DIE NEUE DOKTRIN DES PFARRER MILCH
von
Dr. Eberhard Heller
In seinem "12. Sonntagsbrief" vom 22.3.1981 schreibt Herr Pfarrer Milch folgendes:
"Der Boden der Kirche ist überwuchert
vnd besetzt von antichristlichen Ideologien und Ideologen, meist aus
der Zunft der Professoren und Journalisten. Dieser Boden ist die
RechtsStruktur, die Hierarchie (Papst und Bischöfe und Priester) und
die substantiell erhaltene Gläubigkeit mancher Irregeführter, die
meinen, sie müßten 'gehorchen.'
Es ist der Boden der Kirche. Die da von "Konzilskirche", von
"Neukirche" reden, mit der wir überhaupt nichts mehr zu tun hätten",
erweisen der Besetzungsmacht eine ungewollte hohe Ehre. Es gibt nur
eine Kirche, das ist die eine, heilige, katholische und apostolische
römische Kirche. Nicht sie ist besetzt, sondern ihr Boden, ihr
Innenraun. Sie selbst l e b t und b l e i b t ! "Die Pforten der Hölle
werden sie nicht überwältigen!" Sie fließt zur Zeit wie die Donau
unterirdisch, nach außen von niemandem gültig repräsentiert als von
Erzbischof Lefebvre und den Seinen, seien sie seiner
Priesterbruderschaft incorporiert oder assoziiert. Mit den
Repräsentanten des B e s e t z t s e i n s , vornehmlich mit dem Papst,
aber auch mit Vertretern der Kurie, bemüht sich der Erzbischof mit
Recht, in ein Arrangement zu kommen, um wenigstens einen T e i l des
besetzten Innenraumes und des - durchaus entstellten - offiziellen
Erscheinungsbildes der Kirche wieder zurückzuerobern vnd dadurch ein
Gottesgericht zu beschwören. Es ist möglich und hat einen soliden
Wahrscheinlichkeitsgrad, daß Papst Johannes Paul II. kein gültiger
Papst ist; dasselbe gilt noch mehr für Paul VI. Aber wir w i s s e n es
nicht. Er ist mit Sicherheit nur dann kein gültiger Papst, wenn er ein
formaler Häretiker ist, d.h. wenn er bewußt und willentlich von der
katholischen Lehre abweicht. Wenn er aber sein Abweichen bzw. seinen
Widerspruch zur katholischen Lehre als solchen nicht erkennt und sich
einlullen läßt von den falschen Propheten des Modernismus, dann i s t
er gültiger Papst. Und sinn vollerweise muß man von letzterem ausgehen,
weil wir uns nicht in die Allwissenheit Gottes hineinschmuggeln dürfen.
So ist die klare, theologisch einzig zulässige Deutung der Lage.
Manche meinen, das sei "kompromißlerisch, halbherzig, inkonsequent".
Sie irren absolut. Diese Leute - z.B. von der Zeitschrift "Einsicht" -
sind nicht etwa "konsequent" und "eindeutig" in ihrer Einstellung,
sondern nur dümmlich und in ihrer theologischen Bildung auf Schmalspur
geschaltet."
So weit Pfarrer Milch. Zur Scheidung der Geister lohnt es sich
vielleicht, noch einmal auf dieses Thema einzugehen, obwohl es bereits
kontrovers zwischen Pfr. Milch und mir im letzten Jahr durchdiskutiert
worden. Diejenigen, die über die Person Wojtylas nicht mehr im Unklaren
sind, können getrost die folgenden Anmerkungen übergehen, sie erfahren
nichts Neues.
Ich muß gestehen: selbst nach mehrmaligem Durchlesen bleiben mir
gewisse Passagen dieses Sonntagsbriefes - um mich vorsichtig
auszudrücken - dunkel. Was soll z.B. der "Boden der Kirche" bedeuten?
Was heißt das? Einerseits äußert Pfr. Milch, dieser "Boden", der
besetzt ist "von antichristlichen Ideologien und Ideologen" sei "der
Boden der Kirche", "ihr Innenraum", d.h. er bildet nach Milch die
"Rechtsstruktur, die Hierarchie ', andererseits hat dieser kirchliche
"Innenraum", der die Rechtsstruktur (der Kirche) ausmacht, mit der
(wahren) Kirche nichts zu tun. Mit Pfarrer Milchs Worten: "Es gibt nur
e i n e Kirche, das ist die eine heilige, katholische und apostolische
römische Kirche". Und gerade M. Lefebvre, der den sog. 'N.O.M.' als
gültig anerkennt und damit ipso facto einer Häresie anhängt, also
gerade dieser Häretiker traditionalistischer Prägung soll derjenige
sein, der nach dem Lenker Milch diese "eine, heilige, katholische und
apostolische römische Kirche" "gültig repräsentiert"? Als was? als
Boden, als Hierarchie, als Innenraum, als Rechtsstruktur - das Angebot
in Pfr. Milchs Erklärung ist reichhaltig -, oder kommt diese Kirche
ohne Strukturen aus?
Nun, dieser Repräsentant der von Pfr. Milch gemeinten Kirche verhandelt
"mit Recht" mit den "Repräsentanten des B e s e t z t s e i n s ,
vornehmlich mit dem Papst, aber auch mit Vertretern der Kurie", um "in
ein Arrangement zu kommen". Auf 'gut' Deutsch: Mgr. Lefebvre will sich
mit dem "Boden der Kirche", d.h. mit Wojtyla arrangieren, der - und das
folgt aus den Ausführungen weiter oben - besetzt (besser: besessen) ist
"von antichristlichen Ideologien". Verlassen wir ruhig den "Boden der
Kirche", bleiben wir bei Wojtyla: läßt man einmal die metaphorische
Ausdrucksweise beiseite, kann das doch nur bedeuten, Wojtyla ist - also
auch nach Pfr. MiIch-Anhänger "antichristlicher Ideologien". Genau das
sage ich auch: Mgr. Lefebvre arrangiert sich mit Häretikern und
Häresien. Aber das will, das darf der Lenker der SPES UNICA denn doch
nicht verlauten lassen. Hat er nicht auch in seinem Sonntagsbrief
geschrieben, Mgr. Lefebvre habe sein "Verhalten stets gebilligt"? Denn
für den Oberen der Priesterbruderschaft vom hl. Pius "gibt es kein
gültiges Argument, das ihn verpflichtete die Verbindung mit dem Papst
zu durchbrechen" (vgl. Lefebvres "Brief an unsere Freunde und
Wohltäter" Nr.2o vom März 1981), d.h. auch nicht der von Milch selbst
gelieferte Nachweis von Wojtylas "Besetztsein" mit "antichristlichen
Ideologien". Aber was will dann der der Priesterbruderschaft
assoziierte Herr Pfarrer Milch sagen? Die angesprochenen Passagen
lassen nur eine Deutung zu - und hier bestätigt Pfr. Milch noch ein
altes protestantisches Vorurteil gegen die päpstliche Unfehlbarkeit -:
Ein Papst kann vertreten,, was er will, er ist und bleibt dennoch
legitimer Inhaber der Cathedra Petri. Das ist der Vordersatz der
'neuen' Doktrin.
Lassen wir das literarische Geplänkel über den "Boden" beiseite. Die
persönlichen Diffamierungen hätte ich auch übergangen, wenn sie nicht
ein bezeichnendes Licht auf den Schreiber selbst werfen würden. Wir
haben unsere Argumente immer auf die Lehre der Kirche (n.b. der von
Christus gestifteten, und nicht der von Pfr. Milch gemeinten, man
beachte den Unterschied!) abgestützt; die Qualifizierung als dümmlich
trifft also nicht einen von uns, sondern diese Lehre, und reflektiert
damit zugleich Milchs Geringschätzung der Dogmatik und des
Kirchenrechts.
Kommen wir endlich zu den entscheidenden Passagen dieses
Sonntagsbriefes. Pfarrer Milch behauptet: Wahrscheinlich ist Johannes
Paul II. kein gültiger Papst. Aber wir können das nicht wissen, weil
wir mit Sicherheit nicht angeben können, ob er formaler Häretiker sei
oder nicht, da wir uns andernfalls "in die Allwissenheit Gottes
hineinschmuggeln" würden.
Dr. Katzer hat uns einmal den Lehrsatz mitgeteilt, daß ein Papa dubius
est Papa nullus (ein dubioser Papst ist kein Papst). Diesen Satz kannte
der Lenker der SPES UNICA vielleicht nicht. Er hätte aber, wenn ihm ein
wenig an der Klärung der Frage gelegen wäre, die von mir angegebenen
Belege studieren können, die er von mir vor gut einem drei-viertel Jahr
erhalten hatte (man vgl. EINSICHT X,loo ff.), um sich zu überzeugen,
daß die Kirche für die Beurteilung von Häretikern genaue Kriterien
angibt. Pfr. Milchs Agnostizismus heißt im Klartext nämlich nichts
anderes: da man nur mit Gottes Allwissenheit - die wir nicht besitzen -
wissen kann, ob jemand ein formaler Häretiker ist oder nicht, waren
alle früheren Verurteilungen von Häretikern durch die Kirche
ungerechtfertigt. Denn zur Beurteilung, ob der Betreffende auch formal
seiner Häresie zustimmte, mußte man sich ja in Gottes Allwissenheit
hineingeschmuggelt haben. Man stelle sich vor: ein Luther, der zwar
materieller Häretiker war, hätte dennoch nicht verurteilt werden
dürfen, weil man nicht wissen konnte, ob er das bewußt und willentlich
gewesen wäre. Und hier der Begründungs teil der 'neuen' Doktrin: weil
man nicht wissen kann, was einer denkt. Ich brauche mich hier auf keine
erkenntnistheoretische Debatte dieses Problems einlassen, es genügt,
daß ich noch einmal darauf hinweise (man vgl. EINSICHT X, 100 ff.), daß
nach der Lehre der Kirche ein Häretiker, besonders wenn er ein
Amtsträger ist, pro foro externo als formaler Häretiker zu behandeln
ist - und hier gehe ich von dem Mentalzustand aus, den Milch für die
Person Wojtylas behauptet.
Man darf sich nicht über den mentalen traditionalistischen Zustand
vieler Gläubigen wundern, wenn der Lenker der SPES UNICA z.B. seine
Ignoranz als "klare, theologisch einzig zulässige Deutung der Lage"
verkaufen möchte. Schließlich nehme man beide Behauptungsmomente in
eins zusammen, dann ergibt sich folgende Aussage: Nach Pfarrer Milch
kann ein Papst tun und lassen, was er will, das macht nichts, weil man
nicht wissen kann, wie er's meint.
Möglicherweise meint aber das der Lenker Milch nun auch nicht, aber
dann möge er sich bitte ein wenig präziser fassen und seine Meinungen
mit der Lehre der Kirche in Einklang bringen, bevor er sie als "klar,
theologisch, einzig zulässig" seinen oft noch unbedarfteren Schäflein
in einem Sonntagsbrief offeriert. Selbst eingefleischte Lefebvrianer
gehen intern schon davon aus, daß man "sinnvollerweise" bei Wojtyla von
einem formalen Häretiker sprechen muß.
Zur sachlichen Klärung hier noch einmal die Kriterien, nach denen die
Kirche jemand als (formalen und materialen) Häretiker beurteilt: die
irrige Auffassung muß manifest, öffentlich und (nach Hinweis auf sie
als Häresie) wiederholt geäußert worden sein. Den von Milch behaupteten
Agnostizismus verbietet der Kan. 16 ß 2a des CIC. (Nach diesen
Kriterien wurde auch M. Lefebvre als Häretiker eingestuft. Es ist fast
überflüssig zu sagen, daß Häretiker (finanziell) nicht unterstützt
werden dürfen.) |