ROSENKRANZSONNTAG 1977
von
+ H.H. Pfarrer Josef Leutenegger
(Predigt gehalten im Oktober 1977 in St. Michael, Baaderstr. 56 Rckgbd. München)
Heuer sind es 60 Jahre seit jener großartigen Erscheinung der lieben
Gottesmutter in Fatima, und der 13. Oktober war der Abschluß der am 13.
Mai 1917 begonnenen Erscheinungen. Da offenbarte sie sich nach dem von
70000 Personen wahrgenommenen gewaltigen Sonnenwunder als die Königin
des hl. Rosenkranzes. Sie verlangte neben der Weihe an ihr unbeflecktes
Herz den täglichen Rosenkranz als das Mittel den damals tobenden 1.
Weltkrieg zu beendigen, als das Mittel, Rußland zu bekehren, Kirche und
Welt den Frieden zu geben und zahllose Sünder vor dem ewigen Verderben
zu bewahren.
Alle ihre Voraussagen erfüllten sich bisher haargenau, bis auf die
letzte: Untergang mehrer Nationen. Der vorausgesagte II. Weltkrieg kam,
Rußland ist bis heute zur beständigen Bedrohung des Westens geworden.
Die Verfolgung der Kirche ist noch in vollem Gang. Tausende von
Christen wurden (in Rußland etc., Anm.d.Red.) ob ihrer gläubigen
Haltung zu Tode gemartert. Zahllose Drangsale haben die Welt
heimgesucht, suchen sie noch heim. Die Welt hat die Botschaft der
Muttergottes nicht ernst genommen, nimmt sie auch weiterhin nicht
ernst, nicht einmal die sog. katholische (Welt). Man spricht im (sog.)
katholischen Lager von Fatima-Rummel. Aber Tausende sagen heute: So
kann es nicht weitergehen! Sie leben in der großen Katastrophenangst
vor der Erwartung der "kommenden Dinge" (Lk. 21,25 ff.) und nicht
wenige Geistliche schüren diese Katastrophenangst in nicht zu
verantwortender Weise.
Maria aber sagt: "Ich allein kann euch noch helfen! Aber tut, was ich
sage!" Und eine ihrer Forderungen - man kann sagen, es ist die
Hauptforderung - ist die: Massengebetsaktion des Rosenkranzes. Der
Rosenkranz ist nach den Worten des Papstes Gregor XIII. die Placatio
irae divinae (der Versöhner des göttlichen Zornes). Daneben aber bringt
er drei, für die Zeit notwendigen Erfolge:
I. Vermehrung unseres Gottesglaubens,
II. Stärkung und Belebung unseres Gottvertauens,
III. Wiedererweckung der Gottes- und Nächstenliebe.
I. Vermehrung des Glaubens.
Die tiefste Ursache der heutigen allgemeinen Krise in Kirche und Welt
ist der zunehmende Unglaube. Begonnen hat dieser Glaubenszerfall in der
Reformation des 16. Jahrhunderts und schon vorher. Aber erst seit der
Reformation ging's in steigendem Maß und mit beschleunigtem Tempo weg
von Gott. Eine antireligiöse Welle nach der anderen erschütterte Europa
bis zu den blutigen Verfolgungen und dem satanischen Gotteshaß des
Bolschewismus. Millionen sind dieser antireligiösen Strömung zum Opfer
gefallen. Gläubig blieb - an der großen Masse gemessen - nur ein
kleines Häufchen. Ohne Religion ergibt sich aber der Mensch ganz dem
Diesseits. Er wird zum brutalen Egoisten, zum Tier, und schließlich zum
Teufel. Er kennt keine Verantwortung einem höheren Wesen, nämlich Gott
gegenüber, keine ewige Vergeltung. Und wenn die Menschen glaubenslos
werden, dann dominieren die sieben Hauptsünden als Massenlaster: die
Hoffart, der Neid, die Habsucht, der Zorn, die Rachsucht, die Unzucht!
Dann muß es zu einem Aufeinanderprallen der Massen kommen, zu
fürchterlichen Kriegen, wie wir das erlebt haben und noch immer
erleben. Ein gläubiges Europa würde niemals das getan haben, was das
ungläubige Europa in jüngster Vergangenheit getan hat, und was immer
noch geschieht: Menschenraub, Entführungen. Rettung aus dem Chaos
unserer Zeit bringt nur der Glaube, die Religion wieder. Der Glaube
jedoch ist eine Gnade. Keine Gnade aber ohne demütiges, inniges Gebet!
Von jeher war der Rosenkranz ein Glaubensgebet ! Als solches hat Maria
den Rosenkranz einst dem hl. Dominikus übergeben für die
Wiedergewinnung der Irrlehrer der damaligen Zeit. Und Papst Pius X.
hebt die Wirkung des Rosenkranzes hervor mit den Worten: "Der
Rosenkranz hat die Finsternis des Irrtums vertrieben und das Licht des
katholischen Glaubens in Tausend Herzen wieder angezündet."
Der Rosenkranz erhält und stärkt in uns einerseits das treue Festhalten
an der von Gott geoffenbarten Wahrheit, anderseits verscheucht er die
Zweifel und führt diejenigen, die redlich suchen, zur Quelle der
Wahrheit hin. Wie könnte es auch anders sein! Die Seele bewegt sich ja
beim Rosenkranzbeten ständig in den Glaubenswahrheiten, ist ganz
eingehüllt in den Glaubensgeist. Er beginnt ja mit dem
Glaubensbekenntnis, der Zusammenstellung der katholischen Wahrheiten.
Er schließt mit der Bitte um Vermehrung des Glaubens und dessen
Erhaltung, und zwischen drin stehen die 15 Rosenkranzgeheimnisse, in
denen alle wichtigen Wahrheiten an uns vorüberziehen (in Bildern). Und
sie ziehen betend, also willig und hingegeben an uns vorüber.
Der Glaube wird durch das Rosenkranzbeten fast wie von selbst zur Tat,
zum Leben nach dem Glauben, weil ja die Königin des hl. Rosenkranzes,
die vollkommenste Nachfolgerin Jesu beispielhaft vor unseren Augen
steht. Wie recht hatte Pius V., wenn er den Rosenkranz das Mittel zur
Vertreibung der Finsternis und Anzünder des Lichtes des Glaubens nennt.
Glaube und Rosenkranz standen von jeher in innigster Beziehung zu
einander. In den Zeiten und in den Ländern und Familien, wo der
Rosenkranz heimisch war, herrschte guter katholischer Glaube, sagte Leo
XIII. Da ist kein Verlust des Glaubens zu fürchten. Ein Beispiel: Als
sich in der Reformation viele vom katholischen Glauben trennten, trat
auch in Luxemburg ein Prediger auf, um die Luxemburger zur Annahme des
neuen Glaubens zu bewegen. Als der Prädikant geendet hatte, rief ein
Stadtbürger: "Ehe wir den neuen Glauben annehmen wollen, wollen wir
noch den Rosenkranz beten!" Gesagt, getan: Luxemburg blieb katholisch.
Der Rosenkranz als Gradmesser des Glaubens! Beten wir in den kommenden
Tagen den Rosenkranz um die Erhaltung des wahren katholischen, des
vorkonziliaren Glaubens. Wie sehr ist er doch gefährdet.
II. Belebung und Stärkung unseres Gottvertrauens.
Unsere Zeit ist nicht bloß eine glaubensschwache Zeit, sondern auch
eine vertrauenslose. Die Menschen haben kein Vertrauen mehr auf den
Herrgott. Sie haben zuviel auf die falschen Götzen vertraut, heißen
sie, wie sie wollen: Technik, Wirtschaft, Geld etc. Sie denken nicht
mehr an den Herrgott, der zu allem das Gedeihen, das Vollbringen geben
muß. Und so geraten sie dann in größte Seelennot, wenn tägliche Nöte
des Lebens an sie herankommen. Es gibt so viel verzagte Menschen in
unserer Zeit, sei es aus diesen oder jenen Gründen, private,
persönliche - oder dann aus der Zeit, Welt-und Kirchennot. Die stets
zunehmende Zahl der Selbstmorde unter Jugendlichen und der älteren
Menschen aus allen Klassen sprechen Bände von verzweifelten Menschen,
die in scheinbar auswegloser Not Hand ans Leben legen.
In der Schule des Rosenkranzes lernen wir wieder festes Gottvertrauen.
Der ganze Rosenkranz ist eine Erzählung von lauter Erfüllung des auf
Gott gesetzten Vertrauens. Maria vertraut auf das Wort des Engels und
seine Botschaft, und sie gebar ohne Verletzung ihrer Jungfrauschaft den
Gottes-Sohn. Maria und Joseph vertrauten den Worten des Engels und
kamen glücklich nach Ägypten, und das göttliche Kind war in Sicherheit
vor Herodes. Die frommen Israeliten vertrauten auf die Weissagungen der
Propheten von einem kommenden Messias und Erlöser, und sie wurden nicht
getäuscht. Der freudenreiche Rosenkranz kündet es: "Den Du, o Jungfrau,
geboren hast. - Der schmerzhafte und glorreiche Rosenkranz erzählen
uns, wie er uns tatsächlich erlöst hat.
Das ganze Marienleben war ein Leben des unerschütterlichsten
Gottvertrauens, ein sich Verlassen auf die Versprechungen Gottes.
Siehe, sie ward aufgenommen mit Leib und Seele in den Himmel! - Und die
Geschichte und die Erfahrung lehren: wer immer, Menschen und Völker, in
der Stunde der Not und Gefahr zum Rosenkranz griff, dem wuchs unterm
Beten das Vertrauen, und mit dem Vertrauen kam die erwartete Hilfe. Sie
wird auch heute nicht ausbleiben. "Der Rosenkranz wird in unserer Zeit
wahre Wunder wirken", hat eine heiligmäßige Seele gesagt.
III. Der Rosenkranz ist eine Schule der Gottes- und Nächstenliebe.
Eine Riesenwelle teuflischen Gotteshasses ist in den letzten Jahren
über die Welt gegangen, im Neu-Heidentum und im Bolschewismus. Wohl gab
es zu allen Zeiten Gotteshasser, aber allgemeine Zeiterscheinung war es
doch nie. Wohl haben die Juden Christus gehaßt, aber der Heiland
entschuldigte diesen Haß mit Unkenntnis. 3oo Jahre wüteten die
römischen Imperatoren gegen Jesus und sein Werk. Vieles mag zu ihrer
Entschuldigung gelten. Aber was in den letzten Jahrzehnten an Gotteshaß
und Christentumsfeindlichkeit geschah, übersteigt alles bisherige.
Und die Antwort Gottes? Sie wird uns gegeben im freudenreichen
Rosenkranz: "So sehr hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen
eingeborenen Sohn in die Welt sandte, damit alle, die an ihn glauben,
nicht verloren gehen." (Joh. 3,16) Im schmerzhaften Rosenkranz: "Eine
größere Liebe hat niemand als wer sein Leben hingibt für seine Schafe."
(Joh. lo,11) "Ich bin gekommen zu suchen, was verloren war." (Luk.
19,lo) Am Rosenkranz lernen wir, wie Gott so unendlich gut ist mit den
Menschen, langmütig und barmherzig. Statt sie zu vertilgen und
auszurotten von der Erde, schenkt er ihnen stets hinfort seine Güte und
Liebe. Er vergilt Böses mit Gutem. Am Rosenkranz lernen wir Gott kennen
und lieben aus ganzem Herzen. Und niemand kann auf die Dauer den
Rosenkranz andächtig beten, ohne daß er nicht entzündet würde in der
Liebe Gottes.
Und er wird auch entzündet in der Liebe zu den Menschen. Der Rosenkranz
verurteilt den modernen Chauvinismus, die modernen Theorien von
Herrenvolk und Sklavenvolk, von der Minderwertigkeit gewisser Rassen
und Völker. Der Rosenkranz ist die Verurteilung jeglichen Hasses gegen
einander, eine Verurteilung des modernen Nationalismus, der nur eigene
Volksgenossen kennt, Bürger des eigenen Landes, und Menschen anderer
Nationalität oder Gesinnung als minderwertige Sklavenvölker betrachtet,
eine Verurteilung der modernen Brutalität, die kein Mitleiden mehr
kennt mit einem menschlichen Schicksal: der Terrorismus.
Der Rosenkranz lehrt, daß alle Menschen untereinander Kinder des einen
Gottes sind, der alle so sehr geliebt hat, für alle seinen Sohn dahin
gegeben hat, der lehrt, daß alle von Christus erlöst werden sollen und
alle für das selbe ewige Ziel berufen sind. Am Rosenkranz lernen wir
international denken und lieben. Am Rosenkranz muß der Völkerhaß
sterben. Der Rosenkranz ist die Schule der Liebe. Beten wir ihn in
diesem Monat auch in der Meinung, daß die Völker sich wieder finden in
christlicher Liebe.
So ist der Rosenkranz nicht veraltet, sondern ein hochaktuelles, höchst
modernes Gebet: Heilmittel gegen die Zeitübel, Heilmittel gegen die
Grundübel: Glaubenslosigkeit und Religionslosigkeit. Und ohne Religion
verfallen wir dem Barbarismus, dem Bestialismus, der zum
rücksichtslosesten Kampf um die Futtertröge wird. Der Rosenkranz
predigt: E i n e s ist notwendig, das Reich Gottes - und alles andere
wird euch hinzugegeben werden. (Matth. 6,33) Der Rosenkranz predigt:
"Vertrau auf Gott und laß Ihn walten, er wird dich wunderbar erhalten."
Er predigt anstatt des Gottes- und Menschenhasses (die beide das Leben
der Menschen zur Hölle machen, irdisch und ewig): Gott ist die Liebe!
Und Gottes Liebe ist weltumspannend, keinen ausschließend, sondern alle
umfangend in göttlicher Liebe. Nur auf diese Liebe kann eine neue Zeit,
eine neue Welt erstehen, die alle Menschen glücklich machen würde.
In diesem Sinne wollen wir in diesen Tagen und immer den Rosenkranz
beten. Wenn Maria, die liebe Rosenkranzkönigin nicht hilft, erstirbt
die Welt in der Flut des Hasses, im Chaos der Kriege und Revolutionen.
Darum fügen wir dem Rosenkranz besonders innig die drei letzten Bitten
hinzu: Erhalte und festige in uns den wahren Glauben, stärke in uns das
Vertrauen auf die Hilfe Gottes und Mariens und entzünde und entflamme,
o heilige Rosenkranzkönigin, alle Völker wieder in wahrer,
weltumspannender Liebe. |