PREDIGT ÜBER DIE HEILIGE KIRCHE
von
+ H.H. Dr. Otto Katzer
Wir haben uns das letzte Mal gefragt, was es eigentlich heißt: ich bin
Mitglied der Kirche. Wir sagten, das Wort Kirche sei ursprünglich ein
griechisches Wort: Kyriakäe - man ergänze (griechisch): oikia -: des
Herren Haus. Natürlich wird hier nicht an ein Haus im architektonischen
Sinne gedacht, sondern an die Familie, an die, die zum Haus gehören.
Als der göttliche Heiland noch unter uns weilte, scharte sich eine
Gruppe von Menschen um ihn, die buchstäblich eine Familie bildete: die
Kyriakäe. Das Wort ist uns nicht fremd. Wir deuteten schon darauf hin,
daß wir es oft in der Hl. Messe hören: Kyrie eleison (Herr, erbarme
Dich unser). Wenn Sie also jemand fragt: Was heißt es, Du bist Mitglied
der Kirche? Dann werden Sie einfach antworten: Ich bin Mitglied der
Familie des Herrn.
Wir sagen: die hl. Kirche ist eine Familie - kein Verein (!). Es dürfte
jedem klar sein, daß, wenn es nur einen Herrn gibt, der unter uns weilt
im Allerheiligsten Altarsakrament, es auch nur eine Kirche geben kann -
eine einzige. Also nicht - wie man heute immer hört -: eine
protestantische, baptistische etc. etc. 'Kirche' (Wer kann diese
'Kirchen' alle aufzählen?)
Wenn wir nun von der Kirche zu sprechen haben, müssen wir bedenken, daß
wir den Terminus Kirche in einem zwei-fachen Sinn gebrauchen: Zuerst
Kirche als Gotteshaus. (Bei dieser Bedeutung werden wir uns nicht
aufhalten.) Dann aber wird die Kirche als ein Verein angenommen, ganz
besonders überall in der Welt. Wir sagten, die staatlichen Behörden -
das ist ihr Recht - bezeichnen die Kirche als einen Verein. Und wenn
wir bedenken, daß wir in unserem Jahrhundert das religiöse Leben stark
verpolitisiert haben und wir die 'Kirche' vielfach als eine politische
Partei betrachten, die gar verschiedene Fraktionen aufweisen kann,
dürfen wir uns nicht wundern, wenn ein Wort sich eingeschlichen hat,
nämlich der Terminus: Kirchenaustritt. Einem Verein kann ich beitreten,
wann ich will, und kann ihn verlassen, wann ich will. Aber in die
Kirche kann ich nicht so ohne weiteres eintreten und sie wieder
verlassen, wann ich will; denn die Kirche ist kein Verein. Sie ist eine
Familie, von der wir sagten, daß wir Mitglied in ihr werden durch die
Geburt. Wenn ich z.B. in die Familie Müller hineingeboren werde, so
kann ich diese Familie nicht verlassen in dem Sinne, daß ich etwa aus
ihr austrete. Ich kann midi von meiner Familie lossagen, ich kann
ausgestoßen werden, ich kann enterbt werden, aber aufhören - dem
Ursprung nach -, Mitglied dieser Familie zu sein, kann ich nicht. So
verhält es sich auch mit der Zugehörigkeit zur Kirche, deren Mitglied
ich durch die Taufe geworden bin, die eine Wiedergeburt ist. Denn wenn
z.B. jemand aus der Kirche 'ausgetreten' ist (was falsch ist, er hat
sich nur von ihr losgesagt), so wird er nicht noch einmal getauft, wenn
er reuig zurückkommt, sondern es wird nur die Exkommunikation, die über
ihn verhängt war, aufgehoben. Denn dieser war er durch seinen Schritt
verfallen.
Wir müssen uns aber eine weitere Frage stellen: Wer ist Mitglied dieser
Familie? Es gibt ein vier-faches Band, welches uns mit ihr verbindet:
1. der gemeinsame Glaube
2. die Anteilnahme an denselben Sakramenten,
3. die Unterwerfung unter die hierarchische Ordnung,
4. das Band der Liebe - was sehr oft vergessen wird.
Wenn wir uns nun noch einmal die Frage stellen, als was müssen wir die
Familie des Herrn betrachten? Dann müssen wir antworten: Die Familie
des Herrn, die Kirche, ist die Gemeinschaft aller rechtgläubigen
Christen, die dieselbe Lehre bekennen, denselben Glauben aufweisen, an
denselben Sakramenten teilnehmen und den römischen Papst als ihr
höchstes, sichtbares Oberhaupt anerkennen.
Heutzutage kann man leider sehr oft hören, daß der oder jener, weil er
bei dem oder jenen nicht mittut, außerhalb der Kirche steht. Eine
rechte Einstellung zu den betreffenden Fällen scheint oft schwierig zu
finden zu sein. Und doch ist es für einen jeden sehr leicht, die
richtige und einzig wahre Antwort zu geben - vorausgesetzt, daß er noch
einen Rest von dem Wissen über die Kirche, das im Katechismus steht,
behalten hat. Wir hatten gesagt: die Kirche ist die Gemeinschaft aller
Rechtgläubigen. D.h. wenn jemand nicht mehr rechtgläubig ist, hat er
sich von der Kirche losgesagt, er mag sein, wer er will.
Hier nun einige Beispiele, aus denen wir erkennen können, wie dies zu
verstehen ist. Ein jeder von euch ist sich doch bewußt, daß das
Bitterste im Leben des Heilandes - bitterer als der Augenblick am
Ölberg, bitterer als die Geißelung - jener Augenblick war, als er bei
der Einsetzung der Hl. Messe, des Allerheiligsten Altarsakraments nicht
sagen konnte, die Früchte Seines Opfers seien für alle bestimmt,
sondern nur für wenige, wenn es auch heißt: für viele. Diese vielen
sind jedoch im Vergleich zu denen, welche leider Gottes für immer
verdammt werden, wenige. Sagt nicht der Herr, es gibt einen breiten
Weg, und viele sind es, die ihn gehen, wenige aber, die den richtigen
und einzig wahren, harten, steilen und steinigen Weg zum Herrn
emporsteigen? Es war also äußerst bitter für Unseren Herrn - jeder möge
einmal darüber nachdenken bzw. meditieren -, als er sagen mußte: Nehmet
hin und trinket, dies ist Mein Blut, der Kelch Meines Bundes, das
vergossen wird nicht für alle, sondern leider nur für viele, nur für
die, die Mitglieder am mystischen Leibe des Herrn sind und es noch sein
können. Wie sehr sich der Heiland danach sehnte, was Er alles bei
Seinem blutigen Opfer am Kreuz getan hat, um uns zu erlösen! Retten
können sich bzw. gerettet werden nur die, die sich selbst mit Ihm,
durch Ihn und in Ihm bei diesem neuen unblutigen Opfer aufopfern. Wenn
wir das Evangelium des hl. Johannes nehmen, so wie wir es am Ende der
hl. Messe lesen, so heißt es da: Die Welt ist durch Ihn erschaffen
worden, und doch (an)erkannte die Welt Ihn nicht. Er kam in Sein
Eigentum, und die Seinigen nahmen Ihn nicht auf. Sie haben Ihn
verstoßen. Deshalb werden nicht alle gerettet, nur diejenigen werden
Anteil am Leben Gottes haben - so heißt es in diesem Evangelium weiter
-, die an Sein Wort glauben, die nicht aus dem Wollen des Fleisches,
nicht aus dem Wollen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind. Das
heißt: Nur jene, die - bei aller Schwäche der menschlichen Natur - mit
allen Kräften versuchen, das Programm, das Er der Welt gebracht hatte,
zu verwirklichen: leben, so wie Christus gelebt hat; denken, wie Er
gedacht hat. Und ein jeder möge sich prüfen, in wieweit er das
verwirklicht: unsere Worte sollen sein Seine Worte. Daß ja nicht
unserem Mund etwas entschlüpft, was nie aus dem Munde des Heilandes
gekommen wäre, und daß unsere Taten Seinen Taten stets gleich wären. -
Da sehen wir nun ganz klar, daß hier der Heiland nicht sagen konnte:
"daß dieser Kelch vergossen wird für alle zur Vergebung der Sünden". Da
wären wir im Protestantismus drin, so wie Martin Luther sagte: "Sündige
tüchtig drauf los, aber glaube noch tüchtiger!" Nein! Nur diejenigen,
so sagt der hl. Apostel Johannes, die Ihn aufgenommen haben, die Ihn an
sich ziehen wollen, die wie Er sein wollen, haben wirklich Anteil an
Ihm. Aber dazu ist es notwendig, daß ich mein Ich restlos aufopfere.
Das zweite, das wir leicht zu glauben befolgen können, ist - und ich
nehme an, es ist euch aus dem Katechismus noch gut bekannt -, daß
Christus unter den konsekrierten Gestalten von Brot und Wein
gegenwärtig ist, selbst in den kleinsten Teilchen beider Gestalten.
Wenn jemand behaupten würde: In diesen kleinen Teilen der Gestalten von
Brot und Wein ist Christus nicht mehr gegenwärtig, so würde er damit
zugleich behaupten, daß Christus auch im Ganzen nicht mehr gegenwärtig
sei. Aber jeder, der das behauptet, bekennt nicht mehr den
römisch-katholischen Glauben. Und in diesem Augenblick hat er sich von
seinem Glauben losgesagt. Denn wer eine einzige Wahrheit aufgibt, gibt
hiermit alle anderen auch auf und zerstört sie.
Ein Problem ist auch mit dem Terminus Kirche verbunden. Wir haben
gesagt, daß dieser oft mißbraucht wird. Und doch betet ja ein jeder von
euch: Et unam, sanctam catholicam, et apostolicam Ecclesiam. (Ich
glaube ... an die eine, heilige katholische und apostolische Kirche.)
Es gibt keine andere - nur die einzige, und nur durch sie und in ihr
kann jemand gerettet und selig werden. Das heißt nicht, meine lieben
Christen, daß jemand, der unschuldigerweise außerhalb des Bandes mit
der röm.-kath- Kirche steht, schon verurteilt, verdammt ist. Nein! Ich
betone: wenn er unschuldigerweise von ihr getrennt ist, aber so lebt,
wie das Gewissen es ihm vorschreibt, der wird gerettet, aber eben durch
diese Kirche, denn die Kirche ist ja Christus selbst, der durch die
Geschichte schreitet, und es gibt nur einen einzigen Christus. Also,
wir sehen hier noch einmal, wie grundfalsch es ist, wenn man von
verschiedenen 'Kirchen' spricht! Nein! Es gibt eine einzige Kirche,
eine einzige Familie des Herrn, weil es nur einen Herrn gibt. Der
Fehler beruht darin, daß wir uns überhaupt nicht klar sind über die
Bedeutung des Begriffes Kirche. Wenn also jemand von der sog.
'Wiedervereinigung' der 'Kirchen' redet - von der heute so viel
gesprochen wird -, so ist das unlogisch; denn das, was als 'Kirchen'
bezeichnet wird, sind bloß verschiedene Konfessionen und/oder Sekten.
Außerhalb der kath. Kirche gibt es keine Kirche. Da handelt es sich
höchstens um Vereinigungen von Andersgläubigen. Daß man innerhalb
dieser Gruppierungen an etwas anderes glaubt, als was die Kirche lehrt,
brauchen wir nicht extra betonen. Es gibt für diese Verirrten nur eine
Möglichkeit, dieses Problem zu lösen, nämlich zurück zu kehren in den
Schafstall Christi, die Rückkehr zur hl. Mutter, der einen, heiligen,
katholischen und apostolischen Kirche. Wer also von der Existenz
mehrerer Kirchen ausgeht, der stellt sich bereits außerhalb der
Rechtgläubigkeit der kath. Kirche und hat sich damit bereits von ihr
losgesagt.
Wir kommen nun zu einem gravierenden Problem. Es ist, meine Lieben,
sehr bitter, aber unter Umständen müssen wir auch das Bittere erfassen.
Sicher wird sich ein jeder erinnern, daß wir in der
Allerheiligen-Litanei ein inbrünstiges Gebet haben, um Gott zu bitten,
er möge den apostolischen Oberhirten der Kirche und alle Stände der
Kirche beim hl. Glauben behalten. Die hl. Kirche schließt also die
Möglichkeit nicht aus, daß selbst ein Papst auf dogmatische Irrwege
geraten kann. Deshalb betet sie: Daß Du den apostolischen Hirten und
die Stände der Kirche beim heiligen Glauben behalten wollest. - Nun,
wie verhält sich die Sache? Da wird jemand sagen: "Der Papst ist doch
unfehlbar." Das ist ungenau gesagt. Ein Papst hat die Unfehlbarkeit
nicht als persönlichen Charakter bei seiner Wahl bekommen, sondern die
Unfehlbarkeit gebührt ihm in dem Augenblicke, wo er als oberster Hirte
der ganzen Kirche waltet, indem er in Sachen des Glaubens und der
Sitten endgültig verpflichtend für alle Christen entscheidet, was zu
glauben ist und was nicht. Ein Papst ist nicht unfehlbar, wenn er nur
als Bischof von Rom spricht, wenn er als privater Gelehrter spricht; er
ist unfehlbar, wenn er als höchster Oberhirte endgültig seinen Spruch
fällt. Und das kommt nicht so häufig vor. Bei seiner Krönung muß ein
Papst einen Eid ablegen. Dieser Eid bleibt, auch wenn er sich von der
Form her von Zeit zu Zeit ändert, dem Wesen nach derselbe. So heißt es
im Krönungseid der mittelalterlichen Päpste: "Sollte ich etwas
zulassen, daß das Glaubensgut der Kirche zerstören würde, oder daß ich
mich selbst daran beteiligen würde, wirst Du mir nicht gnädig sein an
jenem furchtbaren Tage des Gerichtes!" Meine lieben Christen, das ist
ein Fluch, der schwer wiegt! Und in einer anderen Eidesformel
verspricht der zu krönende Papst: "Und sollte ich es etwa zulassen, daß
jemand etwas ändert an dem Glaubensgute, oder würde ich es sogar selber
tun: Anathema! (Dann möge ich ausgeschlossen sein!) Dies Urteil spricht
ein Papst über sich selbst.
Nun kommen wir zurück. Ein jeder von euch, der den Katechismus studiert
hat - und das ist zu empfehlen -, kann leicht die Antwort geben, wer
außerhalb der Kirche steht und wer nicht. Behauptet jemand etwas gegen
den Katechismus, den ihr in der Hand habt - ich denke da an den alten
Katechismus, nicht an den sog. 'neuen', der den Namen überhaupt nicht
verdient -, dann könnt ihr völlig sicher sein, daß diese Person
außerhalb der Gemeinschaft der Kirche steht, daß er sich dadurch schon
von ihr losgesagt hat. Das gilt für jedes Mitglied! Der Katechismus an
und für sich ist nicht unfehlbar, aber er bringt unfehlbares Gut; er
bringt uns das, worüber die Kirche endgültig geurteilt hat. Niemand,
selbst ein Papst, der dieses Wort gesprochen hat, darf daran noch
jemals etwas ändern. Und würde er es tun - so wurde es ganz besonders
beim I. Vatikanum vor der Proklamation der Unfehlbarkeit des Papstes
betont - so würde er in dem Augenblick aufhören, Papst zu sein. Denn
wer nicht mehr der Kirche angehört, dadurch, daß er sich von ihr
losgesagt hat, wer also kein Glied mehr am mystischen Leibe Christi
ist, der kann nicht länger ihr Haupt sein. (...)
Da gibt es ein Memento für uns, das Memento, das die Mutter Gottes uns
in Fatima gegeben hat: Entweder werdet ihr euch bekehren, also entweder
werdet ihr das sein, was ihr sein sollt und könnt, nämlich Christus in
euch verwirklichen, euch reformieren - und nicht alles mögliche (und
was reformieren wir denn heute nicht alles? nur das nicht, was wir
sollten: uns selbst) - also, entweder werdet ihr euch bekehren, und
dann wird sich Rußland bekehren. Wenn nicht, dann wird Rußland euch
'bekehren', ideologisch und mit der Macht. Das war die letzte Warnung
der Mutter Gottes. Es hängt einzig und allein von uns ab, ob wir es uns
zu Herzen nehmen oder nicht. Denn wir sind auch für die Millionen von
Seelen, die weit von uns weg Christus lieben, für Ihn leiden und
vielleicht sogar sterben, mitverantwortlich. Auch das vergessen wir.
(...)
Das Bekenntnis zur Kirche, der wir angehören, das Bekenntnis der Treue
zu unserem Taufgelübde, ist uns nicht willkürlich überlassen, nein, wir
sind verpflichtet, an unserem Glauben festzuhalten, nach diesem Glauben
zu leben und diesen Glauben auch dort, wo es notwendig ist, tapfer zu
verteidigen. Amen.
(von der Redaktion überarbeitet)
***
DER HL. ROBERT BELLARMIN ZUR SEDISVAKANZ:
Es wäre ein großes Elend für die Kirche, wenn sie den offen wütenden
Wolf als Hirten anerkennen müßte. (...) Ein offensichtlicher Häretiker
kann also nicht Papst sein. (...) Wahr ist demnach die fünfte Ansicht:
Ein offensichtlicher Häretiker hört von selbst auf, Papst und Oberhaupt
zu sein, wie er auch von selbst aufhört, Christ und Mitglied der Kirche
zu sein. Deshalb kann ihn die Kirche richten und strafen. (Contrav. de
Rom.Pon.II)
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