EIN BRIEF VON BISCHOF MOISES CARMONA
übers. v. Eugen Golla
Acapulco, 16.5.1982
Herrn Alvaro Ramirez Arandigoyen, Argentinien
Mein teurer und treuer Freund!
In Beantwortung Ihres Briefes vom 3. Mai 1982 sollte ich Ihnen
folgendes sagen: Es ist klar, daßunter normalen Verhältnissen kein
Bischof einen anderen nach Belieben konsekrieren darf; aber die
Verhältnisse, in denen wir gegenwärtig leben, sind durchaus nicht
normal, da sie einen Spezialfall darstellen, für welchen nichts klar
gesetzlich geregelt ist. Es bestehen drei Charakteristika dieser Zeit:
1. Seit dem Tode Pius XII. haben wir nur unrechtmäßige Päpste gehabt; d.h. seit über 20 Jahren ist der Heilige Stuhl vakant.
2. Beinahe der gesamte Episkopat ist vom wahren Glauben abgefallen und
hat die ewige Kirche verleugnet, seitdem er sich mit einer neuen
Religion eingelassen hat.
3. Die treuen Gläubigen hungern nach Gottes Wort, das ihnen nicht mehr
gepredigt wird, und die treuen Gläubigen bitten uns um die katholischen
Sakramente.
Zuerst setzten wir unsere Hoffnung auf Erzbischof Lefebvre, in dem wir
den wahren katholischen Bischof sahen, den Verteidiger der wahren
Kirche, von dem sie auf legitime Weise die apostolische Sukzession
erben würde. Aber wir sind getäuscht worden. Lefebvre war nicht
ehrlich, und als wir sahen, daßer mit dem Vatikan Geschäfte machte, von
dem alle Schläge gegen die wahre Kirche gekommen sind, fühlten wir uns
verraten.
Aber wenn auch die Menschen Fehler machen, Gott kann sich nicht irren,
noch kann Er seine Kirche im Stich lassen. Deshalb trat nach dem Plane
der Vorsehung und zur rechten Zeit der berühmte und demütige Erzbischof
von Hue / Vietnam auf, der mit seinen mutigen Erklärungen die
Menschheit auf die verzweifelte Lage, in der sich die Kirche in den
Augen Gottes befindet, hinwies. Hierauf erklärte er den Hl. Stuhl für
vakant, die neue 'Messe' für ungültig und verpflichtete sich als
katholischer Erzbischof, für die Kirche alles zu tun, was er kann und
tun soll.
Mir wurde die Bischofswürde angeboten. Ich mußte darüber viel
nachdenken; und wenn ich mich dann schließlich dafür entschied, tat ich
dies allein deshalb, weil ich etwas beitragen wollte zum Heil und zum
Triumpf der Kirche. Am 17. Oktober 1981 wurden Pater Zamora und ich von
Erzbischof Thuc in einer wahren Katakombe, ohne andere Zeugen als zwei
berühmte Doktoren, zu Bischöfen geweiht. Beide waren wir uns bewußt der
furchtbaren Stürme, die sich wider uns erheben würden. Aber es
ermutigte uns folgendes Wort Unseres göttlichen Meisters: "Ihr werdet
weinen und wehklagen, die Welt aber wird sich freuen; ihr werdet
trauern, aber eure Trauer wird sich in Freude verwandeln." (Joh.16,20)
Gleich nach unserer Ankunft in Mexiko begannen die Angriffe. Einige
behaupteten - ohne jede Begründung -, daßunsere Konsekration ungültig
gewesen sei, weil wir nach dem neuen Ritus geweiht worden sind. Andere,
die ernster zu nehmen sind, beriefen sich auf die CaÒones 953 und 237o
und sagten, daßdie Weihen zwar gültig, aber unerlaubt seien, so daß wir
suspendiert wären. Wie man sieht, kennen unsere Gegner folgenden
Grundsatz nicht: "Qui cum regula ambulat, tuto ambulai." ("Wer mit der
Regel geht, geht sicher." Denn sie sollten sich für den Fall, es
vergessen zu haben, daran erinnern, daß Papst Gregor IX. elf und
Bonifaz VIII. achtundachzig Regeln zur richtigen Erklärung der Gesetze
hinterlassen haben. Diese Regeln können gemäßCanon 2o Mängel des
Gesetzes in Spezialfällen, wie wir sie z.B. gegenwärtig finden,
ergänzen. In der Tat sagt die 4. Regel Gregors IX. ausdrücklich:
"Propter necessitatem, illicitum efficitur licitum". ("Aus der
Notwendigkeit heraus wird Unerlaubtes erlaubt gemacht.")
Die Notwendigkeit, katholische Bischöfe und Priester zu haben, sowie
der Mangel an den wahren Sakramenten können leicht eingesehen werden;
infolgedessen sind wir gültig und erlaubt konsekriert worden.
Die 88. Regel von Bonifaz VIII. sagt ausdrücklich: "Certum est quod is
committit in legem qui legis verbum complectens contra legis nititur
voluntatem". ("Es ist sicher, daßder sich gegen den Geist versündigt,
der sich an den Buchstaben klammert und den Geist mißachtet.")
Trifft dies zu, ist es nicht recht, dem Gesetzgeber zu unterstellen,
daßer der Kirche solch einen Schaden zufügen wollte, daßwegen der
Sedisvakanz weder Bischöfe konsekriert noch Priester geweiht noch die
katholischen Sakramente den Gläubigen, die nach ihnen verlangen,
gespendet werden dürfen. Wir haben uns daher auf diese Regeln
verlassen, um von Erzbischof Thuc die Weihe zu empfangen, wobei wir
fest davon überzeugt sind, daßunter den gegenwärtigen Verhältnissen
diese Weihen nicht nur gültig, sondern auch erlaubt sind. Ohne Zweifel
hätten wir gesündigt, wenn wir, am Buchstaben haftend, die Weihen zu
einem Zeitpunkt ausgeschlagen hätten, da nur noch ein einziger Bischof
vorhanden ist, der die bischöfliche Sukzession weitergeben kann.
Ich weiß nicht, ob ich die Redaktionskonferenz von FIDELIDAD
zufriedengestellt habe. Aber ich öffnete Ihnen mein Herz und legte
Ihnen dar, was ich in dieser Streitfrage empfinde.
Seien Sie sich meiner Zuneigung bewußt. Ich bete zu Gott, Sie weiterhin
zu erleuchten, um weiter kämpfen zu können zur Verteidigung der Rechte
Christi und seiner Kirche, die jetzt so schamlos durch die verletzt
wird, welche die Pflicht hätten, sie zu verteidigen, auch wenn dies den
Verlust ihres Lebens bedeuten sollte.
De Uds. Afmo. en Xto.
+ Moisés Carmona R. |