120 - Du siehst also, wie sehr sie nicht bloß um ihrer Amtswürde
willen, deren Zierde sie sind, geliebt zu werden verdienen. Große
Ehrfurcht gebührt ihnen, weil sie geliebte Söhne sind und eine Sonne im
mystischen Leib der heiligen Kirche durch ihren Wandel. Jeder gute
Mensch ist liebenswert, um wieviel mehr sie, wegen des Amtes, das Ich
ihnen anvertraut habe. So müßt ihr sie sowohl um des Wandels wie um der
Würde des Sakraments willen lieben und die Untugend jener andern
hassen, die erbärmlich leben, dürft euch aber nicht zu ihren Richtern
aufwerfen, denn Ich will das nicht.
Ihr wißt wohl: wenn ein schmutziger, schlecht gekleideter Mensch euch
einen großen Schatz überbrächte, der euch zudem das Leben schenkte, ihr
würdet aus Liebe zum Schatz und zum Herrn, der ihn euch schickt, auch
den Überbringer nicht verachten, selbst wenn er zerlumpt und dreckig
daherkäme. Er würde euch zwar mißfallen, doch ihr würdet um der Liebe
des Herrn willen besorgt sein, daß er sich reinige und neu kleide. Ihr
müßtet so handeln gemäß der Liebesordnung, und Ich will auch, daß ihr
euch Meinen wenig zuchtvollen Dienern gegenüber so verhaltet, die
beschmutzt und im Lastergewand, zerlumpt wegen mangelnder Liebe euch
die großen Schätze darreichen, die Sakramente der heiligen Kirche,
woraus euch, sofern ihr sie würdig empfangt, das Leben der Gnade
zuströmt. Jene müssen euch mißfallen und ihr sollt ihre Fehler
verabscheuen, euch aber bemühen, in Liebe und heiligem Gebet sie neu zu
kleiden und mit Tränen ihren Schmutz abzuwaschen, das heißt sie mit
Tränen und großem Verlangen mir darbringen, damit Ich sie in Meiner
Güte neu ins Gewand der Liebe kleide.
Ihr wißt ja, daß Ich ihnen Gnade erweisen will, sofern sie sich nur
bereitmachen, sie aufzunehmen, und ihr willig seid, Mich darum zu
bitten. Denn es ist nicht Mein Wille, daß sie euch die Sonne in
Finsternis vermitteln, des Tugendgewandes beraubt und unrein in
ehrlosem Leben; Ich gab sie euch, auf daß sie euch Engel auf Erden und
Sonnen seien, wie Ich dir gesagt habe. Sind sie es nicht, so müßt ihr
Mich für sie bitten, nicht aber sie verurteilen. Das Urteil überlaßt
Mir. Und Ich werde ihnen auf Grund eurer Gebete Barmherzigkeit
erweisen, wofern sie diese annehmen wollen. Wenn sie aber ihr Leben
nicht bessern, dann wird ihnen ihre Würde zum Verderben gereichen.
Das schändliche Leben schlechter Priester
121 - Nun merk auf, liebstes Kind; damit du und Meine andern Knechte
noch mehr Anlaß habt, Mir demütiges, dauerndes Gebet für sie
darzubringen, will Ich dir ihr schändliches Leben schildern. Wohin
immer du dich wendest, zu Laien und Ordensleuten, Klerikern und
Prälaten, Kleinen und Großen, jungen und Alten, zu Volk jeder Gattung,
überall gewahrst du das Ärgernis.
Weißt du (und merk hin mit Schmerz und Herzensbitternis), woraus sie
ihr Prinzip und Fundament machen? Aus ihrer Eigensucht, woraus der Baum
der Hoffart emporwuchs, und daraus der Verlust der Unterscheidungsgabe.
Wie Menschen ohne Urteil nehmen sie Ehre und Herrlichkeit für sich
selber in Anspruch und streben nach hohen Würden mit Zierat und
Annehmlichkeiten für ihren Leib, Mir aber fügen sie Schmach und
Beleidigung zu. Für sich selber nehmen sie sich heraus, was nicht ihnen
gebührt, und Mir geben sie, was nicht Mein ist. Mir schulden sie
Verherrlichung und Lob Meines Namens, sich selber aber Abscheu vor
ihrer Sinnlichkeit in wahrer Selbsterkenntnis, indem sie sich eines so
hehren Amtes, wie sie es von Mir erhielten, unwürdig erachten.
Doch sie tun das Gegenteil. Von Hoffart gebläht hören sie nicht auf, an
weltlichen Reichtümern und Vergnügungen zu nagen, sie sind knauserig,
habgierig, geizig gegen die Armen. Infolge des elenden Hochmuts und
Geizes, der ihrer sinnlichen Eigenliebe entspringt, vernachlässigen sie
die Seelsorge. Sie kümmern sich bloß um Weltliches und lassen die
Schafe, die Ich ihnen anvertraut habe, ohne Hirten stehn. Sie weiden
sie nicht, reichen ihnen weder geistliche noch irdische Nahrung. Zwar
spenden sie das geistliche Brot der Sakramente (die durch keinen ihrer
Fehler euch entzogen, noch in ihrer Kraft geschwächt werden können);
doch sie nähren euch weder mit den Gebeten des Herzens, noch mit dem
Hunger und der Sehnsucht nach eurem Heil und einem heiligen, ehrbaren
Leben. Sie versehen auch die ihnen Anvertrauten (die Armen nämlich)
nicht mit zeitlichen Gütern, aus denen sie, wie Ich dir sagte, drei
Teile machen sollten: einen für ihren Bedarf, einen zweiten für die
Armen, den dritten zugunsten der Kirche.
Das Gegenteil tun sie: nicht nur verweigern sie den Armen, was sie
ihnen zu geben verpflichtet sind, sondern rauben vom Besitz anderer
durch Simonie und Geldgier und verkaufen die Gnade des Heiligen
Geistes. So verrucht sind sie oft, daß sie dem Darbenden das nicht
reichen wollen, was Ich ihnen aus Gnade lieh, um es euch weiterzugeben,
falls ihnen dafür nicht die Hand gefüllt wird. Sie lieben ihre
Untergebenen entsprechend dem Nutzen, den sie aus ihnen ziehen, nicht
weiter. Sämtliches Kirchengut verbrauchen sie für die Kleidung ihres
Leibes und tragen weichliche Gewänder, nicht wie Kleriker und
Ordensleute, sondern wie Herren und Hofjunker. Ihr Herz schwatzt in
ungezügelter Eitelkeit daher, und ihr ganzer Begehr geht auf Wohlleben,
so daß sie ihren Bauch zum Gott machen und ohne Maß essen und trinken.
Deshalb verfallen sie auch unversehens der Unkeuschheit und geben sich
der Unzucht hin.
Weh, weh über ihr erbärmliches Leben! Was das süße Wort, Mein
eingeborener Sohn, unter soviel Schmerzen am Holz des heiligsten
Kreuzes erworben hat, das vertun sie mit öffentlichen Dirnen.
Elendiglich verschlingen sie die Seelen, die durch Christi Blut erkauft
worden sind. Ihr Teufelstempel, hoch erhoben hatte Ich euch, damit ihr
Engel wäret im irdischen Leben, aber Dämonen seid ihr und tut
Teufelsdienst. Sind doch die Dämonen Ursache der Verwirrung und
Gewissensqual für solche, die sie dem Stand der Gnade und dem Weg der
Wahrheit entfremden und auf dem Weg der Lüge in Sünden stürzen.
Und doch: wer ihnen folgt, ist von der eigenen Sünde nicht
entschuldigt, da er weder von diesen sichtbaren noch von den
unsichtbaren Teufeln zur Sünde gezwungen werden kann. Also soll niemand
auf ihr Leben hinblicken noch ihr Tun nachahmen, wie euch Meine
Wahrheit im Evangelium (Vgl. Mt 23, 3) ermahnt; handelt vielmehr nach
dem, was sie euch sagen: nach der Weisung, die euch im mystischen Leib
der heiligen Kirche gegeben ist in der Heiligen Schrift durch die
Vermittlung der Prediger, die Mein Wort verkünden. Laßt ihnen ihr
schlechtes Leben und ergreift die Lehre, die Rüge aber überlaßt Mir,
denn Ich bin der milde ewige Gott, der alles Gute belohnt und jegliche
Schuld bestraft.
123 - Aus Eigensucht haben sie ihre Sinnlichkeit zur Herrin erhoben und
ihre bedauernswerte Seele zur Sklavin gemacht, derweil Ich sie doch
durch das Blut Meines Sohnes befreite, als bei der allgemeinen
Befreiung das ganze Menschengeschlecht der Knechtschaft und
Botmäßigkeit des Teufels entrissen wurde. Diese Gnade empfing jedes
Vernunftwesen; sie aber, die Ich salbte, befreite Ich auch aus der
Knechtschaft der Welt und bestimmte sie zu Meinem, des ewigen Gottes,
alleinigem Dienst, damit sie der heiligen Kirche die Sakramente
ausspenden. So frei machte Ich sie, daß Ich nicht wollte und auch
fürderhin nicht will, daß irgendein weltlicher Herrscher sie richte.
124 - Und nicht nur solche Unreinheit und Schwäche ist an ihnen, zu der
ihr wegen eurer schwachen Natur natürlicherweise neigt (obwohl die
Vernunft, wenn der freie Wille es fordert, ihren Aufruhr
beschwichtigt), die Elenden vollbringen noch Schlimmeres und begehen
die verfluchte Sünde wider die Natur. Und wie blinde Toren, deren
Vernunft getrübt ist, nehmen sie die Fäulnis und das Elend nicht wahr,
worin sie stecken. Nicht nur Mir, der Ich höchste ewige Reinheit bin,
ist sie zum Ekel (ja so verabscheuungswürdig, daß Ich um dieser einen
Sünde willen fünf Städte durch Mein göttliches Gericht vernichtete, da
Meine Gerechtigkeit sie nicht mehr ertragen wollte), sondern sogar den
Dämonen.
In solche Finsternis sind sie gehüllt, daß sie die Heilige Schrift, die
doch voll Leuchtkraft ist - da Meine Erwählten sie in übernatürlichem
Licht von Mir, dem wahren Licht, empfingen -, infolge ihrer
Aufgeblasenheit und ihres Hochmuts und weil sie unrein und wollüstig
sind, nur der Rinde, das heißt dem Buchstaben nach verstehen, und auch
dieser bleibt für sie ohne jeden Geschmack, weil der Geschmacksinn
ihrer Seele von der Eigensucht und vom Stolz verstumpft ist.
Ihre Unfähigkeit zur wahren Seelsorge
125 - Wie könnten sie aber, da sie so voller Fehler sind, ihre
Untergebenen bessern, an ihnen Gerechtigkeit üben und sie rügen? Sie
sind außerstande dazu, denn ihre Fehler benehmen ihnen den Mut und den
Eifer heiliger Gerechtigkeit. Und täten sie es noch zuweilen, dann
könnten ihre Untergebenen, ruchlos wie sie, ihnen entgegnen: Arzt,
heile zuerst dich selbst und mich nachher, dann will ich die Arznei
nehmen, die du mir reichen magst. Du stehst in tieferer Schuld als ich
und willst mich schelten! Wer bloß mit Worten rügt und nicht auch durch
ein gutes und geordnetes Leben, setzt sich ins Unrecht. Nicht als
sollte er das Schlechte bei seinen Untergebenen nicht tadeln, sei er
selber nun gut oder schlecht; trotzdem ist er im Unrecht, wenn er es
nicht durch guten, ehrbaren Wandel zu bessern sucht. Viel schlimmer
freilich handelt, wer einen Tadel nicht demütig aufnimmt, woher immer
er ihn erhalte, ob von einem guten oder schlechten Hirten, und sein
verruchtes Leben nicht bessert. Er verwundet sich selbst und keinen
anderen, denn er selber wird für seine Sünden bestraft werden.
Das Versagen der Ordensleute
Alle diese Übelstände, liebstes Kind, reißen ein, weil nicht mit einem
guten und heiligen Wandel abgeholfen wird. Denn diese Menschen sind von
ihrer Eigensucht verblendet, darin gründen all ihre Schändlichkeiten.
Sie sinnen auf nichts anderes, als wie sie ihren ungezügelten Lüsten
und Vergnügungen frönen können, sowohl Untergebene wie Hirten, Kleriker
und Ordensleute. Ach weh, Mein liebes Kind, wo ist der Gehorsam der
Ordensleute geblieben, sie waren als Engel in ihren heiligen Stand
gesetzt und sind schlimmer geworden als Teufel. Ich berief sie dorthin,
um Mein Wort durch Leben und Lehre zu künden, sie aber vollführen bloß
ein großes Wortgedröhn und bringen deshalb im Herzen der Zuhörer
keinerlei Frucht. Ihre Predigten werden mehr den Leuten zu Gefallen und
zum Ohrenschmaus gehalten als um Meiner Ehre willen; sie erstreben also
nicht rechten Wandel, sondern eine geschliffene Sprache.
Solche Mönche streuen Meinen Samen nicht in Wahrheit aus, denn sie
bemühen sich nicht, die Laster auszurotten und die Tugenden
einzupflanzen. Und weil sie die Dornen nicht aus dem eigenen Garten
entfernen, sind sie auch nicht besorgt, sie aus dem Garten des Nächsten
zu roden. All ihr Streben zielt darauf, ihre Leiber und ihre Zelle zu
schmücken und schwatzend die Städte zu durchziehen. So geht es ihnen
wie dem Fisch, der sich außerhalb des Wassers aufhält: er verendet. In
gleicher Weise gehen diese Ordensleute mit ihrem eitlen und zügellosen
Leben außerhalb ihrer Zelle zugrunde.
Schuld an diesen und vielen andern Übeln tragen die Vorgesetzten, die
ihren Untergebenen nicht überwachen, sondern ihn machen lassen. Sie
selber schickten ihn hinaus und taten, als sähen sie nicht, wie er
verkommt. Und weil auch der Untergebene seine Zelle nicht liebte, ging
er schließlich durch die Schuld beider zugrunde.
Sie gelobten die Regeln des Ordens zu beobachten, stattdessen
übertreten sie sie, und nicht nur das: wie hungrige Wölfe wüten sie
noch gegen die Lämmer, die die Regel beobachten möchten, verhöhnen und
verspotten sie. Diese Elenden wähnen mit ihren Verfolgungen, ihrem
Sticheln und Höhnen wider die guten und regeltreuen Ordensleute, ihre
eigenen Fehler zu verdecken. Aber sie enthüllen sie bloß noch mehr. So
schweres Unheil ist in die Gärten der heiligen Orden eingedrungen. Denn
die Orden selber sind in sich heilig und vom Heiligen Geist gestiftet
und begründet und können daher durch das Versagen der Mitglieder weder
verdorben noch zugrundegerichtet werden. Somit soll, wer in einen Orden
eintreten will, nicht auf die schlechten Ordensleute achten, sondern
voranschwimmen, von den Armen des Ordens unterfaßt, der weder versagt
noch versagen kann, und ihm treu bleiben bis zum Tod.
Du siehst: das erste Gelübde des Gehorsams, die Beobachtung der
Ordensregel, halten sie nicht. Über diesen Gehorsam will Ich dir später
noch reden. Sie geloben ferner, in freiwilliger Armut und bedürfnislos
zu leben. Wie aber halten sie sich daran? Schau den Besitz und das
viele Geld, das sie für sich selber beiseitetun, abgetrennt von der
gemeinschaftlichen Liebe, in der jeder seine zeitlichen und geistlichen
Güter mit seinen Brüdern teilen müßte, wie es die Ordnung der Liebe und
die seines Ordens verlangt. Sie haben es aber nur darauf abgesehen,
sich selber und ihre Tiere zu mästen: so füttert ein Tier das andere,
während der arme Mitbruder vor Kälte und Hunger stirbt. Warmgekleidet
und wohlgenährt gedenkt er dessen nicht, noch will er mit ihm am
ärmlichen Tisch des Refektoriums zusammentreffen. Lieber ist er dort,
wo er sich mit Fleisch anfüllen und die Kehle feuchten kann.
Für solche wird es unmöglich, das dritte Gelübde der Enthaltsamkeit zu
beachten, denn voller Bauch macht den Geist nicht keusch; sie werden
unzüchtig, erhitzen sich zügellos und fallen von Sünde in Sünde. Ihr
Besitz wird Anlaß vielen Unheils, denn hätten sie nichts auszugeben,
würden sie nicht so ungeordnet dahinleben und hätten keine so
absonderlichen Freundschaften. Denn wer nichts zu bieten hat, kann sich
derartige Liebe und Freundschaft nicht leisten, die sich bloß auf den
Anreiz des Geschenks stützt oder auf sonst irgendeine Freude oder Lust,
die man sich gegenseitig bietet, nicht aber auf lautere Liebe. -
O Erbärmliche, durch ihre Schuld so tief erniedrigt, während Ich sie zu
solcher Würde erhob! Sie fliehen das Chorgebet wie Gift. Und wenn sie
ihm beiwohnen, plärrt wohl ihre Stimme mit, ihr Herz aber ist fern von
Mir. Sie haben sich angewöhnt, ohne jede Vorbereitung zum Tisch des
Altars zu treten wie zu leiblicher Speisung. All diese Ärgernisse und
noch viele andere werden durch das Versagen der schlechten Hirten
verursacht, die die Fehler ihrer Untergebenen weder rügen noch strafen;
sie sorgen nicht dafür, daß die Ordensregel beobachtet wird, und setzen
sich nicht dafür ein, denn sie selber halten sich nicht daran. Sie
belasten wohl jene mit Vorschriften, die sich an die Regel halten
wollen, und strafen sie gar für Fehler, die sie kaum begangen haben.
All das tun sie, weil die Gerechtigkeit nicht in ihnen erstrahlt,
sondern die Ungerechtigkeit. Darum legen sie dem, der Gnade und
Wohlwollen verdient, ungehörige Bußen auf und hassen ihn; jenen andern
aber, die wie sie selber Glieder des Teufels sind, erweisen sie
Wohlwollen, Freundlichkeit und Vorrang, indem sie ihnen die Ämter des
Ordens übertragen. Wie Blinde leben sie, und wie Blinde verteilen sie
die Ämter und regieren ihre Untergebenen. Und wenn sie sich nicht
bessern, werden sie in dieser Blindheit zur Finsternis der ewigen
Verdammung gelangen und vor Mir, dem höchsten Richter, über die Seelen
ihrer Untergebenen Rechenschaft ablegen müssen; sie wird schlimm und
bös ausfallen und so werden sie gerechtermaßen von Mir erhalten, was
sie verdient haben.
Die drei Schandsäulen des Lasters
126 - Doch zurück zu den Klerikern und Dienern der heiligen Kirche, um
mit dir zusammen ihre Sünden zu beklagen, vor allem die drei Säulen des
Lasters, Unkeuschheit, geblähten Hochmut und Begierlichkeit.
Jedes dieser drei Laster ist jeweils vom andern bedingt, das Fundament
der drei Säulen aber ist die Eigensucht. Solange sie aufrecht stehen
und von der Liebe zum Guten nicht gefällt worden sind, genügen sie, um
die Seele in jedem andern Laster zu verhärten.
Nun achte darauf, liebes Kind, mit weich schmählicher Unkeuschheit sie
ihren Leib und Geist beschmutzen. Ich sprach dir davon, will dir aber
noch mehr sagen, damit du den Brunnen Meiner Barmherzigkeit besser
erkennst und größeres Mitleid mit dem Elenden fühlst, dem dies
widerfährt.
Das Fleisch, das durch die Einigung Meiner göttlichen Natur mit eurer
menschlichen über die Engelchöre erhoben wurde, das überliefern sie
solcher Schmach. 0 verabscheuungswürdiger und elender Mensch, nicht
Mensch, sondern Tier! Wurde doch die Wunde, die Adam deinem Fleisch und
dem der gesamten Menschheit durch seine Sünde zufügte, am Holz des
heiligsten Kreuzes durch den verwundeten Leib Meines eingeborenen
Sohnes geheilt. 0 Erbärmlicher! Er hat dir Ehre erwiesen, und du
bereitest Ihm Schmach! Er hat deine Wunden mit Seinem Blut geheilt, ja
dich zu Seinem Diener gemacht, und du schlägst Ihn mit deinen geilen
schamlosen Sünden! Der Gute Hirt hat die Schäflein in Seinem Blut
gewaschen, du aber besudelst die Reinen und tust dein Möglichstes, sie
auf den Dunghaufen zu bringen.
Damit tust du das Gegenteil dessen, was Meine Wahrheit für dich getan
hat. Ich duldete, daß Ihr die Augen verbunden wurden, um dich zu
erleuchten, du aber aus geilen Augen sendest vergiftete Pfeile in die
eigene Seele und die Herzen jener, auf die dein Blick fällt. Ich
duldete, daß Sie mit Galle und Essig getränkt wurde, und du, wie ein
hemmungsloses Vieh, ergötzest dich an ausgesuchter Speise und machst
deinen Bauch zum Gott. Auf deiner Zunge hast du ehrlose und eitle
Worte, und wärest verpflichtet, den Nächsten zu ermahnen, Mein Wort zu
künden und das Kirchengebet mit Herz und Zunge zu beten. Ich duldete,
daß Meinem Sohn die Hände gebunden wurden, um dich und das ganze
Menschengeschlecht aus den Sündenbanden zu lösen, und deine zur
Spendung des allerheiligsten Sakraments gesalbten und geweihten Hände
mißbrauchst du bei schamloser Berührung. Ich wollte, daß Seine Füße
angenagelt wurden und machte euch aus Seinem Leib eine Treppe; Ich
wollte, daß Seine Seite durchbohrt wurde, damit du das Geheimnis Seines
Herzens erschaust. Ich habe es euch als stets offene Herberge gegeben,
wo ihr Meine unaussprechliche Liebe zu euch verkosten könnt angesichts
Meiner mit eurer Menschheit vereinten göttlichen Natur. Dort siehst du
das Blut, dessen Verwalter du Mir bist, und woraus Ich dir ein Bad
bereitet habe, um euer Unrecht abzuwaschen. Du aber hast aus deinem
Herzen einen Teufelstempel gemacht. Du bist zum Diener Meiner
brennenden Gottesliebe bestellt und verschleuderst sie in deinen
unordentlichen Lustbarkeiten und um des geringen Schadens willen, den
ein Mitmensch Dir zufügen mag.
Das ist die eine der erwähnten drei Schandsäulen.
127 - Jetzt will Ich dir die zweite schildern, den Geiz. Was Mein Sohn
in solcher Fülle dahingeschenkt hat - du siehst Seinen Leib am
Kreuzholz weit aufgetan und sich überallhin verströmend -' das hat er
nicht mit Gold und Silber erkauft, vielmehr mit Seinem Blut. Seine
liebende Großmut umfaßt nicht bloß die Hälfte der Welt, sondern das
ganze Menschengeschlecht: die Abgeschiedenen, Gegenwärtigen und
Kommenden. Über dieses Blut, das in der Fülle der Liebe mit Meiner
Gottheit vereint ist, habe Ich dich, Erbärmlicher, zum Verwalter
bestellt, du aber in deinem Geiz und deiner Begierlichkeit gibst das,
was Mein Sohn am Kreuz erwarb und auch dir schenkte, indem Er dich zum
Verwalter Seines Blutes bestellte, in solcher Kargheit weiter, daß du
raffgierig sogar die Gnaden des Heiligen Geistes verkaufst und von
deinen Untergebenen forderst, sich von dir zu erkaufen, was du
geschenkt erhalten hast.
Elender, wo sind die Kinder, die du aufziehen solltest, die wahren
sanften Tugenden? Wo ist die feurige Liebe, mit der du deines Amtes
walten solltest? Wo der brennende Wunsch nach Meiner Ehre und dem Heil
der Seelen? Wo der quälende Schmerz, wenn du den Höllenwolf deine
Lämmer verschleppen siehst? Nirgends, denn in deinem engen Herzen gibt
es weder Liebe zu Mir noch zu ihnen, du liebst nur dich selbst in
sinnlicher Eigensucht und vergiftest damit dich und die andern. Du
achtest bloß auf Stellung, Adel und Reichtum und darauf, dich gewählt
auszudrücken. Du er strebst Gelehrtheit, die an sich gut und vollkommen
ist, solang der Gelehrte zugleich mit der Wissenschaft auch in echter
Demut einen rechten redlichen Wandel führt. Wohnt aber die Wissenschaft
in einem Hoffärtigen mit ehrlosem, verruchtem Wandel, dann versteht er
die Schrift bloß dem Buchstaben nach und dunkel, weil er das
Vernunftlicht verloren und das Geistesauge getrübt hat. Die
Wissenschaft wird ihm zum Rachefeuer, falls er sein Leben nicht ändert.
Daher müßten die Vorgesetzten mehr auf heilige Sitten achten als auf
die Gelehrsamkeit, die einen schlechten Wandel führt. Aber sie tun das
Gegenteil: die Guten und Tugendhaften, die in Wissenschaft nicht
bewandert sind, halten sie für beschränkt und verachten sie; sie meiden
die Armen, die ihnen nichts zu bieten haben.
Du siehst, wie in Meinem Haus, das ein Haus des Gebetes sein sollte,
die Verlogenheit überhand nimmt. Und Meine Braut hat um dieser Dinge
willen viel Widerspruch erlitten, der ihr sonst nicht begegnet wäre.
Meine Diener sollten die Toten ihre Toten begraben lassen, selber aber
der Anweisung Meiner Wahrheit folgen und Meinen Willen in sich
erfüllen, indem sie ausführen, wozu Ich sie bestellt habe. Doch sie tun
das Gegenteil, in ungezügeltem Gieren und Eifern machen sie sich daran,
tote und vergängliche Dinge zu begraben und entreißen den Menschen in
der Welt ihr Amt. Das mißfällt Mir sehr und gereicht der heiligen
Kirche zum Schaden. Derartiges soll man den Weltleuten überlassen, der
eine Tote begrabe den andern, das heißt, wer zur Verwaltung der
zeitlichen Dinge eingesetzt ist, der soll ihrer auch walten.
128 - Nun aber will Ich dir von der dritten Säule, der Hoffart reden.
Ich führe sie dir zuletzt an, sie aber steht an letzter wie an erster
Stelle, denn alle Laster werden mit ihr erzeugt und empfangen Leben aus
ihr, so wie die Tugenden aus der Liebe.
Die Hoffart aber entspringt und ernährt sich von der sinnlichen
Eigensucht, von der Ich dir sagte, daß sie das Fundament dieser drei
Säulen und jeglichen Unrechts ist, das Menschen begehen: denn wer sich
selbst in ungeordneter Liebe liebt, ist Meiner Liebe beraubt, weil er
nicht Mich liebt; durch seine Lieblosigkeit beleidigt er Mich, da er
das Gesetzesgebot mißachtet, Mich über alles u lieben und den Nächsten
wie sich selbst (Mt 22, 371. par.). In seiner sinnlichen Selbstliebe
kann er Mir also weder dienen noch Mich lieben; er dient der Welt und
liebt die Welt.
Über jedes Geistwesen, das in diesen Fehler fällt, betrübe Ich Mich und
klage, insonderheit über Meine Gesalbten, die demütig sein müßten, weil
ein jeder die Demut als den Nährgrund der Liebe besitzen soll, und weil
sie zu Dienern des demütigen und unbefleckten Lammes, Meines
eingeborenen Sohnes, bestellt sind. Schämen sie sich denn nicht, und
mit ihnen das ganze Menschengeschlecht, so hoch einherzufahren, während
sie Mich, Gott, zum Menschen verdemütigt sehen, indem Ich das Wort
Meines Sohnes in euer Fleisch dahingab? Und dies Wort sehen sie im
Gehorsam, den Ich Ihm auferlegte, zum schmachvollen Kreuzestod in der
Verdemütigung eilen. Er hält das Haupt gesenkt, um dich zu grüßen,
trägt die Krone auf dem Haupt, um dich zu schmücken, hält die Arme
gebreitet, um dich zu umfangen, Seine Füße sind durchbohrt, um bei dir
auszuharren. Du, Jammervoller, der zum Diener solcher Freigebigkeit und
Demut bestellt ward, solltest deinerseits das Kreuz umarmen;
stattdessen fliehst du und umarmst die schlechten und unreinen
Geschöpfe. Du müßtest fest und unerschütterlich stehen und der Weisung
Meiner Wahrheit folgen, Herz und Sinn auf Sie heftend; stattdessen
wirbelst du wie ein Blatt im Wind, und für jeden Deut blähn sich deine
Segel. Bläst Gunst, zeigst du ungezügelte Heiterkeit; Ungunst, erregt
sie deine Ungeduld; und damit bringst du den Kern der Hoffart zutage,
eben die Ungeduld, denn wie die Geduld das Mark der Liebe ist, so die
Ungeduld Mark der Hoffart. Die Stolzen und Zornmütigen erregen und
ärgern sich über alles.
Mir mißfällt die Hoffart so sehr, daß sie vom Himmel fiel, als der
Engel sich hochfahrend erhob. Die Hoffart fährt nicht auf zum Himmel,
sondern ab in die Tiefen der Hölle. Darum sagte Meine Wahrheit: Wer
sich selbst erhöht, nämlich in Hoffart, wird erniedrigt werden, und wer
sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden (Lk 14, 11).
O Unglückseliger! Du wähnst doch nicht, Mir entrinnen zu können? Ist
das vielleicht das Amt, das Ich dir übertrug, daß du mit dem Horn der
Hoffart wider Mich stoßest und Mir und dem Mitmenschen Schmach antust
und kränkend und töricht mit ihnen umgehst? Ist das die Sanftmut, mit
der du zur Feier des Geheimnisses des Leibes und Blutes Christi Meines
Sohnes schreiten sollst?
Du verachtest die Demütigen und die rechtlebenden Armen. Du meidest sie
und hast recht, sie zu meiden, obwohl du es nicht tun dürftest; du
fliehst sie, weil der Gestank deiner Verkommenheit den Duft der Tugend
nicht vertragen kann. Du magst es nicht, wenn du Meine Armen an deiner
Türe stehen siehst. Du umgehst es, sie in ihrer Not zu besuchen,
schaust zu, wie sie vor Hunger sterben und hilfst ihnen nicht. An
alledem sind die Hörner der Hoffart schuld, die sich nicht beugen
wollen, um ein klein wenig Demut zu üben. Warum beugt ein solcher
Mensch sich nicht? Weil er die Eigensucht, welche die Hoffart ernährt,
nicht in sich ausgerottet hat. Darum läßt er sich nicht herbei, den
Armen ohne Entgelt von den zeitlichen und geitlichen Gütern mitzuteilen.
Verfluchte Hoffart, wie hast du in Eigensucht ihr Geistesauge
verblendet, so daß sie sich selber zu lieben und gegen sich Nachsicht
zu üben meinen, während sie mit sich grausam sind. Sie wähnen zu
gewinnen und sie verlieren, und während sie dem Schein nach in Freuden,
Reichtümern und in hohen Würden stehen, sind sie in tiefster,
jämmerlichster Armut.
Was hält die Erde zurück, sie zu verschlingen? Was bindet Meine Macht,
sie nicht in reglose Salzsäulen zu verwandeln, ihnen zur Schmach im
Anblick des ganzen Volkes? Nur Mein Erbarmen. Ja, Ich halte Mich selber
zurück, Mein Erbarmen stellt sich gegen die Gerechtigkeit, um sie mit
der Gewalt Meines Erbarmens zu besiegen. |