EINIGE ANMERKUNGEN ZU DEN VON MGR. NGO-DINH-THUC
UND MGR. CARMONA GESPENDETEN BISCHOFSWEIHEN
von
Dr. Eberhard Heller
Verschiedene Anfragen und Einwendungen gegen die von S.E. Mgr. Pierre
Martin Ngo-dinh-Thuc im letzten Jahr und kürzlich auch von S.E. Mgr.
Moisés Carmona gespendeten Bischofsweihen - man vgl. dazu auch die
geäußerten Auffassungen in dem "Offenen Brief" von Herrn Rektor a.D.,
Otto Braun in diesem Heft - veranlassen mich, einige grundsätzliche
Bemerkungen dazu und zu ihrer Vorgeschichte zu machen. Ich greife dabei
ein wenig zurück.
Um das, was letztes Jahr in Toulon, dieses Jahr in Mexiko und den
U.S.A. geschah und viele Gemüter bewegt, richtig zu verstehen und zu
bewerten, ist es nötig, das Bild der kirchlichen und religiösen
Situation zu zeichnen, wie es sich bereits damals, d.h. Ende der 60-er,
Anfang der 70-er Jahre bot:
1. ein häretischer (oder apostatischer) 'Papst' auf der Cathedra Petri;
2. die überwiegende Mehrheit des Klerus ebenfalls in Apostasie oder Häresie;
3. ein neuer, obligatorischer, ungültiger 'Meß'ritus;
4. ungültige Sakramentsriten, oder zumindest zweifelhafte;
5. ungültige bzw. zweifelhafte Weiheriten;
6. fortgesetzte Zerstörung der dogmatisch fixierten Glaubenslehre;
7. fortgesetzte Zerstörung oder Untergrabung der katholischen Moralgrundsätze.
Wenn mit Gottes Hilfe nichts zu ihrer Rettung geschehen würde, drohte
die Revolution von oben die Kirche Christi bald ausgelöscht zu haben.
Denn
a) ohne wahren Glauben gäbe es keine Heilsvermittlung,
b) ohne Sakramente keinen unmittelbar lebendigen, konkreten Zugang zu Gott,
c) ohne hl. Meßopfer keine Wiedergutmachung und Versöhnung, keine unmittelbare reale Liebesverbindung mit Gott,
d) ohne Hierarchie hörte die Kirche auf, Institution der sakramentalen Heilsvermittlung zu sein,
e) ohne gültige Weihesakramente risse die apostolische Sukzession ab.
Was unter diesen Vorraussetzungen von der von Christus gestifteten und
beauftragten Kirche übrig bleiben würde, wäre eine 'Kirche', die weder
einig, heilig, katholisch noch apostolisch wäre. Was übrig bliebe, wäre
eventuell eine Sekte übelster Art. Nachdem es offenkundig war, daß
diese Revolution von oben, d.h. von Paul VI. ausging, daß also die
häretischen Veränderungen im Dogma und in den Riten von ihm als
ausdrücklich gewollt durchgeführt wurden, stellte sich zugleich auch
die Frage nach seiner Legitimität als Papst. Zwei der ersten, die auf
dieses Problem hinwiesen und es sachlich präzise behandelten, waren
H.H. Pater Dr. Joaquín Sáenz y Arriaga / Mexiko und Herr Dr. Hugo Maria
Kellner / U.S.A.. In der EINSICHT wurde diese Frage - neben der
ausführlichen Untersuchung des sog. 'N.O.M.' durch Herrn Franz Bader -
seit dem Erscheinen des 1. Heftes im April 1971 (!) von verschiedenen
Autoren immer wieder behandelt.
Dabei gingen die weiteren Überlegungen sofort dahin:
1. Wie kann die Kirche als Institution gerettet werden?
2. Wie kann das hl. Meßopfer bewahrt werden, ebenso die andern Sakramente?
3. Wie kann die Verkündigung der wahren Doktrin gewährleistet werden?
4. Wie kann die apostolische Sukzession gesichert werden?
All die hier aufgezählten Fragen wurden nicht nur theoretisch
behandelt, sondern man ging mit den sehr begrenzten Kräften auch daran,
an ihrer Lösung konkret zu arbeiten - es versteht sich, ohne darüber
öffentlich zu reden.
Wie hätte sich die Kirche in einer solchen Situation, in der durch den
Glaubensabfall ihres Oberhauptes eine solche Krise ausgelöst worden
war, verhalten müssen?
Normalerweise wird ein Papst, der in Häresie gefallen ist, von einem
Conventus als für abgesetzt erklärt, wie das in der Geschichte der
Kirche häufiger geschah. Denn ein häretischer 'Papst' ist gleichsam ein
Widerspruch in sich. Er hat ipso facto sein Amt verloren, er hat sich
dadurch selbst abgesetzt. ("Papa haereticus est depositus", so der hl.
Robert Bellarmin, ebenso Suarez.) Da aber die Kirche nicht nur
unmittelbare spontane Glaubensgemeinschaft ist, aus der man sich
ausschließt, wenn man nicht mehr den gleichen Glauben lebt, sondern
auch sichtbare, juridisch organisierte Institution ist, muß ein 'Papa'
haereticus vor der Kirche öffentlich als für abgesetzt erklärt werden.
("Papa haereticus ... est deponendus", so der hl. Kajetan, so Jean de
St. Thomas.)
Die Feststellung vor der Kirche, daß ein Papst in Häresie gefallen war,
traf normalerweise (ein vom Kaiser als Protector Ecclesiae
einberufener) Conventus - im Regelfall das rechtgläubig gebliebene
Kardinalskollegium -, der ihn damit zugleich auch als (sich selbst)
abgesetzt (habend) erklärte und daraufhin zur Wahl eines neuen Papstes
schritt. Erste Aufgabe dieses Papstes war es dann, die neu
aufgetretenen Häresien und die Häretiker zu verurteilen.
Es ist das eigentliche Mysterium des Bösen unserer Zeit, daß bisher
dieser chaotische Zustand, in dem wir kirchlich leben, nicht beendet
wurde, daß fast alle Amtsträger abgefallen sind, daß sich ein solcher
Conventus nicht gebildet hat, der seine Aufgabe wahrzunehmen gehabt
hätte. Wir leben seit dem Jahre 1963, als Montini (Paul VI.) den Stuhl
Petri okkupierte - ebenso wie seine Nachfolger - in einer papstlosen
Zeit; es herrscht Sedisvakanz. (Man kann sich jetzt noch darüber
streiten, ob Montini bereits bei seinem Amtsantritt oder früher oder
später Häretiker war; die Sachlage wird durch die mögliche Veränderung
des Datums des Beginns der Sedisvakanz nicht verändert.)
Trotz der Veröffentlichung des "Liber accusationis" des Abbé de Nantes
gegen Paul VI. und neuerlich der "Declaratio" von S.E. Mgr.
Ngo-dinh-Thuc, die diesen Tatbestand dokumentiert, werden vom
rechtgläubigen Klerus keinerlei Anstrengungen unternommen, diesen
Zustand zu beenden. Die meisten traditionell eingestellten Kleriker und
Gläubigen belügen sich schlicht über das wirkliche Ausmaß der
geistig-religiösen Katastrophe, in der wir alle leben, und lassen alles
weiter schluren. Die Hauptschuld an diesem Gewurstle trägt der
europäische, traditionell bzw. rechtgläubig eingestellte Klerus, der,
von wenigen Ausnahmen abgesehen, restlos versagt hat!!! Dies muß
festgehalten werden. Jeder wirtschaftet nur in seine Tasche, denkt nur
an seine Rente; überall Heilsegoismus krassester Art. Man ist zu feige,
zu faul, zu heuchlerisch, dünkelhaft, ohne Hochherzigkeit, ohne
Gottvertrauen, kraftlos und eitel: Kein Handeln ohne hundertfache
Rückversicherung. Wenn etwas in mir wirkliche Verbitterung auslösen
kann, dann ist es der Gedanke an dieses unendlich beschämende,
unendlich traurige, unendlich würde-, ja ehrlose Verhalten der sog.
rechtgläubigen europäischen Geistlichen. Ich verliere manchmal die
Beherrschung, wenn ich mir anhören muß, wie fromm, wie tapfer der und
der Priester doch sei. Der Verrat der Amtskirche begegnet einem in
einer sublimeren Form auf einer höheren Ebene wieder: der Verrat durch
Faulenzerei, durch Verweigerung, durch Nichts-Tun. Und so geht der
letzte Rest von Vertrauen bei den Gläubigen verloren.
Angesichts dieses, fast totalen Versagens der Geistlichen, besonders
der jüngeren, die, obwohl sie sich über die Situation sehr wohl im
Klaren waren, noch bewußt die wenigen guten Unternehmungen möglichst
torpedierten (weil ihre Privatinteressen betroffen waren), also
angesichts dieses Versagens war es mit den übrigen, willigen, aber sehr
begrenzten Kräften bisher nicht möglich, diese wichtige Aufgabe,
nämlich die Einberufung eines Conventus voranzutreiben.
Parallel zu diesen Anstrengungen liefen aber von Anfang der 7o-er Jahre
die Bemühungen, die apostolische Sukzession zu retten, ohne die die
Kirche verloren wäre. Zunächst wurde M. Lefebvre von uns auf dieses
Vorhaben hin angesprochen: er möge doch angesichts der Dringlichkeit
einen Bischof weihen. (N.B. Damals war uns die Problematik seiner
eigenen Weihen noch nicht bekannt.) Er reagierte zynisch. Nachher wurde
er noch von den verschiedensten Seiten daraufhin angesprochen. Trotz
seiner Ablehnung einer von ihm vorgenommenen Bischofsweihe ging M.
Lefebvre allerdings später mehrfach doch so weit, daß er eine in
Aussicht gestellte Bischofsweihe als Druckmittel gegen 'Rom' benutzte,
um seine 'Eingliederung' in den apostatischen Verein zu beschleunigen.
(N.B. Ich kann mir nicht vorstellen, daß eine theologisch halbwegs
gebildete - großer Katechismus genügt -, primär religiös eingestellte
Person nicht^ fähig sein sollte zu durchschauen, daß M. Lefebvres
Position, weil in sich absolut widersprüchlich, unhaltbar ist. Die
Lefebreisten sind entweder dumm oder moralisch defizient bzw. direkt
bösartig. Schande über all diejenigen, die sein Spiel wissend
mitbetrieben haben oder mittreiben!)
Es wäre leicht gewesen, die apostolische Sukzession durch Bischöfe der
Alt-römisch-katholischen Kirche zu sichern, von denen eine ganze Reihe
ihre Unterstützung angeboten haben. Doch diese haben (unter der
Voraussetzung der Gültigkeit ihrer eigenen Weihen, die allerdings nicht
gewährleistet ist!) durch ihren schismatischen Zustand keinerlei wahre
Beauftragung zur Amtsausübung. Ihre Sakramente dürfen nur in extremis,
d.h. im Todesfall angenommen werden. Daraufhin angesprochen, erklärte
sich dagegen S.E. Mgr. Pierre Martin Ngo-dinh-Thuc gleich bei der
ersten längeren Unterredung bereit, Bischöfe zu weihen, weil er die
drohende Gefahr für die Kirche ähnlich sah. So kam es schließlich zu
der Weihe von S.E. Mgr. Guerard des Lauriers, zu den Bischofsweihen
I.E. Mgr. Cannona und Mgr, Zamora. Darum - um die Sukzession zu sichern
- weihte S.E. Mgr. Carmona unter der Assistenz von Mgr. Zamora dieses
Jahr die mexikanischen und amerikanischen Priester, die sich im
Widerstand bewährt hatten, zu Bischöfen.
Die ersten Weihen mußten vorläufig geheim gespendet und geheim gehalten
werden, aus dem gleichen Grund, warum Pius XII. Bischofsweihen in
Rußland geheim spenden ließ. Man mußte vorsichtig sein, denn Mgr. Thuc
wurde laufend überwacht. Für alle Beteiligten bestand (und besteht
noch) Gefahr, über die man sich im Klaren war. Dennoch geschah die
Geheimhaltung nicht aus Furcht - niemand hatte Angst! -, sondern um die
Weihen überhaupt durchführen zu können. Hätte man es öffentlich
gemacht, hätte die andere Seite alles getan, die Weihen zu verhindern.
Den Weihen wohnten Zeugen bei. Sie sind überdies ausführlich
dokumentiert, auch photograpisch. Nachdem die Konsekrationen jedoch
durch P. Barbara, der selbst zum Bischof ga/eiht zu werden wünschte, in
gehässigster Form verraten worden waren (ähnlich wie das Montini mit
den Geheim-Bischöfen in Rußland gemacht hat), wurden die weiteren
Weihen in aller Öffentlichkeit gespendet.
Gegen sie und die Person von Mgr. Ngo-dinh-Thuc richten sich offen oder unterschwellig etliche Bedenken:
1. Da Mgr. Thuc die Bischöfe von Palmar geweiht hat, hat er sich als Konsekrator disqualifiziert - so ein Einwand.
Antwort: Der jeweilig konsekrierende Bischof ist verpflichtet, die
Weihekandidaten nach menschlichem Wissen zu prüfen. Das hat Mgr. Thuc
getan. Er hat die Palmarianer geweiht, weil er der Auffassung sein
konnte, der Kirche damit einen wesentlichen Dienst zu tun. Hinterher
ist man immer klüger. Ich habe noch niemanden angetroffen, der
Kardinal'Faulhaber nachträglich Vorwürfe gemacht hätte, weil er
Döpfner, einen der großen, einflußreichen Moderatoren des II.
Vatikanums, zum Bischof geweiht habe. Menschliches Wissen schließt, wie
sich das in Palmar oder an Döpfner gezeigt hat, Irrtum nicht aus. Und
wer hat all die anderen abgefallenen Bischöfe geweiht? Machte man
deswegen einem Pius XII. Vorwürfe!
2. Mgr. Thuc ist Chef von Palmar gewesen.
Antwort: Das war er nie. Gleich nach den Weihen haben sie sich von ihm
getrennt. Sie schulden ihm bis heute noch Reisegelder, die er für sie
ausgelegt hat!
3. Die Weihen wurden ohne päpstliche Autorisation unerlaubt gespendet, gegen CIC, can. 953 bis 955.
Antwort: Das stimmt, wenn man die rechtlichen Vorschriften rein formal
nimmt. Es gab eine französische Gruppierung traditioneller Prägung, die
Mgr. Thuc nach Bekanntwerden wegen der Unerlaubtheit heftig
attakierte.(Inzwischen haben sich die Vorwürfe von dieser Seite nach
einigem Nachdenken in inständiges Bitten um einen legitimen Papst
verwandelt.) Man muß sich aber angesichts der schier ausweglosen
Situation über einige wesentliche Punkte Klarheit verschaffen:
a) Wir haben keinen Papst, der die
Vollmacht zur Weihe hätte geben können. Hätten wir einen, wäre er
bestimmt nicht übergangen worden, d.h. man hätte überhaupt nicht in
seine Amtsführung eingegriffen,
b) Bei den Weihen ging es nicht um eine beabsichtigte Verletzung des
Kirchenrechtes, sondern um die Bewahrung der apostolischen Sukzession.
Wenn ein Arzt einem Patienten helfen soll, ist er häufig auch
gezwungen, normalerweise geltende Schamhaftigkeit außer acht zu lassen,
c) Das höchste Gesetz gilt dem Heil der Seelen. (Suprema lex salus
animarum.) Ohne Bischöfe keine Priester(weihen), ohne Priester keine
Sakramente! Das göttliche Recht hat nach Auffassung von Mgr. Thuc
Vorrang vor dem rein kirchlichen Gesetz, wenn dieses sich gegen das
erstere stellt oder gegen dieses mißbraucht wird. Abgesehen davon habe
der Apostel Paulus, so Mgr. Thuc weiter, auch ohne (Vor)Wissen des hl.
Petrus für die Kirche Bischöfe geweiht.
Und aus diesen Überlegungen heraus hat S.E. Mgr. Pierre Martin
Ngo-dinh-Thuc gehandelt! Wenn es im Heilsplan Gottes beschlossen ist,
wurde dadurch die wahre apostolische Sukzession für die
römisch-katholische Kirche gerettet. (Um der Gefahr eines erneuten
schismatischen Auseinanderbrechens vorzubeugen, verlangen die
mexikanischen Bischöfe von neuen Kandidaten die Anerkennung S.E. Mgr.
Thuc als provisorischen Obern.)
Es gilt jedoch noch auf ein Problem hinzuweisen, das bei allem bisher
Erreichten ungelöst blieb, ungelöst bleiben mußte, und das vermutlich
etliche Gläubige zu Recht in einer gewissen Reserve behalten hat:
welche Stellung und Befugnisse hat nun Mgr. Thuc, haben die
neu-geweihten Bischöfe in der Kirche? Auf diese äußerst ernste Frage
will demnächst der sich um den Widerstand so hochverdient gemacht
habende, ehemalige Theologie-Professor an der Laterans-Universität,
S.E. Mgr. Guerard des Lauriers eingehen, dessen angekündigten Beitrag
wir demnächst gerne veröffentlichen werden. Falls Monsignore aus irgend
welchen Gründen verhindert sein sollte, diesen Beitrag auszuarbeiten,
werden wir selbst diese Problematik auf jeden Fall noch aufgreifen. |