
Möglichkeit, Ihm die Größe ihrer Liebe zu Ihm zeigen zu können. Die
Liebe schaut nur darauf, wie und wodurch sie dem Geliebten Freude
machen kann. Die Liebe ist selbstlos, wenn sie einen bestimmten Grad
erreicht hat. Sie fragt nicht, was bekomme ich dafür. Dem Geliebten
Freude gemacht zu haben, ist ihr Lohn genug.
Es kommt aber nicht gerade darauf an, daß man leidet, sondern wie, mit
weleher Liebe man leidet. Ohne Liebe ist das größte Leiden wertlos. Man
braucht nur das "Hohe Lied der Liebe des hl. Apostel Paulus zu lesen
(Korintherbrief). Auf unsere Gesinnung kommt es an, welchen Wert unsere
Opfer und unsere Leiden haben. Die Liebe bestimmt den Wert unserer
Opfer und Leiden, nicht einmal die Größe des Opfers. Ein kleines Opfer
mit recht viel Liebe gebracht, ist mehr wert, als ein großes ohne Liebe
(oder ohne viel Liebe).
Leiden und Opfer bringen müssen wir auf Erden wohl alle. Gewöhnlich
sind es keine großen, die Aufsehen erregen. Wir brauchen auch nicht um
Leiden zu beten. Der Herr schickt uns schon, was wir brauchen und
welche zu tragen wir bereit sind. So groß ist unsere Liebe durchwegs
nicht, daß der Herr von uns viel verlangen kann. Können uns doch schon
die ganz gewöhnlichen und täglichen Unannehmlichkeiten große
Schwierigkeiten bereiten. Wenn zum Beispiel unser Nebenmensch nicht
gerade so ist und so handelt, wie wir es haben möchten, auch wenn man
selber nicht so ist, wie man sein möchte; oder eine Arbeit, die einem
nicht liegt. Wenn man nur kleine Kreuze hat, kann es sein, daß uns
diese schon zu erdrücken scheinen. Wenn dann ein großes Kreuz kommt,
dann spielen diese kleinen schon gar keine Rolle mehr.
Wenn wir klug und weise sind, können wir aus unseren täglichen Kreuzen
und Unannehmlichkeiten für unser zeitliches Glück und erst für unser
ewiges soviel herausholen, wenn wir sie richtig tragen, daß wir dafür
nur dankbar sein können. Wir sollen uns daher daran gewöhnen, die nicht
selbstverursachten Kreuze und Leiden mit etwas anderen Augen anzusehen,
als wir es gewöhnlich tun. Es stecken unvorstellbare Werte darin. Es
kommt nur darauf an, mit welcher Gesinnung wir sie tragen und sie
benützen, ob sie uns glücklich und froh oder traurig und unglücklich
machen. Ich möchte daher allen recht viel Verständnis für Kreuz und
Leiden wünschen. Unsere Natur und die unserer Mitmenschen geben uns
Gelegenheit genug. Bitten wir daher um viel Licht und Kraft von Oben.
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